Verfahrensgang
OVG des Saarlandes (Beschluss vom 24.03.2014; Aktenzeichen 1 B 14/14) |
Tenor
1. Die Wirkung des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 24. März 2014 – 1 B 14/14 – wird bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde des Antragstellers, längstens für die Dauer von sechs Monaten, ausgesetzt.
2. Dem Ministerium für Finanzen und Europa des Saarlandes wird aufgegeben, die im Ausgangsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes im Verfahren 1 B 14/14 streitbefangenen fünf Beförderungsstellen von Steueroberamtsräten/Steueroberamtsrätinnen der Besoldungsgruppe A 13 bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde des Antragstellers, längstens für die Dauer von sechs Monaten, freizuhalten.
3. Das Land Saarland hat dem Antragsteller die notwendigen Auslagen für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erstatten.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer und Antragsteller (im Folgenden: Antragsteller) steht als Steueramtsrat (Besoldungsgruppe A 12) in Diensten des saarländischen Ministeriums für Finanzen und Europa (im Folgenden: Finanzministerium). Er wendet sich gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes in einem Konkurrentenstreit um die Stelle eines Steueroberamtsrats der Besoldungsgruppe A 13.
1. Nach der in der saarländischen Finanzverwaltung praktizierten sogenannten Topfwirtschaft wird auf die konkrete Zuordnung eines Dienstpostens zu einer bestimmten Planstelle grundsätzlich verzichtet. Stattdessen besteht ein Überhang von höher bewerteten Dienstposten gegenüber vorhandenen Planstellen der entsprechenden Wertigkeit. Außerdem sind die Mehrzahl der Dienstposten nicht nur einem Statusamt, sondern „gebündelt” zumindest zwei Statusämtern zugeordnet.
2. Die im Ausgangsverfahren beigeladenen Mitbewerber bekleiden seit Jahren Dienstposten, die nach der Einstufung des Finanzministeriums mit „A 12 – A 13” bewertet sind. Der Dienstposten des Antragstellers als leitender Groß- und Konzernbetriebsprüfer bei einem Finanzamt ist dagegen mit der Besoldungsgruppe A 13 bewertet. Das Finanzministerium hatte seiner Auswahlentscheidung unter denjenigen Bewerbern, die die allgemeinen Beförderungsvoraussetzungen erfüllten, im Wesentlichen die jeweiligen Gesamtnoten der letzten dienstlichen Beurteilungen zugrunde gelegt. Der Antragsteller kam nicht zum Zuge, weil er innerhalb der Bestnote „übertrifft ganz erheblich die Anforderungen” in zwei Einzelmerkmalen nur die jeweils zweitbeste Bewertung erhalten hatte.
3. Das Verwaltungsgericht untersagte dem Finanzministerium einstweilen, den dortigen Beigeladenen ein Amt der Besoldungsgruppe A 13 zu übertragen. Es sei im Rahmen der im Bereich der saarländischen Finanzverwaltung praktizierten „Topfwirtschaft” ein an dem Aufgabenbereich des ausgeschriebenen Statusamtes eines Steueroberamtsrats orientierter Vergleich hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung nicht erkennbar. Insbesondere sei keine Entscheidung darüber getroffen worden, ob die ausgewählten Mitbewerber im Verhältnis zu dem Antragsteller prognostisch die zukünftig bessere Erfüllung der einem Steueroberamtsrat obliegenden Aufgaben erwarten ließen. Insoweit erscheine es zumindest möglich, dass der Antragsteller bei einer die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigenden Auswahlentscheidung vorrangig zu befördern sei.
4. Das Oberverwaltungsgericht änderte auf die Beschwerde des Finanzministeriums den Beschluss des Verwaltungsgerichts ab und wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurück. Tatsächlich habe der Dienstherr seine Auswahlentscheidung anhand einer an den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG orientierten Prognose getroffen, welche Steueramtsräte den abstrakten Anforderungen des Statusamtes eines Steueroberamtsrats voraussichtlich am besten gerecht würden. Den dienstlichen Beurteilungen hinsichtlich der im Beurteilungszeitraum konkret zugewiesenen Dienstposten sei bei entsprechender Berücksichtigung des Laufbahnprinzips die Prognose immanent, dass der jeweilige Bewerber voraussichtlich auch den Anforderungen des nächsthöheren Statusamtes in besonderem Maße gewachsen sein werde.
5. Mit seiner gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt der Antragsteller eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2 und Abs. 5 GG und begehrt zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Entscheidungsgründe
II.
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Im Verfassungsbeschwerdeverfahren haben dabei die Gründe, welche ein Antragsteller für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Hoheitsakte anführt, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, seine Verfassungsbeschwerde erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die einträten, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 99, 57 ≪66≫; stRspr).
2. Die Verfassungsbeschwerde ist nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Es bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten zu klären, ob der angegriffene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes den Antragsteller tatsächlich in Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt. Seiner Verfassungsbeschwerde können jedenfalls nicht von vornherein jegliche Erfolgsaussichten abgesprochen werden. Er verteidigt den im Konkurrentenstreitverfahren ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts, welches im Wesentlichen unter Bezugnahme auf den Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. März 2013 (– 2 BvR 2582/12 –, ZBR 2013, S. 346) die streitbefangene Auswahlentscheidung des Finanzministeriums für unvereinbar mit Art. 33 Abs. 2 GG erachtet hatte.
Auf der Grundlage dieser Ausführungen überwiegen im Rahmen der somit erforderlichen Abwägung die Gründe für den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Erginge die einstweilige Anordnung nicht, so könnten die Beigeladenen des Ausgangsverfahrens zu Steueroberamtsräten beziehungsweise zu Steueroberamtsrätinnen der Besoldungsgruppe A 13 ernannt werden. Die Rechte des Antragstellers würden hierdurch nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte endgültig vereitelt. Die Ernennung der Beigeladenen ließe sich grundsätzlich auch dann nicht mehr rückgängig machen, wenn sich später herausstellen sollte, dass die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Hoheitsakte den Antragsteller in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzen (vgl. BVerwGE 138, 102, Rn. 27 ff.).
Gegenüber dem irreparablen Rechtsverlust, der dem Antragsteller droht, wiegen die Nachteile, die entstehen, wenn eine einstweilige Anordnung erlassen wird, die Verfassungsbeschwerde aber später keinen Erfolg hat, weniger schwer. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung führt in diesem Fall lediglich zu einer weiteren Verzögerung der Beförderung der Mitbewerber. Störungen für den Dienstbetrieb der Finanzbehörden des Saarlandes sind hierdurch schon deswegen nicht zu erwarten, weil angesichts der in der dortigen Verwaltung praktizierten „Topfwirtschaft” die ausgewählten Bewerber ihre jeweiligen Dienstposten auch ohne Beförderung weiter bekleiden würden.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 3 BVerfGG.
Unterschriften
Voßkuhle, Gerhardt, Huber
Fundstellen