Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 14.03.2007; Aktenzeichen 3 S 171/06) |
LG Mainz (Beschluss vom 20.12.2006; Aktenzeichen 3 S 171/06) |
Tenor
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts Roske aus München wird abgelehnt.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO und rügt unter anderem die Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde, der keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt, ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Sie besitzt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫; 96, 245 ≪248≫).
1. Soweit die Verfassungsbeschwerde nicht schon unzulässig ist, ist sie unbegründet, denn die Entscheidung des Landgerichts Mainz über die Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
a) Nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.
Durch die Entscheidung für das Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO beeinflusst das Gericht die Anfechtbarkeit der Berufungsentscheidung mit Rechtsmitteln. Liegen die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO nach der Überzeugung des Berufungsgerichts vor, weist das Gericht die Berufung im Beschlussverfahren mit der Folge zurück, dass diese Entscheidung nach § 522 Abs. 3 ZPO unanfechtbar ist, also nicht, wie grundsätzlich bei einer Entscheidung im Urteilsverfahren durch Revision (§§ 542 f. ZPO) oder durch Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO), angefochten werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2002 – 2 BvR 1108/02 –, NJW 2003, S. 281). Dies begegnet weder aus Gründen der Gewährleistung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) noch mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2002 – 2 BvR 1108/02 –, a.a.O.; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. April 2005 – 1 BvR 1924/04 –, NJW 2005, S. 1931 ≪1932≫).
Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Zugang zur Revisionsinstanz objektiv willkürlich ausgeschlossen wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. April 2005 – 1 BvR 1924/04 –, a.a.O., S. 1931 ≪1932≫ zu Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip).
b) Ein solcher objektiv willkürlicher Ausschluss ist im Streitfall nicht erkennbar.
Der Zugang zur Revisionsinstanz wird nur dann objektiv willkürlich ausgeschlossen, wenn ein Berufungsgericht das Verfahren gemäß § 522 Abs. 2 ZPO wählt, obwohl Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dem Rechtsstreit aufgrund abweichender Rechtsprechung eine grundsätzliche Bedeutung zukommt und damit die Voraussetzungen für eine Entscheidung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO nicht (mehr) gegeben sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. April 2005 – 1 BvR 1924/04 –, a.a.O., S. 1931 ≪1932≫).
Dies setzt voraus, dass die Entscheidung des Landgerichts über die Auslegung und Anwendung des § 522 Abs. 2 ZPO unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr verständlich ist, es sich also um eine krasse Fehlentscheidung handelt.
Willkürlich ist eine gerichtliche Entscheidung nicht schon dann, wenn die angegriffene Rechtsanwendung oder das dazu einschlägige Verfahren Fehler enthalten. Hinzukommen muss vielmehr, dass diese Fehler unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Wertungen nicht mehr verständlich, unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr rechtlich vertretbar sind und sich der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 4, 1 ≪7≫; 42, 64 ≪73 f.≫; 80, 48 ≪51≫; 81, 132 ≪137≫).
Die Begründung des Landgerichts zu den Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO und zur Auslegung des Mietvertrags der Beschwerdeführerin lässt nach diesen Maßstäben keine Willkür erkennen.
Das Landgericht hat seine die Berufung der Beschwerdeführerin zurückweisende Entscheidung unter Verweis auf das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. Mai 2002 – 10 U 96/01 –, NJW-RR 2002, S. 1138, die dort aufgeführten Nachweise sowie auf Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl. 2007, § 556 BGB, Rn. 36 und die dort aufgeführten Nachweise begründet. Die entsprechende Rechtsauffassung findet sich zum Beispiel auch bei Tonner, in: juris Praxiskommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl. 2004, § 556 BGB, Rn. 43 f. (siehe auch Langenberg, Erstattung der Nebenkostenvorauszahlungen bei unklarer Formularvertragslage, NZM 2000, S. 801). Die vom Landgericht vertretene Auffassung, wonach die mangels Spezifizierung unwirksame Nebenkostenvereinbarung im Zweifel als Nebenkostenpauschale auszulegen ist, entspricht einer in der Literatur verbreiteten Auffassung, wenngleich sich keine Anhaltspunkte in der Literatur und in der Rechtsprechung finden, dass es sich dabei um die herrschende Meinung handelt (vgl. zum Beispiel Kossmann, Handbuch der Wohnraummiete, 6. Aufl. 2003, § 35 Rn. 8 ff.; Langenberg, in: Schmidt-Futterer, a.a.O., § 556 BGB, Rn. 63 ff.; Schmid, Kompaktkommentar Mietrecht, 2006, § 556 BGB, Rn. 37). Das Landgericht hat sich unter anderem auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf gestützt und darauf, dass dort auf die herrschende Rechtsprechung verwiesen werde. Dies ist unzutreffend, da die Rechtsprechungsnachweise zu der im Ausgangsverfahren streitigen Frage ausschließlich die eigene Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf betreffen. Dass das Landgericht die von ihm vertretene Auffassung als diejenige der herrschenden Meinung bezeichnet hat, begegnet jedoch für sich genommen noch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, selbst wenn es sich tatsächlich nicht um die herrschende Meinung handeln mag.
Soweit das Landgericht in seinem Beschluss die vom Oberlandesgericht Dresden im Urteil vom 20. Juni 2000 – 23 U 403/00 –, NZM 2000, S. 827 vertretene Auffassung, die auch in der Literatur geteilt wird (zum Beispiel Schmid, Nochmals: Erstattung von Nebenkostenvorauszahlungen bei unklarer Formularvertragslage, NZM 2000, S. 1041) und auf die sich die Beschwerdeführerin in ihrer Berufungsbegründung berufen hat, ablehnt, folgt daraus jedoch kein Grund zur Zulassung der Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO hat eine Rechtsfrage nämlich nur dann, wenn eine Frage klärungsbedürftig ist und eine unbestimmte Vielzahl von Fällen betrifft, wobei nicht schon jede Abweichung im Einzelfall ausreicht (vgl. Gummer, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 26. Aufl. 2007, § 543, Rn. 11 m.w.N.).
Mit diesen Voraussetzungen hat sich das Landgericht Mainz zwar nicht im Einzelnen auseinandergesetzt, und der bloße Verweis auf eine angeblich herrschende Meinung geht fehl, denn darauf kommt es für die Überprüfung der Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht an. Das zitierte Urteil des Oberlandesgerichts Dresden betrifft indessen eine andere Sachverhaltskonstellation und hat einen Formularmietvertrag über einen Gewerberaum zum Gegenstand, während im vorliegenden Fall ein Wohnraummietvertrag betroffen ist, der von den Vertragsparteien mündlich geschlossen wurde. Demgegenüber hat das Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 23. Mai 2002 – 10 U 96/01 –, a.a.O., auf das sich das Landgericht in seinem Beschluss bezieht, ausdrücklich offengelassen, ob dem gewerblichen Mieter oder Pächter grundsätzlich ein Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung der geleisteten Nebenkostenvorauszahlungen zusteht, wenn der Vermieter hierüber vertragswidrig nicht in angemessener Zeit abgerechnet hat. Wegen der grundlegenden Unterschiede im Sachverhalt konnte das Landgericht eine Abweichung seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Dresden und somit eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO willkürfrei verneinen.
2. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Unterschriften
Broß, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen