Verfahrensgang
BGH (Beschluss vom 18.02.2004; Aktenzeichen 2 StR 462/03) |
LG Köln (Urteil vom 04.04.2003; Aktenzeichen 114 - 18/01) |
LG Köln (Beschluss vom 28.03.2003; Aktenzeichen 114 - 18/01) |
LG Köln (Beschluss vom 15.01.2003; Aktenzeichen 114 - 18/01) |
LG Köln (Beschluss vom 24.09.2002; Aktenzeichen 114 - 18/01) |
Tenor
Der Beschluss des Landgerichts Köln vom 15. Januar 2003 – 114 – 18/01 – und die Beschlüsse vom 28. März 2003 – 114 – 18/01 –, das Urteil des Landgerichts Köln vom 4. April 2003 – 114 – 18/01 – sowie der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18. Februar 2004 – 2 StR 462/03 – verletzen die Rechte des Beschwerdeführers aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
- Das Urteil des Landgerichts Köln und der Beschluss des Bundesgerichtshofs werden aufgehoben, und die Sache wird an eine Strafkammer des Landgerichts Bonn zurückverwiesen.
- Das Land Nordrhein-Westfalen und die Bundesrepublik Deutschland haben dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde stellt die Frage nach den verfassungsrechtlichen Grenzen der Auslegung und Anwendung des § 26a StPO, der es dem wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richter in den dort genannten Fällen gestattet, selbst an der Entscheidung über ein gegen ihn gerichtetes Ablehnungsgesuch mitzuwirken.
A.
I.
1. Das Landgericht hat den Beschwerdeführer wegen sexuellen Missbrauchs von Kranken in Einrichtungen in vier Fällen (§ 174a Abs. 2 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ihn in einem weiteren Fall freigesprochen. Es hat gegen den Angeklagten ein Berufsverbot für den medizinischen Bereich, soweit es um weibliche Patienten geht, für die Dauer von drei Jahren verhängt und ihn verurteilt, an eine Nebenklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro zuzüglich Zinsen zu zahlen. Das Landgericht hat im Wesentlichen festgestellt:
Der Angeklagte war seit 1985 an einer neurologischen Universitätsklinik tätig, seit 1995 ist er dort als Oberarzt und außerplanmäßiger Professor angestellt. Von Ende 1999 bis April 2000 nahm er an vier Patientinnen im Rahmen von neurologischen Untersuchungen und von Therapien sexuelle Handlungen vor, insbesondere täuschte er Untersuchungshandlungen an den Brüsten und im Genitalbereich vor, die zum Teil mit einer Stimmgabel, zum Teil mit den Fingern durchgeführt wurden; einer Patientin griff er bei einer Therapiesitzung in die Schamhaare. Der Verurteilung liegen Taten an drei Patientinnen zugrunde, die stationär in der neurologischen Universitätsklinik aufgenommen waren; hinsichtlich bei einer ambulanten Untersuchung an einer weiteren Patientin vorgenommener sexueller Handlungen ist der Angeklagte aus Rechtsgründen freigesprochen worden.
2. Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Beschwerdeführers auf den Antrag des Generalbundesanwalts und die Gegenerklärung des Beschwerdeführers als offensichtlich unbegründet verworfen (NStZ 2004, S. 630 f.). Die hiergegen erhobene Gegenvorstellung verbunden mit einem Antrag nach § 33a StPO hat der Bundesgerichtshof zurückgewiesen.
3. Der Beschwerdeführer hatte beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts bis zur Entscheidung über die Hauptsache auszusetzen. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat unter dem 9. Juli 2004 erstmals eine einstweilige Anordnung erlassen (StraFo 2005, S. 109 f.), die am 22. Dezember 2004 sowie am 10. Mai 2005 wiederholt wurde. Die nunmehr zuständige 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die einstweilige Anordnung unter dem 20. Oktober 2005 nochmals wiederholt.
II.
In der mehrere Monate dauernden Hauptverhandlung lehnte der Beschwerdeführer Mitglieder der Strafkammer in vier Fällen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dem lagen jeweils folgendes Geschehen und folgende anschließende Behandlung durch das Landgericht, die Revision und den Bundesgerichtshof zugrunde:
1. Ablehnungsgesuch vom 24. September 2002
Der Beschwerdeführer lehnte am ersten Hauptverhandlungstag vor seiner Einlassung zur Sache die Berufsrichter der erkennenden Strafkammer wegen Besorgnis der Befangenheit ab, weil sie die Anklageschrift unverändert zugelassen hätten, obwohl die Anklagevorwürfe vom Ermittlungsergebnis teilweise nicht gedeckt gewesen seien. Das Landgericht hat das Ablehnungsbegehren durch Beschluss gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO als unzulässig zurückgewiesen, weil die Mitwirkung am Eröffnungsbeschluss keine Befangenheit begründe. Der Beschwerdeführer hat zur Begründung seiner Revision vorgetragen, sein Ablehnungsgesuch sei – wie auch die späteren – vom Landgericht willkürlich als unzulässig zurückgewiesen worden. Die willkürliche Anwendung des § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO verletze ihn in seinem Grundrecht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auf Entscheidung über sein Gesuch durch den gesetzlichen Richter. Das Revisionsgericht dürfe in diesem Fall nicht nach Beschwerdegrundsätzen sachlich selbst entscheiden, sondern müsse das Urteil aufheben.
Der Generalbundesanwalt hat das Revisionsvorbringen – auch bezüglich aller weiteren Rügen des Beschwerdeführers im Hinblick auf § 338 Nr. 3 StPO – nach Beschwerdegrundsätzen geprüft und keine Anhaltspunkte für eine Begründetheit der Rügen erblickt. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, die Rüge entspreche nicht den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und sei daher nicht zulässig erhoben. Der Umstand, dass die Behandlung des Ablehnungsantrags nach § 26a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 StPO im vorliegenden Fall bedenklich erscheine, ändere an der umfassenden Vortragspflicht nichts. Nach ständiger Rechtsprechung müsse der Beschwerdeführer, der eine Verletzung des Verfahrensrechts geltend machen wolle, die den Mangel enthaltenden Tatsachen so vollständig und genau angeben, dass das Revisionsgericht aufgrund der Begründungsschrift prüfen könne, ob ein Verfahrensfehler vorliege, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden. Diesem Erfordernis werde der Sachvortrag nicht gerecht, weil der Beschwerdeführer in seiner Revisionsbegründung nicht den vollständigen Inhalt der Zeugenaussagen mitgeteilt habe, aus denen sich ergeben soll, dass die Anklageschrift vom Ermittlungsergebnis nicht gedeckt sei, sondern nur einzelne zusammenhanglose Zitate; die Berechtigung seiner Rüge insoweit könne aber nicht ohne Kenntnis des gesamten Aussageinhalts beurteilt werden. In seiner Gegenvorstellung hat der Beschwerdeführer neben der Vertiefung seines Vortrags zu § 26a StPO gerügt, der Bundesgerichtshof überspanne die Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO im Hinblick auf Negativtatsachen.
2. Ablehnungsgesuch vom 15. Januar 2003
In der Hauptverhandlung am 15. Januar 2003 lehnte der Beschwerdeführer die erkennenden Berufsrichter und die Schöffen wegen Besorgnis der Befangenheit ab, nachdem der Vorsitzende einen Sachverständigen über den Inhalt der Aussagen der Zeuginnen W… und H… informiert hatte. Der Bericht habe eine verfälschende Wiedergabe der Zeugenaussagen enthalten und den Eindruck einer endgültigen Bewertung der Aussageinhalte durch die abgelehnten Richter erweckt.
Das Landgericht hat das Ablehnungsbegehren durch Beschluss gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO als unzulässig zurückgewiesen, weil das Ablehnungsverfahren nicht dazu bestimmt sei, einen Streit über das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme auszutragen. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, die Revisionsrüge sei schon deshalb unbegründet, weil das Landgericht den Befangenheitsantrag zu Recht nach § 26a StPO abgelehnt habe. Die Umstände, auf die der Beschwerdeführer die Ablehnung zu stützen versuche, seien aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet; eine solche völlig ungeeignete Begründung sei rechtlich wie das Fehlen der Begründung zu behandeln. So verhalte es sich hier. Der Ort, den entscheidungserheblichen Inhalt der Beweisaufnahme festzustellen, sei das Urteil. Deshalb könne das, was ein Zeuge aussage oder wie das Ausgesagte zu verstehen sei, nicht in derselben Hauptverhandlung zum Beweisgegenstand gemacht werden. Auch im Revisionsverfahren seien Rügen ausgeschlossen, die eine Rekonstruktion der Beweisaufnahme voraussetzten. Der Grundsatz des § 261 StPO verbiete ausnahmslos, Aufzeichnungen, die ein Prozessbeteiligter über die Vernehmung eines Zeugen in der Hauptverhandlung abweichend von den tatrichterlichen Feststellungen gemacht habe, zu deren Widerlegung im Revisionsverfahren heranzuziehen. Diese verfahrensrechtliche Situation könne nicht dadurch umgangen werden, dass der Beschwerdeführer in der laufenden Hauptverhandlung auf seine abweichende Wiedergabe und Würdigung von Zeugenaussagen einen Befangenheitsantrag stütze. Die ureigene Aufgabe des erkennenden Richters, Zeugenaussagen inhaltlich festzustellen und zu würdigen, könne nicht mittels eines Befangenheitsantrags auf andere Richter verlagert werden, die hierüber nicht ohne eine Rekonstruktion der Beweisaufnahme entscheiden könnten. In seiner Gegenvorstellung hat der Beschwerdeführer sein Vorbringen nochmals erläutert und vertieft.
3. Ablehnungsgesuche vom 28. März 2003
In der Hauptverhandlung vom 28. März 2003 lehnte der Beschwerdeführer alle Mitglieder der erkennenden Strafkammer ab, weil sie durch Ablehnung eines Beweisantrags auf erneute Begutachtung zweier Zeuginnen zu erkennen gegeben hätten, dass sie den Beschwerdeführer in diesen Fällen bereits verurteilt hätten. Dies sei in der Beurteilung einer Zeugenaussage als glaubhaft zum Ausdruck gekommen.
Das Landgericht wies den Ablehnungsantrag gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO als unzulässig zurück, weil die Begründung des Antrags aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuches völlig ungeeignet sei. Hierauf stützte der Beschwerdeführer einen weiteren Befangenheitsantrag, der von der erkennenden Kammer aus denselben Gründen als unzulässig verworfen wurde. Das Ablehnungsrecht diene nicht dazu, unterschiedliche Auffassungen über rechtliche Fragen im Ablehnungsverfahren zu klären. Die Rüge, die erkennende Strafkammer habe die beiden Befangenheitsanträge nicht als unzulässig verwerfen dürfen, ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs unbegründet. Die Strafkammer habe den Beweisantrag des Angeklagten sachgemäß beschieden. Die Ablehnung des Beweisantrags habe für einen vernünftigen Angeklagten keinen Anlass geboten, die erkennenden Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Mit seinen wiederholten Befangenheitsanträgen sei es dem Beschwerdeführer offenbar nicht tatsächlich um die Befangenheit der Richter, sondern nur darum gegangen, das Verfahren zu verschleppen. Die Strafkammer habe den Antrag daher nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig verwerfen können. Auch die Zurückweisung des zweiten Ablehnungsantrags durch die erkennende Strafkammer sei deshalb im Ergebnis nicht zu beanstanden. Im Übrigen seien die Ablehnungsgesuche auch in der Sache nicht begründet. Das habe der Senat nach Beschwerdegrundsätzen nachzuprüfen. Diese Prüfung ergebe, dass der Beschwerdeführer bei verständiger Würdigung des Sachverhalts keinen Grund gehabt habe, an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit der Richter zu zweifeln. Auch bezüglich dieser Rüge hat der Beschwerdeführer sein Vorbringen in der Gegenvorstellung nochmals erläutert und vertieft.
4. Der Beschwerdeführer hatte hilfsweise beantragt, die Entscheidung über seine Revision bis zur Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts in dem Verfahren 2 BvR 625/01 auszusetzen, in welchem sich der dortige, vom selben Verfahrensbevollmächtigten vertretene Beschwerdeführer gegen die Befugnis des Revisionsgerichts zur Sachentscheidung bei rechtswidriger Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO wandte (abgeschlossen durch Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juni 2005, NJW 2005, S. 3410 ff.). Der Bundesgerichtshof hielt seine bisherige ständige Rechtsprechung zu dieser Frage für verfassungsgemäß; zu einer Aussetzung des Verfahrens habe daher keine Veranlassung bestanden.
III.
1. In seiner Gegenvorstellung zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat der Beschwerdeführer erstmals einen Verstoß gegen die Vorlagepflicht des § 132 Abs. 2, Abs. 3 GVG als Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters gerügt.
2. Zudem hat er mit der Gehörsrüge (§ 33a StPO) geltend gemacht, der Bundesgerichtshof habe eine von ihm nachträglich erhobene Darstellungsrüge übergangen und somit sein rechtliches Gehör verletzt.
IV.
1. Die fristgerecht eingelegte Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die vier Verwerfungsbeschlüsse des Landgerichts nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO, das Urteil des Landgerichts und den Beschluss des Bundesgerichtshofs. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 GG, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 103 Abs. 1 GG.
a) Die Strafkammer habe die Ablehnungsgesuche willkürlich als unzulässig behandelt und so den Beschwerdeführer seinem gesetzlichen Richter, der über die Begründetheit des zulässigen Gesuchs hätte entscheiden müssen, entzogen. Der Bundesgerichtshof sei von Verfassungs wegen gehindert, über das Ablehnungsgesuch nach Beschwerdegrundsätzen zu entscheiden, wenn das Tatgericht die Zulässigkeit eines solchen Gesuchs zu Unrecht verneint habe. Zur Begründung führt der Beschwerdeführer im Einzelnen aus:
aa) Ablehnungsgesuch vom 24. September 2002
(1) Die Richter seien von der ständigen Rechtsprechung ausgegangen, nach der dem Fehlen der Begründung eines Ablehnungsgesuchs im Sinne des § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO der Fall gleichzustellen sei, dass die Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung des Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet sei. Durch die Gleichstellung mit dem vorliegenden Fall dränge sich die Vermutung auf, die abgelehnten Richter hätten durch die “Wahl” der Verwerfung des Gesuchs als unzulässig vermeiden wollen, dass über die ihnen vorgehaltenen Rechtsfehler und die hieraus abgeleitete Besorgnis der Befangenheit andere als sie selbst entscheiden. Der Beschluss “beantworte” das Ablehnungsgesuch nicht. Die Berufsrichter der Strafkammer hätten im Zwischenverfahren ihre Prüfungsaufgabe nicht erfüllt. Nicht die Beteiligung am Eröffnungsbeschluss als solche, sondern der Umfang der Anklage, deren Vorwürfe zum Teil nicht durch das Ermittlungsergebnis gedeckt gewesen seien, habe der Beschwerdeführer beanstandet. Die Kammer habe das von ihr gewünschte Ergebnis erzielt, indem sie das Ablehnungsgesuch auf eine ihrer Entscheidung angepasste Trivialität – nämlich die Untauglichkeit der Mitwirkung am Eröffnungsbeschluss als Ablehnungsgrund – reduziert habe. Auf die Vorwürfe gegenüber den abgelehnten Richtern gehe der Beschluss mit keinem Wort ein. Damit rechtfertige sich die Beurteilung, diese hätten sich dem Gesuch inhaltlich verschlossen. Sie hätten bei der Zuständigkeitsbestimmung willkürlich gehandelt, indem sie sich das Recht angemaßt hätten, über ihre eigene Befangenheit selbst zu entscheiden. Dies begründe auch in subjektiver Hinsicht willkürliches Handeln, denn wo keine sachlichen Gründe vorhanden seien, bestimme nicht die Sache, sondern der bloße Wille – eben Willkür – die Entscheidung.
(2) Soweit der Bundesgerichtshof diese Rüge als unzulässig behandelt habe, überspanne er unter Verkennung der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG die Anforderungen an den Vortrag von Negativtatsachen im Zusammenhang mit § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Dies führe zu dem paradoxen Ergebnis, dass der Beschwerdeführer den gesamten Inhalt des Ermittlungsverfahrens bis zum Erlass des Eröffnungsbeschlusses in seine Revision hätte einstellen müssen, was die Rüge gleichfalls unzulässig hätte werden lassen.
bb) Ablehnungsgesuch vom 15. Januar 2003
Dem Ablehnungsgesuch habe eine vom Beschwerdeführer vermutete Beweisantizipation des Vorsitzenden zugrunde gelegen. Aus Sicht des Beschwerdeführers sei von Bedeutung gewesen, ob eine Nebenklägerin und Zeugin gegenüber der sie betreuenden Neurologin etwas berichtet habe, was sich von ihren Bekundungen in der Hauptverhandlung unterschied. Der Vorsitzende habe in seinem Bericht an den mit der aussagepsychologischen Begutachtung der Zeugin beauftragten Sachverständigen zusammenfassend ausgeführt, “beim jetzigen Stand des Verfahrens” gehe die Kammer nicht davon aus, dass die Zeugin der Neurologin etwas Abweichendes gesagt habe. Dieser verfälschenden Beschränkung des Gutachtenauftrags habe der Beschwerdeführer die Besorgnis entnommen, die Kammer, deren Einstellung der Bericht des Vorsitzenden repräsentiere, sei nicht mehr bereit und in der Lage, die Ergebnisse der Hauptverhandlung unbefangen zur Kenntnis zu nehmen. Sie könne das Ergebnis der Hauptverhandlung nicht mehr ohne das insgeheime Ziel würdigen, den die Vorwürfe bestreitenden Beschwerdeführer zu verurteilen. Die Beschlussbegründung verhalte sich hierzu inhaltlich nicht, sondern ziehe sich auf die formale Entgegnung zurück, das Ablehnungsverfahren sei nicht dazu bestimmt, einen Streit über das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme auszutragen. Tatsächlich hätten gar keine Divergenzen zwischen der Strafkammer und der Verteidigung über das Ergebnis der Beweisaufnahme zum damaligen Zeitpunkt bestanden. Der Beschwerdeführer habe vielmehr beanstandet, dass dem Sachverständigen nicht erlaubt werden sollte, die Alternative einer abweichenden Bekundung der Zeugin gegenüber der Neurologin in seiner Stellungnahme zu berücksichtigen. Die Strafkammer habe beabsichtigt, den Sachverständigen zur Festschreibung einer endgültigen Bewertung der Zeugenaussage zu instrumentalisieren. Angesichts der auch in dem Bericht des Vorsitzenden zu Tage tretenden Divergenzen erscheine die Beschlussbegründung ihrem sachlichen Gehalt nach als reine Scheinbegründung. Sie sei nicht auf das Ablehnungsgesuch des Beschwerdeführers und dessen Vorbringen bezogen. Soweit darauf hingewiesen werde, der Verteidigung sei es unbenommen, dem Sachverständigen anderweitige Vorgaben zu machen, gelte nichts anderes. Die Festlegung der Kammer erstrecke sich nämlich auch auf das Ergebnis einer Begutachtung, die an eine Hypothese der Vereidigung anknüpfe: Was die Kammer nicht hören wolle, wolle sie erst recht nicht hören, wenn Anlass für diese Ausführungen die Verteidigung sei. Bei der Verwerfung des Ablehnungsgesuchs habe sich die Kammer willkürlich verhalten. Die Aussage der Zeugin sollte im Hinblick auf ihre Konstanz über eine Beschränkung des Gutachtenauftrags “passend gemacht” werden, weshalb die Kammer die begründete Besorgnis der Befangenheit auch nicht zur Beurteilung der gesetzlichen Richter gestellt sehen wollte.
cc) Ablehnungsgesuche vom 28. März 2003
(1) Mit der im Rahmen des Beschlusses gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO gegebenen Begründung, die vom Angeklagten gerügte vorläufige Beweisantizipation – hier: die Glaubhaftigkeit der wesentlichen Bekundungen einer Zeugin – sei im Rahmen einer Entscheidung nach § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO ausdrücklich vorgesehen, gehe die Kammer gezielt am Vorbringen des Beschwerdeführers vorbei und reduziere es auf die Trivialität, er gebe sich nicht mit dem Inhalt einer Zwischenentscheidung zufrieden. Nach § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO könne indes nur der Beweis des Gegenteils der Tatsache vorweggenommen werden, die durch das beantragte Sachverständigengutachten bewiesen werden kann. Die Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen gehöre hingegen zur Beweiswürdigung und sei Bestandteil der Urteilsfindung. Die abgelehnten Richter hätten damit ihre eigene abschließende Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen an die Stelle der lediglich notwendigen Feststellung gesetzt, die Anknüpfungstatsachen für die Glaubhaftigkeit seien erwiesen. Weil die Zeugenaussage und die Einlassung des Beschwerdeführers einander widersprochen hätten, habe er sich als bereits von der Kammer verurteilt ansehen müssen. Diese Erwägung werde im Verwerfungsbeschluss als von § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO ausdrücklich vorgesehen beurteilt. Dies könne – abstrakt betrachtet – die Verwerfungsentscheidung tragen, aber nicht ihre Begründung im Rahmen von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO. Die Willkürlichkeit der Entscheidung entspreche der Willkürlichkeit der “Wahl” des Ablehnungsverfahrens nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO.
(2) Auch die Ausführungen in dem Beschluss über das an die Ablehnung des ersten Ablehnungsgesuchs vom 28. März 2003 anknüpfende weitere Ablehnungsgesuch gingen gezielt am Vorbringen des Beschwerdeführers vorbei. Er habe an keiner Stelle die Klärung von Rechtsfragen des Ablehnungsverfahrens verlangt, sondern vielmehr die willkürliche Behandlung eines zuvor gestellten Ablehnungsgesuchs als Grund für seine Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter angegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne die Mitwirkung eines abgelehnten Richters an einer Entscheidung über seine eigene angebliche Befangenheit einen Ablehnungsgrund darstellen. Selbst wenn man der Kammer darin folge, dass das Ablehnungsverfahren nicht der Klärung von Fragen aus dem Bereich des Beweisantragsrechts diene, könne der Beschwerdeführer jedenfalls kein Interesse daran haben, dass diese Verfahrensfrage gerade durch die abgelehnten Richter geklärt werde.
dd) Zusammenfassend führt der Beschwerdeführer aus, das Vorgehen der Kammer, die Verwerfungsentscheidungen jeweils nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO zu treffen, erfasse in keinem der Fälle den Gehalt seiner Ablehnungsbegründungen. Die Willkürlichkeit der Entscheidungen werde durch das gleichartige Vorgehen in vier sachlich unterschiedlich gelagerten Fällen belegt. Eine fehlerhafte Subsumtion lasse sich aber nur dann identifizieren, wenn die Entscheidung eine solche Begründungstiefe aufweise, dass die Erwägungen der Richter nachvollzogen werden können. Daran fehle es. Die Kammer habe an die Stelle der argumentativen Auseinandersetzung den bloßen Willen zur Entscheidung im Verfahren nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO gesetzt und diese Vorschrift zu Unrecht auf die Ablehnungsgesuche angewendet.
ee) Der Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters habe in dem Urteil des Landgerichts fortgewirkt. Es sei nicht auszuschließen, dass bei richtiger Behandlung der Ablehnungsgesuche nach § 27 StPO die sodann zur Entscheidung über die Sache berufene Kammer den Beschwerdeführer freigesprochen hätte.
ff) Auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs verstoße gegen Art. 3 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Entziehung des gesetzlichen Richters könne über die Anwendung der Beschwerdegrundsätze durch eine den Fehler vermeintlich korrigierende Sachentscheidung des Revisionsgerichts nicht geheilt werden. Die Gefahr eines Missbrauchs der Verwerfungsbefugnis nach § 26a StPO sei in der Bestimmung bei der Heilungsmöglichkeit über die Anwendung der Beschwerdegrundsätze regelrecht angelegt. Der Austausch der Begründung (Verschleppungsabsicht i.S.d. § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO) hinsichtlich des Ablehnungsgesuchs vom 28. März 2003 in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs sei willkürlich.
b) Soweit der Beschwerdeführer wegen einer Straftat nach § 174 a StGB verurteilt wurde, rügt er, der 2. Strafsenat sei hinsichtlich der Bestimmung des Merkmals der sexualbezogenen Handlung (§ 184c Nr. 1 StGB a.F. = 184 f. Nr. 1 StGB i.d.F. ab 1. April 2004) von der Rechtsprechung des 1., 3. und 5. Senats des Bundesgerichtshofs abgewichen. Er hätte daher ein Anfrageverfahren nach § 132 GVG durchführen bzw. die Sache dem Großen Senat für Strafsachen vorlegen müssen. Der Beschwerdeführer sei somit unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG seinem gesetzlichen Richter entzogen worden.
c) Schließlich rügt der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, weil der Bundesgerichtshof im Verwerfungsbeschluss auf eine im Rahmen der Replik des Beschwerdeführers auf den Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts erhobene Darstellungsrüge nicht eingegangen sei. Aus der Entscheidung sei nicht ersichtlich, ob sich der Senat mit dem Rügevorbringen auseinandergesetzt habe, zumal sich auch der Generalbundesanwalt nicht damit befasst habe.
V.
Zu der Verfassungsbeschwerde hatten das Bundesministerium der Justiz, der Präsident des Bundesgerichtshofs, der Generalbundesanwalt sowie das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Beschwerdeführer hat auf die vom Präsidenten des Bundesgerichtshofs und vom Generalbundesanwalt abgegebenen Stellungnahmen repliziert.
B.
Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und zu Art. 103 Abs. 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. zuletzt Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juni 2005 – 2 BvR 625/01 –, NJW 2005, S. 3410 ff.; Beschluss vom 5. Juli 2005 – 2 BvR 497/03 –, NVwZ 2005, S. 1304 ff.; jeweils m.w.N. der Senatsrechtsprechung). Die jedenfalls hinsichtlich des Ablehnungsgesuchs vom 15. Januar 2003 und der beiden Ablehnungsgesuche vom 28. März 2003 zulässige Verfassungsbeschwerde ist danach in einem die Entscheidungskompetenz der Kammer begründenden Sinne offensichtlich begründet.
Mit der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs vom 15. Januar 2003 und der Ablehnungsgesuche vom 28. März 2003 als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO hat das Landgericht den Beschwerdeführer im Ablehnungsverfahren willkürlich seinem gesetzlichen Richter entzogen und sein rechtliches Gehör verletzt. Der Bundesgerichtshof hat diese Fehler nicht geheilt, sondern durch die Verwerfung der darauf bezogenen Revision vertieft und dabei Bedeutung und Tragweite des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht hinreichend bedacht.
I.
1. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet dem Einzelnen das Recht auf den gesetzlichen Richter.
a) Ziel der Verfassungsgarantie ist es, der Gefahr einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorzubeugen, die durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter eröffnet sein könnte (vgl. BVerfGE 17, 294 ≪299≫; 48, 246 ≪254≫; 82, 286 ≪296≫; 95, 322 ≪327≫). Damit sollen die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden (vgl. BVerfGE 95, 322 ≪327≫).
Deshalb verpflichtet Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG den Gesetzgeber dazu, eine klare und abstraktgenerelle Zuständigkeitsordnung zu schaffen, die für jeden denkbaren Streitfall im Voraus den Richter bezeichnet, der für die Entscheidung zuständig ist. Jede sachwidrige Einflussnahme auf die rechtsprechende Tätigkeit von innen und von außen soll dadurch verhindert werden. Die Gerichte sind bei der ihnen obliegenden Anwendung der vom Gesetzgeber geschaffenen Zuständigkeitsordnung verpflichtet, dem Gewährleistungsgehalt und der Schutzwirkung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angemessen Rechnung zu tragen.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darüber hinaus auch einen materiellen Gewährleistungsgehalt. Die Verfassungsnorm garantiert, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (vgl. BVerfGE 10, 200 ≪213 f.≫; 21, 139 ≪145 f.≫; 30, 149 ≪153≫; 40, 268 ≪271≫; 82, 286 ≪298≫; 89, 28 ≪36≫). Der Gesetzgeber hat deshalb in materieller Hinsicht Vorsorge dafür zu treffen, dass die Richterbank im Einzelfall nicht mit Richtern besetzt ist, die dem zur Entscheidung anstehenden Streitfall nicht mit der erforderlichen professionellen Distanz eines Unbeteiligten und Neutralen gegenüberstehen. Die materiellen Anforderungen der Verfassungsgarantie verpflichten den Gesetzgeber dazu, Regelungen vorzusehen, die es ermöglichen, einen Richter, der im Einzelfall nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet, von der Ausübung seines Amtes auszuschließen.
b) Eine “Entziehung” des gesetzlichen Richters durch die Rechtsprechung, der die Anwendung der Zuständigkeitsregeln und die Handhabung des Ablehnungsrechts im Einzelfall obliegt, kann nicht in jeder fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen werden; andernfalls müsste jede fehlerhafte Handhabung des einfachen Rechts zugleich als Verfassungsverstoß gelten (vgl. BVerfGE 82, 286 ≪299≫). Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind aber jedenfalls dann überschritten, wenn die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt (vgl. BVerfGE 82, 286 ≪299≫). Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts (vgl. BVerfGE 29, 45 ≪49≫; 82, 159 ≪197≫; 87, 282 ≪286≫) beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt, kann nur angesichts der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.
c) aa) Die strafprozessualen Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung von Richtern (§§ 22, 23 und 24 StPO) dienen dem durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten Ziel, auch im Einzelfall die Neutralität und Distanz der zur Entscheidung berufenen Richter zu sichern. § 24 StPO eröffnet die Möglichkeit, einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wenn der Betroffene einen Grund sieht, der geeignet ist, Misstrauen im Hinblick auf seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen.
Regelungen über das Verfahren zur Behandlung des Ablehnungsgesuchs enthalten die §§ 26a und 27 StPO, die das Ablehnungsverfahren unterschiedlich je danach ausgestalten, ob ein Ablehnungsgesuch unzulässig ist oder ob es eine Sachprüfung erfordert. Ein vereinfachtes Ablehnungsverfahren sieht § 26a StPO im Interesse der Verfahrensbeschleunigung für unzulässige Ablehnungsgesuche vor; über sie entscheidet das Gericht, ohne dass der abgelehnte Richter ausscheidet (vgl. § 26a Abs. 2 Satz 1 StPO). Kommt eine Verwerfung des Ablehnungsgesuchs als unzulässig nicht in Betracht, so ist das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung zur Entscheidung auf der Grundlage einer dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters berufen, die dem Antragsteller zur Gewährung rechtlichen Gehörs zuzuleiten ist (vgl. BVerfGE 24, 56 ≪62≫; BGHSt 21, 85 ≪87≫). Die Zuständigkeitsregelung des § 27 Abs. 1 StPO trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass es “nach der Natur der Sache an der völligen inneren Unbefangenheit und Unparteilichkeit eines Richters fehlen wird, wenn er über die vorgetragenen Gründe für seine angebliche Befangenheit selbst entscheiden müsste” (BGH, Urteil vom 30. Juni 1955 – 4 StR 178/55 –, zitiert nach BGH, NJW 1984, S. 1907 ≪1909≫). Die besondere Bedeutung der richterlichen Zuständigkeit im Ablehnungsverfahren wird durch § 24 Abs. 3 Satz 2 StPO belegt, der dem Antragsteller schon im Vorfeld der Entscheidung über sein Gesuch das Recht verleiht, die Namhaftmachung der zur Mitwirkung an der Entscheidung über sein Ablehnungsgesuch berufenen Gerichtspersonen zu verlangen (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Juni 1991 – 2 BvR 103/91 –, NJW 1991, S. 2758).
bb) Mit der differenzierenden Zuständigkeitsregelung in Fällen der Richterablehnung hat der Gesetzgeber einerseits dem Gewährleistungsgehalt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angemessen Rechnung getragen: Ein Richter, dessen Unparteilichkeit mit jedenfalls nicht von vornherein untauglicher Begründung in Zweifel gezogen worden ist, kann und soll nicht an der Entscheidung über das gegen ihn selbst gerichtete Ablehnungsgesuch mitwirken, das sein eigenes richterliches Verhalten und die – ohnehin nicht einfach zu beantwortende – Frage zum Gegenstand hat, ob das beanstandete Verhalten für einen verständigen Beschuldigten Anlass sein kann, an seiner persönlichen Unvoreingenommenheit zu zweifeln. Andererseits hat der Gesetzgeber aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Ablehnungsverfahrens von einer Zuständigkeitsregelung dergestalt abgesehen, dass der abgelehnte Richter auch in den klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs an der Mitwirkung an der Entscheidung über das Gesuch gehindert ist (vgl. BTDrucks IV/178, S. 35). Die Mitwirkung des abgelehnten Richters bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs oder über die Frage seiner missbräuchlichen Anbringung, wie § 26a StPO sie erlaubt, verhindert ein aufwändiges und zeitraubendes Ablehnungsverfahren unter Hinzuziehung von Vertretern in Fällen gänzlich untauglicher oder rechtsmissbräuchlicher Ablehnungsgesuche; bei strenger Prüfung ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen gerät sie mit der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in Konflikt, weil die Prüfung keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters voraussetzt und deshalb keine echte Entscheidung in eigener Sache ist (vgl. BTDrucks IV/178, S. 35). Der ursprünglich im Bundesratsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege enthaltene Vorschlag, den Zurückweisungsgründen des § 26a Abs. 1 StPO den der “offensichtlichen Unbegründetheit” hinzuzufügen (BTDrucks 13/4541, S. 4, Begründung S. 11 und 15 f.), ist nicht Gesetz geworden (vgl. nur Stellungnahme der Bundesregierung, Anlage 2 zu BTDrucks 13/4541, S. 32 f.; vgl. BTDrucks 14/1714, S. 3).
cc) § 26a StPO ist eine der Vereinfachung des Ablehnungsverfahrens dienende Vorschrift; weil sie nur echte Formalentscheidungen ermöglichen oder einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts verhindern will, ist sie eng auszulegen (vgl. Wendisch, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 1999, § 26a Rn. 13). In Fällen, in denen die Frage der Unzulässigkeit nicht klar und eindeutig zu beantworten ist, wird es nahe liegen, das Regelverfahren nach § 27 StPO zu wählen, um jeden Anschein einer Entscheidung in eigener Sache zu vermeiden (vgl. Lemke, in: Heidelberger Kommentar zur StPO, 3. Aufl. 2001, § 26a Rn. 4; Wendisch, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 1999, § 26a Rn. 5). Auf Fälle “offensichtlicher Unbegründetheit” des Ablehnungsgesuchs darf das vereinfachte Ablehnungsverfahren – vollinhaltlich einer anderweitigen gerichtlichen Regelung – wegen des sonst vorliegenden Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht ausgedehnt werden (vgl. Bockemühl, in: KMR, StPO, Stand: Dezember 2004, § 26a Rn. 8).
2. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs vor Gericht dient nicht nur der Abklärung der tatsächlichen Grundlage der Entscheidung, sondern auch der Achtung der Würde des Menschen, der in einer so schwerwiegenden Lage, wie ein Prozess sie für gewöhnlich darstellt, die Möglichkeit haben muss, sich mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (vgl. BVerfGE 7, 275 ≪279≫; 9, 89 ≪95≫; 55, 1 ≪6≫). Das rechtliche Gehör ist nicht nur das prozessuale Urrecht des Menschen, sondern ein objektivrechtliches Verfahrensprinzip, das für ein gerichtliches Verfahren im Sinne des Grundgesetzes konstitutiv und grundsätzlich unabdingbar ist (vgl. BVerfGE 6, 12 ≪14≫; 9, 89 ≪96≫). Es verwehrt, dass mit dem Menschen “kurzer Prozess” gemacht werde (BVerfGE 55, 1 ≪6≫).
II.
Gemessen an diesen für die Auslegung und Anwendung des § 26a StPO geltenden Maßstäben verletzen die beiden dem Urteil voraus gehenden Beschlüsse des Landgerichts vom 15. Januar 2003 und 28. März 2003 das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Die Behandlung der Ablehnungsanträge geschah in allen drei zugrunde liegenden Fällen zudem unter Verletzung des verfassungsrechtlich verbürgten Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG); ihre Zurückweisung als unzulässig unter Einbeziehung der abgelehnten Richter beruhte in sämtlichen Fällen auf grob fehlerhaften Erwägungen und deutet insgesamt darauf hin, dass das Landgericht den Gewährleistungsgehalt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verkannt hat.
1. Der rechtliche Ausgangspunkt der Strafkammer, ein Ablehnungsgesuch, dessen Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung des Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet sei, stehe einem Ablehnungsgesuch ohne Angabe eines Ablehnungsgrundes gleich, entspricht der herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. Beschluss des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 10. Mai 2001 – 1 StR 410/00 –, NStZ-RR 2002, S. 66; Beschluss des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 14. Juni 2005 – 3 StR 446/04 –, NJW 2005, S. 3434 ≪3435≫ mit Anm. Meyer-Goßner, NStZ 2006, S. 53 f. sowie Rudolphi, in: Systematischer Kommentar zur StPO, Stand: Juni 2004, § 26a Rn. 6, m.w.N.). Er ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Ablehnungsantrag, der zwar – rein formal betrachtet – eine Begründung für die angebliche Befangenheit enthält, der aber – ohne nähere Prüfung und losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls – zur Begründung der Besorgnis einer Befangenheit völlig ungeeignet ist, kann rechtlich dem völligen Fehlen einer Begründung gleichgeachtet werden.
Völlige Ungeeignetheit in diesem Sinne wird dann anzunehmen sein, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens selbst entbehrlich ist. Hierfür werden regelmäßig nur solche Gesuche in Betracht kommen, die Handlungen des Richters beanstanden, welche nach der Prozessordnung vorgeschrieben sind oder sich ohne Weiteres aus der Stellung des Richters ergeben. Unzulässig ist ein Ablehnungsgesuch daher, wenn der Ablehnende die bloße Tatsache beanstandet, ein Richter habe an einer Vor- oder Zwischenentscheidung mitgewirkt. Unzulässig ist das Gesuch auch, wenn sich der Richter an den von der Strafprozessordnung vorgeschriebenen Verfahrensgang hält, der Ablehnende aber eine Änderung begehrt. Grundsätzlich wird also eine Verwerfung als unzulässig nur dann in Betracht kommen, wenn das Ablehnungsgesuch für sich allein – ohne jede weitere Aktenkenntnis – offenkundig eine Ablehnung nicht zu begründen vermag.
Ist hingegen ein – wenn auch nur geringfügiges – Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erforderlich, scheidet die Ablehnung als unzulässig aus. Eine gleichwohl erfolgende Ablehnung nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO ist dann – weil vom Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt – willkürlich (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O.). Über eine bloß formale Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte Richter nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe im Rahmen von Entscheidungen nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO zum Richter in eigener Sache machen (Bundesgerichtshof, Beschluss des 5. Strafsenats vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05 –, NJW 2005, S. 3436 ≪3437≫). Bei der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs ist das Gericht in besonderem Maße verpflichtet, das Ablehnungsgesuch seinem Inhalt nach vollständig zu erfassen und gegebenenfalls wohlwollend auszulegen, da es andernfalls leicht dem Vorwurf ausgesetzt sein kann, tatsächlich im Gewande der Zulässigkeitsprüfung in eine Begründetheitsprüfung einzutreten. Überschreitet das Gericht bei dieser Prüfung die ihm gezogenen Grenzen, so kann dies seinerseits die Besorgnis der Befangenheit begründen (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juni 2005 – 2 BvR 625/01 –, NJW 2005, S. 3410 ≪3412≫).
2. Bei der Anwendung dieses verfassungsrechtlich unbedenklichen Prüfungsmaßstabs hat die Strafkammer die ihr von Verfassungs wegen gezogenen Grenzen im vorliegenden Fall jedenfalls hinsichtlich der Ablehnungsgesuche vom 15. Januar 2003 und 28. März 2003 überschritten:
a) Im Hinblick auf das Ablehnungsgesuch vom 15. Januar 2003 hat das Landgericht ausgeführt, das Ablehnungsverfahren sei nicht dazu bestimmt, einen Streit über das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme auszutragen. Damit hat die Kammer die Begründung des Beschwerdeführers für die Besorgnis der Befangenheit, nämlich die Festlegung des Gerichts auf eine Sachverhaltsalternative und die sich daraus ergebende Beschränkung eines Gutachtenauftrags, nicht ausgeschöpft. Die Feststellung, das Ablehnungsverfahren diene nicht der Bewertung der Beweisaufnahme, ist zwar für sich genommen zutreffend. Sie nimmt indes das Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Ablehnungsgesuch nicht vollständig zur Kenntnis, sondern verkürzt es auf einen vermeintlichen Vortrag, der – läge er vor – die Voraussetzungen des § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO erfüllen könnte. Dass der Vorsitzende sich – insoweit für die gesamte Kammer – in dem Bericht an den Sachverständigen durch den Ausschluss einer möglichen Alternative in einer Zeugenaussage bereits auf einen Sachverhalt festgelegt und damit bei dem Beschwerdeführer die Besorgnis der Befangenheit ausgelöst haben könnte, war hingegen ersichtlich nicht von vornherein eine völlig ungeeignete Begründung für ein Ablehnungsgesuch. Denn sie erforderte eine sachliche Auseinandersetzung mit der dem Gesuch zugrunde liegenden Prozesshandlung. Lag damit eine Begründung für ein Ablehnungsgesuch vor, die das Gericht zu einem näheren Eingehen auf den Verfahrensgegenstand hätte veranlassen müssen, so war die Kammer gehindert, sich über die Anwendung des § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO zum Richter in eigener Sache zu machen. Über das Ablehnungsgesuch hätte daher die Vertreterkammer entscheiden müssen (§ 27 StPO). Indem die Kammer offensichtlich eine Entscheidung getroffen hat, die ihr von Verfassungs wegen verwehrt war, hat sie den Beschwerdeführer seinem gesetzlichen Richter entzogen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
Das Landgericht hat, indem es sich dem Vorbringen des Beschwerdeführers inhaltlich verschlossen hat, auch den Anspruch des Beschwerdeführers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG).
b) Auch die Behandlung der beiden Ablehnungsgesuche vom 28. März 2003 verletzt Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
Die von der Kammer gegebene Begründung für die Verwerfung des ersten Ablehnungsgesuchs, die gerügte Beweisantizipation sei in § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO vorgesehen, nimmt das Vorbringen des Beschwerdeführers ebenfalls nur verkürzt zur Kenntnis. Dieser hatte sich nicht gegen die Beweisantizipation als solche gewandt, sondern gegen die Bewertung der Glaubhaftigkeit einer Aussage, die sich für die Kammer aus einer Tatsache ergab, deren Gegenteil sie durch ein früheres Gutachten bereits als bewiesen ansah. Erst aus dieser Wertung, nicht schon aus der Anwendung des § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO, ergab sich für den Beschwerdeführer die Besorgnis der Befangenheit. Da nur Tatsachen, nicht aber Wertungen dem Beweis zugänglich sind, konnte sich die Kammer vor Abschluss der Beweisaufnahme nicht auf die Glaubhaftigkeit einer Aussage festlegen, ohne aus Sicht des Beschwerdeführers die Besorgnis der Befangenheit zu erregen. Dieses Vorbringen ist jedenfalls nicht von vornherein eine untaugliche Begründung für ein Ablehnungsgesuch. Auch hier hätte sich die Kammer zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers veranlasst sehen müssen, die nicht zu einer reinen Formalentscheidung nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO hätte führen dürfen.
Das zweite Ablehnungsgesuch hat die Kammer mit der Begründung verworfen, das Ablehnungsverfahren diene nicht der Klärung von Rechtsfragen dieses Verfahrens. Dies hatte der Beschwerdeführer indes auch nicht verlangt, sondern die willkürliche Behandlung eines zuvor gestellten Ablehnungsgesuchs als Grund für die Besorgnis der Befangenheit angegeben (vgl. auch Bundesgerichtshof, Urteil vom 3. Dezember 1991 – 1 StR 120/90 –, NJW 1992, S. 763 f.). Damit hatte der Beschwerdeführer wiederum einen hinreichenden Grund angegeben, der jedenfalls nicht von vornherein untauglich war, das Ablehnungsgesuch zu tragen, und die Kammer zu einer sachlichen Prüfung hätte veranlassen müssen. Die Behandlung dieses Antrags als unzulässig kann daher insbesondere vor dem Hintergrund der Behandlung der vorangegangenen Ablehnungsgesuche als unzulässig, auf die der Beschwerdeführer mit dem zweiten Antrag vom 28. März 2003 ausdrücklich hingewiesen hatte, nicht mehr als lediglich rechtsfehlerhafte, sondern nur noch als willkürliche, die Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennende Rechtsanwendung angesehen werden.
In beiden Fällen hat die Kammer nicht als gesetzlicher Richter über die Ablehnungsgesuche entschieden. Diese Entscheidung hätte nur die Vertreterkammer im Sinne des § 27 StPO treffen können.
Auch hier hat das Landgericht, indem es sich dem vollständigen Vorbringen des Beschwerdeführers inhaltlich verschlossen hat, den Anspruch des Beschwerdeführers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG).
3. Es ist zumindest nicht auszuschließen, dass der Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters und des rechtlichen Gehörs bei der Anwendung des § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO in dem Urteil des Landgerichts fortgewirkt hat.
III.
Der Bundesgerichtshof hat bei seiner Entscheidung über die auf den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO gestützten und zulässig erhobenen Verfahrensrügen der Ausstrahlungswirkung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht hinreichend Rechnung getragen (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juni 2005 – 2 BvR 625/01 –, NJW 2005, S. 3410 ≪3414≫). Ihm hätte es als dem zuständigen Fachgericht oblegen, die im Ablehnungsverfahren vor dem Landgericht eingetretenen Verfassungsverstöße durch Aufhebung des landgerichtlichen Urteils zu beheben.
1. Der Bundesgerichtshof hat zwar gemäß §§ 338 Nr. 3, 28 Abs. 2 Satz 2 StPO nach Beschwerdegrundsätzen geprüft, ob die unter Verletzung verfassungsrechtlicher Mindestgarantien behandelten Befangenheitsgesuche der Sache nach das vom Beschwerdeführer gehegte Misstrauen in die Unparteilichkeit der Mitglieder der Strafkammer rechtfertigten (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. Mai 1970 – 1 StR 132/70 –, BGHSt 23, 265 ff.), und dies verneint. Allerdings hat er dabei außer acht gelassen, dass das Revisionsgericht in Fällen der Überdehnung des Anwendungsbereichs von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO nicht über die hypothetische Begründetheit des Ablehnungsgesuchs, sondern vielmehr gerade darüber zu entscheiden hat, ob die Grenzen der Vorschrift des § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO, die den gesetzlichen Richter gewährleisten und nur reine Formalentscheidungen ermöglichen soll, eingehalten wurden. Andernfalls würde § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO leer laufen und entgegen dem erklärten Willen des Gesetzgebers auch auf die gesetzlich nicht vorgesehene Entscheidung über “offensichtlich unbegründete” Ablehnungsgesuche ausgedehnt. Jedenfalls bei einer willkürlichen Überschreitung des von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO gesteckten Rahmens hat das Revisionsgericht die angegriffenen Entscheidungen aufzuheben und die Sache an das Tatgericht zurückzuverweisen. Dies ist hier nicht geschehen. Das Urteil kann in diesen Fällen keinen Bestand haben, denn auch hier ist das Ablehnungsgesuch – ohne dass es auf die sachliche Berechtigung des Ablehnungsantrags ankäme – “mit Unrecht” verworfen, so dass der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO gegeben ist (Meyer-Goßner, a.a.O., S. 54). Wie jene – in der Entscheidung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 10. August 2005 und in der Stellungnahme des Generalbundesanwalts angesprochenen – Fälle zu bewerten sind, in denen sich ein Verfassungsverstoß nicht feststellen lässt, sondern das Urteil “nur” auf einer fehlerhaften Anwendung des Strafprozessrechts beruht, haben – als Frage des einfachen Rechts – in erster Linie die Fachgerichte zu entscheiden (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss des 3. Strafsenats vom 14. Juni 2005 – 3 StR 446/04 –, NJW 2005, S. 3434 ff.; Beschluss des 5. Strafsenats vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05 –, NJW 2005, S. 3436 ff.).
2. Im Hinblick auf das Ablehnungsgesuch vom 15. Januar 2003 ist der Bundesgerichtshof der Begründung des Landgerichts gefolgt und hat dessen verkürzte Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens im Rahmen des § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO gebilligt. Der Bundesgerichtshof hat den Rechtsfehler des Landgerichts perpetuiert, indem er nur die Reichweite des Rekonstruktionsverbots erörtert hat. Zu der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Frage, ob die Beschränkung auf eine Sachverhaltsalternative, auf die ein Sachverständiger seine weitere Begutachtung stützen soll, die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen kann, verhält sich auch der Beschluss des Bundesgerichtshofs nicht.
Hinsichtlich der beiden Ablehnungsgesuche vom 28. März 2003 ist es mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn das Revisionsgericht auch in den Fällen, in denen ein Ablehnungsgesuch willkürlich und unter Verletzung des grundrechtsgleichen Anspruchs des Angeklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Ablehnungsverfahren als unzulässig verworfen worden ist, lediglich prüft, ob das Ablehnungsgesuch in der Sache erfolgreich gewesen wäre.
Der Austausch des Grundes bei der Prüfung im Rahmen des § 26a Abs. 1 StPO erweist sich mit der gegebenen Begründung auch unter Zugrundelegung des eigenen Maßstabs des Bundesgerichtshof als eine Rechtsanwendung, die die verfassungsrechtlichen Grenzen der Anwendung dieser Norm verkennt (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss des 5. Strafsenats vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05 –, NJW 2005, S. 3436 ≪3437≫). Die Wertung, die Kammer hätte die Ablehnungsgesuche vom 28. März 2003 wegen Verschleppungsabsicht nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO verwerfen können, entbehrt bei einer an Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG orientierten Betrachtung der Ablehnungsgesuche des Beschwerdeführers einer hinreichenden Grundlage. Angesichts der Anbringung lediglich einiger weniger, nicht jedes sachlichen Grundes entbehrender Ablehnungsgesuche hätte die Begründung einer Verschleppungsabsicht zumindest näherer Ausführung bedurft. Im Übrigen dürfte bei der Anwendung des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO darauf Bedacht zu nehmen sein, dass die zu Nr. 2 der Vorschrift erkannten verfassungsrechtlichen Probleme nicht in die Prüfung der Verschleppungsabsicht oder der Verfolgung verfahrensfremder Zwecke verlagert werden.
3. Alle drei Ablehnungsgesuche wurden also “mit Unrecht” nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO als unzulässig verworfen, weil das Vorbringen des Beschwerdeführers keine Formalentscheidung ermöglichte, sondern eine vom Richter in eigener Sache nicht zu leistende sachliche Auseinandersetzung erforderte. Angesichts der willkürlichen Anwendung des § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO durch das Landgericht war dem Bundesgerichtshof der Weg der hypothetischen Sachprüfung verwehrt (Meyer-Goßner, a.a.O., S. 54). Dabei erweist sich auch als problematisch, dass in solchen Fällen keine dienstlichen Erklärungen der abgelehnten Richter gemäß § 26 Abs. 3 StPO vorliegen. Die sachliche Prüfung wird daher häufig einer hinreichenden Grundlage entbehren, wie nicht zuletzt die Behandlung des zweiten Ablehnungsgesuchs vom 28. März 2003 durch den Bundesgerichtshof zeigt.
IV.
Nach alledem sind das Urteil des Landgerichts Köln und der Beschluss des Bundesgerichtshofs aufzuheben.
C.
Weil bereits die Rüge der Verletzung der Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 103 Abs. 1 GG durch die Ablehnung der Ablehnungsgesuche vom 15. Januar 2003 und 28. März 2003 der Verfassungsbeschwerde in vollem Umfang zum Erfolg verhilft, kann offen bleiben, ob auch die weiteren Rügen zulässig und begründet wären. Mit ihnen hat der Beschwerdeführer kein weitergehendes Anfechtungsziel verfolgt.
D.
Im Hinblick auf die neu zu treffende Entscheidung durch das Landgericht hat die Kammer von der Möglichkeit des § 95 Abs. 2 BVerfGG in Verbindung mit § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO Gebrauch gemacht. Im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalles und des Verfahrensablaufs wird die Sache an das örtlich ebenfalls zuständige Landgericht Bonn – Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beschwerdeführers (§ 8 Abs. 1 StPO) – zurückverwiesen.
E.
Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Di Fabio, Landau
Fundstellen
Haufe-Index 1492415 |
NJW 2006, 3129 |
JR 2006, 386 |
NJW-Spezial 2006, 521 |
StV 2006, 673 |
StraFo 2006, 232 |
www.judicialis.de 2006 |