Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Beschluss vom 31.10.2006; Aktenzeichen 19 Wx 38/06) |
LG Konstanz (Beschluss vom 23.08.2006; Aktenzeichen 12 T 146/06 N) |
AG Überlingen (Beschluss vom 18.05.2006; Aktenzeichen XVII 163/04) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die pauschalierte Festsetzung der Vergütung seiner ehemaligen Betreuerin. Mittelbar richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen § 5 Abs. 1 und Abs. 2 des Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern – Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG).
1. Die Vergütung eines Berufsbetreuers bemisst sich nach §§ 4 und 5 VBVG. § 4 VBVG regelt die Höhe des einem Berufsbetreuer zu vergütenden Stundensatzes, § 5 VBVG den Stundenansatz. Differenzierungskriterien in § 5 Abs. 1 und Abs. 2 VBVG sind der Aufenthaltsort des Betreuten, das heißt, ob dieser in einem Heim lebt oder zu Hause, und die Dauer der Betreuung. § 5 Abs. 1 VBVG regelt den einem Betreuer zu vergütenden Zeitaufwand für die Betreuung eines bemittelten Betreuten, § 5 Abs. 2 VBVG den eines mittellosen Betreuten. In diesem Fall ist die Vergütung aus der Staatskasse zu entrichten. Der für die Betreuung eines mittellosen Betreuten ansetzungsfähige und damit vergütungsrelevante Zeitaufwand ist gegenüber dem bei Betreuung eines Bemittelten geringer bemessen. Für die Betreuung eines mittellosen Betreuten werden ein bis anderthalb Stunden weniger angesetzt. Der Unterschied der Höhe der Vergütung für die Führung einer Betreuung eines bemittelten Betreuten und im Falle der Vergütung aus der Staatskasse bei Führung einer Betreuung eines unbemittelten Betreuten ergibt sich daher nicht aus der Höhe des in Ansatz gebrachten Stundensatzes, sondern aus der Anzahl der für die Betreuung ansatzfähigen Stunden.
2. Das Amtsgericht Überlingen ordnete für den Beschwerdeführer eine Betreuung an und bestellte eine (Vereins-)Betreuerin. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers beschränkte das Landgericht den Aufgabenkreis zunächst auf die Gesundheitsfürsorge und hob die Betreuung in der Folge in Gänze auf.
Das Amtsgericht Überlingen setzte die Vergütung einschließlich Aufwendungsersatz und Umsatzsteuer der für den Beschwerdeführer tätigen Vereinsbetreuerin in Höhe von 2.002 EUR fest. Das Gericht ging gemäß § 4 VBVG von einem Stundensatz in Höhe von 44 EUR aus und errechnete die Stunden pauschal nach § 5 Abs. 1 VBVG. Rechtsmitteln des Beschwerdeführers war kein Erfolg beschieden. Das Oberlandesgericht Karlsruhe wies zuletzt seine weitere sofortige Beschwerde zurück; denn die Vorschriften der §§ 4, 5 VBVG verletzten das verfassungsimmanente Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht. Ein Verstoß gegen den Äquivalenzgrundsatz liege nicht vor. Auch der Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Eine willkürliche Ungleichbehandlung aufgrund der unterschiedlichen Stundenansätze für die Betreuung bemittelter und mittelloser Betreuter in den Absätzen 1 und 2 des § 5 VBVG liege nicht vor. Für letztere werde jeweils ein zwischen einer und anderthalb Stunden niedrigerer Betreuungsaufwand pro Monat angesetzt. Dies begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar komme die Überlegung des Gesetzgebers, die Betreuung mittelloser Betreuter verursache in der Regel einen geringeren Aufwand, dann nicht zum Tragen, wenn sich die Betreuung – wie vorliegend – ausnahmsweise nicht auf die Vermögenssorge erstrecke. Dennoch knüpfe das Gesetz auch in diesen Fällen seine ungleichen Folgen an ein sachgerechtes Unterscheidungskriterium an. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn ein vermögender Betreuter für die gleiche Dienstleistung eine höhere Vergütung erbringen müsse, als eine vermögenslose Person. Soweit die Betreuervergütung für Minderbemittelte aus öffentlichen Mitteln aufgebracht werde, begünstige diese Konstruktion zugleich die Staatskasse. Hierin liege ein legitimer Nebeneffekt der gesetzlichen Regelung.
3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, die pauschalierte Vergütung bedeute in seinem Fall eine unverhältnismäßige Belastung, die einer Äquivalenzprüfung nicht standhalten könne. Ein Eingriff in Art. 3 Abs. 1 GG sei aufgrund der Differenzierung zwischen bemittelten und nicht bemittelten Betreuten gegeben. Für letztere werde ein geringerer Betreuungsaufwand angesetzt, weil die Betreuung Mittelloser in der Regel einen geringeren Aufwand verursache als die Betreuung Vermögender. Bei ihm sei aber die Betreuung nicht auf die Vermögenssorge erstreckt worden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Sie wird jedoch nicht zur Entscheidung angenommen; denn sie hat keine Aussicht auf Erfolg. Die sich aus § 5 Abs. 1, Abs. 2 VBVG ergebende unterschiedliche Vergütung für die Betreuung bemittelter und mittelloser Betreuter aufgrund der unterschiedlichen Stundenansätze ist von nicht zu beanstandenden, sachlich gerechtfertigten Erwägungen getragen und verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Dem Gesetzgeber steht bei Vergütungsregelungen grundsätzlich ein Ge-staltungsspielraum zu. Dabei kann er Einzelabrechnungen, Pauschalierungen oder fixe Sätze vorsehen. Die angegriffene gesetzliche Regelung nutzt diesen Spielraum in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise. Sie verfolgt einen legitimen Gemeinwohlzweck. Das Ziel des Gesetzgebers, für die Festsetzung der Betreuervergütung ein effizientes, missbrauchsunanfälligeres Abrechungssystem zum Zwecke der Vereinfachung und Streitvermeidung zu schaffen, das zugunsten der Betreuten die Arbeitsleistung der Betreuer und des Vormundschaftsgerichts nicht zu sehr in Anspruch nimmt und damit Kapazitäten für die eigentliche Betreuungsleistung freisetzt und das zugleich den Berufsbetreuern auskömmliche Einnahmen sichert (vgl. BRDrucks 865/03, S. 44 ff.), basiert auf vernünftigen Erwägungen zum Nutzen der von der Vergütungsregelung Betroffenen wie der Allgemeinheit.
Rechtstatsächliche Grundlage der in § 5 Abs. 1 VBVG getroffenen Regelungen bildet die im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz erstellte Untersuchung zur „Qualität, Aufgabenverteilung und Verfahrensaufwand bei rechtlichen Betreuungen” des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG). In Übereinstimmung mit dieser Untersuchung hat der Gesetzgeber den Zeitaufwand der Betreuung mit den in § 5 Abs. 1, Abs. 2 VBVG Gesetz gewordenen Zeitabschnitten sowie den Aufenthaltsort des Betreuten als Differenzierungskriterien für die Bemessung der Vergütung von Betreuern pauschaliert.
Dass der Gesetzgeber die in der Studie des ISG vorgenommenen weiteren Differenzierungen mit der Begründung nicht aufgegriffen hat, dass weder hinsichtlich der Art der die Betreuung auslösenden Erkrankung noch hinsichtlich des Alters des Betreuten beim Betreuungsbedarf signifikante Unterschiede feststellbar seien, ist anhand der Ergebnisse der Studie nachvollziehbar und wird selbst vom Beschwerdeführer nicht beanstandet. Ebenfalls tragfähig ist das Anliegen des Gesetzgebers, die Art der Erkrankung auch deshalb als Differenzierungskriterium abzulehnen, um hierdurch Streitigkeiten zu vermeiden, die sich aus einer nicht eindeutigen Abgrenzbarkeit von Krankheitsbildern ergäben (vgl. BRDrucks 865/03, S. 83 f.).
Indem sich der Gesetzgeber bei der Pauschalierung des Zeitaufwandes für die Betreuungstätigkeit auf die Ergebnisse der Studie des ISG gestützt hat, ist er von vertretbaren Annahmen hinsichtlich der Deckung des erforderlichen Arbeitseinsatzes eines Betreuers ausgegangen, mögen sich diese auch später als nicht oder nur teilweise richtig erweisen (vgl. BVerfGE 50, 290 ≪335 f.≫), sodass er gegebenenfalls zur Korrektur aufgefordert wäre.
2. a) Die Herabsetzung des für die Betreuung eines mittellosen Betreuten in Ansatz zu bringenden Zeitaufwands in § 5 Abs. 2 VBVG und die damit einhergehende Reduzierung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung beruht ebenfalls auf nicht zu beanstandenden Erwägungen, jedenfalls soweit sich der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang auf fiskalische Gründe stützt. Sein damit verfolgtes Anliegen, ähnlich wie bei den niedrigeren Gebührensätzen für Rechtsanwälte im Rahmen der Prozesskostenhilfe auch hier den berechtigten Interessen der Staatskasse an einer Reduzierung der Kosten bei der Gewährung von sozialen Leistungen Rechnung zu tragen (vgl. BTDrucks 15/4874, S. 32), wird von Gemeinwohlbelangen getragen (vgl. BVerfG, Beschluss des Dreierausschusses des Ersten Senats vom 27. Juli 1970 – 1 BvR 399/70 –, NJW 1971, S. 187; BVerfGE 68, 237 ≪254 f.≫). Die Schonung der öffentlichen Kassen ist ein legitimes Ziel des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 101, 331 ≪349≫; BVerfGK 6, 130 ≪133≫; 10, 322 ≪325≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 31. Oktober 2007 – 1 BvR 574/07 –, NJW 2008, S. 1063 ≪1064≫). Insofern kann dahingestellt bleiben, ob auch die Annahme des Gesetzgebers, die Betreuung eines mittellosen Betreuten erfordere geringeren Aufwand, die Differenzierung zu rechtfertigen vermag.
b) Der Gesetzgeber hat bei der Herabsetzung des Zeitaufwandes als Bemessungsfaktor für die Vergütung der Betreuung eines Mittellosen und damit der Ungleichbehandlung von bemittelten und unbemittelten Betreuten aus Gründen der Schonung öffentlicher Kassen auch nicht die Grenze der Zumutbarkeit überschritten (vgl. BVerfGE 68, 237 ≪254 f.≫).
Der Stundenansatz für den Vergütungsanspruch eines Betreuers gegen den bemittelten Betreuten entspricht dem vom ISG erhobenen durchschnittlichen Zeitaufwand für eine Betreuung je nachdem, ob der Betreute in einem Heim wohnt oder dies nicht der Fall ist. Vom bemittelten Betreuten wird damit nicht mehr an Vergütung verlangt als seine Betreuung in pauschalierter Betrachtung an Zeit in Anspruch nimmt. Ob mittellose Betreute im Regelfall weniger Zeit für ihre Betreuung in Anspruch nehmen, berührt nicht die Tragfähigkeit des von der ISG ermittelten und der Vergütung der Betreuung bemittelter Betreuter zugrunde gelegten Zeitaufwandes.
Zudem hält sich der Vergütungsunterschied in angemessenem Rahmen. Zwar haben bemittelte Betreute vor allem im ersten Jahr der Betreuung eine höhere Vergütung als Mittellose zu tragen, bei der die monatliche Differenz zur Vergütung der Betreuung Mittelloser anfänglich 27 EUR bis 66 EUR betragen kann. Jedoch verringert sich mit zunehmender Dauer der Betreuung der Unterschiedsbetrag. Insofern ist die Vergütungsdifferenz degressiv und die mit ihr verbundene höhere Belastung bemittelter Betreuter angesichts des legitimen staatlichen Interesses an einer angemessenen Kostenreduzierung bei der Vergütung der Betreuung Mittelloser hinzunehmen.
Eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung bemittelter Betreuter, bei denen die Betreuung den Aufgabenkreis der Vermögenssorge nicht umfasst, gegenüber mittellosen Betreuten ist demnach nicht gegeben.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Kirchhof
Fundstellen
FamRZ 2009, 1899 |
FuR 2010, 108 |
NJW-RR 2010, 505 |
HRA 2009, 12 |
BtMan 2009, 211 |