Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, in welcher Art und Weise Verfahrensverzögerungen bei der Strafzumessung zu kompensieren sind.
A.
Das Landgericht Mannheim verurteilte den Beschwerdeführer wegen Untreue in 176 Fällen sowie wegen Gläubigerbegünstigung in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Der Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Als Geschäftsführer einer GmbH platzierte der Beschwerdeführer, ein Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, geschlossene Immobilienfonds am Markt. Nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer war er auf der Basis eines Beratervertrages für die S… AG tätig. Zu seinem Aufgabenbereich gehörte insbesondere die Überwachung und Prüfung initiierter Kapitalanlageprodukte in ihrer rechtlichen, steuerrechtlichen und finanzwirtschaftlichen Ausgestaltung sowie die Verhandlungsführung mit Vertragspartnern. Der Verurteilung lagen Straftaten zugrunde, die der Beschwerdeführer während seiner Beratertätigkeit sowie als faktischer Geschäftsführer der GmbH in den Jahren 1996 bis 1998 beging. Da sich die geschlossenen Immobilienfonds nicht wie gewünscht entwickelten und hierdurch die seitens des Beschwerdeführers beherrschten Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage gerieten, begann er ab Mitte des Jahres 1996 Anlegergelder zweckwidrig zu verwenden. Statt die auf dem Treuhandkonto eingegangenen Gelder dort zusammen und zur Zeichnung aller Anteile auf das Konto der jeweiligen Fondsgesellschaft zu überweisen, wies der Beschwerdeführer das Personal an, die auf dem Treuhandkonto eingegangenen Beträge sofort beziehungsweise entsprechend dem aktuellen Finanzbedarf unmittelbar auf Konten der S…-Gruppe zu überweisen, um sie dort zur Abdeckung der jeweils dringendsten Forderungen der gesamten Unternehmensgruppe zu verwenden. Nach Durchführung der Beweisaufnahme stehe fest, so das Landgericht, dass von den drei Angeklagten der Beschwerdeführer sämtliche Unternehmen faktisch geführt habe und Initiator der Querfinanzierung gewesen sei. Durch dieses Management, welches sich letztlich als Schneeballsystem darstellte, sei es dem Beschwerdeführer gelungen, den Zusammenbruch seiner Unternehmensgruppe hinauszuzögern.
Der Verfahrensablauf im Einzelnen gestaltete sich wie folgt:
Nach Konkursantragstellung von Geschäftsführern zweier zur Unternehmensgruppe gehörender Firmen erstattete der Beschwerdeführer am 16. Oktober 1998 Selbstanzeige. Am 14. Januar 1999 teilte die Staatsanwaltschaft Mannheim dem Beschwerdeführer mit, dass dieser als weiterer Beschuldigter geführt werde. In der Folgezeit wurden mehrere Unterlagen beschlagnahmt, durch einen Buchprüfer, welcher die Ermittlungen begleitete, geprüft und mit den Feststellungen des Konkursverwalters abgeglichen. Am 24. August 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer Haftbefehl erlassen, welcher nach Eröffnung am 8. September 1999 gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt und schließlich am 30. Dezember 2004 auf Antrag der Staatsanwaltschaft aufgehoben wurde. Nach Anklageerhebung am 25. Januar 2005 wurde das Hauptverfahren durch Beschluss vom 9. November 2006 eröffnet. Am 12. Januar 2007 begann die Hauptverhandlung gegen drei Angeklagte, welche erstinstanzlich mit Urteil vom 16. März 2007 endete.
Zugunsten des Beschwerdeführers ging das Landgericht von einer Verfahrensverzögerung im Zwischenverfahren von mindestens zwei Jahren aus. Insoweit führt das Landgericht Folgendes aus:
Die Anklage ist im Januar 2005 bei dem Landgericht Mannheim eingegangen. Bis zum Verhandlungsbeginn im Februar 2007 konnte das Verfahren nicht gefördert werden. Diese Zeitverzögerung hatten die Angeklagten nicht zu vertreten, was ihnen gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK als besonders gewichtiger Strafmilderungsgrund zugute gehalten wurde. Die Strafkammer hat auch berücksichtigt, dass die Angeklagten seit Beginn der Ermittlungen im Jahr 1998 unter dem stetigen psychischen Druck der noch ausstehenden Bestrafung, der Ungewissheit über das Maß der Sanktion, den Auflagen der Haftbefehle und – soweit es die Angeklagten A… und J… betrifft – der ungeklärten berufsrechtlichen Konsequenz aus den Straftaten litten. Diese sich aus den vorgenannten Faktoren ergebende Belastung haben die Angeklagten nunmehr fast 10 Jahre lang ertragen müssen, was eine weitere Strafmilderung bewirkte. Das Maß der danach erforderlichen Kompensation hat die Strafkammer auf 50 % festgesetzt. Das Gericht war der Auffassung, dass – soweit eine Prognose überhaupt möglich ist – bei zeitnaher Verurteilung Einzel -bzw. Gesamtstrafen etwa doppelt so hoch ausgefallen wären.
Demgegenüber sei eine Verfahrensverzögerung während des Ermittlungsverfahrens nicht feststellbar. Insoweit enthält das Urteil folgende Feststellungen:
Eine Verfahrensverzögerung während der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Mannheim/Landespolizeidirektion Freiburg hat die Strafkammer nicht feststellen können. Dem Hinweis der Verteidigung, die Ermittlungen hätten wegen der vorgelegten Selbstanzeigen aller Angeklagten zügiger abgeschlossen werden können, ist das Gericht nicht gefolgt. Die hierzu vernommene Zeugin, Staatsanwältin S…, hat bekundet, dass die Selbstanzeigen keine ausreichende Grundlage für die Anklage darstellten. Die Strafkammer hat sich den Ausführungen der Zeugin S… angeschlossen, wonach es sich um ein rechtlich schwieriges und von der Sache her umfangreiches Ermittlungsverfahren handelte: die Vielzahl der Fonds, denen jeweils unterschiedliche rechtliche Konstruktionen zugrunde lagen, die Querfinanzierung über zahlreiche Konten hinweg und der Umstand, dass eine nach Fonds sortierte jeweils getrennt geführte Buchhaltung fehlte, machte die Ermittlungen besonders aufwändig und langwierig. Dass die Ermittlungen sich auch auf Tatkomplexe erstreckten, die letztlich in der Anklage keinen Niederschlag gefunden haben, ist dabei unerheblich.
Mit Beschluss vom 20. März 2008 verwarf der Bundesgerichtshof die Revision des Beschwerdeführers. Die Rüge der konventionswidrigen Verfahrensverzögerung sei unzulässig. Zwar dürften die Anforderungen an den Umfang der Darstellung einer Verfahrensrüge während eines jahrelang währenden Verfahrens nicht überzogen werden. Jedoch dürfe der Ablauf nicht, wie geschehen, durch wesentliche Auslassungen verzerrt dargestellt werden. Dem Beschwerdeführer sei zuzugeben, dass bei der konkreten Bemessung der konventionswidrigen Verfahrensverzögerung mit 50 % auch allgemeine Strafzumessungserwägungen eingeflossen seien. Allein dies erkläre den, selbst bei der von der Strafkammer auf das gesamte gerichtliche Verfahren bezogenen konventionswidrigen Verfahrensverzögerung, unangemessen hohen Strafabschlag. Dies beschwere den Beschwerdeführer nicht. Einer Zurückverweisung der Sache an das Landgericht bedürfe es im Hinblick auf die neue Rechtsprechung zur Kompensation von konventionswidrigen Verfahrensverzögerungen, dem Übergang von der Strafzumessungs- zur Vollstreckungslösung, nicht.
Entscheidungsgründe
B.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG.
1. In Anbetracht der mit der überlangen Verfahrensdauer verbundenen sanktionsähnlichen Belastungen für den Beschwerdeführer sei eine Berücksichtigung der rechtsstaatswidrigen Dauer des Strafverfahrens allein bei der Strafzumessung nicht angemessen. Vielmehr sei das Verfahren einzustellen gewesen, da ein unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitendes Verfahrenshindernis bestehe. Durch die der Justiz anzulastende Verfahrensverzögerung sei der Beschwerdeführer zusätzlich fühlbaren Belastungen ausgesetzt und durch den über fünf Jahre aufrechterhaltenen Haftbefehl in persönlichen und beruflichen Freiheiten erheblich beschränkt gewesen. Zudem habe eine Ungewissheit im Hinblick auf das ausstehende berufsrechtliche Verfahren, welches im Blick auf das noch anhängige Strafverfahren ausgesetzt wurde, bestanden.
Diese Folgen staatlich verschuldeter Verzögerungen seien bei der Frage, ob eine Bestrafung in einem solchen Fall noch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu vereinbaren ist, mit der Schwere des Tatvorwurfs abzuwägen. Berücksichtige man dabei die Feststellung des Landgerichts, dass das treibende Motiv des Beschwerdeführers nicht eine planvolle Absicht gewesen sei, andere zu schädigen, überwiege die dem Staat anzulastende Verfahrensverzögerung und die Belastungen des Beschwerdeführers die Schwere des Tatvorwurfs bei Weitem.
2. Durch die Anforderungen, die der Bundesgerichtshof an die Begründung der Verfahrensrüge gestellt habe, sei der Beschwerdeführer zudem in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt. Dadurch, dass der Bundesgerichtshof fordere, der Beschwerdeführer habe eine objektive Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Auslassungen zu treffen, um dem Vorwurf der Verzerrung zu entgehen, würden die ohnehin hohen Anforderungen in verfassungsrechtlich relevanter Weise überschritten.
III.
Die Verfassungsbeschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫; 96, 245 ≪248≫). Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Sie ist unbegründet.
1. Die Gerichte haben die Bedeutung und Tragweite des Rechts auf ein faires Verfahren nicht verkannt.
a) Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes fordert die angemessene Beschleunigung des Strafverfahrens. Eine von den Strafverfolgungsorganen zu verantwortende erhebliche Verzögerung verletzt den Beschuldigten in seinem Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren (vgl. BVerfGK 2, 239 ≪246≫; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats ≪Vorprüfungsausschuss≫ vom 24. November 1983 – 2 BvR 121/83 –, NJW 1984, S. 967). Ob eine mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes nicht in Einklang stehende Verfahrensverzögerung vorliegt, richtet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls. Von Bedeutung sind dabei insbesondere der durch die Verzögerungen der Justizorgane verursachte Zeitraum der Verfahrensverlängerung, die Gesamtdauer des Verfahrens, die Schwere des Tatvorwurfs, der Umfang und die Schwierigkeit des Verfahrensgegenstands sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des schwebenden Verfahrens für den Betroffenen verbundenen besonderen Belastungen. Keine Berücksichtigung finden hingegen Verfahrensverzögerungen, die der Beschuldigte selbst, sei es auch durch zulässiges Prozessverhalten, verursacht hat (vgl. BVerfGK 2, 239 ≪246 f.≫; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats (Vorprüfungsausschuss≫ vom 24. November 1983 – 2 BvR 121/83 –, NJW 1984, S. 967; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. April 1993 – 2 BvR 1487/90 –, NJW 1993, S. 3254).
Liegt eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vor, so zwingt diese die Strafverfolgungsbehörden dazu, sie bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs zu berücksichtigen. Sie haben im Falle eines mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht in Einklang stehenden überlangen Verfahrens zu prüfen, ob und mit welchen Mitteln der Staat gegen den Betroffenen – überhaupt noch – strafrechtlich vorgehen darf. Belastende Folgen staatlich verschuldeter Verzögerung sind von den Strafverfolgungsbehörden von Verfassungs wegen ebenso zu berücksichtigen, wie die Umstände, die den Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot begründet haben (vgl. BVerfGK 2, 239 ≪247≫ m.w.N.). Die unangemessene Verfahrensdauer ist dabei grundsätzlich bei der Strafzumessung gesondert zu berücksichtigen. Genügt dies nicht, können in eng begrenzten Ausnahmefällen, etwa bei besonders tiefgreifenden Verletzungen des Beschleunigungsgrundsatzes, notwendig werdende Kompensationen einen Umfang erreichen, der die Tatschuld vollständig ausgleicht. In diesen Fällen kann dann etwa gemäß §§ 59, 60 StGB von einer Verurteilung abgesehen oder nach §§ 153, 153a, 154, 154a StPO das Verfahren eingestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Juni 2006 – 2 BvR 750/06 u.a. –, juris, Absatz-Nr. 15; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats ≪Vorprüfungsausschuss≫ vom 24. November 1983 – 2 BvR 121/83 –, NJW 1984, S. 967). Reichen die gesetzlich bestehenden Möglichkeiten in Fällen, in denen das Ausmaß der Verzögerung besonders schwer wiegt und zu besonderen Belastungen des Betroffenen geführt hat, nicht aus, kommt in extrem gelagerten Fällen auch die Einstellung wegen eines von Verfassungs wegen anzunehmenden Verfahrenshindernisses in Betracht (vgl. BVerfGK 2, 239 ≪248≫).
b) Dabei ist es grundsätzlich Sache der Instanzgerichte, zu entscheiden, ob eine dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes widerstreitende Verfahrensverzögerung vorliegt und wie dieser Umstand in sachgerechter und angemessener Weise zu berücksichtigen ist. Dem Bundesverfassungsgericht obliegt es lediglich, die Beachtung der grundrechtlichen Normen und Maßstäbe durch die Gerichte sicherzustellen. Daher sind die Entscheidungen nur daraufhin zu überprüfen, ob sie die Ausstrahlungswirkung des aus dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes herzuleitenden Beschleunigungsgebots hinreichend beachtet haben und nicht eine unrichtige Auffassung von der Reichweite und Wirkkraft des Beschleunigungsgebots zugrunde liegt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. März 1992 – 2 BvR 1/91 –, NJW 1992, S. 2472 ≪2473≫).
c) Gemessen an diesen Maßstäben genügen die angegriffenen Entscheidungen den verfassungsrechtlichen Vorgaben.
(1) Zwar gibt das Landgericht die seiner Rechtsfolgenentscheidung zugrunde liegende Gesamtlänge des Verfahrens – ab Bekanntgabe der Einleitung von Ermittlungen (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. April 1993 – 2 BvR 1487/90 –, NJW 1993, S. 3254 ≪3256≫; BGHSt 35, 137 ≪141≫) bis zum rechtskräftigen Abschluss – nicht explizit an. Auch kann nicht sicher erkannt werden, worauf der Bundesgerichtshof zutreffend hinweist, dass die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als eigenständiger Strafmilderungsgrund berücksichtigt wurde (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Februar 2003 – 2 BvR 29/03 –, NJW 2003, S. 2228 ≪2229≫), da die entsprechenden Urteilsausführungen im Kontext mit weiteren Strafmilderungsgründen stehen.
(2) Dennoch hat das Landgericht Reichweite und Wirkkraft des Beschleunigungsgebots nicht verkannt. Die erkannte Strafe ist nicht unverhältnismäßig.
Das Landgericht – ihm folgend auch der Bundesgerichtshof – hat die aus dem Rechtsstaatsgebot folgenden Pflichten zur beschleunigten Verfahrensdurchführung erkannt und eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt. Der Beschwerdeführer greift lediglich die Feststellungen zur Dauer der Verfahrensverzögerung und die hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen auf Rechtsfolgenebene an.
Obgleich das Landgericht die Gesamtdauer des Verfahrens nicht exakt beziffert hat, sind die hieraus folgenden Belastungen für den Beschwerdeführer ausreichend berücksichtigt. So nahm das Landgericht in dem bis zu seiner Entscheidung – gerechnet ab der Mitteilung von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens – seit acht Jahren und zwei Monaten andauernden Verfahren eine Verfahrensverzögerung von zwei Jahren an. Dabei hat es ausdrücklich die ungeklärten berufsrechtlichen Konsequenzen sowie den psychischen Druck unter anderem mit Blick auf den noch existenten, lediglich außer Vollzug gesetzten Haftbefehl (vgl. hierzu BVerfGK 6, 384 ≪391≫) als belastende Wirkung berücksichtigt.
Dem Ausmaß der Verfahrensverzögerung wurde in den angegriffenen Entscheidungen durch deren Berücksichtigung als Strafmilderungsgrund ausreichend Rechnung getragen (vgl. zum eigenständigen Charakter der Verfahrensverzögerung als Strafmilderungsgrund BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. April 1993 – 2 BvR 1487/90 –, NJW 1993, S. 3254 ≪3255≫). Dies gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, dass eine ausdrückliche Bezifferung der allein auf die Verzögerung fallenden Strafmilderung fehlt. Insoweit stellt der Bundesgerichtshof zutreffend fest, dass sich der auf das gesamte gerichtliche Verfahren bezogene unangemessen hohe Abschlag für die konventionswidrige Verfahrensverzögerung nur daraus erklärt, dass bei dem Strafabschlag von 50 % auch allgemeine Strafzumessungserwägungen eingeflossen sind. Diese Feststellung ist nach den Ausführungen im landgerichtlichen Urteil nachvollziehbar und spricht dafür, dass im Falle neuer Hauptverhandlung unter ausdrücklicher Bezifferung der allein auf die Verzögerung fallenden Strafmilderung keine anderen Einzelstrafen und damit auch keine andere Gesamtstrafe ausgesprochen würde (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juli 1994 – 2 BvR 1072/94 –, NJW 1995, S. 1277 ≪1278≫).
Soweit der Beschwerdeführer rügt, dass zu Unrecht keine Verzögerung für die Dauer des Ermittlungsverfahrens angenommen wurde, verkennt er, dass von Verfassungs wegen keine maximale, sondern nur eine angemessene Beschleunigung geboten ist (vgl. BVerfGK 2, 239 ≪250≫). Wie sich aus der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft sowie der Stellungnahme des Generalbundesanwalts ergibt, bestehen sowohl hinsichtlich der Zeiträume, in welchen das Ermittlungsverfahren vermeintlich nicht gefördert worden sein soll, als auch hinsichtlich der Bewertung einzelner Ermittlungsmaßnahmen als verfahrensfördernd, unterschiedliche Bewertungen bei den Beteiligten. Es ist aber grundsätzlich Sache des Tatgerichts, das Ermittlungsverfahren sowie die einzelnen Ermittlungsschritte zu beleuchten und die Voraussetzungen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung zu prüfen. Dies hat das Landgericht getan. Angesichts der Tatsache, dass das Verfahren mehrere Beschuldigte betraf, es um die Aufklärung eines in tatsächlicher Hinsicht schwierigen Sachverhalts ging und allein die Selbstanzeige des Beschwerdeführers keine ausreichende Grundlage zur Anklageerhebung darstellte, ist es verfassungsrechtlich vertretbar (vgl. zum diesbezüglichen Prüfungsmaßstab BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Februar 2003 – 2 BvR 29/03 –, NJW 2003, S. 2228), vorliegend keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung auch für das Ermittlungsverfahren festzustellen.
Im Übrigen ist der Beschwerdeführer keinen extremen Belastungen ausgesetzt gewesen, welche nur durch eine Einstellung auszugleichen wären. Angesichts der Gewichtigkeit des Tatvorwurfs und der Schwere der Schuld des Beschwerdeführers, welcher unter Ausnutzung seiner Fachkenntnisse in einem faktisch von ihm beherrschten Firmengeflecht als treibende Kraft systematisch Anlegergelder zweckentfremdet verwendete, der Dauer der Untreuehandlungen, eines umfangreichen Verfahrensstoffes und dem Ausmaß des Gefährdungsschadens, welcher sich im Bereich mehrerer Millionen DM bewegte, wiegen die justizbedingten Verfahrensverzögerungen nicht so schwer, dass der Abschluss des Verfahrens mit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe für sich gesehen unverhältnismäßig wäre. Die ganz erhebliche Milderung im Rechtsfolgenausspruch als Folge der festgestellten Verfahrensverzögerung genügt vorliegend den verfassungsrechtlichen Anforderungen und wird auch dem Prinzip verhältnismäßigen Strafens gerecht (vgl. hierzu BVerfGE 54, 100 ≪109, 111 f.≫; 74, 102 ≪127≫).
2. Die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge für die Feststellung rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG folgenden Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz.
Die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie gewährleistet nicht nur, dass überhaupt ein Rechtsweg zu den Gerichten offen steht. Ebenso wie Art. 19 Abs. 4 GG, dessen Anwendungsbereich auf die vollziehende öffentliche Gewalt beschränkt ist, garantiert sie vielmehr auch die Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 88, 118 ≪123≫; 94, 166 ≪226≫). Hiernach darf das Gericht ein von der Verfahrensordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leer laufen lassen (vgl. BVerfGE 78, 88 ≪99≫; 96, 27 ≪39≫). Deshalb verbietet die Rechtsschutzgarantie dem Gericht, bei Auslegung und Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen von Voraussetzungen abhängig zu machen, die unerfüllbar oder unzumutbar sind oder den Zugang in einer Weise erschweren, die aus Sachgründen nicht zu rechtfertigen ist (vgl. BVerfGE 112, 185 ≪208≫ m.w.N.).
Gemessen hieran ist der Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz nicht verletzt.
Die angegriffene Entscheidung des Bundesgerichtshofs hält sich in den Grenzen der Rechtsprechung zur Auslegung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Dabei ist es gerechtfertigt, im Falle der Rüge einer überlangen Verfahrensdauer die Erhebung einer Sachrüge grundsätzlich nicht als ausreichend anzusehen und die Erhebung einer Verfahrensrüge zu verlangen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Januar 2008 – 2 BvR 2262/07 –, juris, Absatz-Nr. 11; BGHSt 49, 342 ≪343 ff.≫). Im Rahmen dieser Verfahrensrüge muss der Revisionsführer nach gefestigter Rechtsprechung die den Mangel enthaltenden Tatsachen im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO so vollständig und so genau angeben, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliege, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BVerfGE 112, 185 ≪212≫; BGH, Beschluss vom 30. Mai 2000 – 1 StR 183/00 –, NStZ-RR 2001, S. 174 ≪175≫). Diese Auslegung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 63, 45 ≪70 f.≫; 112, 185 ≪208 f.≫).
Im Rahmen der Erhebung einer Verfahrensrüge bei einer überlangen Verfahrensdauer sind an Umfang und Genauigkeit der Ausführungen hohe Anforderungen zu stellen, da dem Revisionsgericht ein detailliertes und wirklichkeitsgetreues Bild des wirklichen Verfahrensablaufs zu bieten ist. Nur dann ist es in der Lage, allein anhand der Revisionsrechtfertigung zu prüfen, ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt und welche Folgen diese hat. Die Anforderungen dürfen hiernach zwar nicht überspannt werden, so dass es insbesondere bei einem jahrelang währenden Verfahren nicht erforderlich ist, jeden Ermittlungsschritt anzuführen. Jedoch muss ein realistischer Überblick gewährt werden. Der Bundesgerichtshof stellt dabei zutreffend darauf ab, dass es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts ist, das Aktenwerk selbst auf Verzögerungen durchzusehen oder auch nur in Teilabschnitten zu sichten, um die allgemein unter Hinweis auf zeitliche Eckdaten aufgestellte Behauptung einer Verzögerung zu prüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 1 StR 445/03 –, NStZ 2004, S. 504).
Die hiernach gebotene Pflicht zur detaillierten Darstellung gebietet, dass der Beschwerdeführer ein objektives Bild des gesamten Verfahrensablaufes wiedergibt und nicht durch eine verzerrte Darstellung oder Auslassungen nur die aus seiner Sicht nicht verfahrensfördernden Maßnahmen darstellt. Daher ist es nicht zu beanstanden, wenn der Bundesgerichtshof die lediglich teilweise Wiedergabe der Ermittlungsberichte, wonach das Verfahren bisher nicht wesentlich gefördert worden sei, nicht als ausreichend ansieht. Aus dieser fragmentarischen Darstellung des Gangs der Ermittlungen kann das Revisionsgericht ohne Hinzuziehung der Akten nicht ersehen, ob sich diese subjektive Einschätzung des Ermittlungsbeamten mit dem objektiven Verfahrensgang deckt und zugleich eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung begründet. Es bedarf daher zusätzlich der Mitteilung der Tatsachen, auf welche der Ermittlungsbeamte seine Feststellungen gründet, um dem Revisionsgericht eine eigenständige Prüfung der adäquaten Förderung des Verfahrens zu ermöglichen. Auch ist für das Revisionsgericht die Kenntnis des Inhalts des ablehnenden Beschlusses des Landgerichts nach einem Einstellungsantrag des Beschwerdeführers von Bedeutung, da sich hieraus weitere Anhaltspunkte tatsächlicher oder rechtlicher Art ergeben können.
Ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt, kann nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalles geprüft werden, so dass dem Revisionsgericht eine vollständige und insbesondere unverzerrte Darstellung des bisherigen Verfahrensganges zu unterbreiten ist, woran es vorliegend fehlte.
Unabhängig hiervon beruht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in diesem Punkt nicht auf der Behandlung der Revisionsrüge als unzulässig. Durch die weiteren Ausführungen wird deutlich, dass dieser sich mit der Rüge auch in der Sache befasst und im Ergebnis festgestellt hat, dass der Strafabschlag im Hinblick auf die konventionswidrige Verfahrensverzögerung mit 50 % adäquat bemessen sei.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Di Fabio, Landau
Fundstellen
Haufe-Index 2148984 |
NStZ-RR 2010, 139 |