Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die erneute Bestellung einer früheren Notarin nach einer vorübergehenden Amtsniederlegung nach § 48b der Bundesnotarordnung (BNotO).
1. a) §§ 48b und 48c BNotO regeln die vorübergehende Niederlegung des Notaramts. Die Vorschriften lauten:
(1) Wer als Notarin oder als Notar
- mindestens ein Kind unter achtzehn Jahren oder
- einen nach amtsärztlichem Gutachten pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen
tatsächlich betreut oder pflegt, kann das Amt mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde vorübergehend niederlegen.
(2) Die Dauer der Amtsniederlegung nach Absatz 1 darf auch in Verbindung mit der Amtsniederlegung nach § 48c zwölf Jahre nicht überschreiten.
(1) Erklärt der Notar mit dem Antrag auf Genehmigung der vorübergehenden Amtsniederlegung nach § 48b, sein Amt innerhalb von höchstens einem Jahr am bisherigen Amtssitz wieder antreten zu wollen, wird er innerhalb dieser Frist dort erneut bestellt. § 97 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend.
(2) Nach erneuter Bestellung am bisherigen Amtssitz ist eine nochmalige Amtsniederlegung nach Absatz 1 innerhalb der nächsten beiden Jahre ausgeschlossen; § 48b bleibt unberührt. Die Dauer mehrfacher Amtsniederlegungen nach Absatz 1 darf drei Jahre nicht überschreiten.
Die vorübergehende Niederlegung des Notaramts führt nach § 47 Nr. 7 BNotO sowohl im Fall des § 48b BNotO als auch im Fall des § 48c BNotO zu dessen Erlöschen.
b) Bewerber um eine Notarstelle sind nach § 6b Abs. 1 Halbsatz 1 BNotO durch Ausschreibung zu ermitteln. Dies gilt gemäß § 6b Abs. 1 Halbsatz 2 BNotO nicht bei einer erneuten Bestellung nach einer vorübergehenden Amtsniederlegung innerhalb der Jahresfrist gemäß § 48c BNotO.
Notarstellen werden nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 BNotO vergeben. Die Reihenfolge bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Bewerbern richtet sich nach der persönlichen und der fachlichen Eignung unter Berücksichtigung der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung und der bei der Vorbereitung auf den Notarberuf gezeigten Leistungen (§ 6 Abs. 3 Satz 1 BnotO). Im Fall des Anwaltsnotariats nach § 3 Abs. 2 BNotO wird die fachliche Eignung nach Punkten bewertet; die Punktzahl bestimmt sich zu 60 % nach dem Ergebnis der notariellen Fachprüfung und zu 40 % nach dem Ergebnis der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung, soweit nicht bei einem Bewerber, der Notar ist oder war, im Einzelfall nach Anhörung der Notarkammer ausnahmsweise besondere, die fachliche Eignung vorrangig kennzeichnende Umstände zu berücksichtigen sind (§ 6 Abs. 3 Satz 3 BNotO).
2. a) Die Beschwerdeführerin ist seit 1982 als Rechtsanwältin zugelassen und wurde im Jahr 1994 zur Notarin bestellt. Die am Ausgangsverfahren beteiligte Dienstaufsichtsbehörde (im Folgenden: Beklagter) gestattete ihr im Jahr 2004 die vorübergehende Amtsniederlegung für einen längeren Zeitraum als ein Jahr. Nach der vorübergehenden Niederlegung des Notaramts der Beschwerdeführerin war in ihrem früheren Amtsbereich zunächst kein neuer Notar bestellt worden. Im Jahr 2010 beantragte die Beschwerdeführerin, ihr das Notaramt wieder zu erteilen.
b) Der Beklagte wies den Antrag zurück. In den Fällen der Amtsniederlegung für mehr als ein Jahr sei für die Bestellung die Ausschreibung einer Notarstelle notwendig. Für eine solche Ausschreibung bestehe aber aufgrund der konkreten Bedarfsplanung derzeit kein Bedürfnis.
Nachdem das Oberlandesgericht die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage abgewiesen hatte, blieb auch die Berufung der Beschwerdeführerin vor dem Bundesgerichtshof ohne Erfolg. Die Beschwerdeführerin habe keinen Anspruch auf erneute Bestellung zur Notarin an ihrem bisherigen Amtssitz. Zwar lege der Wortlaut des § 48b BNotO die Annahme nahe, der Notar könne nach Ablauf des Zeitraums der Niederlegung sein Amt ohne weiteres wieder aufnehmen. Ein derartiges Verständnis der Norm lasse aber den Gesamtzusammenhang des Gesetzes sowie Sinn, Zweck und Entstehungsgeschichte der Bestimmung außer Acht. Der Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, dem Notar, der sein Amt für mehr als ein Jahr aus familiären Gründen niederlege, keinen Wiederbestellungsanspruch einzuräumen. Trotz geäußerter Bedenken, dass die Regelung keine entscheidende Verbesserung hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bringe, habe der Gesetzgeber an der Bestimmung festgehalten. Der Umstand, dass ein Bewerber um eine Stelle als Anwaltsnotar schon einmal eine Notarstelle innegehabt und sein Amt gemäß § 48b BNotO für mehr als ein Jahr vorübergehend niedergelegt habe, werde aber bei einer künftigen Auswahlentscheidung gemäß § 6 BNotO Berücksichtigung finden müssen. Hingegen könne § 48b BNotO im Wege der verfassungskonformen Auslegung kein Anspruch auf Wiederbestellung am bisherigen Amtssitz entnommen werden. Die Bestimmung sei nicht verfassungswidrig.
3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3, Art. 6 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG.
4. Dem Bundeskanzleramt, dem Bundesministerium des Innern, dem Bundesministerium der Justiz, den Justizministerien der Bundesländer, der Bundesnotarkammer, dem Deutschen Anwaltverein e.V., dem Deutschen Juristinnenbund e.V. und dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. sowie dem Beklagten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Der Beklagte hat in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass zwischenzeitlich eine Notarstelle für den Amtsgerichtsbezirk der Beschwerdeführerin ausgeschrieben worden sei. Er habe der Bewerbung der Beschwerdeführerin nicht entsprochen. Auch bei einem Absehen von dem Erfordernis einer notariellen Fachprüfung (§ 7a BNotO) hätten die Leistungen der Beschwerdeführerin nicht an die ihrer Mitbewerber herangereicht. Die Beschwerdeführerin habe gegen diese Entscheidung zwar rechtzeitig Klage erhoben, von der Einlegung eines Antrags im einstweiligen Rechtsschutzverfahren aber bewusst abgesehen und trotz ausdrücklichen Hinweises die Aushändigung der Urkunde an einen in der Rechtsanwaltssozietät der Beschwerdeführerin tätigen Rechtsanwalt nicht verhindert.
Hierauf hat die Beschwerdeführerin erwidert, sie müsse den Ausführungen des Beklagten zur Einschätzung ihrer Leistungen widersprechen, weil sie bisher noch keinen Einblick in die Bewerbungsunterlagen der Konkurrenten habe nehmen können. Von einstweiligem Rechtsschutz gegen die Bestellung ihres Sozius zum Notar habe sie mit Blick auf die berufliche Zusammenarbeit und auf die ungewissen Modalitäten ihrer Wiederbestellung zur Notarin abgesehen.
Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist insbesondere nicht zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht beachtet worden ist.
Dieser Subsidiaritätsgrundsatz erfordert, dass ein Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um es gar nicht erst zu dem Verfassungsverstoß kommen zu lassen beziehungsweise um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 81, 97 ≪102 f.≫; 86, 15 ≪22≫; 110, 1 ≪12≫; 125, 104 ≪120≫). Wie für jede Zulässigkeitsvoraussetzung (vgl. dazu BVerfGE 106, 210 ≪214≫) gilt auch für das Subsidiaritätsgebot, dass ihm im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts genügt sein muss.
1. Allerdings steht der Zulässigkeit nicht entgegen, dass die Beschwerdeführerin anstelle der vorübergehenden Amtsniederlegung nicht die Möglichkeit der Bestellung eines ständigen Vertreters gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BNotO genutzt hat, um ihre – durch die Betreuung ihres Kindes bedingte – Verhinderung an der Amtsausübung zu überbrücken. Die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde wird nur dann missachtet, wenn der Gebrauch einer anderen Möglichkeit, die Grundrechtsverletzung zu verhindern oder zu beseitigen, einem Beschwerdeführer auch zumutbar ist (vgl. BVerfGE 102, 197 ≪207≫; 104, 65 ≪71≫). Daran fehlt es hier. Obgleich mit der Vertreterbestellung ein Erlöschen des Notaramts verhindert worden wäre, war der Beschwerdeführerin dieser Weg nicht zumutbar. Zum einen hätte ein Vertreter das Amt nach § 41 Abs. 1 Satz 1 BNotO auf Kosten der Beschwerdeführerin versehen, während zum anderen die Vertreterbestellung nur durch die Aufsichtsbehörde erfolgen kann und eine solche Maßnahme nach § 39 Abs. 1 Satz 2 BNotO in der Regel die Dauer eines Jahres nicht überschreiten soll. Zwar könnten gerade Kindererziehungszeiten mit Blick auf das Eltern- und Familiengrundrecht des Art. 6 GG der zuständigen Landesjustizverwaltung Anlass geben, bei der Dauer einer Vertreterbestellung großzügiger zu verfahren und die Jahresfrist in geeigneten Fällen zu überschreiten. Auf diese Möglichkeit kann die Beschwerdeführerin aber nicht in zumutbarer Weise verwiesen werden, solange für sie nicht – etwa aufgrund einer Selbstbindung der Aufsichtsbehörde durch allgemeine Verfügung – vorhersehbar und berechenbar ist, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Vertreterbestellung auch über die Jahresfrist hinaus für die gesamte Dauer ihrer Beanspruchung durch Kinderbetreuung erfolgen wird.
2. Die Beschwerdeführerin hat dem Subsidiaritätsgebot aber deshalb nicht entsprochen, weil sie ihre Bestellung auf die zwischenzeitlich in ihrem früheren Amtsbereich ausgeschriebene Notarstelle nicht in erfolgversprechender Weise verfolgt und damit eine Möglichkeit nicht genutzt hat, um die von ihr gerügte Verletzung von Grundrechten in einem hierfür geeigneten Verfahren zu beseitigen. Obgleich sie von der Landesjustizverwaltung über die Konsequenzen belehrt worden war, hat die Beschwerdeführerin mit Rücksicht auf ihren Anwaltssozius bewusst davon Abstand genommen, zur Sicherung ihres Zugangs zu der von ihr begehrten Notarstelle in ihrem Amtsgerichtsbezirk einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
a) Mit der von ihr hingenommenen Bestellung eines mit ihr konkurrierenden Bewerbers zum Notar hat sich die Beschwerdeführerin selbst den Weg verstellt, die von ihr geltend gemachte Grundrechtsverletzung auf einfachere Weise als im vorliegenden Verfahren zu beseitigen. Wegen des Grundsatzes der Ämterstabilität (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2010 – NotZ 4/10 –, NJW-RR 2011, S. 412 f.), dessen Geltung nach fachgerichtlicher Rechtsprechung nur im Fall einer – hier nicht gegebenen – Rechtsschutzverhinderung durch den Dienstherrn in Frage steht (vgl. BVerwGE 138, 102), hat das Unterlassen der Beschwerdeführerin zur Folge, dass sich die anderweitige Besetzung der ausgeschriebenen Notarstelle nicht mehr beseitigen lässt. Ungeachtet der zwischenzeitlich erfolgten regulären Stellenausschreibungen hätte die Beschwerdeführerin daher im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren zunächst die Ausschreibung einer neuen Amtsstelle im Amtsbereich durchsetzen oder ihre unmittelbare erneute Bestellung zur Notarin ohne Stellenausschreibung erreichen müssen. Mit Blick auf die gesetzliche Voraussetzung eines Bedürfnisses für die Schaffung einer Notarstelle, die § 4 BNotO allein an den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege orientiert und subjektive Rechte von Bewerbern zumindest aus Art. 12 Abs. 1 GG ausschließt (vgl. BVerfGE 73, 280 ≪292≫), erscheint die Erreichbarkeit dieses Ziels zwar zumindest fraglich. Diese zusätzlichen Hindernisse bei der Durchsetzung ihrer Grundrechte hätte die Beschwerdeführerin aber vermeiden können, wenn sie ihr Ziel auf die bereits ausgeschriebene Notarstelle gerichtet hätte, zumal dies auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 3 Abs. 2 GG nicht ohne begründete Erfolgsaussichten gewesen wäre.
b) Obgleich die angegriffenen Vorschriften verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, ist in der Sache deren Auslegung und Anwendung durch den Bundesgerichtshof mit dem Grundgesetz vereinbar.
Den durch Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen beanspruchten Notarinnen und Notaren wird – entgegen der missverständlichen Formulierung des § 48b BNotO – keine von vornherein nur vorübergehende Amtsniederlegung ermöglicht. Folge der gesetzlichen Regelungen ist vielmehr zunächst nach § 47 Nr. 7 BNotO das Erlöschen ihres notariellen Amtes. Um das Amt erneut aufzunehmen, ist daher eine erneute Bestellung zur Notarin oder zum Notar erforderlich, auf die § 48c BNotO allerdings nur dann einen Anspruch gibt, wenn das Notaramt innerhalb eines Jahres wieder angetreten wird. Letztlich bleibt die Rückkehr in das konkrete frühere Amt danach lediglich für ein Jahr sichergestellt, was schwerlich dem Zeitrahmen gerecht werden kann, der typischerweise für Kinderbetreuung oder Pflegeaufgaben benötigt wird. Dies mag zumindest einer der Gründe dafür sein, dass die vorübergehende Amtsniederlegung nach den in der Stellungnahme der Bundesnotarkammer genannten Zahlen keine praktische Bedeutung erlangen konnte: Nach dem Ergebnis einer Umfrage bei allen Notarkammern wurden seit Inkrafttreten der Vorschriften nur in insgesamt 31 Fällen Anträge nach §§ 48b, 48c BNotO gestellt. Zweifel an der Eignung der genannten Vorschriften waren ausweislich der Stellungnahme der Hessischen Staatskanzlei auch bereits im Gesetzgebungsverfahren bekannt; allerdings konnte sich der Gegenvorschlag einer – das Notaramt erhaltenden – bis zu fünfjährigen Vertreterbestellung nicht durchsetzen. Ob diese Umstände im Zusammenwirken mit Grundrechten zur Verfassungswidrigkeit namentlich der engen Voraussetzung für eine Wiederbestellung führen können, kann allerdings vorliegend dahinstehen; denn selbst bei unterstellter Wirksamkeit hätte die Beschwerdeführerin mit ihrer Bewerbung um die ausgeschriebene Stelle Erfolg haben können.
Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2012 – NotZ≪Brfg≫ 12/11 –, NJW 2012, S. 2972 ff.) ist in einem neuen Auswahlverfahren um eine ausgeschriebene Notarstelle besonders zu berücksichtigen, dass eine Bewerberin oder ein Bewerber bereits einmal erfolgreich das Bewerbungsverfahren durchlaufen und die fachliche und persönliche Eignung für das Amt hierdurch sowie durch die Ausübung des Amts bewiesen habe. Auch in seiner mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof hervorgehoben, bei einer künftigen Auswahlentscheidung gemäß § 6 BNotO werde der Umstand Berücksichtigung finden müssen, dass eine Bewerberin oder ein Bewerber um eine Stelle im Bereich des Anwaltsnotariats schon einmal eine solche Stelle innegehabt und das Amt gemäß § 48b BNotO für mehr als ein Jahr vorübergehend niedergelegt habe.
c) Diese Auslegung ist verfassungsrechtlich geboten. Sie ergibt sich aus den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärten verfassungsrechtlichen Maßstäben des Art. 3 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 113, 1 ≪15 ff.≫).
aa) Art. 3 Abs. 2 GG bietet Schutz auch vor faktischen Benachteiligungen. Die Verfassungsnorm zielt auf die Angleichung der Lebensverhältnisse von Frauen und Männern (vgl. BVerfGE 109, 64 ≪89≫; 113, 1 ≪15≫). Durch die Anfügung von Satz 2 in Art. 3 Abs. 2 GG ist ausdrücklich klargestellt, dass sich das Gleichberechtigungsgebot auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt (vgl. BVerfGE 92, 91 ≪109≫; 109, 64 ≪89≫; 113, 1 ≪15≫). In diesem Bereich wird die Durchsetzung der Gleichberechtigung auch durch Regelungen gehindert, die zwar geschlechtsneutral formuliert sind, im Ergebnis aber aufgrund natürlicher Unterschiede oder der gesellschaftlichen Bedingungen überwiegend Frauen betreffen (vgl. BVerfGE 104, 373 ≪393≫; 113, 1 ≪15≫). Demnach ist es nicht entscheidend, dass eine Ungleichbehandlung unmittelbar und ausdrücklich an das Geschlecht anknüpft. Über eine solche unmittelbare Ungleichbehandlung hinaus erlangen für Art. 3 Abs. 2 GG die unterschiedlichen Auswirkungen einer Regelung für Frauen und Männer ebenfalls Bedeutung (vgl. BVerfGE 113, 1 ≪15 f.≫).
bb) Die Vorschrift des § 48b BNotO kann zu einer faktischen Benachteiligung von Frauen gegenüber Männern führen. Wenn das Amt für einen längeren Zeitraum als ein Jahr niedergelegt wird, ist dies mit erheblichen Nachteilen verbunden, die typischerweise Frauen insbesondere im Fall der Betreuung minderjähriger Kinder treffen. Sie müssen sich nach der gesetzlichen Konzeption erneut um eine ausgeschriebene Notarstelle bewerben und ein Bewerbungsverfahren durchlaufen. Gehen ihnen konkurrierende Mitbewerber vor, können sie auf Dauer von der Ausübung des Notarberufs ausgeschlossen sein.
In der sozialen Wirklichkeit werden hierdurch in erster Linie Frauen benachteiligt. Trotz des Anstiegs ihres Anteils unter den Berufstätigen tragen überwiegend Frauen die Aufgaben der Kinderbetreuung und verzichten aus diesem Grund zumindest vorübergehend ganz oder teilweise auf eine Berufstätigkeit (vgl. BVerfGE 113, 1 ≪19≫). Für den Zeitraum, in dem sich die Beschwerdeführerin zur vorübergehenden Amtsniederlegung aus Gründen der Kindererziehung entschloss, wird dies nachdrücklich durch den verschwindend geringen Anteil von Männern unter den Empfängern des damals gezahlten Erziehungsgeldes belegt (vgl. BVerfGE 113, 1 ≪19≫). Seit der Einführung des Elterngeldes hat sich die Situation zwar verbessert, nicht aber zu einem annähernden Gleichstand zwischen den Geschlechtern geführt: So stieg der Anteil von Männern im Jahr 2007 auf 11 % (vgl. Destatis, Datenreport 2008, S. 283), während 2011 die Väterbeteiligung 27,3 % erreichte, wobei allerdings immer noch Mütter in durchschnittlich 95 % der Fälle Elterngeld bezogen (Destatis, Zahlen & Fakten, https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Soziales/Sozialleistungen/Elterngeld/Elterngeld.html). Es gibt keine Hinweise dafür, dass die Situation in Familien, in denen ein Elternteil oder beide Elternteile dem Notarberuf nachgehen, von diesem gesamtgesellschaftlichen Bild grundlegend verschieden ist.
cc) Bei Besetzung einer gemäß § 4 BNotO bereits ausgeschriebenen Amtsstelle kann die Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 3 Abs. 2 GG – jedenfalls für die vorliegende Konstellation des Anwaltsnotariats – durch die vom Bundesgerichtshof befürwortete Auslegung der Vorschriften der Bundesnotarordnung hinreichend sichergestellt werden. Zwar ist es auch dann erforderlich, das für die Besetzung der Notarstelle vorgeschriebene Bewerbungsverfahren zu durchlaufen, gemäß § 6 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 BNotO können aber insbesondere in Fällen der Wiederbestellung nach Anhörung der Notarkammer ausnahmsweise besondere, die fachliche Eignung vorrangig kennzeichnende Umstände berücksichtigt werden. Dass bereits zuvor eine – beanstandungsfreie und nicht vernachlässigbare – notarielle Amtstätigkeit vorzuweisen ist und das Amt aus familiären Gründen vorübergehend für einen längeren Zeitraum als ein Jahr nach § 48b BNotO niedergelegt wurde, kann sich daher im Einzelfall unter Abwägung der grundrechtlich geschützten Interessen der konkurrierenden Bewerber als vorrangiges Kriterium der fachlichen Eignung gegenüber den sonst nach § 6 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BNotO maßgeblichen Prüfungsergebnissen durchsetzen.
Einer solchen Auslegung stehen die in § 6 Abs. 2 Satz 1 BNotO geregelten Voraussetzungen, insbesondere die danach vorausgesetzte örtliche Wartezeit (§ 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNotO) und das Bestehen der notariellen Fachprüfung (§ 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BNotO), nicht entgegen. Denn diese Erfordernisse sind nur in Sollvorschriften geregelt, so dass in begründeten Ausnahmefällen von ihnen abgewichen werden kann, wenn besondere Umstände des Einzelfalls dies erfordern (vgl. BVerfGK 15, 355 ≪371≫). Die Landesjustizverwaltung wird demnach insbesondere bei Bewerbung einer früheren Notarin, die ihr Amt nach § 48b Abs. 1 BNotO vorübergehend für einen längeren Zeitraum als ein Jahr niedergelegt hatte, sorgfältig zu prüfen haben, ob unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 3 Abs. 2 GG eine Ausnahme von den Regelvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 BNotO möglich und geboten ist. Bislang fehlende transparente und hinreichend voraussehbare Vorgaben zur Verwaltungspraxis bei Auslegung und Anwendung der Vorschrift etwa in Form eines Erlasses der Landesjustizverwaltung könnten dazu beitragen, die mit der gesetzlichen Regelung verbundenen Unklarheiten auszuräumen und den betroffenen Amtsträgern und Bewerbern Sicherheit für ihre beruflichen Perspektiven zu vermitteln.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Gaier, Schluckebier, Paulus
Fundstellen