Verfahrensgang
LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 03.09.2009; Aktenzeichen L 1 SF 168/09 B RG) |
LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 07.08.2009; Aktenzeichen L 1 SF 104/09) |
LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 29.07.2009; Aktenzeichen L 1 SF 104/09) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft Richterablehnungen im sozialgerichtlichen Verfahren und die Statthaftigkeit der Anhörungsrüge gegen die Zurückweisung eines Richterablehnungsgesuches.
I.
Der Beschwerdeführer führt vor dem Sozialgericht ein Klageverfahren. Er lehnte den dort zuständigen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Landessozialgericht wies das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 29. Juli 2009 zurück.
Daraufhin lehnte der Beschwerdeführer die Richter des Landessozialgerichts, die diesen Beschluss gefasst hatten, wegen Besorgnis der Befangenheit unter Hinweis auf die Möglichkeit, gegen den Beschluss eine Anhörungsrüge zu erheben, ab. Das Landessozialgericht verwarf dieses Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 7. August 2009 als unzulässig. Zum einen sei die Ablehnung eines ganzen Spruchkörpers unzulässig und zum anderen sei das Verfahren über das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Sozialgericht abgeschlossen; eine Anhörungsrüge wäre nicht statthaft.
Der Beschwerdeführer erhob nun Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 29. Juli 2009 und lehnte die zuständigen Richter des Landessozialgerichts erneut als befangen ab.
Das Landessozialgericht verwarf mit Beschluss vom 3. September 2009 die Anhörungsrüge als unzulässig. Der Beschluss vom 29. Juli 2009 sei gemäß § 178a Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung nicht mit der Anhörungsrüge anfechtbar. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 2007 (1 BvR 782/07 – BVerfGE 119, 292 ff.) betreffe nur den Fall, dass ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung, mit dem auch eine Inzidentprüfung der Verletzung rechtlichen Gehörs erfolgen könnte, nicht mehr gegeben sei. Hier sei zwar die Beschwerde gegen die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ausgeschlossen. Gleichwohl könne eine Verletzung rechtlichen Gehörs im danach wieder aufgenommenen Verfahren vor dem Sozialgericht weiterhin gerügt werden und könne dort oder in der Folgeinstanz geheilt werden. Über die Anhörungsrüge habe das Gericht unter Beteiligung der erneut abgelehnten Richter entscheiden dürfen, da das erneute Ablehnungsgesuch ebenfalls unzulässig sei. Der Beschwerdeführer habe lediglich die Gründe aus dem ersten, bereits verworfenen Ablehnungsgesuch wiederholt.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen alle drei Beschlüsse des Landessozialgerichts. Der Beschwerdeführer sieht sich in seinen Grundrechten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 19 Abs. 2 und 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Er sei gehindert, seine Argumente vorzubringen. Er könne nicht erkennen, dass das Landessozialgericht sein Vorbringen gewürdigt habe.
Entscheidungsgründe
II.
Zwar genügen die angegriffenen Entscheidungen des Landessozialgerichts zum Teil den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Gleichwohl ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung nicht angezeigt.
1. Nicht zu beanstanden ist, dass das Landessozialgericht das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Sozialgericht zurückgewiesen hat.
a) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG garantiert auch, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet. Der Gesetzgeber hat deshalb in materieller Hinsicht Vorsorge dafür zu treffen, dass die Richterbank im Einzelfall nicht mit Richtern besetzt ist, die dem zur Entscheidung anstehenden Streitfall nicht mit der erforderlichen professionellen Distanz eines Unbeteiligten und Neutralen gegenüberstehen. Die materiellen Anforderungen der Verfassungsgarantie verpflichten den Gesetzgeber dazu, Regelungen vorzusehen, die es ermöglichen, einen Richter, der im Einzelfall nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet, von der Ausübung seines Amtes auszuschließen (vgl. BVerfGE 21, 139 ≪145 f.≫; 30, 149 ≪153≫; 82, 286 ≪298≫; 89, 28 ≪36≫; BVerfGK 5, 269 ≪279 f.≫; 12, 139 ≪143≫).
Eine „Entziehung” des gesetzlichen Richters im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Rechtsprechung, der die Anwendung der Zuständigkeitsregeln und die Handhabung des Ablehnungsrechts im Einzelfall obliegt, kann nicht in jeder fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen werden; andernfalls müsste jede fehlerhafte Handhabung des einfachen Rechts zugleich als Verfassungsverstoß gelten (vgl. BVerfGE 82, 286 ≪299≫; BVerfGK 5, 269 ≪280≫; 12, 139 ≪143≫). Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind aber jedenfalls dann überschritten, wenn die Auslegung einer Verfahrensnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt (vgl. BVerfGE 82, 286 ≪299≫ m.w.N.; BVerfGK 5, 269 ≪280≫; 12, 139 ≪143 f.≫). Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts (vgl. BVerfGE 29, 45 ≪49≫; 82, 159 ≪197≫; BVerfGK 5, 269 ≪280≫; 12, 139 ≪143 f.≫) beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt, kann nur angesichts der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BVerfGK 5, 269 ≪280≫; 12, 139 ≪144≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2009 – 1 BvR 165/09 –, NVwZ 2009, S. 581 ≪582≫).
b) Nach diesen Maßstäben begegnet die Entscheidung des Landessozialgerichts keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es ist im Hinblick auf das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG insbesondere unbedenklich, wenn die Fachgerichte davon ausgehen, dass die Besorgnis der Befangenheit regelmäßig nicht durch rechtliche Hinweise oder Anregungen begründet werden kann, wenn nicht ausnahmsweise unsachliche Erwägungen erkennbar sind, wobei es allerdings nicht auf die Richtigkeit der zugrundeliegenden Rechtsansicht ankommt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2009 – 1 BvR 165/09 –, NVwZ 2009, S. 581 ≪584≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2009 – 1 BvR 182/09 –, juris, Rn. 17). Entsprechend ist es nicht zu beanstanden, dass das Landessozialgericht in der deutlichen Äußerung des abgelehnten Richters über die Erfolgsaussichten der Klage des Beschwerdeführers keinen die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigenden Umstand gesehen hat. Das Landessozialgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die sozialgerichtliche Verfahrensordnung in § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG selbst vorsieht, dass dem Betroffenen die unter Umständen aus der Aussichtslosigkeit seines Klagebegehrens resultierende Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt werden kann.
Ebenso führt auch eine etwaige unrichtige Handhabung des Verfahrensrechts für sich genommen nicht zur begründeten Besorgnis der Befangenheit eines Richters (vgl. BVerfGK 12, 139 ≪145≫). Erforderlich ist vielmehr, dass sich in der Verfahrensweise des Richters eine unsachliche oder gar von Willkür geprägte Einstellung äußert (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2009 – 1 BvR 165/09 –, NVwZ 2009, S. 581 ≪583≫), wobei selbst mit der Feststellung eines objektiven Verstoßes gegen das Willkürverbot nicht zugleich die Feststellung verbunden sein muss, dass ein Betroffener bei vernünftiger Würdigung Anlass habe, an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGK 12, 139 ≪145≫). Dass das Landessozialgericht einen solchen Anlass zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des abgelehnten Richters nicht feststellen konnte, ist seinerseits von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Das Landessozialgericht hat sich insbesondere mit dem Vorwurf des Beschwerdeführers, dass er in dem Erörterungstermin vor dem Sozialgericht nicht ausreichend zu Wort gekommen sei und dass die Gründe seines Befangenheitsantrages nicht in die Niederschrift des Termins aufgenommen wurden, auseinandergesetzt und ist zu einem jedenfalls vertretbaren Ergebnis gekommen.
2. Zu Unrecht ist die Anhörungsrüge vom Landessozialgericht als unzulässig behandelt worden.
a) Zwar findet gemäß § 178a Abs. 1 Satz 2 SGG gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung die Anhörungsrüge nicht statt, und bei der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch handelt es sich um eine solche Zwischenentscheidung. § 178a Abs. 1 Satz 2 SGG ist jedoch verfassungskonform dahin auszulegen, dass es sich beim Verfahren über die Ablehnung eines Richters am Sozialgericht um ein selbständiges Zwischenverfahren mit Bindungswirkung für die nachfolgenden Entscheidungen handelt und dass der Zurückweisungsbeschluss deshalb eine mit der Anhörungsrüge angreifbare Entscheidung darstellt.
Fachgerichtlicher Rechtsschutz gegen eine mögliche Gehörsverletzung im Zwischenverfahren der Richterablehnung ist nach dem Grundsatz wirkungsvollen Rechtsschutzes in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG dann notwendig, wenn in diesem Zwischenverfahren abschließend und mit Bindungswirkung für das weitere Verfahren über den Antrag befunden wird und die Entscheidung später nicht mehr im Rahmen einer Inzidentprüfung korrigiert werden kann (vgl. BVerfGE 119, 292 ≪299≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Januar 2009 – 1 BvR 3113/08 –, NJW 2009, S. 833; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2009 – 1 BvR 2774/09 –, juris, Rn. 1).
Vor diesem Hintergrund kann auch die Entscheidung des Landessozialgerichts über die Zurückweisung der Ablehnung eines Richters am Sozialgericht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden. Derjenige, der sich in einem solchen Richterablehnungsverfahren in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt sieht, kann nicht darauf verwiesen werden, dass die behauptete Gehörsverletzung im weiteren Instanzenzug noch kontrolliert würde. Dafür, dass gegenwärtig eine derartige Kontrolle stattfände, gibt es keine Anhaltspunkte.
aa) Das Bundessozialgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass nach § 202 SGG in Verbindung mit § 557 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) die dem Endurteil vorausgehenden Entscheidungen der Beurteilung des Revisionsgerichts nicht unterliegen, wenn sie ihrerseits unanfechtbar sind. Diese Einschränkung sei bei Beschlüssen, durch die ein Ablehnungsgesuch zurückgewiesen worden ist, immer dann gegeben, wenn sie von einem Landessozialgericht erlassen worden und daher gemäß § 177 SGG der Anfechtung mit der Beschwerde entzogen sind (vgl. BSG, Beschluss vom 5. August 2003 – B 3 P 8/03 B –, NZS 2004, S. 222 ≪223≫; BSG, Beschluss vom 29. März 2007 – B 9a SB 18/06 B –, NJOZ 2007, S. 3666 ≪3668≫ m.w.N.; BSG, Beschluss vom 30. April 2009 – B 13 R 121/09 B –, juris, Rn. 5). Entsprechend könne die Zurückweisung eines Befangenheitsantrags grundsätzlich auch nicht als Verfahrensfehler mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden (vgl. BSG, Beschluss vom 5. August 2003 – B 3 P 8/03 B –, NZS 2004, S. 222 ≪223≫ m.w.N.; BSG, Beschluss vom 30. April 2009 – B 13 R 121/09 B –, juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 13. August 2009 – B 8 SO 13/09 B –, juris, Rn. 8; BSG, Beschluss vom 27. Oktober 2009 – B 1 KR 51/09 B –, juris, Rn. 6).
Etwas anderes gelte zwar ausnahmsweise dann, wenn es an einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch mangeln würde (vgl. BSG, Beschluss vom 29. März 2007 – B 9a SB 18/06 B –, NJOZ 2007, S. 3666 ≪3668≫) oder wenn die Behandlung eines Ablehnungsantrags so fehlerhaft sei, dass durch die weitere Mitwirkung des abgelehnten Richters das grundrechtsgleiche Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt und das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung deshalb unrichtig besetzt gewesen sei (vgl. BSG, Beschluss vom 5. August 2003 – B 3 P 8/03 B –, NZS 2004, 222 ≪223≫ m.w.N.; BSG, Beschluss vom 30. April 2009 – B 13 R 121/09 B –, juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 13. August 2009 – B 8 SO 13/09 B –, juris, Rn. 8). Letzteres sei aber nur der Fall, wenn willkürliche oder manipulative Erwägungen für die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs bestimmend gewesen seien (vgl. BSG, Beschluss vom 5. August 2003 – B 3 P 8/03 B –, NZS 2004, S. 222 ≪223≫ m.w.N.) oder wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs jedenfalls darauf hindeuten würde, dass das Gericht die Bedeutung und die Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt habe (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Oktober 2009 – B 1 KR 51/09 B –, juris, Rn. 6). Die lediglich unrichtige Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch führe noch nicht zur vorschriftswidrigen Besetzung des Gerichts.
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist im Falle eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG, der nicht zugleich Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch der revisionsgerichtlichen Überprüfung entzogen. Da das Bundessozialgericht in einer Entscheidung ausdrücklich offen gelassen hat, ob auch Gehörsverstöße während des Befangenheitsverfahrens mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden können (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Januar 2008 – B 12 KR 24/07 B –, juris, Rn. 12), ist in dieser Prozesssituation keine sichere und zumutbare Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet.
Dafür, dass im Berufungs- oder Berufungszulassungsverfahren anders als im Revisions- oder Revisionszulassungsverfahren auch die behauptete Verletzung des Gehörsanspruchs im Richterablehnungsverfahren geprüft würde, gibt es weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht hinreichende Anhaltspunkte.
bb) Ließe man gleichwohl die Anhörungsrüge bei entsprechender Auslegung des § 178a Abs. 1 Satz 2 SGG auch bei einer derartigen, ein selbständiges Zwischenverfahren abschließenden Entscheidung nicht zu, könnte die dadurch entstehende, mit den im Plenumsbeschluss vom 30. April 2003 (vgl. BVerfGE 107, 395 ff.) dargelegten Grundsätzen unvereinbare Rechtsschutzlücke im fachgerichtlichen Verfahren nicht dadurch beseitigt werden, dass der Antragsteller auf die Möglichkeit einer Anhörungsrüge gegen die spätere abschließende Sachentscheidung verwiesen würde. Die behauptete Gehörsverletzung im Zwischenverfahren der Richterablehnung könnte mit einer Anhörungsrüge gegen die spätere Sachentscheidung nicht mehr in geeigneter, den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügender Weise geltend gemacht werden (vgl. BVerfGE 119, 292 ≪300≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 31. Juli 2008 – 1 BvR 416/08 –, juris, Rn. 26; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Januar 2009 – 1 BvR 3113/08 –, NJW 2009, S. 833).
Einer erst nach der abschließenden Sachentscheidung eingelegten Anhörungsrüge könnte entgegengehalten werden, es könne nicht verlässlich festgestellt werden, dass die behauptete, im vorangegangenen Zwischenverfahren geschehene Gehörsverletzung in entscheidungserheblicher Weise das Ergebnis der Sachentscheidung beeinflusst habe. Ob es sich zu Lasten des Antragstellers ausgewirkt hat, dass an der Sachentscheidung ein Richter beteiligt war, dessen Ablehnung möglicherweise unter Verletzung des rechtlichen Gehörs zurückgewiesen worden war, könnte kaum beurteilt werden. Die Begründung des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 119, 292 ≪297≫) für den Ausschluss der Anhörungsrüge bei Zwischenentscheidungen, die Entscheidungserheblichkeit könne erst zum Zeitpunkt der späteren Sachentscheidung festgestellt werden, greift bei einer im weiteren Verfahren nicht mehr überprüften Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs nicht (vgl. BVerfGE 119, 292 ≪300≫).
Die behauptete Gehörsverletzung muss deshalb vor einer Fortsetzung des zur abschließenden Sachentscheidung führenden Verfahrens einer fachgerichtlichen Überprüfung zugeführt werden können. Insofern laufen die Maßstäbe zur Beurteilung der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen selbständige Zwischenentscheidungen mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die fachgerichtliche Beurteilung der Statthaftigkeit einer Anhörungsrüge gegen die ein Zwischenverfahren beendende Entscheidung gleich (vgl. BVerfGE 119, 292 ≪300 f.≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Januar 2009 – 1 BvR 3113/08 –, NJW 2009, S. 833 ≪834≫).
b) Nicht zu beanstanden ist hingegen, dass das Landessozialgericht über die Anhörungsrüge entschieden hat, ohne zuvor über das erneute, gegen den Senat selbst gerichtete Ablehnungsgesuch entschieden zu haben. Die dem zugrunde liegende Auffassung, dass die Wiederholung einer Richterablehnung ohne neue Gesichtspunkte rechtsmissbräuchlich ist, die auch vom Bundessozialgericht geteilt wird (vgl. BSG, Beschluss vom 29. März 2007 – B 9a SB 18/06 B –, NJOZ 2007, S. 3666 ≪3667≫), ist nicht unvertretbar und daher mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar (vgl. auch BVerfGE 11, 1 ≪ 5 f.≫; 11, 343 ≪348≫). Rechtsmissbräuchliche Ablehnungsgesuche müssen nicht erneut beschieden werden (vgl. BVerfGE 11, 343 ≪348≫; 72, 51 ≪59≫; 74, 96 ≪100≫).
3. Die Entscheidung des Landessozialgerichts über das erste Ablehnungsgesuch gegen die zuständigen Richter des Landessozialgerichts ist damit teilweise fehlerhaft begründet. Das Landessozialgericht durfte die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs nicht auf die mit Verfassungsrecht nicht zu vereinbarende Annahme stützen, dass eine Anhörungsrüge gegen seine vorhergehende Entscheidung nicht statthaft wäre.
Das Landessozialgericht hat das Ablehnungsgesuch außerdem als unzulässig behandelt, weil es sich pauschal gegen alle drei Richter des Senats gerichtet hatte. Das begegnet im Ergebnis schon deshalb keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da ausgeschlossen ist, dass das Ablehnungsgesuch in der Sache Erfolg gehabt hätte. Der Beschwerdeführer hat sein Ablehnungsgesuch nur darauf gestützt, dass das Landessozialgericht sein Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Sozialgericht seiner Ansicht nach zu Unrecht abgelehnt hatte. Auf den bloßen Vorwurf der falschen Rechtsanwendung ohne Hinzutreten besonderer Umstände, die der Beschwerdeführer nicht dargetan hat und die sich auch insbesondere aus dem ersten Beschluss des Landessozialgerichts nicht ergeben, kann ein Ablehnungsgesuch aber in zulässiger Weise nicht gestützt werden.
4. Trotz der mit Verfassungsrecht nicht im Einklang stehenden Verwerfung der Anhörungsrüge als unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahme einer Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte nicht angezeigt (vgl. § 93a Abs. 2 lit. b BVerfGG), wenn der Beschwerdeführer sein vor den Fachgerichten verfolgtes Begehren nicht erreichen kann (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫; 119, 292 ≪301 f.≫).
Dies ist hier der Fall, weil der Beschwerdeführer mit seinem Begehren – der Ablehnung des Richters am Sozialgericht – keinen Erfolg haben kann. Würde das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung des Landessozialgerichts über die Anhörungsrüge aufheben und die Sache an das Landessozialgericht zurückverweisen, könnte das Landessozialgericht bei der erneuten Entscheidung zu keinem anderen Ergebnis kommen, weil der Beschwerdeführer weder im Anhörungsrügeverfahren noch im Verfassungsbeschwerdeverfahren schlüssig dargetan hat, dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei. Vielmehr besteht sein Vortrag durchweg in der Behauptung, Sozialgericht und Landessozialgericht würden das Recht falsch anwenden. Art. 103 Abs. 1 GG enthält aber keinen Anspruch, dass die Gerichte der Rechtsansicht des Grundrechtsträgers folgen, und schützt nicht vor einer aus dessen Sicht „unrichtigen” Rechtsanwendung (vgl. BVerfGK 6, 88 ≪91≫; 11, 203 ≪206 f.≫ m.w.N.). Auch ansonsten ist nicht ersichtlich, dass das Landessozialgericht in der mit der Anhörungsrüge angegriffenen Entscheidung den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hätte. Für die Anhörungsrüge bestand damit kein vernünftiger Anlass. Da ausgeschlossen werden kann, dass die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers Erfolg haben könnte, führt auch ihre Verwerfung als unzulässig nicht zu einem die Annahme der Verfassungsbeschwerde rechtfertigenden Nachteil (vgl. BVerfGE 119, 292 ≪302≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2009 – 1 BvR 2774/09 –, juris, Rn. 1).
Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne von § 93a Abs. 2 lit. a BVerfGG kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu. Sie wirft keine Fragen auf, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lassen oder die noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt sind (vgl. BVerfGE 119, 292 ≪301≫). Die Anforderungen an den fachgerichtlichen Rechtsschutz bei behaupteten Gehörsverletzungen ergeben sich aus dem Plenumsbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 (BVerfGE 107, 395 ff.).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kirchhof, Bryde, Schluckebier
Fundstellen
NJW 2010, 2421 |
NVwZ-RR 2010, 545 |
NZS 2011, 92 |