Leitsatz (amtlich)
Die in § 81 Abs. 6 GWB geregelte Verzinsung einer durch Bußgeldbescheid der Kartellbehörde festgesetzten Geldbuße ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG wird nicht dadurch verletzt, dass die Verzinsungspflicht Betroffene von Einsprüchen gegen Bußgeldbescheide abhalten kann, die nur wegen der finanziellen Vorteile durch die verzögerte Vollstreckbarkeit der Geldbuße eingelegt und noch vor einer gerichtlichen Sachentscheidung zurückgenommen werden sollen.
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Vorlegungsbeschluss vom 30.05.2011; Aktenzeichen V-1 Kart 1/11 ≪OWi≫) |
Tenor
§ 81 Absatz 6 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels vom 18. Dezember 2007 (Bundesgesetzblatt I Seite 2966) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Tatbestand
A.
Die Vorlage betrifft die Frage, ob die Verzinsungsregelung für Kartellgeldbußen in § 81 Abs. 6 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
I.
1. Gemäß § 81 GWB handelt ordnungswidrig, wer gegen bestimmte kartellrechtliche Vorschriften des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (§ 81 Abs. 1 GWB) oder des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen verstößt (§ 81 Abs. 2 und 3 GWB).
Die vom vorlegenden Oberlandesgericht für verfassungswidrig gehaltene Vorschrift des § 81 Abs. 6 GWB regelt die Verzinsung der wegen einer solchen Ordnungswidrigkeit in einem Bußgeldbescheid festgesetzten Geldbuße. Die Vorschrift ist durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 7. Juli 2005 (BGBl I S. 1954) in das Gesetz eingefügt worden. Sie blieb bei der Neufassung des § 81 GWB durch das Gesetz zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels vom 18. Dezember 2007 (BGBl I S. 2966 ≪2968≫) unverändert und lautet:
(1) bis (5) …
(6) Im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen sind zu verzinsen; die Verzinsung beginnt zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheides. § 288 Abs. 1 Satz 2 und § 289 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden.
(7) bis (10) …
Zur Begründung der Vorschrift wird im Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 15/3640, S. 67) ausgeführt, in der Praxis habe sich gezeigt, dass für Unternehmen wegen des zum Teil erheblichen Zinsvorteils ein deutlicher Anreiz bestehen könne, die Zahlung der Geldbuße so lange wie möglich hinauszuzögern. Insbesondere im Falle hoher Geldbußen könnten Unternehmen allein dadurch einen erheblichen Zinsgewinn erzielen, dass sie gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegten und diesen kurz vor der gerichtlichen Entscheidung wieder zurücknähmen. Die Zinspflicht sei keine zusätzliche Sanktion, sondern diene allein der Aufrechterhaltung der Sanktionswirkung der eigentlichen Geldbuße (BTDrucks 15/3640, S. 42).
Der Bundesrat hatte sich im Gesetzgebungsverfahren gegen die Verzinsungsregelung ausgesprochen, weil sie dem deutschen Ordnungswidrigkeits- und Strafrecht fremd sei und auf Bedenken hinsichtlich Art. 19 Abs. 4 GG stoße (BTDrucks 15/3640, S. 82).
2. Die Absätze 4 und 5 des § 81 GWB enthalten Regelungen über die Höhe der Kartellgeldbuße. § 81 Abs. 4 Satz 1 GWB sieht vor, dass die Ordnungswidrigkeit in bestimmten Fällen mit einer Geldbuße bis zu einer Million EUR geahndet werden kann. Gegen ein Unternehmen oder eine Unternehmensvereinigung kann darüber hinaus eine höhere Geldbuße verhängt werden, die 10 % des in dem der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung nicht übersteigen darf (§ 81 Abs. 4 Satz 2 GWB). Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist nach § 81 Abs. 4 Satz 6 GWB sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen. Daneben ist nach überwiegender Auffassung die Bemessungsvorschrift des § 17 Abs. 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) anzuwenden (vgl. Cramer/Pananis, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl. 2009, § 81 Rn. 63 m.w.N.). Danach sind Grundlage für die Zumessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft; auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters kommen als Anknüpfungspunkt in Betracht, bleiben jedoch bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten in der Regel unberücksichtigt (vgl. § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG).
3. Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 OWiG können Betroffene gegen den Bußgeldbescheid innerhalb von zwei Wochen nach dessen Zustellung Einspruch einlegen. Der Einspruch steht der Vollstreckung des Bußgeldbescheids entgegen, weil Bußgeldentscheidungen nach § 89 OWiG erst nach Eintritt ihrer Rechtskraft vollstreckbar sind. Nach Einlegung eines Einspruchs entscheidet das zuständige Gericht über die Tat, ohne an den Bußgeldbescheid gebunden zu sein. Der Bußgeldbescheid kann aber gleichwohl noch rechtskräftig werden, falls der Einspruch zurückgenommen oder vom Gericht als unzulässig verworfen wird.
II.
1. Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Antragstellerin) betreibt in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft ein Versicherungsunternehmen.
Mit Bescheid vom 17. März 2005 setzte das Bundeskartellamt gegen sie wegen mehrerer vorsätzlicher Verstöße gegen das Kartellverbot (§ 1 GWB) eine Geldbuße in Höhe von insgesamt 6,4 Mio. EUR fest. Gegen diesen Bußgeldbescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein. Am 18. Mai 2009 verfügte das Kartellgericht gemäß § 47 Abs. 2 OWiG die Einstellung des Verfahrens hinsichtlich einer der Taten, für die eine anteilige Geldbuße von 400.000 EUR festgesetzt worden war. Am 15. Juli 2009 nahm die Antragstellerin ihren Einspruch im Übrigen zurück, was sie mit wirtschaftlichen Erwägungen insbesondere vor dem Hintergrund des für sie völlig unkalkulierbaren Risikos einer Erhöhung der Bußgeldsumme erklärt.
Nachdem die Antragstellerin in der Folgezeit die verbliebene Geldbuße in Höhe von 6 Mio. EUR beglichen hatte, wurde sie vom Bundeskartellamt mit Beschluss vom 11. März 2011, berichtigt durch Beschluss vom 28. April 2011, unter Hinweis auf § 81 Abs. 6 GWB aufgefordert, weitere 1.768.560 EUR als Zinsen auf die Geldbuße zu zahlen.
Dagegen wandte sich die Antragstellerin gemäß § 103 Abs. 1 Nr. 3 OWiG an das vorlegende Oberlandesgericht und machte insbesondere verfassungsrechtliche Einwendungen gegen die Zinsforderung geltend. Die zugrunde liegende Vorschrift des § 81 Abs. 6 GWB verstoße gegen die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung und gegen das Verbot der Doppelbestrafung. Außerdem werde in ihre Berufsfreiheit und in ihr Eigentumsrecht in unverhältnismäßiger Weise eingegriffen. Eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung liege darin, dass nur bei einer Festsetzung durch Bußgeldbescheid, nach überwiegender Auffassung aber nicht bei einer Verurteilung durch das Oberlandesgericht im Einspruchsverfahren Zinsen zu zahlen seien. Ohnehin sei die gesetzliche Grundlage für die Geldbuße wegen Kartellverstößen in § 81 Abs. 4 GWB zu unbestimmt, weshalb auch die daran anknüpfende Verzinsungspflicht verfassungswidrig sei. Schließlich liege mit der Zinsbelastung auch ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG vor, weil sie zu einer unzumutbaren Erschwerung des Rechtswegs führe.
2. Das Oberlandesgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht unter mehreren Gesichtspunkten die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 81 Abs. 6 GWB mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.
Die gesetzgeberische Entscheidung, denjenigen Bußgeldschuldner mit einer Zinspflicht zu belasten, der die gegen ihn behördlich verhängte Geldbuße nicht zeitnah begleiche, bewirke zwar keine sachwidrige Behinderung des effektiven Rechtsschutzes und sei deshalb mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich unbedenklich. § 81 Abs. 6 GWB verstoße aber in dreifacher Hinsicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Zunächst sei eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zu Lasten von juristischen Personen und Personenvereinigungen darin zu sehen, dass nur sie der Verzinsungspflicht unterworfen seien, obwohl auch natürliche Personen etwa als einzelkaufmännische Unternehmensträger in gleicher Weise wie juristische Personen und Personenvereinigungen durch missbräuchliche Einlegung eines Einspruchs Zinsvorteile erlangen könnten. Dass natürliche Personen aufgrund der Höhe der gegen sie festgesetzten Geldbuße im Unterschied zu juristischen Personen und Personenvereinigungen im Allgemeinen kein Interesse hätten, nur zur Erzielung von Zinsvorteilen den Rechtsweg zu beschreiten, sei nicht festzustellen.
Ferner liege eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung darin, dass § 81 Abs. 6 GWB nur Kartellbußgeldschuldner einer Pflicht zur Verzinsung der Geldbuße unterwerfe, nicht aber auch die Schuldner von Geldbußen aus anderen Rechtsgebieten wie etwa dem Umweltrecht, dem Straßenverkehrsrecht oder dem Datenschutzrecht. Da § 81 Abs. 6 GWB Kartellgeldbußen ohne Rücksicht auf ihre Höhe der Verzinsung unterwerfe, könne die Ungleichbehandlung nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, dass vor allem im Kartellbereich auch außerordentlich hohe Geldbußen festgesetzt würden. Ebenso wenig könne angenommen werden, dass Kartellgeldbußen an sich weitaus höher ausfallen müssten als Geldbußen wegen anderer Rechtsverstöße. Die unterschiedliche Behandlung der Kartellbußgeldschuldner könne insbesondere nicht mit der Erwägung begründet werden, dass im Kartellbußgeldbereich das Einspruchsrecht in besonderem Maße missbraucht würde, um Zinsvorteile zu erwirtschaften.
Schließlich verstoße es gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass nur der Schuldner eines kartellbehördlich festgesetzten Bußgeldes die Geldbuße zu verzinsen habe, der Schuldner einer durch das Kartellgericht festgesetzten Geldbuße hingegen nicht. Die Ungleichbehandlung sei willkürlich. Sie sei nicht deshalb unerheblich, weil das Kartellgericht bei seiner Strafzumessung den erzielten Zinsvorteil bußgelderhöhend berücksichtigen dürfe. Selbst wenn man diesem Standpunkt folgen wollte, läge eine relevante Ungleichbehandlung vor, weil § 81 Abs. 6 GWB für kartellbehördlich festgesetzte Geldbußen zwingend eine Verzinsung in exakt bestimmter Höhe vorschreibe, während das Kartellgericht insoweit einen Spielraum habe. Damit werde der Zweck, Kartellbußgeldschuldner davon abzuhalten, eine Geldbuße allein zur Erzielung von Zinsvorteilen anzufechten, weitgehend verfehlt. Wenn nämlich die gerichtlich verhängte Geldbuße zinsfrei bleibe, während die in einem Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbuße zu verzinsen sei, fordere diese Rechtslage den Bußgeldschuldner geradezu auf, zur Erzielung von Zinsgewinnen Einspruch einzulegen.
Diese Ungleichbehandlungen könnten nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 81 Abs. 6 GWB vermieden werden. Der Inhalt der Vorschrift sei nach seinem Wortlaut und dem in den Gesetzesmaterialien verlautbarten Willen des Gesetzgebers eindeutig. Die Entscheidung des Verfahrens hänge mithin von der Gültigkeit des § 81 Abs. 6 GWB ab.
III.
Zu der Vorlage haben die Bundesregierung, das Bundeskartellamt und die Antragstellerin Stellung genommen; der Deutsche Bundestag und der Bundesrat haben von einer Stellungnahme abgesehen. Die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen haben über die von ihnen bislang verhängten Kartellgeldbußen berichtet.
1. Die Bundesregierung hält die vorgelegte Vorschrift für verfassungskonform. Die in § 81 Abs. 6 GWB normierte Verzinsungspflicht verstoße nicht gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Mit dieser Regelung habe der Gesetzgeber Rechtsschutz nicht schlechthin verweigern, sondern nur dessen Inanspruchnahme zugunsten eines systemwidrigen, finanziellen Vorteils verhindern wollen. Dies sei ein verfassungsrechtlich legitimer Zweck.
§ 81 Abs. 6 GWB verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das Argument, § 81 Abs. 6 GWB sei objektiv willkürlich, weil die Vorschrift nur für Kartellgeldbußen, nicht aber für andere Geldbußen eine Verzinsungspflicht vorsehe, sei unhaltbar. Der allgemeine Gleichheitssatz enthalte kein verfassungsrechtliches Gebot, ähnliche Sachverhalte in verschiedenen Ordnungsbereichen gleich zu regeln. Nur vordergründig einleuchtend sei ferner die Auffassung, wonach es willkürlich sein solle, nur für behördliche, nicht aber für gerichtlich festgesetzte Kartellgeldbußen eine Verzinsungspflicht zu statuieren; denn das gerichtliche Bußgeldverfahren sei ein völlig eigenständiges Verfahren. Art. 3 Abs. 1 GG sei auch nicht deshalb verletzt, weil die Verzinsungspflicht lediglich juristische Personen und Personenvereinigungen treffe, nicht jedoch natürliche Personen. Entscheidend sei die verschiedene Höhe der Geldbußen. Die durchschnittliche Höhe der vom Bundeskartellamt gegen natürliche Personen mit oder ohne Unternehmenseigenschaft zwischen 1993 und 2010 festgesetzten Geldbußen betrage etwa 56.000 EUR. Eine natürliche Person ohne Unternehmenseigenschaft, die gemäß § 9 OWiG für ein Unternehmen handele, könne nach § 81 Abs. 4 Satz 1 GWB lediglich mit einer Geldbuße in Höhe von maximal 1 Mio. EUR belegt werden, das betroffene Unternehmen dagegen nach § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB mit einer Geldbuße in Höhe von 10 % des Jahresumsatzes. Auch in Bezug auf natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft verstoße § 81 Abs. 6 GWB nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil in der Entscheidungspraxis des Bundeskartellamts seit 1993 keine Fälle bekannt seien, in denen gegen solche Betroffene Bußgeldbescheide ergangen seien, die aufgrund der Höhe der Geldbuße einen zinsbedingten Anreiz zur Einlegung eines Einspruchs gesetzt hätten.
2. Das Bundeskartellamt hält die Vorschrift des § 81 Abs. 6 GWB für verfassungsgemäß. Dem Gesetzgeber sei im Bereich des Kartellrechts ein weitreichender Einschätzungsspielraum zuzubilligen. Aufgrund der hohen Komplexität der Kartellbußgeldverfahren und der dadurch gebundenen Arbeitsressourcen bei Oberlandesgerichten, Generalstaatsanwaltschaften und Kartellbehörden gerate durch deren sinnlose Beanspruchung zur Erzielung von Zinsvorteilen das Gemeinwohlinteresse an einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege in Gefahr. Die Zinshöhe enthalte keine zusätzliche Sanktionierung und bewege sich innerhalb der Bandbreite der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers. Die Nichteinbeziehung gerichtlicher Bußgeldentscheidungen in die Verzinsungspflicht sei rechtlich nicht zu beanstanden, weil die Inanspruchnahme der staatlichen Ressourcen in diesem Fall nicht fruchtlos allein zur Erlangung eines Zinsvorteils erfolgt sei. Art. 19 Abs. 4 GG enthalte nicht die Garantie, einen einmal eingelegten Rechtsbehelf jederzeit folgenlos zurücknehmen zu können. Selbst ein deutlicher Eingriff in die Rechtsweggarantie wäre mit dem Ziel der Verhinderung der unnötigen Inanspruchnahme der staatlichen Institutionen verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
Ein Verstoß der Verzinsungsregelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG könne ebenso wenig festgestellt werden. Die Verzinsungspflicht allein behördlich festgesetzter, nicht hingegen gerichtlich verhängter Geldbußen sei gerechtfertigt, weil dadurch für Personen, die ernsthaft gerichtlichen Rechtsschutz erstrebten, keine abschreckende Wirkung entfaltet werden solle.
Eine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung bestehe auch nicht zwischen juristischen Personen und Personenvereinigungen auf der einen Seite und natürlichen Personen ohne Unternehmenseigenschaft auf der anderen Seite. Gegen natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft würden deutlich niedrigere Geldbußen verhängt, so dass ein geringerer Anreiz zur Einspruchserhebung allein zur Zinsersparnis bestehe. Des Weiteren liege kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, soweit natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft von der Zinszahlungspflicht ausgenommen seien, weil bei ihnen zum einen wegen der persönlichen Belastungen im Einspruchsverfahren mit geringerer Wahrscheinlichkeit mit einer Einspruchserhebung allein zum Zwecke eines Zinsvorteils zu rechnen sei. Zum anderen komme es nur sehr selten zur Verhängung von Kartellgeldbußen gegen natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft.
Schließlich liege eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung auch nicht deshalb vor, weil nur Kartellgeldbußen zu verzinsen seien, nicht jedoch Bußgelder aus anderen Rechtsbereichen. Die Differenzierung werde durch das spezifische Regelungsumfeld des Kartellrechts, die parallele Anwendung europäischen und nationalen Rechts sowie die Höhe der Kartellgeldbußen gerechtfertigt.
3. Nach Auffassung der Antragstellerin verletzt die Regelung des § 81 Abs. 6 GWB den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die Gefahr missbräuchlicher Einspruchseinlegung von natürlichen Personen sei nicht wesentlich geringer als die von juristischen Personen. Selbst wenn man annähme, dass die Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden könne, erfordere dies jedenfalls nicht die gesetzlich vorgeschriebene Zinshöhe.
Die Regelung verstoße außerdem gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Da die Zinspflicht mit Ablauf der zweiwöchigen Einspruchsfrist beginne, könne die Zinszahlung nur vermieden werden, wenn auf den Einspruch verzichtet werde. Entgegen der gesetzgeberischen Absicht, lediglich die Zinsvorteile des Betroffenen abzuschöpfen, sei durch die Verweisung auf § 288 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ein pauschaler Zinssatz angeordnet, der auf dem Kapitalmarkt dauerhaft kaum zu erreichen sei. Im Unterschied zu den Prozesskosten könne die Höhe der Zinslast nicht vorhergesehen werden. Die Zinsnachteile könnten auch nicht durch Zahlung der Geldbuße unter Vorbehalt vermieden werden; denn in diesem Fall würde der Bußgeldbescheid entgegen der Unschuldsvermutung bereits vor Bestandskraft Sanktionswirkungen entfalten.
§ 81 Abs. 6 GWB verletze darüber hinaus das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG, weil kein Zinsrahmen mit einer klaren Obergrenze bestimmt sei und die verfassungswidrige Unbestimmtheit der Bußgeldregelung nach § 81 Abs. 4 GWB die Unbestimmtheit der Zinsregelung bewirke. Die Verzinsung der Geldbuße sei eine Strafe im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG, weil sie der Aufrechterhaltung der Sanktionsintensität diene. § 81 Abs. 6 GWB verstoße außerdem gegen das Prinzip schuldangemessenen Strafens und das Übermaßverbot. Schließlich liege auch ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG vor.
Entscheidungsgründe
B.
Die Vorlage ist zulässig.
Der Vorlagebeschluss legt ausreichend dar, dass das Ergebnis des Ausgangsrechtsstreits von der Gültigkeit der zur Entscheidung gestellten Regelung abhängt (I.). Darüber hinaus zeigt das vorlegende Gericht hinreichend auf, dass es jedenfalls in Bezug auf eine Ungleichbehandlung natürlicher und juristischer Personen im Bereich von § 81 Abs. 6 GWB von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm überzeugt ist (II.).
I.
Gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG muss das vorlegende Gericht darlegen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm abhängt (vgl. BVerfGE 105, 48 ≪56≫; 105, 61 ≪67≫). Dazu muss der Vorlagebeschluss mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, dass das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie das Gericht dieses Ergebnis begründen würde (vgl. BVerfGE 105, 61 ≪67≫). Für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist dabei grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgebend, sofern diese nicht offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 2, 181 ≪190 f.≫; 105, 61 ≪67≫).
Diesen Voraussetzungen wird der Vorlagebeschluss gerecht. Für die Entscheidung des Rechtsstreits, dessen Gegenstand die Verpflichtung der Antragstellerin zur Zahlung von Zinsen auf die gegen sie verhängte Geldbuße ist, ist die Frage der Gültigkeit des § 81 Abs. 6 GWB als der für die Verzinsung maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung unmittelbar entscheidungserheblich. Der Vorlagebeschluss enthält insoweit die erforderliche umfassende rechtliche Würdigung des Sachverhalts (vgl. BVerfGE 127, 224 ≪244≫).
An der Entscheidungserheblichkeit fehlt es auch nicht, weil der im Ausgangsverfahren nach § 103 Abs. 1 Nr. 3 OWiG gestellte Antrag bereits unzulässig sein und sich daher die Frage der Gültigkeit der Vorschrift nicht stellen könnte. Allerdings ist eine Unstatthaftigkeit des gestellten Antrags nicht völlig fernliegend. Nach § 103 Abs. 1 Nr. 3 OWiG entscheidet das Gericht über die „sonst bei der Vollstreckung eines Bußgeldbescheids getroffenen Maßnahmen”. In der Literatur wird jedoch auch die Auffassung vertreten, die Anforderung der Zinsen sei keine Maßnahme bei der Vollstreckung des Bußgeldbescheids, sondern als Nebenfolge der Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 4 Abs. 5 OWiG zu behandeln (vgl. Burrichter, in: Festschrift für Rainer Bechtold zum 65. Geburtstag, 2006, S. 97 ≪117≫). Dann wären die Zinsen nach § 66 Abs. 1 Nr. 5 OWiG Bestandteil des Bußgeldbescheids, so dass der Einspruch nach § 67 OWiG als der statthafte Rechtsbehelf angesehen werden müsste.
Der Vorlagebeschluss geht auf die Statthaftigkeit des Antrags nach § 103 Abs. 1 OWiG nicht ein. Allerdings hat das vorlegende Gericht diese Frage in seiner unmittelbar vorangehenden Entscheidung, mit der es die Vollstreckung der Zinsforderung ausgesetzt hat, erörtert und mit nicht offensichtlich unhaltbaren Erwägungen den Antrag nach § 103 Abs. 1 OWiG als statthaften Rechtsbehelf angesehen. Angesichts des engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs beider Entscheidungen bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass das vorlegende Gericht die Frage der Statthaftigkeit des Antrags nach § 103 Abs. 1 OWiG im Vorlagebeschluss nicht abweichend beurteilen und an seiner Rechtsauffassung festhalten wollte. Dies macht eine nochmalige ausdrückliche Erörterung der Zulässigkeit des gestellten Antrags im Vorlagebeschluss entbehrlich.
II.
Für die Zulässigkeit einer Vorlage muss das Fachgericht ferner deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist und aus welchen Gründen es zu dieser Auffassung gelangt. Hierzu bedarf es eingehender, Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehender Darlegungen (vgl. BVerfGE 78, 165 ≪171 f.≫; 89, 329 ≪337≫).
Daran gemessen hat das vorlegende Gericht seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit jedenfalls insoweit ausreichend dargelegt, als es für die Belastung mit Zinsen von einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung juristischer Personen und Personenvereinigungen einerseits und natürlicher Personen als Unternehmensträger andererseits ausgeht. Das vorlegende Gericht hat hierzu seinen verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab nachvollziehbar geschildert.
Für seine Prüfung ist das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht auf die insoweit dargetanen verfassungsrechtlichen Bedenken beschränkt, sondern hat die in zulässiger Weise nach Art. 100 Abs. 1 GG vorgelegte Norm unter allen denkbaren verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen (vgl. BVerfGE 93, 121 ≪133≫ m.w.N.).
C.
Die Regelung zur Verzinsung einer Geldbuße nach § 81 Abs. 6 GWB ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Sie missachtet weder den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG (I.), noch die Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG (II.), noch die verfassungsrechtlich garantierte Unschuldsvermutung (III.) oder den besonderen Gesetzesvorbehalt aus Art. 103 Abs. 2 GG (IV.).
I.
Die Verzinsungspflicht des § 81 Abs. 6 GWB verstößt – entgegen der Ansicht des vorlegenden Gerichts und entgegen in der Literatur geäußerter Bedenken (vgl. etwa Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 2 GWB, 4. Aufl. 2007, § 81 Rn. 465; Vollmer, in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht ≪Kartellrecht≫, Bd. 2, 2008, § 81 Rn. 119) – unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 120, 1 ≪29≫; 122, 210 ≪230≫; 129, 49 ≪68≫; stRspr). Hieraus ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 126, 400 ≪416≫; 127, 263 ≪280≫; stRspr). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet nicht nur, dass die Ungleichbehandlung an ein der Art nach sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium anknüpft, sondern verlangt auch für das Maß der Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweist (vgl. BVerfGE 124, 199 ≪220≫; 129, 49 ≪68 f.≫). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 129, 49 ≪69≫ m.w.N.).
Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfGE 129, 49 ≪68 f.≫; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. Januar 2012 – 1 BvL 21/11 –, NVwZ-RR 2012, S. 257 ≪258≫). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, wobei sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für Einzelne verfügbar sind (vgl. BVerfGE 88, 87 ≪96≫; 129, 49 ≪69≫) oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfGE 124, 199 ≪220≫; 129, 49 ≪69≫). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich auch aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfGE 88, 87 ≪96≫; 129, 49 ≪69≫; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. Januar 2012 – 1 BvL 21/11 –, NVwZ-RR 2012, S. 257 ≪258≫). Im Übrigen hängt das Maß der Bindung unter anderem davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Kriterien zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (BVerfGE 129, 49 ≪69≫ m.w.N.).
Der allgemeine Gleichheitssatz ist nicht verletzt, wenn hinreichende Sachgründe vorhanden sind, die eine Differenzierung verfassungsrechtlich rechtfertigen können. Dabei ist nicht ausschlaggebend, ob solche Gründe im Gesetzgebungsverfahren erwogen und etwa in den Materialien dokumentiert worden sind. Die Verfassungswidrigkeit lässt sich folglich nicht schon daraus herleiten, dass sich aus den Gesetzesmaterialien keine Gründe für die Verschiedenbehandlung ergeben (vgl. BVerfGE 21, 292 ≪299≫; 85, 238 ≪245≫).
2. Daran gemessen verstößt § 81 Abs. 6 GWB nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Eine den allgemeinen Gleichheitssatz missachtende Ungleichbehandlung liegt nicht deshalb vor, weil § 81 Abs. 6 GWB lediglich juristische Personen und Personenvereinigungen, nicht aber natürliche Personen mit oder ohne Unternehmenseigenschaft durch Zinsen auf gegen sie verhängte Geldbußen belastet (a). Des Weiteren folgt eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG weder daraus, dass das Gesetz die Verzinsung nur für Geldbußen aus dem Bereich des Kartellrechts, nicht aber auch für solche aus anderen Regelungsmaterien anordnet (b), noch daraus, dass § 81 Abs. 6 GWB nach überwiegender Ansicht lediglich die behördlich festgesetzte, nicht jedoch die durch eine gerichtliche Entscheidung verhängte kartellrechtliche Geldbuße einer Verzinsungspflicht unterwirft (c).
a) Entgegen der Ansicht des vorlegenden Gerichts ist § 81 Abs. 6 GWB nicht deshalb im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG gleichheitswidrig, weil die Verzinsungspflicht ausschließlich juristische Personen und Personenvereinigungen, nicht aber auch natürliche Personen trifft. Dies gilt im Vergleich zu beiden Gruppen natürlicher Personen, die von Kartellgeldbußen als natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft (aa) oder als natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft (bb) betroffen sein können.
aa) Nach einhelliger Auffassung werden natürliche Personen von der Regelung in § 81 Abs. 6 GWB selbst dann nicht erfasst, wenn diese ein Unternehmen im Sinne von § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB bilden (vgl. Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 81 Rn. 465; Vollmer, in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht, a.a.O., § 81 Rn. 119). Da auch natürliche Personen nicht anders als juristische Personen oder Personenvereinigungen kartellrechtliche Ordnungswidrigkeiten begehen können (vgl. Emmerich, Kartellrecht, 11. Aufl. 2008, § 20 Rn. 5 ff.), liegt damit zwar eine Ungleichbehandlung vor, diese ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Insoweit sind strengere, über das Willkürverbot hinausgehende Anforderungen nicht zu stellen.
Die Beschränkung auf Kartellgeldbußen gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen lässt sich auf einen hinreichenden Sachgrund stützen. Der Gesetzgeber umschreibt damit eine Fallgruppe, bei der er die tatsächliche Gefahr einer rechtsmissbräuchlichen Einlegung von Einsprüchen, der er zur Schonung staatlicher Ressourcen entgegenwirken will, für besonders groß halten darf. Diese Einschätzung ist nachvollziehbar und bewegt sich im Rahmen des Prognosespielraums des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 110, 141 ≪168 f.≫). Er ist nicht gezwungen, das optimale Abgrenzungskriterium für die Erreichung seiner Ziele zu wählen, sondern kann sich darauf beschränken, ein Kriterium zu wählen, das zwar die wesentlichen, nicht aber alle denkbaren Fälle erfasst. Danach ist die Beschränkung auf Kartellgeldbußen gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen nicht zu beanstanden. Abgesehen davon, dass Kartellgeldbußen gegen natürliche Personen als Unternehmensträger in der behördlichen Praxis faktisch kaum relevant sind (1), erreicht die durchschnittliche Höhe der gegen diese Personengruppe verhängten Kartellgeldbußen anders als bei juristischen Personen keinen Betrag, der finanzielle Vorteile erwarten lässt, um derentwillen eine Einspruchseinlegung nur aus Gründen der Verfahrensverzögerung erwartet werden müsste (2). Zudem können für natürliche Personen mit dem Einspruch individuelle Belastungen verbunden sein, die den Anreiz zur missbräuchlichen Einlegung des Rechtsbehelfs mindern (3).
(1) Ausweislich der Angaben in den vom Senat eingeholten Stellungnahmen lässt sich für natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft eine beachtliche Gefahr rechtsmissbräuchlicher Einspruchserhebung zur Erlangung finanzieller Vorteile, die in Form gesparter Kreditzinsen oder durch die weitere Verfügbarkeit vorhandener Mittel für das operative oder investive Geschäft entstehen können, bereits deshalb nicht feststellen, weil in nur unerheblicher Zahl Kartellgeldbußen gegen diese Personengruppe verhängt werden.
So hat das Bundeskartellamt im Berichtszeitraum von 1993 bis 2010 überhaupt nur gegen neun natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft Kartellgeldbußen verhängt, während die Behörde im gleichen Zeitraum 563 Kartellbußgeldbescheide gegen juristische Personen erlassen hat. Die gegen natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft ergangenen Bescheide machen demnach nur etwa 1,6 % der Kartellgeldbußen aus, die das Bundeskartellamt insgesamt gegen Unternehmen verhängt hat. Demgegenüber haben zwar die Landeskartellbehörden, deren Zuständigkeit in solchen Konstellationen häufiger gegeben ist (vgl. § 48 Abs. 2 GWB), öfter Geldbußen gegen natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft verhängt. Es waren aber gleichwohl insgesamt lediglich 48 natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft betroffen, was für nur 8 % der insgesamt gegen Unternehmen gerichteten Kartellbußgeldbescheide von Landesbehörden steht.
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich diese geringe Zahl betroffener natürlicher Personen mit Unternehmenseigenschaft künftig spürbar erhöhen wird. Das Bundeskartellamt hat in seiner Stellungnahme nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass – nach der Insolvenz einer großen Drogeriekette Anfang 2012 – aktuell keine einzelkaufmännisch geführten Großunternehmen mehr bekannt sind, bei denen wegen des Geschäftsvolumens die Verhängung hoher Kartellgeldbußen unter Ausschöpfung des erweiterten Bußgeldrahmens des § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB zu erwarten sei.
(2) Maßgeblich ist insoweit auch, dass die Höhe der Kartellgeldbußen, die sich an natürliche Personen als Unternehmensträger richten, typischerweise deutlich hinter den Beträgen zurückbleibt, die gegen juristische Personen als Geldbußen verhängt werden. Fehlt es an Geldbußen in beträchtlicher Höhe, so sind die zu erzielenden finanziellen Vorteile gering und werden oftmals noch nicht einmal die zusätzlichen Gerichts- und Verfahrenskosten ausgleichen können. Damit ist für natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft der Anreiz vermindert, allein zur Verzögerung des Eintritts der Bestandskraft des Bußgeldbescheids einen offensichtlich aussichtslosen Einspruch zu erheben.
Es ist einfachrechtlich bereits umstritten, ob gegenüber natürlichen Personen mit Unternehmenseigenschaft überhaupt der erhöhte, über 1 Mio. EUR hinausreichende erweitere Bußgeldrahmen des § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB angewendet werden kann (bejahend etwa Emmerich, a.a.O., § 43 Rn. 20; verneinend hingegen Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 81 Rn. 335 f.). Dessen ungeachtet wird ausweislich der vorgelegten Stellungnahmen in der kartellbehördlichen Praxis selbst der reguläre Höchstbetrag des § 81 Abs. 4 Satz 1 GWB im Regelfall nicht annähernd erreicht. So hat das Bundeskartellamt in der Vergangenheit gegen natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft Geldbußen lediglich in einer Höhe zwischen 15.000 EUR und 30.000 EUR festgesetzt, im Freistaat Bayern bewegten sich die Geldbußen zwischen 600 EUR und 1.600 EUR, in Niedersachen zwischen 13.000 EUR und 16.000 EUR. In Nordrhein-Westfalen betrug die durchschnittliche Höhe der Kartellgeldbußen gegen natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft etwa 5.000 EUR. Die vergleichsweise geringe Höhe dieser Geldbußen verspricht offenkundig keine finanziellen Vorteile bei Einlegung eines Einspruchs, die an die Beträge heranreichen können, wie sie sich insbesondere bei den Geldbußen erzielen lassen, die das Bundeskartellamt gegen juristische Personen in Höhe von durchschnittlich 4,6 Mio. EUR festgesetzt hat.
(3) Die vom Bundeskartellamt geschilderten Erfahrungen, nach denen natürliche Personen die mit der Erhebung des Einspruchs verbundenen persönlichen Belastungen regelmäßig intensiver spüren als die Vertreter juristischer Personen, belegen für diese Personengruppe noch ein weiteres spezifisches Hindernis gegen eine rechtsmissbräuchliche Einspruchserhebung.
Nach § 73 Abs. 1 OWiG ist der Betroffene grundsätzlich zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet. Die Durchführung eines Einspruchsverfahrens kann daher eine erhebliche persönliche Belastung bei einer natürlichen Person hervorrufen. Die Betroffenen sehen sich – einem Strafprozess vergleichbar – einer persönlichen Anschuldigung, unerwünschtem öffentlichen Interesse und unter Umständen auch einer Berichterstattung in den Medien ausgesetzt. Diese Umstände, die von der Erhebung offensichtlich aussichtsloser Einsprüche allein zur Erzielung eines finanziellen Vorteils abschrecken können, treten bei Kartellgeldbußen gegen juristische Personen nicht in vergleichbarem Maße auf, weil es regelmäßig an der unmittelbaren persönlichen Betroffenheit einzelner Verantwortlicher fehlt.
bb) Die Verzinsungspflicht des § 81 Abs. 6 GWB verstößt ferner nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie nur juristische Personen und Personenvereinigungen, nicht aber nach § 9 OWiG haftende natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft betrifft. Auch diese Differenzierung dient in nachvollziehbarer Weise zur Präzisierung der Fallgruppe, für die der Gesetzgeber die rechtsmissbräuchliche Einlegung von Einsprüchen zur Erzielung finanzieller Vorteile befürchtet.
Allerdings erreicht die Zahl der Bußgeldbescheide, die wegen Kartellverstößen gegen natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft ergangen sind, eine Größenordnung, die der Zahl der Bußgeldbescheide gegen juristische Personen nahekommt. Nach den vorliegenden Stellungnahmen des Bundeskartellamts und der Landeskartellbehörden stehen für den Berichtszeitraum insgesamt 547 Bußgeldbescheide gegen natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft den 658 Bußgeldbescheiden gegen juristische Personen gegenüber. Dass der Gesetzgeber gleichwohl keinen Anlass gesehen hat, die Verzinsungspflicht auf natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft zu erstrecken, begegnet indessen wegen der typischerweise geringeren Höhe dieser Geldbußen keinen Bedenken.
Auch soweit natürliche Personen nicht als Unternehmen tätig werden, erreicht die Höhe der gegen sie nach Maßgabe des § 9 OWiG verhängten Geldbußen regelmäßig kein Niveau, das den Gesetzgeber zu der Annahme veranlassen müsste, Einsprüche dieser Personengruppe könnten in beträchtlicher Zahl allein mit der sachfremden Absicht der Erzielung finanzieller Vorteile eingelegt werden. Ausweislich der Stellungnahmen der Kartellbehörden erreichte die durchschnittliche Höhe der Geldbußen in Baden-Württemberg lediglich 2.200 EUR, in Hessen etwa 3.800 EUR und in Nordrhein-Westfalen etwa 11.000 EUR. Darüber geht die Höhe der Geldbußen in den vom Bundeskartellamt erlassenen insgesamt 510 Bescheiden mit im Durchschnitt etwa 56.000 EUR zwar erheblich hinaus, erreicht aber trotzdem nicht annähernd die durchschnittliche Bußgeldhöhe von 4,6 Mio. EUR der im gleichen Zeitraum gegen juristische Personen verhängten 563 Kartellbußgeldbescheide.
Diese Unterschiede in der Höhe der Geldbußen sind auch für die Zukunft zu erwarten; denn sie beruhen nicht auf Zufälligkeiten, sondern haben ihre Ursache in den geltenden rechtlichen Bestimmungen. So findet der erweiterte, über 1 Mio. EUR hinausreichende Bußgeldrahmen des § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB ausdrücklich nur auf Unternehmen und Unternehmensvereinigungen Anwendung und damit nicht auf natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft, die neben einem Unternehmen aufgrund der Organ- oder Vertreterhaftung nach § 9 OWiG mit einer Geldbuße belegt werden. Überdies erklärt sich die besondere Höhe der Geldbußen wegen Kartellverstößen daraus, dass bei ihrer Bemessung auch das Ziel der Abschöpfung des erlangten wirtschaftlichen Vorteils einfließen kann (vgl. § 81 Abs. 5 GWB, § 17 Abs. 4 OWiG). Diese aus der Ordnungswidrigkeit herrührenden Vorteile werden sich aber regelmäßig nicht im Vermögen des handelnden Organs oder Vertreters ergeben, sondern bei dem von ihnen repräsentierten Unternehmen, und sind daher durch eine entsprechend hohe Geldbuße dort abzuschöpfen. Danach erreichen Geldbußen gegen natürliche Personen auch bei fehlender Unternehmenseigenschaft typischerweise keine Beträge, die im Falle eines Einspruchs beachtliche finanzielle Vorteile erwarten lassen.
Zudem mindern die geschilderten persönlichen Belastungen im Zusammenhang mit der Hauptverhandlung (vgl. oben C. I. 2. a aa ≪3≫) für natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft, die aufgrund ihres Organ- oder Vertreterhandelns in die Ahndung von Kartellordnungswidrigkeiten nach § 9 OWiG einbezogen werden, den Anreiz zur Einspruchseinlegung in gleicher Weise wie für natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft. Angesichts all dieser Umstände durfte der Gesetzgeber mithin diese Betroffenen ebenfalls bei der Bestimmung der Fallgruppe unberücksichtigt lassen, bei der er einem Missbrauch von Rechtsmitteln durch die Verzinsung der Geldbußen entgegenwirken will.
b) Dem vorlegenden Gericht ist auch insoweit nicht zu folgen, als es eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG daraus herleiten will, dass die Rechtsordnung – soweit für das vorlegende Gericht ersichtlich – neben § 81 Abs. 6 GWB keine weiteren Regelungen zur Verzinsung von Geldbußen kennt. Zwar ist hiernach eine Zinsverpflichtung allein für Kartellgeldbußen geschaffen worden, während Geldbußen, die wegen Ordnungswidrigkeiten in anderen Rechtsgebieten festgesetzt werden, weiterhin nicht zu verzinsen sind. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz lässt sich damit aber nicht begründen, weil es insoweit bereits an vergleichbaren Sachverhalten fehlt, deren unterschiedliche Behandlung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG geprüft werden könnte. Verlangt wird eine Gleichbehandlung nur für „wesentlich Gleiches”. An dieser Voraussetzung fehlt es bei Bestimmungen, die verschiedenen rechtlichen Ordnungsbereichen zugehörig sind und in anderen systematischen Zusammenhängen stehen (vgl. BVerfGE 40, 121 ≪139 f.≫ m.w.N.).
Die Differenzierung hinsichtlich der Verzinsung zwischen Kartellgeldbußen einerseits und sonstigen Geldbußen andererseits betrifft hiernach keine vergleichbaren Sachverhalte. Die Unterscheidung orientiert sich vielmehr an den Tatbeständen für Ordnungswidrigkeiten in den verschiedenen Rechtsgebieten. Nach Mitteilung der Bundesregierung finden sich Normen über die Ahndung von Gesetzesverstößen als Ordnungswidrigkeiten in mehr als dreihundert Gesetzen. Dabei sind die Tatbestände der Ordnungswidrigkeiten in Form eines Annexes dem jeweiligen Fachrecht als „typisches Verwaltungsunrecht” (vgl. BVerfGE 90, 145 ≪184≫) aus unterschiedlichen Rechtsgebieten zugeordnet. Insoweit fehlt es an einem zusammenhängenden rechtlichen Ordnungsbereich, was bezüglich der einzelnen Bußgeldtatbestände der Annahme vergleichbarer Sachverhalte entgegensteht.
c) § 81 Abs. 6 GWB ist schließlich nicht deshalb mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar, weil die Norm eine Verzinsung lediglich für Geldbußen bestimmt, die in einem Bußgeldbescheid festgesetzt werden, nicht hingegen auch für solche Geldbußen, deren Festsetzung durch ein Kartellgericht erfolgt. Dieser eingeschränkte Anwendungsbereich der Vorschrift ist zwar einfachrechtlich nicht unumstritten, entspricht aber nicht nur dem Gesetzeswortlaut, sondern auch der nicht zu beanstandenden Auslegung durch das vorlegende Gericht, das damit der überwiegenden Meinung folgt (vgl. Raum, in: Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, 11. Aufl. 2010, § 81 Rn. 179; Achenbach, in: Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 2011, § 81 GWB, Rn. 325; so wohl auch Vollmer, in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht, a.a.O., § 81 GWB, Rn. 121; a.A. Bechtold, Kartellgesetz, 6. Aufl. 2010, § 81 Rn. 43). Dieses nachvollziehbare, einfachrechtlich vertretbare Auslegungsergebnis ist der Prüfung der Vorlagefrage zugrunde zu legen (vgl. BVerfGE 117, 1 ≪27≫).
Die Differenzierung zwischen behördlich und gerichtlich festgesetzten Geldbußen hinsichtlich der Verzinsung ist durch hinreichende Sachgründe gerechtfertigt. Maßgeblich ist insoweit ein großzügiger, auf das Willkürverbot beschränkter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab; denn für die Ungleichbehandlung knüpft das Gesetz weder an Persönlichkeitsmerkmale an, noch geben betroffene Freiheitsrechte Anlass zu einer strengeren Bindung. Die von der Ungleichbehandlung Betroffenen sind im Gegenteil dazu in der Lage, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Differenzierungskriterien zu beeinflussen. Ihnen bleibt es nämlich überlassen, ob sie mit dem Ziel einer gerichtlichen Überprüfung nicht nur Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegen, sondern an diesem Rechtsbehelf auch bis zu einer Entscheidung des Kartellgerichts festhalten.
Angesichts des gesetzgeberischen Ziels, der rechtsmissbräuchlichen Einlegung von Einsprüchen zur Erlangung finanzieller Vorteile, entgegenzuwirken, ist es frei von Willkür, wenn nicht sogar naheliegend, dass § 81 Abs. 6 GWB bei einer Entscheidung des Kartellgerichts über die zu verhängende Geldbuße eine Verzinsung nicht zwingend vorschreibt. Denn dessen Regelungszweck verlangt bei einer gerichtlichen Sachentscheidung gerade keine Verzinsung. Führt das betroffene Unternehmen eine gerichtliche Sachentscheidung herbei, so hat es Kartellbehörde und Kartellgericht nicht zweckwidrig nur zur Verfahrensverzögerung belastet, um den Einspruch noch vor ihrer endgültigen Entscheidung zurückzunehmen, sondern es hat im Gegenteil die gerichtliche Sachentscheidung abgewartet, sich ihren rechtlichen Wirkungen einschließlich der Gefahr einer Verböserung der Rechtsfolge unterworfen und damit die staatlichen Institutionen entsprechend ihrer Funktion in Anspruch genommen. Das Gericht ist dann frei, die Höhe einer etwaigen Geldbuße unabhängig von deren bisheriger Höhe selbst festzusetzen und kann damit dem Einzelfall – auch im Blick auf die inzwischen verstrichene Zeit – sachgerecht Rechnung tragen.
II.
Die Pflicht zur Verzinsung von Kartellgeldbußen verstößt nicht gegen die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG.
1. Der Rechtsweg, den Art. 19 Abs. 4 GG den Rechtsuchenden gewährleistet, bedarf der gesetzlichen Ausgestaltung. Rechtsschutz ist eine staatliche Leistung, deren Voraussetzungen erst geschaffen, deren Art näher bestimmt und deren Umfang im Einzelnen festgelegt werden müssen. Art. 19 Abs. 4 GG gibt dem Gesetzgeber dabei nur die Zielrichtung und die Grundzüge der Regelung vor, lässt ihm im Übrigen aber einen beträchtlichen Gestaltungsspielraum. Doch darf er die Notwendigkeit einer umfassenden Nachprüfung des Verwaltungshandelns in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und eine dem Rechtsschutzbegehren angemessene Entscheidungsart und Entscheidungswirkung nicht verfehlen (BVerfGE 101, 106 ≪123 f.≫; 118, 168 ≪207≫). Damit sind Begrenzungen des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz nicht ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 100, 313 ≪364≫; 109, 279 ≪364≫). Die Ausgestaltung muss aber dem Schutzzweck des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG Genüge tun (vgl. BVerfGE 60, 253 ≪269≫). Dies verbietet Maßnahmen, die darauf abzielen oder geeignet sind, den Rechtsschutz der Betroffenen zu vereiteln (vgl. BVerfGE 69, 1 ≪49≫), insbesondere dürfen zu Lasten der Rechtsuchenden nicht unangemessen hohe verfahrensrechtliche Hindernisse für den Zugang zum Gericht geschaffen werden (vgl. BVerfGE 60, 253 ≪269≫).
2. Daran gemessen führt die in § 81 Abs. 6 GWB geregelte Verzinsung weder zu einer gezielten Beeinträchtigung der Rechtsschutzgarantie (a) noch zu einer andersartigen verfassungswidrigen Beeinträchtigung dieses Grundrechts (b).
a) Durch die Möglichkeit des Einspruchs gegen Bußgeldbescheide trägt das Gesetz dem durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Recht des Betroffenen Rechnung, gegen einen ihn belastenden Akt der öffentlichen Gewalt ein Gericht anzurufen (vgl. BVerfGE 40, 46 ≪49≫). Demgegenüber verfolgt der Gesetzgeber mit der Einführung der Verzinsungspflicht für Kartellgeldbußen nach § 81 Abs. 6 GWB zwar das Ziel, Unternehmen von Einsprüchen gegen Kartellbußgeldbescheide abzuhalten; er zielt damit jedoch nur auf Einsprüche, die allein zur Erlangung finanzieller Vorteile eingelegt und noch vor dem Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung zurückgenommen werden sollen.
Mit der Abwehr eines solchermaßen zweckwidrigen Gebrauchs eines Rechtsmittels ist keine für Art. 19 Abs. 4 GG relevante Beeinträchtigung des Rechtswegs verbunden. Der Zugang zu den Gerichten wird vom Grundgesetz nicht lediglich als formelles Recht, die Gerichte anzurufen, garantiert, sondern zielt auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 93, 1 ≪13≫; 112, 185 ≪207≫). Der damit garantierte Rechtsschutz erfolgt durch eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes sowie eine verbindliche richterliche Entscheidung (vgl. BVerfGE 112, 185 ≪207≫). Dies entspricht jedoch nicht der Absicht der betroffenen Unternehmen, die mit dem Einspruch lediglich den Eintritt der Bestandskraft des Bußgeldbescheids verzögern wollen, um auf diese Weise finanzielle Vorteile durch die verspätete Zahlung der gegen sie festgesetzten Geldbuße erzielen zu können. Sie erstreben keine gerichtliche Prüfung und Entscheidung über die ihnen zur Last gelegten Ordnungswidrigkeiten, sondern wollen diese im Gegenteil vermeiden und nehmen daher ihre Rechtsmittel noch vor einer Sachentscheidung durch das Gericht zurück. Diese Betroffenen nutzen den Einspruch nicht um Rechtsschutz zu erlangen, sondern in zweckwidriger, rechtsmissbräuchlicher Weise nur als Mittel der Verzögerung, um finanzielle Vorteile zu erzielen. Eine Inanspruchnahme der Gerichte zu diesem Zweck steht außerhalb des Schutzes von Art. 19 Abs. 4 GG. In gleicher Weise gilt das für Fälle, in denen Betroffene wegen der drohenden Zinsbelastung von der Einlegung eines unzulässigen Einspruchs abgehalten werden; hier ist die Rechtsweggarantie nicht berührt.
b) Die Pflicht zur Verzinsung von Kartellgeldbußen kann aber auf andere Weise als Beeinträchtigung des Zugangs zu den Gerichten wirken und damit die Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG berühren. § 81 Abs. 6 GWB kann nämlich dazu führen, dass betroffene Unternehmen, auch wenn sie ernsthaft eine gerichtliche Überprüfung anstreben, wegen der drohenden Zinsbelastung von der Einlegung des Einspruchs abgehalten werden.
aa) Die Befürchtung, aufgrund des § 81 Abs. 6 GWB über die festgesetzte Geldbuße hinaus zusätzlich noch mit Zinsen belastet zu werden, ist allerdings mit Blick auf die nach einem Einspruch ergehende Sachentscheidung des Kartellgerichts nicht gerechtfertigt und kann somit nicht zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung von Art. 19 Abs. 4 GG führen. Insoweit ist die vertretbare Auslegung des § 81 Abs. 6 GWB durch das vorlegende Gericht zugrunde zu legen, wonach die Verzinsung ausschließlich für behördlich, nicht aber auch für gerichtlich verhängte Geldbußen gilt (vgl. oben C. I. 2. c). Mithin kann ein betroffenes Unternehmen durch Aufrechterhalten des eingelegten Einspruchs der Zinsbelastung entgehen, wird also durch § 81 Abs. 6 GWB von dem Weg zum Gericht nicht abgehalten, soweit dieser – gemäß der Funktion des Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG – ernsthaft und mit Ziel einer kartellgerichtlichen Sachentscheidung beschritten wird.
Nichts anderes folgt aus dem Hinweis in den Gesetzesmaterialien, angesichts des § 81 Abs. 6 GWB möge das Gericht „bei seiner Überprüfung auch den Zeitfaktor (…) berücksichtigen” (BTDrucks 15/3640, S. 67). Für diese Anregung, zwischenzeitlich entstandene finanzielle Vorteile aufgrund der allgemeinen Bemessungsvorschriften in die Bestimmung der Höhe der gerichtlich festgesetzten Geldbuße einfließen zu lassen, war die Einführung der Verzinsungspflicht allenfalls Anlass, nicht jedoch rechtliche Grundlage. Maßgeblich für die gerichtliche Entscheidung über die Höhe der Geldbuße sind auch insoweit allein die Bestimmungen, die nach wie vor generell die Bußgeldbemessung im Ordnungswidrigkeitenrecht regeln und aus verfassungsrechtlicher Sicht auch schon vor Inkrafttreten des § 81 Abs. 6 GWB nicht der Berücksichtigung der finanziellen Vorteile entgegenstanden, die durch die verzögerte Zahlung der Geldbuße ermöglicht wurden.
bb) Hingegen berührt die Verzinsungspflicht des § 81 Abs. 6 GWB die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG auch insoweit, als sich bei zunächst ernsthaft mit dem Ziel einer gerichtlichen Sachentscheidung eingelegtem Einspruch für das betroffene Unternehmen nachträglich ein berechtigtes Interesse an der Rücknahme des Einspruchs ergeben kann. Der Betroffene kann den Einspruch gemäß § 71 Abs. 1 OWiG, § 411 Abs. 3 Satz 1 der Strafprozessordnung (StPO) bis zum Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung zurücknehmen und bedarf hierfür erst nach Beginn der Hauptverhandlung der Zustimmung des Gegners (§ 71 Abs. 1 OWiG, § 303 Satz 1 und § 411 Abs. 3 Satz 2 StPO).
(1) Ein berechtigtes Interesse an der Rücknahme des Einspruchs kann insbesondere dann bestehen, wenn sich im Lauf des gerichtlichen Verfahrens mit Blick auf die Ahndung der Tat als Ordnungswidrigkeit die Gefahr einer Verböserung manifestiert. Das Kartellgericht ist bei seiner Entscheidung nicht an den Bußgeldbescheid gebunden, sondern setzt die Höhe der Geldbuße selbständig fest (§ 71 Abs. 1 OWiG, § 411 Abs. 4 StPO). Damit muss der Einspruchsführer aber zu seinen Lasten auch mit einer Verböserung (reformatio in peius) im Sinne einer strengeren Ahndung der ihm vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit rechnen (vgl. Bechtold, a.a.O., vor § 81 Rn. 6). Lediglich im Falle des § 72 OWiG, wenn ohne Hauptverhandlung durch Beschluss entschieden wird und die Beteiligten dieser Vorgehensweise nicht widersprechen, kann gemäß § 72 Abs. 3 Satz 2 OWiG von der im Bußgeldbescheid getroffenen Entscheidung nicht zum Nachteil des Betroffenen abgewichen werden. Das Kartellgericht kann demnach das betroffene Unternehmen zur Zahlung einer Geldbuße verurteilen, die die im behördlichen Verfahren festgesetzte Geldbuße um ein Vielfaches überschreitet. Erkennt der Betroffene diese Möglichkeit nach Einlegung des Einspruchs als ernsthafte Gefahr, ist ihm, um sich der Verböserung durch ein Urteil des Kartellgerichts zu entziehen, ein legitimes Interesse an der Rücknahme seines Einspruchs nicht abzusprechen.
Mit der Rücknahme des Einspruchs geht allerdings der Eintritt der Bestandskraft des angefochtenen Bußgeldbescheids einher, womit dann auch die dort festgesetzte Geldbuße nach Maßgabe des § 81 Abs. 6 GWB rückwirkend zu verzinsen ist. Das von einer Kartellgeldbuße betroffene Unternehmen muss daher in Erwägung ziehen, dass es nach Einlegung eines Einspruchs einer sich möglicherweise – etwa nach gerichtlichem Hinweis – abzeichnenden Verböserung nur um den Preis einer Verzinsung der angegriffenen Geldbuße zu entgehen vermag. Als Ergebnis dieser Überlegungen könnte einzelnen Betroffenen die Inanspruchnahme von Rechtsschutz wirtschaftlich derart risikobehaftet erscheinen, dass sie von der Einlegung des Einspruchs von Anfang an absehen.
(2) Der Umstand, dass die durch die Kartellbehörde festgesetzte Geldbuße im Falle einer Rücknahme des Einspruchs zu verzinsen wäre, kann demnach rechtsschutzhemmende Wirkung entfalten. Dies verstößt jedoch nicht gegen die Verfassung. Der Gesetzgeber hat mit § 81 Abs. 6 GWB bei der ihm übertragenen Ausgestaltung des Rechtsschutzes zwar von der grundsätzlich nicht ausgeschlossenen Möglichkeit einer Begrenzung (vgl. BVerfGE 100, 313 ≪364≫; 109, 279 ≪364≫) Gebrauch gemacht, dabei aber den Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer Weise erschwert.
(a) Aus Art. 19 Abs. 4 GG folgt, dass die Inanspruchnahme von Rechtsschutz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf (vgl. BVerfGE 40, 272 ≪274 f.≫; 78, 88 ≪99≫; 88, 118 ≪124≫). Dies bedeutet allerdings nicht, dass den Rechtsuchenden der Zugang zu den Gerichten kostenlos oder auch nur ohne Kostenrisiko zur Verfügung stehen muss. Ferner ist es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verwehrt, mit einer Gebührenregelung neben der Deckung der dem Staat entstehenden Kosten auch das Ziel zu verfolgen, einer leichtfertigen oder gar missbräuchlichen Einlegung von Rechtsbehelfen entgegenzuwirken (vgl. BVerfGE 10, 264 ≪268≫; 50, 217 ≪230 f.≫; 85, 337 ≪346 f.≫).
Allerdings darf die Bemessung der Verfahrenskosten nicht in einer Weise erfolgen, die es den Betroffenen praktisch unmöglich macht, das Gericht anzurufen (vgl. BVerfGE 11, 139 ≪143≫; 54, 39 ≪41≫). Hierzu muss die Höhe der Kosten gesetzlich so geregelt sein, dass sie vorher überschaubar ist und bei vernünftiger Abwägung mit den Erfolgsaussichten nicht von vornherein rechtsschutzhemmend wirkt (vgl. BVerfGE 11, 139 ≪143≫; 54, 39 ≪41≫). Außerdem dürfen die Kosten nicht außer Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Wert stehen, den das gerichtliche Verfahren für die einzelnen Beteiligten hat (vgl. BVerfGE 85, 337 ≪347≫). Eine an sich gerechtfertigte Regelung darf schließlich nicht so gestaltet werden, dass sie in ihrer tatsächlichen Auswirkung tendenziell dazu führt, Rechtsschutz vornehmlich nach Maßgabe wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu eröffnen (vgl. BVerfGE 50, 217 ≪231≫; 117, 163 ≪197≫).
(b) Die geschilderten Maßstäbe wurden zwar nicht für den Fall einer Verzinsung von Geldschulden entwickelt, die als staatliche Sanktion entstanden sind. Mit der Zinspflicht für Kartellgeldbußen gemäß § 81 Abs. 6 GWB verfolgt das Gesetz aber ebenso, wie dies auch für die Kostenpflichtigkeit von Gerichtsverfahren zulässig ist, das Ziel, von einer missbräuchlichen Einlegung von Rechtsmitteln abzuhalten. Die geschilderten Grundsätze können daher auch für die Prüfung herangezogen werden, ob der in § 81 Abs. 6 GWB statuierten Pflicht zur Zinszahlung eine unzumutbare rechtsschutzhemmende Wirkung zukommt. Ein solcher prohibitiver Effekt lässt sich jedoch nicht feststellen.
(aa) So können die Betroffenen die Größenordnung der möglicherweise anfallenden Zinsen hinreichend im Voraus überschauen. Da eine präzise Prognose aufgrund der Unwägbarkeiten gerichtlicher Verfahren unmöglich ist, kann auch die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährleisten, dass den Rechtsuchenden bereits vor Erhebung des Rechtsmittels der genaue Betrag aller im Verfahren anfallenden Kosten vor Augen steht. Ausreichend ist vielmehr, dass für sie absehbar ist, welche Kosten dem Grunde nach überhaupt anfallen und welche Höhe diese Kosten erreichen können.
Für ein betroffenes Unternehmen ist aufgrund der Regelung in § 81 Abs. 6 GWB bereits vor Erhebung des Einspruchs ausreichend deutlich zu erkennen, dass und in welchen Fällen Zinsen zu tragen sind. Zwar entscheiden letztlich die künftige Entwicklung des Basiszinssatzes, auf den § 81 Abs. 6 GWB in Verbindung mit § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB verweist, und die Dauer des gerichtlichen Einspruchsverfahrens über die genaue Höhe einer etwaigen Zinslast. Diese Faktoren lassen sich jedoch zumindest insoweit abschätzen und in ihrer Entwicklung kontrollieren, als die anfallenden Kosten der Größenordnung nach überschaubar und damit nicht weniger ungewiss als die üblichen Kosten gerichtlicher Verfahren sind.
(bb) Zudem erreichen die nach § 81 Abs. 6 GWB auf die Geldbuße zu zahlenden Zinsen im Regelfall keine Größenordnung, die bei vernünftiger Betrachtung den Rechtsweg für die betroffenen Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen verstellen oder auch nur spürbar erschweren könnte. Der Annahme einer rechtsschutzhemmenden Wirkung steht entgegen, dass die Betroffenen bis zur Rücknahme des Einspruchs oder dessen gerichtlicher Verwerfung als unzulässig die Möglichkeit hatten, während der gesamten Dauer des gerichtlichen Verfahrens entweder Zinsen für Kredite zu sparen oder durch Einsatz der Gelder im operativen oder investiven Geschäftsbereich Einnahmen zu erzielen.
(α) Ob es dem betroffenen Unternehmen im Einzelfall möglich war, tatsächlich die gesamte später nach § 81 Abs. 6 GWB zu entrichtende Zinssumme auf dem Kapitalmarkt zu erwirtschaften (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. April 2012 – XI ZR 360/11 –, NJW 2012, S. 2266 ff.), ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn Art. 19 Abs. 4 GG bietet keinen Schutz vor finanziellen Belastungen als Konsequenz der Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels. Lediglich die Höhe der anfallenden finanziellen Nachteile darf keine abschreckende und rechtsschutzhemmende Wirkung entfalten, die einen wirtschaftlich vernünftig Denkenden von Anfang an von der Anrufung der staatlichen Gerichte abhalten könnte. Im Regelfall ist das aber nicht zu erwarten. Gerade die von der Verzinsung der Geldbuße allein betroffenen Unternehmen werden sich als gewinnorientierte Wirtschaftsbetriebe typischerweise nicht durch eine etwaige Differenz zwischen dem nach § 81 Abs. 6 GWB zu zahlenden Zins und den auf dem Kapitalmarkt zu erwirtschaftenden Erträgen von der Erhebung eines ernsthaft verfolgten Einspruchs abschrecken lassen.
(β) Im Übrigen verbleibt einem betroffenen Unternehmen, das befürchtet, auf dem Kapitalmarkt den von § 81 Abs. 6 GWB geforderten Zins nicht erwirtschaften zu können und deshalb im Falle einer Rücknahme oder einer Verwerfung des Einspruchs erheblichen finanziellen Nachteilen ausgesetzt zu sein, die Möglichkeit, die geforderte Bußgeldsumme ungeachtet der noch ausstehenden Vollstreckbarkeit innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheids zunächst unter Vorbehalt zu zahlen und diese nach Erfolg seines Einspruchs zurückzufordern. Der Einwand, der Bußgeldbescheid würde in diesem Fall seine ahndende Wirkung bereits vor Bestandskraft entfalten und somit gegen die Unschuldsvermutung verstoßen, verkennt, dass der Betroffene nicht zur Zahlung der Geldbuße unter Vorbehalt verpflichtet ist, sondern ihm dieser Weg lediglich zur Reduzierung möglicher Zinsverluste offensteht.
(γ) Dem gesetzgeberischen Ziel, lediglich rechtsmissbräuchliche Einsprüche zu verhindern, trägt die Höhe des Zinssatzes nach § 81 Abs. 6 GWB in Verbindung mit § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB Rechnung, entfaltet mithin ebenfalls keine rechtsschutzhemmende Wirkung. Die in § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelte Zinshöhe orientiert sich am Marktzins und soll mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz lediglich den Schaden ausgleichen, den der Gläubiger typischerweise durch den Zahlungsverzug erleidet und der umgekehrt den dem Schuldner typischerweise entstehenden Vorteilen entspricht (vgl. Grüneberg, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl. 2013, § 288 Rn. 2). Anhaltspunkte, die einen Verweis auf die Höhe der Verzugszinsen des Bürgerlichen Gesetzbuchs willkürlich oder mit Blick auf die Rechtsschutzgewährung auch nur sachwidrig erscheinen ließen, sind nicht erkennbar. Das Ziel der Orientierung am Marktzins wird auch dadurch belegt, dass das Gesetz nicht auf die – an sich naheliegende – qualifizierte Zinshöhe des § 288 Abs. 2 BGB verweist, die im Falle eines Zahlungsverzugs ohne Verbraucherbeteiligung gilt, sich aber aus Gründen der Abschreckung säumiger Schuldner (vgl. Grüneberg, in: Palandt, a.a.O., § 288 Rn. 3) mit acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vom Marktzins deutlich entfernt.
III.
Entgegen einer bisweilen in der Literatur zum Kartellrecht vertretenen Auffassung (vgl. etwa Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 81 Rn. 463; Achenbach, in: Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, a.a.O., § 81 GWB, Rn. 327; Vollmer, in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht, a.a.O., § 81 Rn. 119) missachtet die in § 81 Abs. 6 GWB geregelte Verzinsung der Geldbuße nicht die verfassungsrechtlich garantierte Unschuldsvermutung.
1. Die Unschuldsvermutung ist nicht nur kraft Art. 6 Abs. 2 EMRK Bestandteil des positiven Rechts der Bundesrepublik Deutschland, vielmehr kommt ihr als einer besonderen Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) Verfassungsrang zu (vgl. BVerfGE 74, 358 ≪370≫; 110, 1 ≪22≫). Sie gilt auch, wenn eine Tat nicht strafrechtlich als Delikt, sondern als Ordnungswidrigkeit geahndet werden soll (vgl. BVerfGE 9, 167 ≪170≫). Aus dem Grundsatz der Unschuldsvermutung ergibt sich hier, dass den Betroffenen Tat und Schuld nachgewiesen werden müssen (vgl. BVerfGE 9, 167 ≪169≫; 74, 358 ≪371≫). Solange der gesetzliche Nachweis der Schuld nicht geführt ist, sind die Betroffenen auch vor Nachteilen geschützt, die einem Schuldspruch oder einer Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung und Strafbemessung vorausgegangen ist (vgl. BVerfGE 74, 358 ≪371≫; 110, 1 ≪23≫ m.w.N.).
2. Zweifelhaft ist bereits, ob die Regelung des § 81 Abs. 6 GWB überhaupt zu Nachteilen führt, die im Sinne der Unschuldsvermutung einem Schuldspruch oder einer Ahndung gleichkommen. Selbst wenn dies unterstellt wird, ist sie jedenfalls mit der Unschuldsvermutung vereinbar. Zwar beginnt die Verzinsungspflicht bereits zwei Wochen nach der Zustellung des Bußgeldbescheids und erfasst somit auch noch nicht bestandskräftig geahndete Ordnungswidrigkeiten. Entscheidend ist jedoch, dass diese Verpflichtung bei Erfolg des Einspruchs wieder rückwirkend entfällt, der Betroffene also von Anfang an keine Zinsen schuldet und zwischenzeitlich auch nicht auf Zahlung in Anspruch genommen werden kann. Die Regelung des § 81 Abs. 6 GWB ändert nämlich nichts an dem Zeitpunkt der Fälligkeit, die nicht nur für die Geldbuße, sondern auch für die aus ihr zu zahlenden Zinsen gemäß § 89 OWiG – wie alle festgesetzten Tatfolgen (vgl. Mitsch, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Aufl. 2006, § 89 Rn. 1) – erst mit der Bestandskraft des Bußgeldbescheids eintritt. Die Verzinsungspflicht des § 81 Abs. 6 GWB hat demnach nur Auswirkungen auf die Höhe der insgesamt zu entrichtenden Geldsumme, sie verlagert aber die Zahlungspflicht als solche nicht auf einen Zeitpunkt vor bestandskräftiger Festsetzung der Geldbuße und damit nicht auf einen Zeitpunkt vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Täterschaft und die Schuld der Betroffenen.
IV.
Schließlich widerspricht die Regelung zur Verzinsung der Geldbuße gemäß § 81 Abs. 6 GWB nicht dem strengen Gesetzesvorbehalt aus Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 126, 170 ≪194≫).
1. An Art. 103 Abs. 2 GG sind zwar auch Sanktionen zu messen, die keine Strafe sind, aber wie eine Strafe wirken (vgl. BVerfGE 35, 311 ≪320≫; 74, 358 ≪375 f.≫; 110, 1 ≪13 f.≫). Diese Voraussetzung ist allerdings nicht schon dann erfüllt, wenn eine Maßnahme mit einer Einbuße an Freiheit oder Vermögen verbunden ist und damit faktisch die Wirkung eines Übels entfaltet. Bei der Beurteilung des pönalen Charakters einer Rechtsfolge sind vielmehr weitere wertende Kriterien heranzuziehen, insbesondere der Rechtsgrund der Anordnung und der vom Gesetzgeber mit ihr verfolgte Zweck (vgl. BVerfGE 110, 1 ≪14≫).
Hiernach stellt die Verzinsungspflicht keine strafähnliche Maßnahme dar; denn ihr soll nach dem Willen des Gesetzgebers keine zusätzliche Ahndungswirkung zukommen. Ihr Ziel ist vielmehr, die Angemessenheit der Sanktion, deren Vollstreckbarkeit durch den Einspruch hinausgeschoben wird, trotz der eingetretenen Verzögerung aufrecht zu erhalten, um auf diese Weise von der rechtsmissbräuchlichen Einlegung des Rechtsmittels abzuhalten. Dem trägt die gesetzliche Regelung Rechnung (vgl. oben C. II. 2. b bb ≪2. b bb≫).
2. Dessen ungeachtet lässt sich die Bestimmtheit des § 81 Abs. 6 GWB nicht mit dem Argument in Frage stellen, die gesetzlichen Regelungen zur Bemessung der Kartellgeldbuße, an die die Verzinsung anknüpft, seien ihrerseits wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig (so aber Hassemer/Dallmeyer, Gesetzliche Orientierung im deutschen Recht der Kartellgeldbußen und das Grundgesetz, 2010, S. 76 f.). Dabei kann dahinstehen, ob die einschlägigen Bußgeldvorschriften im Bereich des Kartellrechts hinreichend bestimmt sind. Sollten sie sich als verfassungswidrig erweisen, so beträfe dieser Mangel lediglich die Normen zur Bußgeldbemessung. Bei deren Nichtigkeit wäre zwar auch der Verzinsungspflicht die Grundlage entzogen, dies beruhte indessen nicht auf einer Verfassungswidrigkeit der Verzinsungsvorschrift des § 81 Abs. 6 GWB, sondern auf dem Umstand, dass dann eine wirksam festgesetzte Geldbuße fehlte, an der die Verzinsung anknüpfen könnte. Eine etwaige Unbestimmtheit der Regelung zur Bemessung der Hauptschuld ist als solche für die Bestimmtheit der daran anschließenden Zinsregelung ohne Belang.
Unterschriften
Kirchhof, Gaier, Eichberger, Schluckebier, Masing, Paulus, Baer, Britz
Fundstellen
Haufe-Index 3577958 |
BB 2013, 194 |