Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die rentenrechtliche Bewertung der ersten Berufsjahre sowie von Ersatzzeiten wegen der Ableistung eines militärischen Dienstes (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).
I.
1. Die gesetzliche Rentenversicherung ist im besonderen Maße geprägt vom so genannten Äquivalenzprinzip. Nach § 63 Abs. 1 SGB VI richtet sich die Höhe einer Rente vorrangig nach der Höhe des während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens. Eine wesentliche Ausnahme vom Äquivalenzprinzip bildet die Anrechnung und Bewertung der so genannten beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten gemäß § 54 Abs. 3 und 4 SGB VI (vor In-Kraft-Treten des SGB VI: beitragslose Zeiten gemäß § 1255a RVO; § 32a AVG). Diese Zeiten können für die Rentenhöhe wertsteigernd berücksichtigt werden. Dazu gehören neben den so genannten Anrechnungszeiten gemäß § 58 SGB VI (vor In-Kraft-Treten des SGB VI: Ausfallzeiten) und den so genannten Zurechnungszeiten gemäß § 59 SGB VI insbesondere die hier maßgeblichen Ersatzzeiten. Es handelt sich hierbei um Zeiten, in denen nach der Wertung des Gesetzgebers Versicherte ohne eigenes Verschulden daran gehindert waren, vollwertige Beiträge zu entrichten. Eine weitere Ausnahme stellte die Höherbewertung der Pflichtbeitragszeiten der ersten Berufsjahre dar. Hierdurch sollten niedrige Vergütungen zu Beginn des Versicherungslebens, insbesondere während der Berufsausbildung, rentenrechtlich ausgeglichen werden.
2. a) Ersatzzeiten wurden nach altem Recht anhand des Durchschnittswerts der Beitragszeiten des Versicherten bewertet, ohne dass Beitragslücken im Versicherungsverlauf sich insoweit wertmindernd auswirken konnten (vgl. § 1255a RVO und § 32a AVG, jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts ≪Haushaltsbegleitgesetz 1983≫ vom 20. Dezember 1982, BGBl I S. 1857).
b) Die Anrechnung von Ersatzzeiten erforderte außerdem die Erfüllung – mehrfach geänderter – versicherungsrechtlicher Voraussetzungen. Zunächst genügte allein eine Vorversicherung oder die Aufnahme einer rentenversicherungsrechtlichen Beschäftigung oder Tätigkeit innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Beendigung der Ersatzzeit (vgl. zuletzt § 1251 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a RVO und § 28 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a AVG, jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Beseitigung von Härten in den gesetzlichen Rentenversicherungen und zur Änderung sozialrechtlicher Vorschriften ≪Rentenversicherungs-Änderungsgesetz – RVÄndG≫ vom 9. Juni 1965, BGBl I S. 476). Das Gesetz zur weiteren Reform der gesetzlichen Rentenversicherungen und über die Fünfzehnte Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherung sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Rentenreformgesetz 1972 – RRG 1972) vom 16. Oktober 1972 (BGBl I S. 1965) führte schließlich als weitere – alternative – Voraussetzung für die Anrechnung einer Ersatzzeit die so genannte Halbbelegung ein. Nunmehr genügte es, wenn der Versicherte die Hälfte seines Versicherungslebens, mindestens aber 60 Kalendermonate, mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt hatte (§ 1251 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c RVO; § 28 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c AVG jeweils in der Fassung des RRG 1972).
3. Seit In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 – RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S. 2261) haben sich mit Wirkung vom 1. Januar 1992 an wesentliche Änderungen sowohl bei der Anrechung als auch Bewertung von Ersatzzeiten ergeben. Es entfiel das Erfordernis einer Vorversicherungszeit und der Halbbelegung. Ersatzzeiten sind gemäß § 250 SGB VI ohne weitere versicherungsrechtliche Voraussetzungen anrechenbar. Darüber hinaus wurde mit der so genannten Gesamtleistungsbewertung erstmals eine Bewertung beitragsfreier und beitragsgeminderter Zeiten am Maßstab der individuellen Beitragsdichte des Versicherten eingeführt.
Bei der Gesamtleistungsbewertung werden zwei Durchschnittszahlen, die Grundbewertung und die Vergleichsbewertung, gebildet.
a) Die Grundbewertung ergibt sich aus der Summe aller Entgeltpunkte aus Beitrags- und Berücksichtigungszeiten, dividiert durch die Summe der belegungsfähigen Monate, wobei der belegungsfähige Zeitraum regelmäßig die Zeit vom vollendeten 16. Lebensjahr (seit 1. Januar 1997: 17. Lebensjahr) bis zum Eintritt des Versicherungsfalls umfasst. Beitragfreie Zeiten werden aus dem belegungsfähigen Zeitraum herausgerechnet (vgl. § 72 SGB VI in Verbindung mit der Übergangsregelung in § 263 Abs. 2 SGB VI).
b) Um den Besonderheiten von beitragsgeminderten Zeiten gerecht zu werden, hat der Gesetzgeber neben der Grundbewertung nach § 72 SGB VI die so genannte Vergleichsbewertung eingeführt. Beitragsgeminderte Zeiten sind solche, die sowohl mit Beitragszeiten als auch mit Anrechnungs-, Zurechnungs- oder Ersatzzeiten belegt sind (§ 54 Abs. 3 SGB VI). Bei der Grundbewertung werden beitragsgeminderte Zeiten wie sonstige “vollwertige” Beitragszeiten im Sinne des § 54 Abs. 2 SGB VI sowohl bei der individuellen Beitragsleistung als auch bei dem belegungsfähigen Zeitraum berücksichtigt. Ist die individuelle Beitragsleistung für beitragsgeminderte Zeiten gering – was oftmals der Fall ist, weil sie mit eigentlich beitragsfreien Zeiten einhergehen, in denen die Zahlung vollwertiger Beiträge regelmäßig nicht möglich ist –, könnte dies zu dem unerwünschten Ergebnis führen, dass der im Rahmen der Grundbewertung ermittelte Rentenwert durch sie gemindert würde. Denn ohne die Beitragsleistung würde sich der belegungsfähige Zeitraum verkürzen, so dass die übrigen vollwertigen Beitragsleistungen eine stärkere rentensteigernde Wirkung hätten. Die Vergleichsbewertung nach § 73 SGB VI behandelt die beitragsgeminderten Zeiten daher wie beitragsfreie Zeiten. Diese bleiben sowohl bei der Bestimmung der Beitragsleistung als auch bei der Ermittlung des belegungsfähigen Zeitraums unberücksichtigt. Maßgeblich sind insoweit allein vollwertige Beitragszeiten.
c) Für beitragsfreie Zeiten wie die Ersatzzeiten richtet sich der individuelle Gesamtleistungswert allein nach der für den Versicherten günstigeren Grund- oder Vergleichsbewertung (§ 71 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
4. Durch Art. 5 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und zur Änderung anderer Gesetze vom 26. Juli 1994 (BGBl I S. 1792) wurde in § 263 Abs. 5 SGB VI eine ergänzende Vertrauensschutzregelung für Versicherte mit einer hohen Anzahl an kriegs-, vertreibungs- oder verfolgungsbedingten Ersatzzeiten von mindestens vier Jahren eingeführt. Dieser Personenkreis sollte auf Antrag so gestellt werden, als sei der Rentenbeginn bereits im Dezember 1991 eingetreten (vgl. BTDrucks 12/7688, S. 9). Die Neuregelung trat rückwirkend zum 1. Januar 1992 in Kraft (vgl. Art. 9 Abs. 2 des Gesetzes).
5. a) Eine besondere Behandlung der ersten Kalenderjahre einer versicherungspflichtigen Beschäftigung erfolgte erstmals durch die Rentenreformgesetzgebung 1957. Von dem Grundsatz, dass für die individuelle Rentenhöhe neben den Versicherungsjahren vor allem der sich aus allen Beitragsjahren ergebende Durchschnittswert (Vomhundertsatz) maßgeblich ist, wurde für die ersten fünf Kalenderjahre nach Eintritt in die Versicherung eine Ausnahme geschaffen, wenn der Eintritt vor Vollendung des 25. Lebensjahres erfolgte. Da in dieser Zeit üblicherweise die Ausbildungsjahre lagen, in denen nur niedrige Arbeitsentgelte versichert wurden, sollten diese Zeiten bei der Rentenberechnung außer Betracht bleiben, wenn sich hierdurch ein höherer Vomhundertsatz ergab (§ 1255 Abs. 4 RVO in der Fassung des ArVNG; § 32 Abs. 4 AVG in der Fassung des AnVNG).
b) Durch das Rentenversicherungs-Änderungsgesetz von 1965 wurden § 1255 Abs. 4 RVO und § 32 Abs. 4 AVG neu gefasst. Entscheidend für die Höherbewertung war nicht mehr, dass der Versicherte vor Vollendung seines 25. Lebensjahres in die Versicherung eingetreten war. Auch die Bewertung selbst änderte sich. Endeten die ersten fünf Kalenderjahre nach dem 31. Dezember 1963, wurden diesen Zeiten auf mindestens 90 vom Hundert des Durchschnittsverdiensts angehoben (vgl. § 1255 Abs. 4 Buchstabe b RVO; § 32 Abs. 4 Buchstabe b AVG, jeweils in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 1983). Endeten die fünf Kalenderjahre früher, wurde weiterhin der monatliche Vomhundertsatz mit und ohne Berücksichtigung der Pflichtbeiträge in den ersten fünf Jahren verglichen. War die Berechnung ohne diese Pflichtbeiträge günstiger, wurden die ersten fünf Kalenderjahre wie Ausfallzeiten berechnet (vgl. § 1255 Abs. 4 Buchstabe a RVO; § 32 Abs. 4 Buchstabe a AVG); damit kam es ebenso wie bei den Ersatzzeiten auf den Durchschnittswert der bisherigen Beitragszeiten an (§ 1255a RVO; § 32a AVG).
6. a) Bei Einführung des SGB VI durch das Rentenreformgesetz 1992 hielt der Gesetzgeber nicht an der starren Regelung des Zeitraums der ersten fünf Jahre seit dem Eintritt in die Versicherung fest, die weder Lücken noch beitragsfreie Zeiten berücksichtigte. Vielmehr definierte der Gesetzgeber nun als “Pflichtbeitragszeiten für eine Berufsausbildung” die ersten 48 Monate mit Pflichtbeiträgen für Zeiten einer versicherten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres (§ 70 Abs. 3 Satz 2 SGB VI in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992). Mit der Beschränkung auf Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr sollte sichergestellt werden, dass die Anhebung des Beitragswerts vor allem Zeiten der beruflichen Ausbildung betraf, auch wenn der Gesetzgeber für den betreffenden Zeitraum weiterhin auf den Nachweis einer Berufsausbildung verzichtete (vgl. BTDrucks 11/4124, S. 143).
b) Die Bewertung dieser Zeiten erfolgte nunmehr unabhängig vom Zeitpunkt des Versicherungseintritts mit mindestens 90 vom Hundert des Durchschnittsverdiensts (§ 70 Abs. 3 Satz 1 SGB VI). Zeiten der Berufsausbildung, die außerhalb der Grenzen des § 70 Abs. 3 Satz 2 SGB VI lagen, erhielten bei entsprechendem Nachweis ebenfalls für jeden Kalendermonat 0,075 Entgeltpunkte (§ 70 Abs. 3 Satz 1 SGB VI). Lagen die Zeiten vor dem 1. Januar 1992, geschah dies allerdings nur auf Antrag des Versicherten (vgl. § 256 SGB VI in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992). Eine derartige Berücksichtigung echter Berufsausbildungszeiten außerhalb des gesetzlichen Rahmens war nach früherem Recht nicht möglich gewesen.
II.
1. Der am 20. Januar 1927 geborene Beschwerdeführer wurde am 15. Februar 1943 zum Kriegsdienst eingezogen. Am 26. August 1946 kehrte er als Schwerstkriegsbeschädigter (Beinamputation) aus tschechischer Kriegsgefangenschaft zurück. Von Oktober 1947 bis zum April 1957 entrichtete der Beschwerdeführer Pflichtbeiträge und von Oktober 1960 bis Ende 1991 als Architekt freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, wobei allerdings in der Zeit vor dem 1. Januar 1984 zahlreiche Monate nicht mit freiwilligen Beiträgen belegt sind. So zahlte er in den Jahren 1958, 1959 und 1977 bis 1983 keine und in den Jahren 1960 bis 1976 nur für einzelne Monate Beiträge.
2. Im August 1991 erteilte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund) dem Beschwerdeführer eine Auskunft über die Höhe seiner bis dahin erreichten Anwartschaften. Zugleich stellte sie die Versicherungszeiten bis zum 31. Dezember 1981 verbindlich fest. Dabei berücksichtigte sie die Zeit vom 15. Februar 1943 bis zum 26. August 1946 (insgesamt 43 Monate) als Ersatzzeiten. Die monatliche Rentenanwartschaft des Beschwerdeführers belief sich laut der Rentenauskunft – ausgehend von einem Versicherungsfall am 20. August 1991 – auf 1.097,40 DM. Allerdings wies die Bundesversicherungsanstalt darauf hin, dass ab 1. Januar 1992 eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung in Kraft trete und mögliche Auswirkungen der Neuregelung auf die Rentenhöhe noch nicht mitgeteilt werden könnten.
3. Auf seinen Antrag bewilligte die Bundesversicherungsanstalt dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 23. Dezember 1991 ab dem 1. Februar 1992 eine Regelaltersrente in Höhe von 782,97 DM brutto monatlich. Die dagegen eingelegten Rechtsbehelfe des Beschwerdeführers, die vor allem auf eine Berechnung seiner Rente nach dem bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Recht gerichtet waren, blieben ohne Erfolg. Das Bundessozialgericht wies die Revision des Beschwerdeführers als unbegründet zurück. Ebenso wie die Vorinstanzen war es der Ansicht, der Beschwerdeführer habe weder aus der unverbindlichen Rentenauskunft noch aus anderen Gründen einen Anspruch auf Berechnung seiner Rente nach den bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Bestimmungen. Die von dem Rentenversicherungsträger zur Rentenberechnung herangezogenen Vorschriften des SGB VI verstießen auch nicht gegen das Grundgesetz. Bei der Änderung der Bewertung beitragsfreier Zeiten sowie der ersten fünf Jahre mit Beitragszeiten handele es sich um eine zulässige Neubestimmung des Inhalts und der Schranken des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Auch würden die Ersatzzeiten nicht gleichheitswidrig in die Gesamtleistungsbewertung einbezogen.
4. Der Beschwerdeführer hat fristgerecht Verfassungsbeschwerde erhoben, mit der er eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) rügt. Der Gesetzgeber hätte für diejenigen Versicherten, die – wie er – bei In-Kraft-Treten des SGB VI kurz vor Vollendung ihres 65. Lebensjahres standen, eine Ausnahme- oder Übergangsregelung einführen müssen, nach welcher die Altersrente noch nach altem Recht zu berechnen sei. Allein eine solche Regelung entspräche den Geboten der Eigentumsgarantie und des Sozialstaatsprinzips. Die Bewertung der Versicherungszeiten nach neuem Recht stelle gerade für ältere Versicherte kurz vor dem Renteneintritt eine unzumutbare Härte dar, da sie sich im Gegensatz zu jüngeren Versicherten nicht mehr auf das neue Recht einstellen könnten. Er habe auf den Fortbestand der bisherigen Regelung vertrauen dürfen und habe hierauf auch vertraut. Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Höhe seines Altersruhegeldes entsprechend der erteilten Auskunft habe er nicht mehr treffen können. Eingriffe in eigentumsrechtlich geschützte Rechtspositionen dürften nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Betroffenen nicht übermäßig belasten. Auch das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG sei verletzt. Wäre er nur drei Wochen früher geboren, so hätten die Vorschriften des alten Rechts noch auf ihn Anwendung gefunden.
5. Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung im Namen der Bundesregierung und das Bundessozialgericht Stellung genommen.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe im Sinne des § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht gegeben. Denn die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. hierzu BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫).
1. Soweit der Beschwerdeführer sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidungen der Tatsacheninstanzen sowie des Rentenversicherungsträgers wendet, genügt diese nicht den Anforderungen, die nach § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG an eine ausreichende Substantiierung gestellt werden. Zu diesen Anforderungen gehört insbesondere, dass Abschriften der angegriffenen Entscheidungen innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG vorgelegt oder diese ihrem wesentlichen Inhalt nach mitgeteilt werden (vgl. BVerfGE 88, 40 ≪45≫; 93, 266 ≪288≫). Dies ist hier nicht geschehen.
2. Aber auch soweit die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundessozialgerichts gerichtet ist, fehlt es an einer hinreichend substantiierten Begründung.
a) Der Beschwerdeführer wendet sich mittelbar gegen § 300 Abs. 1 bis 3 SGB VI und damit gegen die Anwendung neuen Rechts bei der Berechnung seiner Altersrente. Der Gesetzgeber hätte für diejenigen Versicherten, die – wie er – kurz vor Vollendung ihres 65. Lebensjahres standen, eine Ausnahme- oder Übergangsregelung einführen müssen, nach welcher die Altersrente noch nach dem alten Recht zu berechnen wäre. Damit ist ein Eingriff in seine grundsätzlich eigentumsgeschützte Rentenanwartschaft (vgl. BVerfGE 53, 257 ≪289 ff.≫; 55, 114 ≪131≫) nicht hinreichend dargelegt. Allein die Anwendung neuen Rechts stellt für sich genommen keinen Eingriff in eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition dar. Das neue Recht kann für den Betroffenen auch neutral oder sogar vorteilhaft sein. Für eine Vielzahl von Versicherten war letzteres bei der Einführung des SGB VI der Fall (vgl. hierzu Reimann/Tenbusch, DAngVers 1990, S. 93 ≪94≫, Tabelle 1 “Vergleich der durchschnittlichen Rentenanwartschaften nach altem und neuem Recht”). Nicht die Vorschrift des § 300 SGB VI, welche lediglich die Anwendung des neuen Rechts auf einen bestimmten Sachverhalt anordnet, sondern die einzelne, für den Versicherten nachteilige neue Vorschrift selbst greift daher möglicherweise in die Rentenanwartschaft des Beschwerdeführers ein. Diese Vorschriften werden vom Beschwerdeführer jedoch nicht benannt.
b) Weiterhin ist dem Beschwerdeführer anzulasten, dass er in seiner Beschwerdebegründung zwar das Fehlen einer Übergangsregelung kritisiert, auf die hier einschlägigen Vertrauensschutzregelungen in § 263 Abs. 2 und 5 SGB VI jedoch nicht eingeht. Die Vorschrift des § 263 Abs. 2 SGB VI wurde im Falle des Beschwerdeführers sogar angewandt, so dass es nahe gelegen hätte, auf die vorhandenen Übergangsvorschriften einzugehen und darzulegen, weshalb deren Wirkung grundsätzlich oder zumindest in seinem Fall nicht ausreichend sei.
c) Im Übrigen setzt sich der Beschwerdeführer weder mit den Gründen des Gesetzgebers für die Neuregelung auseinander, die in der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidung des Bundessozialgerichts ausführlich dargelegt wurden, noch legt er seine persönlichen Umstände in hinreichender Form dar. Insbesondere ist ohne Vorlage der von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte erteilten Rentenauskunft und des Rentenbescheides die Rentenberechnung nach neuem Recht und damit auch die Kürzung der Rentenanwartschaft nicht nachvollziehbar. Beide Aspekte sind jedoch für die im Rahmen der Überprüfung einer Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erforderliche Interessenabwägung von ausschlaggebender Bedeutung.
d) Auch soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) rügt, genügt seine Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG. Er stellt allein auf die unterschiedliche Behandlung von Versicherten in Abhängigkeit von ihrem Eintritt ins Rentenalter ab. Wenn er nur drei Wochen früher geboren worden wäre, wäre sein Rentenanspruch noch nach altem Recht zu berechnen gewesen.
Damit ist ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG jedoch nicht hinreichend dargetan. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es dem Gesetzgeber durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Einführung des Stichtags überhaupt und die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar war (vgl. BVerfGE 3, 58 ≪148≫; 13, 31 ≪38≫; 44, 1 ≪21 f.≫; 58, 81 ≪126 f.≫; 71, 364 ≪397≫; 75, 78 ≪106≫; 80, 297 ≪311≫; 87, 1 ≪43≫; 101, 239 ≪270≫). Von dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer konnte daher erwartet werden, dass er sich mit der betreffenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auseinandersetzt und darlegt, warum in seinem Fall der gewählte Stichtag willkürlich erscheint.
3. Im Übrigen liegt ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG nicht vor. Der Gesetzgeber hat mit der Neubewertung der ersten Berufsjahre sowie der Einführung der Gesamtleistungsbewertung für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten im Rahmen seiner Befugnis gehandelt, Inhalt und Schranken des Eigentums auszugestalten (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Insbesondere war der in der gesetzlichen Neuregelung liegende Eingriff in die nach altem Recht begründete Rechtsposition des Beschwerdeführers durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt (vgl. BVerfGE 58, 81 ≪121≫).
a) Die Einschnitte in die Rentenanwartschaft des Beschwerdeführers sind durch Gründe des Allgemeinwohls gedeckt. Ein solcher die Regelung tragender Grund für die Neuordnung der in Frage stehenden Zeiten war vor allem die Stärkung des Äquivalenzprinzips in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang das Ziel verfolgt, die Umstrukturierung ohne wesentliche zusätzliche Kosten für die Versichertengemeinschaft zu erreichen. Folglich konnten höhere, der Gesamtbeitragslast der Versicherten entsprechende Leistungen für beitragsfreie Zeiten nur in Verbindung mit entsprechenden Einsparungen bei anderen Versicherten mit niedriger Beitragsdichte erfolgen. Dieses Ziel trägt einem wichtigen öffentlichen Interesse Rechnung, nämlich der Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. BVerfGE 97, 271 ≪286≫).
b) Eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist auch im Hinblick auf die besondere Interessenlage des Beschwerdeführers nicht erkennbar. Zwar war die Kürzung seiner Rentenanwartschaft nicht unerheblich. Auch verblieben dem Beschwerdeführer seit Bekanntwerden der geplanten Reform Ende 1989 nur wenig mehr als zwei Jahre, um sich auf die veränderte Rechtslage einzustellen. Der Gesetzgeber durfte jedoch berücksichtigen, dass es sich bei dem durch die neue Gesamtleistungsbewertung betroffenen Personenkreis typischerweise um Versicherte handelte, die – wie der Beschwerdeführer – nach der anfänglichen Zahlung von hohen Beiträgen aus der Pflichtversicherung ausgeschieden waren und nur noch in sehr geringem Umfang freiwillige Beiträge gezahlt hatten. Im Regelfall hatten es die betroffenen Versicherten somit selbst in der Hand, in welchem Umfang sie sich an der Solidargemeinschaft der in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten beteiligen wollten. Ihnen musste dabei bewusst sein, dass niedrige freiwillige Beiträge oder gar Versicherungslücken grundsätzlich – unabhängig von der Frage der Bewertung beitragsfreier oder beitragsgeminderter Zeiten – zu einer niedrigeren gesetzlichen Rente führen würden und daher eine ergänzende Vorsorge angezeigt war. Dies war ihnen – anders als den Pflichtversicherten – aufgrund der “ersparten” Beiträge auch grundsätzlich zumutbar. Der Gesetzgeber durfte daher unterstellen, dass Versicherte mit hohen (selbst gewählten) Versicherungslücken in der Regel über eine ausreichende ergänzende Altersvorsorge verfügten und entsprechende Einschnitte bei der gesetzlichen Rentenversicherung für sie leichter hinzunehmen waren. Darüber hinaus mussten sich die durch die Bewertung der beitragsfreien Zeiten nach altem Recht begünstigten Versicherten im Klaren darüber sein, dass es sich hierbei im Verhältnis zu ihrer Gesamtbeitragsleistung um eine besondere Privilegierung handelte, deren Fortbestand auch von deren Finanzierbarkeit und deren Akzeptanz innerhalb der Versichertengemeinschaft abhing.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Gaier
Fundstellen
Haufe-Index 1504879 |
NZS 2006, 533 |