Verfahrensgang
Tenor
1. Die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 14. Oktober 2008 – XI ZR 424/07 und XI ZR 428/07 – verletzen die Beschwerdeführer jeweils in ihrem Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse werden aufgehoben und die Sachen an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
2. Im Übrigen werden die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen.
3. Die Bundesrepublik Deutschland hat die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerden betreffen jeweils eine zivilrechtliche Auseinandersetzung im Zusammenhang mit dem finanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung zu Steuersparzwecken. In den zivilgerichtlichen Ausgangsverfahren wandten sich die Beschwerdeführer gegen die Zwangsvollstreckung, die von der Bausparkasse, die den Kauf in Zusammenarbeit mit einer Bank finanziert hatte, aus einer vollstreckbaren notariellen Urkunde betrieben wurde.
Die Beschwerdeführer erwarben im Jahr 1998 zu Steuersparzwecken ohne Eigenkapital eine Eigentumswohnung (1 BvR 3239/08) beziehungsweise einen 1/4 Miteigentumsanteil an einer solchen (1 BvR 3238/08). Zur Finanzierung des Kaufpreises schlossen die Beschwerdeführer mit der Bank, die hierbei durch die Bausparkasse vertreten wurde, einen Darlehensvertrag über ein – zunächst tilgungsfreies – Vorausdarlehen und mit der Bausparkasse zwei Bausparverträge. Die Ablösung des Vorausdarlehens sollte durch die beiden Bausparverträge erfolgen, die nacheinander anzusparen waren. Mit der Annahme des Kaufangebots durch notarielle Urkunde wurde zugunsten der Bausparkasse an dem Kaufgegenstand jeweils eine Grundschuld in Höhe der Darlehensforderung zuzüglich 12 % Jahreszinsen bestellt. Außerdem übernahmen die Beschwerdeführer die persönliche Haftung für die Zahlung des Grundschuldbetrages samt Zinsen und Nebenleistungen und unterwarfen sich wegen dieser Zahlungsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Nachdem der Beschwerdeführer des Verfahrens 1 BvR 3238/08 seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachgekommen war, kündigte die Bank den Darlehensvertrag und trat in der Folge ihre Ansprüche an die Bausparkasse ab, die aus der notariellen Urkunde die Zwangsvollstreckung betrieb. Entsprechend verfuhr die Bausparkasse in dem der Sache 1 BvR 3239/08 zugrunde liegenden Ausgangsfall, nachdem die Beschwerdeführer ihre auf den Abschluss des Vorausdarlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen unter Berufung auf das Haustürgeschäftewiderrufsgesetz widerrufen hatten.
Der Erwerb (des Miteigentumsanteils an) der jeweiligen Wohnung und die Finanzierung wurden durch Unternehmen der – inzwischen insolventen – H. Gruppe vermittelt, die seit den 1990er Jahren in großem Umfang Anlageobjekte vertrieb, die die im Ausgangsverfahren beklagte Bausparkasse in Zusammenarbeit mit verschiedenen Banken jeweils nach diesem Modell finanzierte. Der Vertrieb der Wohnungen erfolgte seitens der H. Gruppe regelmäßig auf Grundlage eines gegenüber den Anlegern formularmäßig verwendeten „Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags”. In diesem waren neben dem bezifferten Kaufpreis der Wohnung unter anderem eine Finanzierungsvermittlungsgebühr und eine Courtage betragsmäßig ausgewiesen, die regelmäßig an die B. GmbH beziehungsweise an die I. GmbH – zwei Unternehmen der H. Gruppe – zu zahlen waren.
Die Beschwerdeführer, die ebenfalls die I. GmbH und die B. GmbH beauftragt hatten, ihnen den Erwerb (des Miteigentumsanteils an) der Eigentumswohnung zu vermitteln, wandten sich mit der Vollstreckungsgegenklage im Ausgangsverfahren gegen die von der Bausparkasse betriebene Zwangsvollstreckung, indem sie ihrer persönlichen Inanspruchnahme aus der notariellen Vollstreckungsunterwerfungserklärung wegen der von ihnen übernommenen persönlichen Haftung einen Schadensersatzanspruch aus Aufklärungsverschulden entgegen hielten. Dazu machten sie unter anderem geltend, die beklagte Bausparkasse habe sie darüber unterrichten müssen, dass sie durch die Angaben im „Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag”, der auch ihnen gegenüber verwendet worden sei, über die Höhe der Vertriebsprovisionen getäuscht worden seien. Zusätzlich zu den dort offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen – Finanzierungsvermittlungsgebühr (ca. 2 % des Kaufpreises) und Courtage (3,45 % des Kaufpreises) – seien in dem für die Wohnung zu zahlenden Kaufpreis weitere Provisionen in Höhe von 20 % bis 23 % eingerechnet gewesen, die ebenfalls an den Vertrieb geflossen seien, wovon die Beklagte Kenntnis gehabt habe.
Das Landgericht wies die Klagen ab. Die hiergegen gerichteten Berufungen blieben ohne Erfolg. Auf die vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revisionen hob dieser im Hinblick auf die zwischenzeitlich ergangene neue Rechtsprechung zum institutionalisierten Zusammenwirken (BGHZ 168, 1 ≪22≫ Rn. 50 ff.) die zunächst ergangenen Berufungsurteile auf und verwies die Sachen zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurück. Dieses wies die Berufungen erneut zurück, weil keine Aufklärungspflicht verletzt worden sei. Eine finanzierende Bank sei nur unter besonderen Umständen verpflichtet, über die Risiken des finanzierten Geschäfts aufzuklären, beispielsweise wenn sie in Bezug auf spezielle Risiken des zu finanzierenden Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung gegenüber dem Darlehensnehmer habe und dies auch erkennen könne. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Revision ließ das Berufungsgericht jeweils nicht zu.
Mit ihren hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerden machten die Beschwerdeführer jeweils geltend, das Berufungsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, weil es entscheidungserheblichen Vortrag zur Täuschung über die Höhe der von ihnen zu zahlenden Vermittlungsprovisionen nicht beachtet habe. Das Berufungsgericht habe den Vortrag lediglich unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob der Kaufpreis überhöht gewesen sei. Dies habe die rechtliche Tragweite ihres Vorbringens nicht erfasst. Sie, die Beschwerdeführer, hätten auf Grundlage der Angaben im formularmäßig verwendeten „Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag” davon ausgehen müssen, dass als Vertriebsgebühren nur die dort ausgewiesene Finanzierungsvermittlungsgebühr (ca. 2 %) und Courtage (3,45 %), insgesamt also 5,45 % des Nettokaufpreises, anfielen. Die Diskrepanz zwischen der offen ausgewiesenen und der tatsächlich gezahlten höheren Vertriebsprovision stelle sich als Täuschung dar, weil derjenige, der eine Auskunft gebe, diese zutreffend erteilen müsse, auch wenn er die Auskunft an sich nicht schulde. Die Kenntnis der beklagten Bausparkasse sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 168, 1 ≪22≫ Rn. 50 ff.) zu vermuten, da diese mit dem Vertrieb in institutionalisierter Weise zusammengearbeitet habe. Die der Beklagten anzulastende Pflichtverletzung beruhe mithin nicht auf einer unterbliebenen Aufklärung über die Höhe der Innenprovisionen, sondern auf dem Umstand, dass diese von ihrer arglistigen Täuschung über die Höhe der zu zahlenden Innenprovision Kenntnis gehabt habe.
Der Bundesgerichtshof wies die Nichtzulassungsbeschwerden zurück. Von einer arglistigen Täuschung über eine Innenprovision könne „hier keine Rede sein”.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihren Verfassungsbeschwerden jeweils gegen die Urteile des Landgerichts und des Berufungsgerichts sowie gegen den Beschluss des Bundesgerichtshofs. Sie rügen hinsichtlich dieser Entscheidungen eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG und hinsichtlich der angegriffenen Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerden darüber hinaus – der Sache nach – eine Verletzung des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) sowie des Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG).
Sie machen unter anderem geltend, die jeweilige Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen, beruhe auf einer nicht haltbaren Anwendung der Zulassungskriterien des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO und verletze sie daher in ihren verfassungsmäßigen Rechten. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sei die Zulassung der Revision dann geboten, wenn andernfalls schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstünden oder fortbestünden, wobei es auf die Bedeutung der angefochtenen Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen ankomme. Danach sei die Revision zuzulassen, wenn ein Rechtsanwendungsfehler über den Einzelfall hinaus Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühre. Vor dem Hintergrund, dass es dem Bundesgerichtshof obliege, Allgemeine Geschäftsbedingungen einheitlich auszulegen, sei die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde zumindest deshalb unhaltbar, weil das Oberlandesgericht Schleswig zu diesem Zeitpunkt den in Rede stehenden „Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag” bereits abweichend im Sinne einer Täuschung der Anleger über die Höhe der Innenprovisionen ausgelegt habe, was dem Bundesgerichtshof auch bekannt gewesen sei.
III.
Die Verfassungsbeschwerden sind der Bundesregierung, dem Niedersächsischen Justizministerium und der im Ausgangsverfahren beklagten Bausparkasse zugestellt worden. Der Bundesgerichtshof wurde in einem Parallelverfahren (betreffend den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 23. September 2008 – XI ZR 379/07 –, aufgehoben durch Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. Juni 2012 – 1 BvR 2952/08 –, juris) um die Abgabe einer Stellungnahme gebeten. Die Akten der Ausgangsverfahren sind beigezogen.
1. Die Bundesregierung und das Niedersächsische Justizministerium haben von einer Äußerung abgesehen.
2. Die Bausparkasse als die von den Ausgangsentscheidungen Begünstigte vertritt die Auffassung, dass den Verfassungsbeschwerden das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Die Beschwerdeführer könnten auf diesem Weg ihr prozessuales Ziel nicht mehr erreichen, weil die Schadensersatzansprüche, die sie der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung entgegen hielten, von ihnen in gesonderten zivilgerichtlichen Verfahren klageweise geltend gemacht und – vor Erlass der mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Beschlüsse des Bundesgerichtshofs – jeweils rechtskräftig aberkannt worden seien.
Unabhängig davon habe der Bundesgerichtshof den Justizgewährungsanspruch (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) der Beschwerdeführer nicht verletzt. Die Beschwerdeführer hätten sich in der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerden ausschließlich auf den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) berufen, weil das Berufungsgericht Vorbringen zur arglistigen Täuschung mittels des „Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags” gehörswidrig unberücksichtigt gelassen habe. Dies habe der jeweiligen Nichtzulassungsbeschwerde bereits deshalb nicht zum Erfolg verhelfen können, weil dieses Vorbringen nach der damaligen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entscheidungserheblich gewesen sei. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs habe das Formular damals noch dahingehend ausgelegt, dass es nicht den unzutreffenden Eindruck erwecke, in den Gesamtkosten seien keine weiteren Vertriebskosten enthalten. Das jeweilige Berufungsurteil habe daher in Einklang mit der seinerzeitigen höchstrichterlichen Rechtsprechung gestanden, so dass der Bundesgerichtshof die Nichtzulassungsbeschwerden zu Recht zurückgewiesen habe.
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) sei mit den Nichtzulassungsbeschwerden nicht in zulässiger Weise geltend gemacht worden. Auch dieser Zulassungsgrund habe im Übrigen zum Zeitpunkt der Zurückweisung der jeweiligen Nichtzulassungsbeschwerde nicht vorgelegen. Es sei um keine klärungsbedürftige Rechtsfrage, sondern allein um die Auslegung einer privatschriftlichen Vertragsurkunde gegangen, die dem Bundesgerichtshof aus zahlreichen Verfahren bekannt gewesen sei und die er – auf Grundlage der damaligen Auffassung – für nicht täuschungsbegründend erachtet habe.
3. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat in dem Parallelverfahren die Stellungnahme des Vorsitzenden des XI. Zivilsenats übermittelt.
Dieser hat mitgeteilt, im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde jenes Beschwerdeführers (23. September 2008) habe kein Grund bestanden, der die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO gerechtfertigt hätte. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) oder zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO) habe der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht. Er habe sich ausschließlich auf den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) gestützt und beanstandet, das Berufungsgericht habe unter Verkennung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sein entscheidungserhebliches Vorbringen dazu nicht berücksichtigt, dass er mittels des „Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags” arglistig über die Höhe der an den Vertrieb gezahlten Innenprovisionen getäuscht worden sei, worüber ihn die finanzierende Bank beziehungsweise Bausparkasse habe aufklären müssen. Hiermit habe der Beschwerdeführer seinerzeit keinen Zulassungsgrund dargetan. Eine Täuschung mittels des „Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags” sei nach der damaligen Auffassung des Senats nicht in Betracht gekommen. Die maßgebliche Auslegung des Formulars habe nach der damaligen Ansicht des Senats ergeben, dass den Anlegern nicht vorgespiegelt werde, im nicht näher aufgeschlüsselten „Kaufpreis” seien neben den ausdrücklich aufgelisteten Courtagen keine weiteren Vertriebskosten enthalten. Seinerzeit habe daher kein Grund für die Zulassung der Revision bestanden, da das Berufungsgericht aus damaliger Sicht rechtsfehlerfrei und ohne Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) eine arglistige Täuschung durch den „Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag” nicht in Erwägung gezogen habe.
Allerdings habe der Senat seine Auffassung zur Auslegung des auch gegenüber jenem Beschwerdeführer verwendeten „Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags” zwischenzeitlich geändert. Mit Urteil vom 29. Juni 2010 (BGHZ 186, 96 ≪107≫ Rn. 30 ff.) habe der Senat ausgeführt, eine Auslegung des „Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags”, wonach dieser den Eindruck erwecke, die beiden dort bezeichneten Vermittlungsgesellschaften hätten ihre Leistungen ausschließlich zu den im Formular ausgewiesenen Provisionen erbringen sollen, sei ebenfalls vertretbar. Diese Auslegung sei insbesondere unter Berücksichtigung der Unklarheitenregel des § 5 AGBG (jetzt: § 305c Abs. 2 BGB) maßgeblich, nach welcher bei mehreren möglichen Auslegungen das für den Verwender ungünstigere Ergebnis zugrunde zu legen sei. Bei dieser Auslegung des „Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags” liege eine arglistige Täuschung der Anleger über die Höhe der Vermittlungsprovisionen vor, die – unter weiteren Voraussetzungen – nunmehr zu einer Haftung der beklagten Bausparkasse führe.
Der Vorsitzende des XI. Zivilsenats hat ferner darauf hingewiesen, dass in Anwendung dieser neuen Rechtsprechungsgrundsätze auch der jener Verfassungsbeschwerde zugrunde liegende Sachverhalt heute anders zu entscheiden wäre. Im Anschluss und mit Rücksicht auf das vorgenannte Senatsurteil habe der Senat aus Gründen der Fairness in allen Fällen auf Nichtzulassungsbeschwerden, die auf eine Aufklärungspflichtverletzung im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung mittels eines gleichlautenden „Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags” gestützt gewesen seien, die Revision zugelassen.
IV.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung an, soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs über die Zurückweisung der Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision richten, und gibt ihnen nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG statt. Insoweit sind die Verfassungsbeschwerden zulässig und unter Berücksichtigung der bereits hinreichend geklärten Maßstäbe zu Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG auch offensichtlich begründet.
1. Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig. Sie genügen dem in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Subsidiarität.
Nach diesem Grundsatz reicht es nicht aus, dass der Beschwerdeführer den fachgerichtlichen Rechtsweg lediglich formell erschöpft hat; er muss vielmehr darüber hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 77, 381 ≪401≫; 81, 97 ≪102 f.≫; 107, 395 ≪414≫; stRspr). Dazu können Rechtsausführungen vor den Fachgerichten gehören, sofern das maßgebliche Prozessrecht, wie beispielsweise bei der Einlegung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung eines Rechtsmittels, rechtliche Darlegungen verlangt (vgl. BVerfGE 112, 50 ≪60≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. April 2011 – 1 BvR 3007/07 –, NJW 2011, S. 2276). Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde sind die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO in der Beschwerdebegründung darzulegen (§ 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Dies erfordert, zu den Zulassungsgründen, auf die die Beschwerde gestützt wird, so substantiiert vorzutragen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, allein anhand der Beschwerdebegründung und des Berufungsurteils die Zulassungsvoraussetzungen zu prüfen (vgl. BGHZ 152, 182 ≪185≫; BGH, Beschluss vom 25. März 2010 – V ZB 159/09 –, NJW-RR 2010, S. 784 Rn. 5). Diesen Anforderungen entsprechend haben die Beschwerdeführer der Sache nach hinreichend zu den Voraussetzungen der Grundsatzbedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) der Auslegung des in Rede stehenden „Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags” vorgetragen; die Benennung eines anderen nicht einschlägigen Zulassungsgrundes (hier: § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO: Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) steht dem nicht entgegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. Juni 2012 – 1 BvR 2952/08 –, juris, Rn. 20; BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2002 – V ZR 100/02 –, NJW 2003, S. 754 f.; Ball, in: Musielak, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 544 Rn. 17a).
2. Die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerden verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG).
a) Der aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Grundrechten, insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG, abzuleitende Justizgewährungsanspruch gewährleistet nicht nur den Zugang zu den Gerichten sowie eine verbindliche Entscheidung durch den Richter aufgrund einer grundsätzlich umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Prüfung des Streitgegenstandes (vgl. BVerfGE 97, 169 ≪185≫; 107, 395 ≪401≫; 108, 341 ≪347≫). Das Gebot effektiven Rechtsschutzes beeinflusst auch die Auslegung und Anwendung der Bestimmungen, die für die Eröffnung eines Rechtswegs und die Beschreitung eines Instanzenzugs von Bedeutung sind. Es begründet zwar keinen Anspruch auf eine weitere Instanz; die Entscheidung über den Umfang des Rechtsmittelzugs bleibt vielmehr dem Gesetzgeber überlassen (vgl. BVerfGE 54, 277 ≪291≫; 89, 381 ≪390≫; 107, 395 ≪401 f.≫). Hat der Gesetzgeber sich jedoch für die Eröffnung einer weiteren Instanz entschieden und sieht die betreffende Prozessordnung dementsprechend ein Rechtsmittel vor, so darf der Zugang dazu nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 77, 275 ≪284≫; 78, 88 ≪99≫; 88, 118 ≪124≫). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen (vgl. BVerfGE 78, 88 ≪98 f.≫; 96, 27 ≪39≫).
b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen des Justizgewährungsanspruchs an die Anwendung des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO genügen die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerden nicht. Die Annahme des Bundesgerichtshofs, der Sache komme auf Grundlage des Beschwerdevorbringens keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) zu, ist – bezogen auf den damaligen Entscheidungszeitpunkt – nicht haltbar.
aa) Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO kommt einer Sache nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BGHZ 154, 288 ≪291≫; 159, 135 ≪137≫; BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 – II ZR 54/09 –, NJW-RR 2010, S. 1047 Rn. 3). Klärungsbedürftig sind solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden oder die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind. Hat der Bundesgerichtshof eine Rechtsfrage bereits geklärt, kann sich weiterer Klärungsbedarf ergeben, wenn neue Argumente ins Feld geführt werden können, die den Bundesgerichtshof zu einer Überprüfung seiner Auffassung veranlassen könnten (vgl. BVerfGK 11, 420 ≪431≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Mai 2010 – 1 BvR 2643/07 –, FamRZ 2010, S. 1235 ≪1236 f.≫; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. September 2010 – 1 BvR 2649/06 –, juris, Rn. 29; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. April 2011 – 1 BvR 3007/07 –, NJW 2011, S. 2276 ≪2277≫).
bb) Diese Voraussetzungen lagen zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde (im Oktober 2008) ersichtlich vor. Die Frage, ob die beklagte Bausparkasse schadensersatzpflichtig ist, weil sie trotz eines insoweit bestehenden Wissensvorsprungs nicht über eine arglistige Täuschung betreffend die Höhe der Innenprovisionen aufgeklärt hat, hängt nach der fachrechtlichen Beurteilung entscheidend von der Auslegung des in Rede stehenden „Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags” ab. Eine arglistige Täuschung seitens des Vertriebs kommt dann in Betracht, wenn man das Formular – wie von den Beschwerdeführern im jeweiligen Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde reklamiert – dahingehend versteht, die betragsmäßig bezifferte Auflistung einzelner Vertriebsprovisionen erwecke den unzutreffenden Eindruck, im nicht näher aufgeschlüsselten Kaufpreis seien keine weiteren Innenprovisionen enthalten. Auch wenn der Bundesgerichtshof nach seiner damaligen Rechtsauffassung ein solches Verständnis nicht zugrunde legen wollte, wäre der Frage, ob der in Rede stehende „Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag” über die Höhe der Vertriebsprovisionen täuscht, dennoch grundsätzliche Bedeutung zugekommen. Eine dahingehende Entscheidung des Revisionsgerichts hätte wie ein „Musterprozess” (vgl. BGHZ 152, 182 ≪191≫) eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung für die Allgemeinheit gehabt. Das erhellt sich auch daraus, dass der Bundesgerichtshof im Rahmen des später ergangenen Grundsatzurteils vom 29. Juni 2010 dieses Formular wegen dessen massenhafter, bundesweiter Verwendung selbst verbindlich ausgelegt hat (vgl. BGHZ 186, 96 ≪107≫ Rn. 28). Dass der Bundesgerichtshof diese Frage auch unter Zugrundelegung seiner damaligen Auslegung nicht für zweifelsfrei und daher für nicht klärungsbedürftig hätte erachten dürfen, zeigt bereits der Umstand, dass der zuständige Senat seine dahingehende Rechtsauffassung selbst geändert hat und nunmehr – in jeder Hinsicht überzeugend – ein Verständnis im Sinne der Beschwerdeführer für „ebenfalls vertretbar”, sogar „nahe liegender” hält (vgl. BGHZ 186, 96 ≪107 f.≫ Rn. 30) und dieses Auslegungsergebnis unter Anwendung des § 5 AGBG (jetzt: § 305c Abs. 2 BGB) verbindlich vorgibt (vgl. BGHZ 186, 96 ≪108≫ Rn. 31).
3. Auch die übrigen Voraussetzungen der Annahme der Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG liegen hinsichtlich der die Nichtzulassungsbeschwerden zurückweisenden Beschlüsse vor. Allerdings ist die Annahme einer Verfassungsbeschwerde zur Durchsetzung als verletzt gerügter Rechte dann nicht angezeigt, wenn deutlich abzusehen ist, dass der betreffende Beschwerdeführer auch im Falle einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫). So verhält es sich hier jedoch gerade nicht.
Der Bundesgerichtshof hat zur Täuschung über Innenprovisionen mittels des auch hier verwendeten „Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags” zwar in seinem Urteil vom 29. Juni 2010 Stellung genommen (BGHZ 186, 96), so dass die Grundsatzbedeutung zwischenzeitlich entfallen ist. Das steht der hinreichenden Erfolgsaussicht der Nichtzulassungsbeschwerden der Beschwerdeführer aber ersichtlich nicht entgegen. Entfällt der Zulassungsgrund – wie hier die grundsätzliche Bedeutung – vor der Entscheidung des Revisionsgerichts deshalb, weil die Rechtsfrage in einem anderen Verfahren geklärt worden ist, gebietet eine verfassungskonforme Auslegung der § 543 Abs. 2 Satz 1, § 544 Abs. 4 ZPO im Lichte des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) die Revision gleichwohl dann zuzulassen, wenn diese Aussicht auf Erfolg verspricht (vgl. BVerfGK 6, 79 ≪81 ff.≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 10. April 2008 – 1 BvR 1440/07 –, NJW 2008, S. 2493 ≪2494≫; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. September 2010 – 1 BvR 2649/06 –, juris, Rn. 23). Die Erfolgsaussicht der Revision ist auf Grundlage der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keinesfalls zu verneinen, sondern drängt sich auf. Der Bundesgerichtshof geht aufgrund der Unklarheitenregel des § 5 AGBG davon aus, dass das in Rede stehende Formular den Eindruck erweckt, die beiden dort bezeichneten Vermittlungsgesellschaften hätten ihre Leistungen ausschließlich zu den im Formular ausgewiesenen Provisionen erbringen sollen (vgl. BGHZ 186, 96 ≪108≫ Rn. 31). Bei dieser Auslegung des „Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags” liegt eine Täuschung der Beschwerdeführer über die Höhe der Vermittlungsprovisionen vor, die – unter weiteren Voraussetzungen – nunmehr zu einer Haftung der in den Ausgangsverfahren jeweils beklagten Bausparkasse führen kann.
Auch der Einwand der beklagten Bausparkasse, dass die der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung entgegen gehaltenen Schadensersatzansprüche in gesonderten gerichtlichen Verfahren im Jahr 2007 rechtskräftig aberkannt worden seien, steht der Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Nichtzulassungsbeschwerden der Beschwerdeführer nicht entgegen. Die Tenorbegründung des Bundesgerichtshofs in den mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Beschlüssen vom 14. Oktober 2008 gibt zu erkennen, dass der Bundesgerichtshof den Gesichtspunkt einer Aufklärungspflichtverletzung im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung über Innenprovisionen für entscheidungserheblich erachtet hat. Vor diesem Hintergrund bleibt die erstmals in den vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren thematisierte fachrechtliche Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang hier die Erfolgsaussicht der Nichtzulassungsbeschwerden durch den Abschluss der anderweitigen zivilgerichtlichen Verfahren berührt wird, einer fachgerichtlichen Überprüfung vorbehalten.
V.
Soweit sich die Verfassungsbeschwerden gegen die Urteile des jeweiligen Landgerichts und Berufungsgerichts richten, ist ihre Annahme zur Entscheidung weder wegen grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung noch zur Durchsetzung der verfassungsmäßigen Rechte der Beschwerdeführer angezeigt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Mit der Aufhebung der die Nichtzulassungsbeschwerden zurückweisenden Beschlüsse verbunden mit der Zurückverweisung der Sachen an den Bundesgerichtshof ist die Möglichkeit einer fachgerichtlichen Korrektur der Entscheidung wieder eröffnet. Der Bundesgerichtshof wird unter Einbeziehung seiner zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung (vgl. BGHZ 186, 96) erneut über die Zulassung der Revision zu entscheiden haben, so dass die Frage, ob das jeweilige Urteil des Berufungsgerichts letztlich Bestand haben wird, noch offen ist. Einer Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht, ob diese Urteile wegen eines vom jeweiligen Landgericht beziehungsweise Berufungsgericht nicht hinreichend beachteten „strukturellen Ungleichgewichts” zwischen den Vertragspartnern mit Art. 2 Abs. 1 GG unvereinbar ist, wie die Beschwerdeführer meinen, bedarf es daher hier nicht (vgl. BVerfGE 50, 115 ≪125≫).
Von einer weiteren Begründung wird insoweit nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
VI.
Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2, Abs. 3 BVerfGG. Im Hinblick auf den wesentlichen Teilerfolg der Verfassungsbeschwerde erscheint die Anordnung der Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer angemessen.
Unterschriften
Gaier, Schluckebier, Baer
Fundstellen
Haufe-Index 3689191 |
NJW 2013, 1869 |
WM 2013, 19 |