Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung der Auslagen
Verfahrensgang
AG München (Urteil vom 03.01.2002; Aktenzeichen 213 C 35561/01) |
Tenor
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Erstattung der notwendigen Auslagen für die Durchführung des Verfassungsbeschwerde-Verfahrens wird abgelehnt.
Tatbestand
Gegenstand des Verfahrens ist nur noch der Antrag des Beschwerdeführers, ihm die notwendigen Auslagen zu erstatten.
I.
Der Beschwerdeführer wurde vor dem Amtsgericht München auf Zahlung in Höhe von 1073,16 DM aus einem Werkvertrag in Anspruch genommen. Das Amtsgericht gab der Klage gemäß § 495 a ZPO ohne mündliche Verhandlung durch Urteil vom 3. Januar 2002 statt und führte zur Begründung aus, dass der Beschwerdeführer trotz Fristsetzung zur Klageerwiderung und Hinweis auf die Folgen der Nichteinhaltung dieser Frist keine Äußerung zum Klagevorbringen abgegeben habe. Deshalb sei auf der Grundlage des schlüssigen klägerischen Vortrags zu entscheiden gewesen sei.
Mit der Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer die Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt. Er hat geltend gemacht, dass die Klageerwiderung innerhalb der hierfür vom Gericht gesetzten Frist erfolgt sei. Die Klageerwiderung sei dem Gericht per Telefax einen Tag vor Fristablauf übermittelt worden.
Durch Beschluss vom 27. März 2002 hat das Amtsgericht der Rüge des Beschwerdeführers gemäß § 321 a ZPO abgeholfen und Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt. Das rechtzeitig eingegangene Verteidigungsvorbringen des Beschwerdeführers hätte bei der Entscheidung Berücksichtigung finden müssen, sodass das Urteil auf einem Verstoß gegen das rechtliche Gehör beruhe.
Im Hinblick auf diese Entscheidung des Amtsgerichts hat der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt und beantragt, ihm die notwendigen Auslagen nach § 34 a BVerfGG zu erstatten. Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen hat zu dem Antrag Stellung genommen. Es hält die Voraussetzung des § 34 a Abs. 3 BVerfGG nicht für gegeben.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag auf Auslagenerstattung bleibt ohne Erfolg.
Über die Erstattung der dem Beschwerdeführer durch die Verfassungsbeschwerde entstandenen Auslagen hat gemäß § 93 d Abs. 2 Satz 1 BVerfGG die Kammer zu entscheiden (vgl. BVerfGE 72, 34 ≪38 f.≫). Der Maßstab hierfür ergibt sich aus § 34 a Abs. 3 BVerfGG. Danach ist über die Erstattung der Auslagen, nachdem der Beschwerdeführer seine Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt hat, nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden (vgl. BVerfGE 87, 394 ≪397≫). Dabei kommt insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zu. Maßgeblich kann etwa sein, ob die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt beseitigt, ob eine Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde unterstellt werden kann oder ob die verfassungsrechtliche Lage – etwa durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einem gleich gelagerten Fall – bereits geklärt ist (vgl. BVerfGE 85, 109 ≪115 f.≫).
Nach diesen Grundsätzen entspricht eine Auslagenerstattung vorliegend nicht der Billigkeit im Sinne des § 34 a Abs. 3 BVerfGG, weil die Verfassungsbeschwerde gegen den Grundsatz der Subsidiarität verstieß und daher unzulässig war (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. März 2002 – 1 BvR 229/02).
Der Subsidiaritätsgrundsatz fordert, dass ein Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle prozessualen Möglichkeiten ausschöpft, um es nicht zu einem Verfassungsverstoß kommen zu lassen oder um eine geschehene Grundrechtsverletzung zu beseitigen (vgl. BVerfGE 81, 97 ≪102≫; stRspr). Zu diesen Möglichkeiten gehört seit dem 01. Januar 2002 auch die Rüge zur Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach § 321 a ZPO. Die durch das ZPO-Reformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl I S. 1887) eingeführte Vorschrift gibt die Möglichkeit der Selbstkorrektur bei unanfechtbaren Urteilen der ersten Instanz im Falle der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Die Regelung dient der einfachen und ökonomischen Beseitigung von Verfahrensunrecht und damit gleichzeitig der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts (BTDrucks 14/4722, S. 63). In ihrem Anwendungsbereich wird der innerprozessuale Grundrechtsschutz in einem wesentlichen Kernbereich auf eine sichere gesetzliche Grundlage gestellt (Vollkommer, in: Zöller, Kommentar zur ZPO, 23. Aufl. 2002, § 321 a Rn. 1). Der Beschwerdeführer hätte daher zunächst von der Einlegung der Verfassungsbeschwerde absehen und den Erfolg seiner Rüge nach § 321 a ZPO abwarten müssen.
Eine andere Beurteilung folgt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch nicht aus dem Umstand, dass das Ausgangsverfahren bereits am 01. Januar 2002 anhängig gewesen ist. Das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses ist nach dessen Art. 53 Nr. 3 im Wesentlichen am 1. Januar 2002 in Kraft getreten. Entsprechend den allgemeinen Regeln für Verfahrensvorschriften sind die Änderungen des Zivilprozesses durch das ZPO-Reformgesetz generell ab dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens auch auf laufende Verfahren anzuwenden (Gummer, in: Zöller, a.a.O., § 26 EGZPO Rn. 2). Die in § 26 EGZPO von diesem Grundsatz vorgesehenen Ausnahmen betreffen die Abhilfemöglichkeit nach § 321 a ZPO nicht. Auch aus § 26 Nr. 2 EGZPO folgt insoweit nichts anderes. Insbesondere fällt § 321 a ZPO nicht – wie der Beschwerdeführer meint – unter die in § 26 Nr. 2 EGZPO genannten Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug vor dem Einzelrichter. Hierzu gehören ausschließlich die für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Regelungen der §§ 348 bis 350 ZPO a.F.
Danach war der Beschwerdeführer gehalten, mit der Einlegung der Verfassungsbeschwerde zuzuwarten, bis das Amtsgericht über seinen Rechtsbehelf nach § 321 a ZPO entscheidet. Ein solches Zuwarten war ihm auch zumutbar. Eine vorsorgliche Einlegung der Verfassungsbeschwerde kam hier auch nicht mit Blick auf die Wahrung der Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG in Betracht. Denn auch wenn der eingelegte Rechtsbehelf vom Amtsgericht als unzulässig angesehen worden wäre, hätte die Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde erst mit Zugang des Beschlusses über den Rechtsbehelf zu laufen begonnen. Mit Blick auf den Grundsatz der Subsidiarität muss der Beschwerdeführer nämlich von einem Rechtsbehelf selbst dann Gebrauch machen, wenn dessen Statthaftigkeit zweifelhaft und in der Rechtsprechung noch nicht geklärt ist (vgl. BVerfGE 91, 93 ≪106≫). Dem entspricht es, dass nur dem offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelf keine fristhemmende Wirkung im Hinblick auf die Erhebung der Verfassungsbeschwerde zukommt (vgl. BVerfGE 14, 54 ≪55≫; 48, 341 ≪344≫; 49, 252 ≪255≫). Von einer offensichtlichen Unzulässigkeit der Rüge konnte der Beschwerdeführer jedoch schon angesichts des Wortlauts der §§ 321 a ZPO, 26 EGZPO nicht ausgehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Hoffmann-Riem
Fundstellen