Entscheidungsstichwort (Thema)
Totalverweigerung eines anerkannten Kriegsdienstverweigerers
Verfahrensgang
LG Ravensburg (Entscheidung vom 18.06.1997; Aktenzeichen 6 Ns 87/97) |
Tenor
Die Vorlage ist unzulässig.
Tatbestand
I.
Gegenstand der Vorlage ist im Wesentlichen die Frage, ob die Bestrafung eines als Kriegsdienstverweigerer anerkannten Wehrpflichtigen, der es auf Grund einer Gewissensentscheidung ablehnt, Zivildienst zu leisten, mit Art. 4 Abs. 1 GG vereinbar ist.
1. Der Angeklagte des Ausgangsverfahrens ist Mitglied der Glaubensgemeinschaft der „Zeugen Jehovas”. Mit Bescheid vom 29. Januar 1993 stellte das Bundesamt für den Zivildienst fest, dass er berechtigt sei, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern. Nachdem der Angeklagte erklärt hatte, dass er es aus Glaubensgründen ablehne, Zivildienst zu leisten, wies ihn das Bundesamt auf die Möglichkeit hin, gemäß § 15a des Gesetzes über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer – ZDG – ein freies Arbeitsverhältnis einzugehen.
§ 15a ZDG i.d.F. der Bekanntmachung vom 31. Juli 1986 (BGBl I S. 1205) lautet:
Freies Arbeitsverhältnis
(1) Anerkannte Kriegsdienstverweigerer, die aus Gewissensgründen gehindert sind, Zivildienst zu leisten, werden zum Zivildienst vorläufig nicht herangezogen, wenn sie erklären, daß sie ein Arbeitsverhältnis mit üblicher Arbeitszeit in einem Krankenhaus oder einer anderen Einrichtung zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen begründen wollen, oder wenn sie in einem solchen Arbeitsverhältnis tätig sind. Dies gilt nur, wenn das Arbeitsverhältnis nach der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer und vor Vollendung des 24. Lebensjahres mit einer Dauer, die mindestens ein Jahr länger ist als der Zivildienst, den der anerkannte Kriegsdienstverweigerer sonst zu leisten hätte, begründet werden soll oder begründet worden ist.
(2) Weist der anerkannte Kriegsdienstverweigerer vor Vollendung des 27. Lebensjahres nach, daß er für die in Absatz 1 genannte Mindestdauer in einem solchen Arbeitsverhältnis tätig war, so erlischt seine Pflicht, Zivildienst zu leisten. Wird das Arbeitsverhältnis aus Gründen, die der anerkannte Kriegsdienstverweigerer nicht zu vertreten hat, vorzeitig beendet, so ist die in dem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, soweit sie ein Jahr übersteigt, auf den Zivildienst anzurechnen.
Da es dem Angeklagten trotz eingehender Bemühungen nicht gelang, bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres ein Arbeitsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift einzugehen, stellte das Bundesamt mit Bescheid vom 1. März 1996 fest, dass ihm das vorläufige Heranziehungshindernis des § 15a Abs. 1 Satz 1 ZDG nicht mehr zugute komme, und berief ihn mit Bescheid vom 12. März 1996 auf den 1. August 1996 zum Zivildienst ein. Der Angeklagte erhob gegen beide Bescheide Widerspruch, der erfolglos blieb; weitere Rechtsbehelfe hat er nicht ergriffen.
2. Da er sich weigerte, der Einberufung Folge zu leisten, wurde der Angeklagte vom Amtsgericht Tettnang mit Urteil vom 18. Februar 1997 gemäß § 53 i.V.m. § 56 ZDG wegen Dienstflucht zu fünf Monaten Freiheitsentzug verurteilt; die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Die der Verurteilung zu Grunde liegenden Vorschriften i.d.F. der Bekanntmachung vom 31. Juli 1986 (BGBl I S. 1205) lauten, soweit hier von Interesse:
Dienstflucht
§ 53 ZDG:
(1) Wer eigenmächtig den Zivildienst verläßt oder ihm fernbleibt, um sich der Verpflichtung zum Zivildienst dauernd oder für den Verteidigungsfall zu entziehen oder die Beendigung des Zivildienstverhältnisses zu erreichen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.
…
Ausschluß der Geldstrafe
§ 56 ZDG:
Begeht ein Dienstleistender eine Straftat nach diesem Gesetz, so darf Geldstrafe nach § 47 Abs. 2 des Strafgesetzbuches auch dann nicht verhängt werden, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung von Freiheitsstrafe zur Wahrung der Disziplin im Zivildienst gebieten.
3. Auf die vom Angeklagten gegen das Urteil eingelegte Berufung setzte die 6. Kleine Strafkammer des Landgerichts Ravensburg mit Beschluss vom 18. Juni 1997 das Verfahren aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage vor, ob § 3 des Wehrpflichtgesetzes – WPflG – und §§ 15a, 56 i.V.m. § 53 ZDG mit Art. 4 Abs. 1 GG vereinbar seien.
§ 3 WPflG i.d.F. der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1995 (BGBl I S. 1756) lautet, soweit hier von Interesse:
Inhalt und Dauer der Wehrpflicht
(1) Die Wehrpflicht wird durch den Wehrdienst oder im Falle des § 1 des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes vom 28. Februar 1983 (BGBl I S. 203) durch den Zivildienst erfüllt. …
…
Zur Begründung seines Beschlusses führt das Landgericht aus:
Sollten die genannten Vorschriften mit Art. 4 Abs. 1 GG unvereinbar sein, wäre der Angeklagte freizusprechen, weil seiner Weigerung, Zivildienst zu leisten, eine in seiner Glaubensüberzeugung wurzelnde Gewissensentscheidung zu Grunde liege. Demgegenüber müsste er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden, wenn die vorgelegten Bestimmungen des Wehrpflichtgesetzes und des Zivildienstgesetzes mit dem Grundgesetz in Einklang stünden. Nach Überzeugung des Gerichts sei dies jedoch nicht der Fall.
Zwar habe das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit von § 3 Abs. 1 Satz 1 WPflG bejaht (BVerfGE 80, 354). Es habe sich in seiner Entscheidung aber nur mit Art. 4 Abs. 3 GG und Art. 12a Abs. 2 GG auseinander gesetzt und jegliche Bezugnahme auf Art. 4 Abs. 1 GG vermieden. Art. 4 Abs. 3 GG sei ein Sonderfall des Art. 4 Abs. 1 GG und regele die Problematik der Zivildienstverweigerung nicht abschließend; Entsprechendes gelte für Art. 12a Abs. 2 GG. Art. 4 Abs. 3 GG habe zur Einrichtung des Ersatzdienstes geführt; Art. 12a Abs. 2 GG sei eine Ausführungsbestimmung hierzu. Sehe man die Rangfolge der Vorschriften so, seien die Verweigerung des Zivildienstes und die sich anschließenden Folgen an Art. 4 Abs. 1 GG zu messen. Er bestimme die Antwort auf die Frage, ob die Verurteilung des Angeklagten nach geltendem Recht mit der Verfassung in Einklang stehe.
Mit § 15a ZDG habe der Gesetzgeber zwar dem Gewissen des Zivildienstpflichtigen Vorrang vor der Erfüllung seiner Dienstpflicht eingeräumt. Auf diese Vorschrift könne sich der Angeklagte aber nicht mit Erfolg berufen, weil seine Bewerbungen um ein freies Arbeitsverhältnis bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres ohne Erfolg geblieben seien. Da ihn hieran keine Schuld treffe, werde die Anerkennung seiner Gewissensentscheidung entwertet; dies sei befremdlich.
§ 56 ZDG setze die Gewissensentscheidung des Angeklagten einer weiteren Belastungsprobe aus. Die Verurteilung eines Zivildienstverweigerers aus Gewissensgründen zu einer Freiheitsstrafe sei wegen des damit verbundenen Makels geeignet, den Willen des Betroffenen zu brechen.
4. Das Gericht ist mit Berichterstatterschreiben vom 7. April 1999 auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Vorlage hingewiesen worden. Daraufhin nahm der Vorsitzende der 6. Kleinen Strafkammer des Landgerichts mit Schreiben vom 19. Mai 1999 ergänzend Stellung.
5. Zu der Vorlage haben sich das Bundesverwaltungsgericht und die am Ausgangsverfahren beteiligte Staatsanwaltschaft geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
Die Vorlage ist unzulässig.
1. Soweit das Landgericht § 3 WPflG zur verfassungsrechtlichen Prüfung stellt, ist die Vorlagefrage auf den Teil der Norm zu beschränken, der für die Entscheidung im Ausgangsverfahren – wenn überhaupt – in Betracht kommt (vgl. BVerfGE 18, 52 ≪58≫; 69, 373 ≪377≫; stRspr). Dies ist allein § 3 Abs. 1 Satz 1 WPflG.
a) Der Antrag, die Unvereinbarkeit dieser Vorschrift mit Art. 4 Abs. 1 GG festzustellen, ist unzulässig, weil es auf eine solche Feststellung für die im Ausgangsverfahren zu treffende Entscheidung nicht ankommt; das Landgericht müsste sowohl bei einer Gültigkeit der Norm als auch bei deren Verfassungswidrigkeit zum selben Ergebnis gelangen.
Nach Auffassung des Landgerichts verstößt § 3 Abs. 1 Satz 1 WPflG gegen Art. 4 Abs. 1 GG, weil er die Grundlage dafür bilde, Zivildienstleistende namentlich im Verteidigungsfall zu Aufgaben heranzuziehen, die militärischen Zwecken dienten. Dieser Standpunkt ist offensichtlich unzutreffend.
§ 3 Abs. 1 Satz 1 WPflG bestimmt weder die gegenwärtig zulässige noch eine künftig mögliche Ausgestaltung des Zivildienstes. Die Zusammenfassung von Wehrdienst und Zivildienst unter dem Oberbegriff der Wehrpflicht in dieser Bestimmung knüpft lediglich an Art. 12a Abs. 3 Satz 1 GG an, der die Wehr- und Zivildienstleistenden gleichermaßen als Wehrpflichtige bezeichnet und so den in § 3 Abs. 1 Satz 1 WPflG aufgenommenen Sprachgebrauch vorgibt. Damit wird das verfassungsrechtlich in Art. 12a Abs. 2 Satz 1 GG vorgegebene Surrogationsverhältnis von Ersatz- und Wehrdienst zum Ausdruck gebracht. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 11. Juli 1989 festgestellt, dass § 3 Abs. 1 Satz 1 WPflG keine normative Aussage enthält, die Gegenstand, inhaltliche Ausgestaltung oder organisatorische Einbindung des Zivildienstes in einer die Gewissensentscheidung nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG berührenden Weise beeinflussen könnte (vgl. BVerfGE 80, 354 ≪359≫). Es ist nicht erkennbar, warum aus der Sicht von Art. 4 Abs. 1 GG etwas anderes gelten sollte.
b) Unabhängig davon ist die Vorlage von § 3 Abs. 1 Satz 1 WPflG deshalb nicht zulässig, weil das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 11. Juli 1989 über die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift bereits befunden hat und vom Landgericht nicht dargetan worden ist, warum sie neuerlich auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu prüfen sein sollte.
Der Senat hat im Tenor seiner Entscheidung ausdrücklich die Vereinbarkeit von § 3 Abs. 1 Satz 1 WPflG in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Juni 1986 (BGBl I S. 879) mit dem Grundgesetz festgestellt (vgl. BVerfGE 80, 354). Diesem Ausspruch kommt gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG Bindungswirkung und darüber hinaus gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG Gesetzeskraft zu. Eine abermalige Überprüfung der – von späteren Änderungen des Wehrpflichtgesetzes unberührt gebliebenen – Vorschrift im Wege eines Verfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG, §§ 80 ff. BVerfGG ist danach grundsätzlich ausgeschlossen.
Zwar beziehen sich die in § 31 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BVerfGG angeordneten Wirkungen einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung stets auf den Zeitpunkt, in dem diese ergeht; die wiederholte Vorlage einer gesetzlichen Bestimmung kommt deshalb dann in Betracht, wenn zwischenzeitlich tatsächliche oder rechtliche Veränderungen eingetreten sind, die die Grundlage der Entscheidung berühren und deren Überprüfung nahe legen. In einem solchen Fall sind an die Begründung des Normenkontrollantrags aber gesteigerte Anforderungen zu stellen. Er muss von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgehen und darlegen, inwiefern sich die für die verfassungsrechtliche Beurteilung maßgebliche Lage gewandelt haben soll (stRspr, vgl. z.B. BVerfGE 33, 199 ≪203 f.≫; 65, 179 ≪181≫; 70, 242 ≪249 f.≫; 87, 341 ≪346≫).
Eine solche Darlegung lässt das Landgericht vermissen. Es ist offensichtlich der Auffassung, das Bundesverfassungsgerichts könne schon deshalb aufs Neue mit § 3 Abs. 1 Satz 1 WPflG befasst werden, weil nunmehr ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 GG geltend gemacht werde, der Beschluss vom 11. Juli 1989 sich im Wesentlichen aber nur mit Art. 4 Abs. 3 GG auseinander setze. Diese Ansicht geht fehl. Denn der Ausspruch in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass eine gesetzliche Vorschrift mit dem Grundgesetz vereinbar sei, bezieht sich auf alle Bestimmungen der Verfassung, auch wenn sich die Gründe der Entscheidung nur zu einzelnen dieser Bestimmungen verhalten (vgl. BVerfGE 26, 44 ≪56≫; 31, 137 ≪139≫).
Das Schreiben des Kammervorsitzenden vom 19. Mai 1999 hilft über den hieraus folgenden Mangel des Vorlagebeschlusses schon deshalb nicht hinweg, weil dieser, wie geboten, durch die Strafkammer unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter als dem für die Entscheidung über die Anklage zuständigen Spruchkörper ergangen ist (vgl. BVerfGE 19, 71 ≪72≫; 29, 178 ≪179≫), mithin nur auf Grund einer weiteren Entscheidung des Gerichts in dieser Besetzung hätte ergänzt werden können. Dass eine solche Entscheidung ergangen wäre, ist nicht ersichtlich.
2. Die Vorlage ist auch unzulässig, soweit sie § 15a ZDG betrifft.
Da das Landgericht allein die „starre Altersregelung” dieser Vorschrift beanstandet, die es auch dann ausschließt, von der Einberufung eines Zivildienstverweigerers aus Gewissensgründen abzusehen, wenn es diesem ohne Verschulden nicht gelungen ist, bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres ein freies Arbeitsverhältnis einzugehen, ist als Prüfungsgegenstand lediglich die Bestimmung des § 15a Abs. 1 Satz 2 ZDG in Betracht zu ziehen.
a) Insoweit hat das Landgericht seiner aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG folgenden Pflicht, die Entscheidungserheblichkeit der zur Prüfung gestellten Norm sorgfältig darzulegen (vgl. BVerfGE 97, 49 ≪60≫ m.w.N.; stRspr), nicht genügt. Aus seinem Beschluss geht nicht hervor, warum in dem bei ihm anhängigen Strafverfahren die Frage eines Fortbestehens des vorläufigen Heranziehungshindernisses des § 15a Abs. 1 Satz 1 ZDG nochmals aufzuwerfen sein sollte, obwohl sie gesondert durch den in Bestandskraft erwachsenen Bescheid vom 1. März 1996 sowie durch den – ebenfalls unanfechtbar gewordenen – Einberufungsbescheid vom 12. März 1996 außer Streit gestellt worden ist und diese Bescheide verwaltungsgerichtlicher Überprüfung zugänglich waren.
b) Überdies lässt der Normenkontrollantrag eine Überzeugung des Landgerichts von der Verfassungswidrigkeit des § 15a Abs. 1 Satz 2 ZDG nicht erkennen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ein Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG, §§ 80 ff. BVerfGG schon dann unzulässig, wenn das vorlegende Gericht lediglich Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der vorgelegten Norm hegt (vgl. BVerfGE 22, 373 ≪378≫; 80, 54 ≪58≫ jeweils m.w.N.). So ist es hier. Das Landgericht spricht in seinem Beschluss lediglich davon, dass § 15a Abs. 1 Satz 2 ZDG den durch § 15a Abs. 1 Satz 1 ZDG gewährleisteten Schutz der Gewissensentscheidung „entwerte”; es „befremde”, dass in § 15a Abs. 1 Satz 1 ZDG der Haltung des Zivildienstverweigerers Vorrang vor der Erfüllung der Dienstpflicht eingeräumt werde, der Betroffene auf Grund § 15a Abs. 1 Satz 2 ZDG aber selbst dann mit einer Bestrafung rechnen müsse, wenn es ihm ohne Verschulden nicht gelinge, bis zum Ablauf des 24. Lebensjahres ein freies Arbeitsverhältnis einzugehen. Damit ist eine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Bestimmung nicht dargetan.
3. Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine Feststellung der Unvereinbarkeit von § 53 ZDG mit Art. 4 Abs. 1 GG liegen ebenfalls nicht vor.
Entscheidungserheblich ist diese Vorschrift im Ausgangsverfahren nur insoweit, als in Absatz 1 das eigenmächtige Fernbleiben vom Zivildienst in der Absicht, sich diesem auf Dauer zu entziehen, auch für den Fall unter Strafe gestellt wird, dass dem Verhalten des Täters eine Gewissensentscheidung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 GG zu Grunde liegt (vgl. BVerfGE 23, 191 ≪204≫).
a) Die Frage, ob eine solche Sanktion der Zivildienstpflicht mit Art. 4 Abs. 1 GG in Einklang steht, ist vom Bundesverfassungsgericht mit Beschlüssen vom 4. Oktober 1965 (BVerfGE 19, 135) und vom 5. März 1968 (BVerfGE 23, 127), bezogen auf die durch § 53 Abs. 1 ZDG abgelösten, von diesem lediglich in der Fassung der Strafandrohung abweichenden Vorschriften des § 37 Abs. 1 Ersatzdienstgesetz – ErsDiG – vom 13. Januar 1960 (BGBl I S. 10) und § 53 Abs. 1 ErsDiG i.d.F. vom 16. Juli 1965 (BGBl I S. 984), bejaht worden. Zwar enthalten diese Entscheidungen keinen gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG in Gesetzeskraft erwachsenen Ausspruch. Sie entfalten indessen gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG Bindungswirkung insofern, als die Gerichte die sich aus dem Tenor und den tragenden Entscheidungsgründen jeweils ergebenden Grundsätze für die Auslegung der Verfassung zu beachten haben (vgl. BVerfGE 40, 88 ≪93 f.≫). Hieraus folgen für einen Normenkontrollantrag nach Art. 100 Abs. 1 GG, §§ 80 ff. BVerfGG erhöhte Begründungsanforderungen, die nicht hinter denjenigen zurück bleiben, welche die (abermalige) Vorlage einer vom Bundesverfassungsgericht mit Gesetzeskraft entschiedenen Frage zu erfüllen hat (vgl. BVerfGE 78, 38 ≪48≫; 94, 315 ≪322 f.≫). Das Landgericht hätte deshalb, von den Beschlüssen vom 4. Oktober 1965 (BVerfGE 19, 135) und vom 5. März 1968 (BVerfGE 23, 127) ausgehend, darlegen müssen, inwiefern zwischenzeitlich tatsächliche oder rechtliche Veränderungen eingetreten sind, die eine andere rechtliche Beurteilung nahe legen könnten. Hieran fehlt es.
b) Die Vorlage lässt auch nicht erkennen, dass in der Frage der Strafbarkeit von Zivildienstverweigerern aus Gewissensgründen ungeachtet der Bekräftigung der genannten Entscheidungen durch den Beschluss des Senats vom 30. Juni 1988 (vgl. BVerfGE 78, 391 ≪395≫) und trotz der Tatsache, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im neueren Schrifttum neben grundsätzlicher Kritik (vgl. z.B. den vom Landgericht genannten Beitrag von Mahrenholz: Das Gewissen und die Wehrpflicht – Grundlinien zur Lösung der Probleme um die totale Kriegsdienstverweigerung in: Kriegsdienstverweigerung, Zeitschrift für Kriegsdienstverweigerung, Wehrdienst und Zivildienst, Heft 1/März 1996) zumindest im Ergebnis vielfach auch Zustimmung erfahren hat (vgl. z.B. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 4 Rn. 215 ff.; von Münch und Gubelt in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 4. Aufl., Art. 4 Rn. 77 und Art. 12a Rn. 9; Bethge, Gewissensfreiheit in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, S. 435 ff., 463 f.; Morlok und Heun in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Art. 4 Rn. 116 und Art. 12a Rn. 21; Herdegen, Gewissensfreiheit in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 2. Aufl., S. 481 ff., 519 f.; Zippelius in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Drittbearb. 1989, Art. 4 Rn. 129; Starck in: von Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, 4. Aufl., Art. 4 Abs. 3 Rn. 150), von einem allgemeinen Wandel der verfassungsrechtlichen Anschauung gesprochen werden könnte. Daher kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher Wandel überhaupt hinreichende Vorausssetzung für die (wiederholte) Einleitung eines Verfahrens nach 100 Abs. 1 GG, §§ 80 ff. BVerfGG wäre (offen gelassen auch in BVerfGE 33, 199 ≪204≫ sowie im Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 17. November 1998, NJW 1999, S. 2581 f.).
4. Unzulässig ist die Vorlage schließlich auch, soweit sie § 56 ZDG zum Gegenstand hat.
Das Landgericht hat nicht berücksichtigt, dass zu der in dieser Norm getroffenen Strafzumessungsregelung ebenfalls eine Entscheidung vorliegt, die gemäß 31 Abs. 1 BVerfGG Bindungswirkung und darüber hinaus gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG Gesetzeskraft entfaltet.
Mit Beschluss vom 13. Februar 1973 hat das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen, dass § 56 Abs. 3 ErsDiG i.d.F. des Gesetzes vom 16. Juli 1965 (BGBl I S. 984), der mit § 56 ZDG nach Inhalt und Funktion übereinstimmt, mit dem Grundgesetz vereinbar ist (vgl. BVerfGE 34, 261). Danach hätte die Vorlage auch insoweit den oben dargelegten besonderen Begründungsanforderungen genügen müssen. Ihr lässt sich indessen nichts entnehmen, was auf eine nachträgliche Änderung der im vorliegenden Zusammenhang für die verfassungsrechtliche Beurteilung maßgebenden Umstände hindeutete. Das Landgericht hat nicht einmal die Entscheidung vom 13. Februar 1973 zur Kenntnis genommen.
Die Vorlage ist daher insgesamt unzulässig.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Limbach, Jentsch, Di Fabio
Fundstellen
Haufe-Index 565295 |
NJW 2000, 3269 |
NVwZ 2000, 1409 |