Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 14.07.2006; Aktenzeichen 6 A 10238/06.OVG) |
VG Neustadt a.d. Weinstraße (Urteil vom 01.12.2005; Aktenzeichen 4 K 1281/05.NW) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Beitragsfestsetzung einer berufsständischen Versorgungseinrichtung. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Höhe des Beitrages zum Versorgungswerk der rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltskammern und begehrt unter Hinweis auf seine Kindererziehungsleistung die Zahlung eines geringeren Beitrages.
I.
Der Beschwerdeführer ist Vater von drei Kindern und als selbständiger Rechtsanwalt kraft Gesetzes Mitglied des Versorgungswerkes der rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltskammern. Die Mitglieder sind zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet. Das Versorgungswerk der rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltskammern bestimmt im Rahmen seiner Satzungsautonomie die Beitragshöhe auf der Ermächtigungsgrundlage von § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Landesgesetzes über die rheinland-pfälzische Rechtsanwaltsversorgung (Rechtsanwaltsversorgungsgesetz – RAVG) in der hier maßgeblichen Fassung vom 29. Januar 1985 (GVBl S. 37). Nach § 6 RAVG in Verbindung mit § 23 Abs. 1 und 2 der Satzung des Versorgungswerks der rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltskammern (im Folgenden: RAVS) vom 21. August 1985 (StAnz 1986, S. 345) in der hier anzuwendenden Fassung der Änderungssatzung vom 18. Dezember 2002 (StAnz 2003, S. 252) wird von den Mitgliedern ein Beitrag auf der Grundlage des beitragspflichtigen Einkommens erhoben. Die Erziehung von Kindern findet bei der Beitragsfestsetzung keine Berücksichtigung.
Der Beschwerdeführer hatte im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren erfolglos eine Verringerung seines Beitrages zum Versorgungswerk der rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltskammern für das Jahr 2003 mit der Begründung verfolgt, die Betreuung und Erziehung seiner Kinder hätte bei der Beitragsfestsetzung begünstigend berücksichtigt werden müssen. Zuletzt lehnte das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz den Antrag auf Zulassung der Berufung ab.
Die Verfassungsbeschwerde wendet sich unmittelbar gegen die das Begehren des Beschwerdeführers ablehnenden Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen und mittelbar gegen § 6 RAVG in Verbindung mit § 23 Abs. 1 und 2 RAVS. Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 und 4 GG geltend.
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Annahmegründe gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist ohne Aussicht auf Erfolg.
1. Soweit sich der Beschwerdeführer auf eine Verletzung von Art. 6 Abs. 4 GG beruft, ist die Verfassungsbeschwerde bereits unzulässig. Es fehlt an einer hinreichenden Begründung nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG. Dazu gehört neben der Bezeichnung des angefochtenen Hoheitsaktes und der Angabe eines der in § 90 Abs. 1 BVerfGG erwähnten Rechte die substantiierte Darlegung des die Verletzung dieses Rechtes enthaltenden Vorgangs (vgl. BVerfGE 81, 208 ≪214≫). Der Beschwerdeführer hat eine mögliche Verletzung des für Mütter geltenden Grundrechtes aus Art. 6 Abs. 4 GG nicht ausreichend dargelegt.
2. Im Übrigen ist eine Verletzung von Verfassungsrechten des Beschwerdeführers nicht ersichtlich.
a) Art. 6 Abs. 1 GG ist nicht dadurch verletzt, dass der Beschwerdeführer keiner verminderten Beitragspflicht unterworfen wird, obgleich ihn Betreuung und Erziehung seiner Kindern finanziell belasten. Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art. 6 Abs. 1 GG den Staat verpflichtet, beinhaltet nicht, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Zwar folgt aus Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip die allgemeine Pflicht des Staates, für einen Familienlastenausgleich zu sorgen. Der Gesetzgeber und die ihm nachgeordneten Normgeber haben jedoch einen Gestaltungsspielraum bei der Entscheidung darüber, in welcher Weise und in welchem Umfang ein sozialer Ausgleich vorzunehmen ist (vgl. BVerfGE 87, 1 ≪36≫; 103, 242 ≪259≫; 106, 166 ≪178≫; 113, 1 ≪26≫). Soweit § 6 RAVG in Verbindung mit § 23 Abs. 1 und Abs. 2 RAVS erwerbstätige Mitglieder des Versorgungswerks der rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltskammern mit Kindern zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet, ohne die Leistung der Erziehung und Versorgung beitragsmindernd zu berücksichtigen, ist dieser Spielraum nicht überschritten. Im Übrigen bleibt die finanzielle Belastung von Familien im Satzungsrecht des Versorgungswerks nicht unberücksichtigt. Mitglieder können sich während der Betreuung eines Kindes in den ersten drei Lebensjahren von der Beitragspflicht befreien lassen oder auf Antrag einen verringerten Beitrag leisten.
b) Es verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG, dass die Erziehungsleistung eines erwerbstätigen Mitgliedes des Versorgungswerks nicht beitragsmindernd berücksichtigt wird. Die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 3. April 2001 (BVerfGE 103, 242) entwickelten Grundsätze können auf die Beitragserhebung durch das Versorgungswerk der rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltskammern nicht übertragen werden.
aa) Die Sicherung der Finanzierung von Versorgungsleistungen des Versorgungswerks der rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltskammern beruht maßgeblich auf der Bildung und Vermehrung von Vermögen. Soweit die Beiträge nicht für satzungsgemäße Ausgaben verwandt werden, sind die Einnahmen eines jeden Jahres gemäß § 30 Abs. 2 RAVS der Deckungsrücklage zuzuführen. Das Vermögen wird in verschiedenste Anlageformen investiert und vermehrt. Das Versorgungswerk der rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltskammern ist daher derzeit nicht in gleicher Weise wie ein umlagefinanziertes Sozialversicherungssystem auf eine ausreichende Anzahl von beitragszahlenden Mitgliedern der nachwachsenden Generationen angewiesen (vgl. zur privaten Pflegeversicherung BVerfGE 103, 271 ≪292≫).
bb) Im Übrigen fehlt es an der Mindestgeschlossenheit des Systems (vgl. BVerfGE 109, 96 ≪127≫). Anders als bei der sozialen Pflegeversicherung mit ihrem sehr hohen Versichertengrad kann nicht davon ausgegangen werden, dass die heute von den Mitgliedern des Versorgungswerks erzogenen Kinder ihrerseits wieder dessen Mitglieder werden und dann mit ihren Beiträgen die Finanzierung der Versorgungsleistungen sicherstellen.
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Gaier
Fundstellen