Entscheidungsstichwort (Thema)
Kürzung des Vorwegabzugs für Zukunftssicherungsleistungen, wenn Ehefrau Beamtin ist; beschränkter Sonderausgabenabzug von Versicherungsbeiträgen (Streitjahre 1990 und 1997)
Leitsatz (redaktionell)
1. Bezieht nur die Ehefrau als Beamtin Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, ist die vollständige Kürzung des den Ehegatten nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG zustehenden Vorwegabzugs (sog. übergreifende Kürzung) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
2. Ehegatten haben gegenüber Ledigen eine gesetzliche Benachteiligung hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Gleichbehandlung ausgeht und die Ehegatten teilweise begünstigt, teilweise benachteiligt werden, die gesetzliche Regelung im Ganzen sich aber vorteilhaft oder zumindest „eheneutral” auswirkt. Auch die Kürzungsregelung nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG i. d. F. des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom 21.12.1993 war eheneutral.
3. Einer Verfassungsbeschwerde, die eine ungenügende Berücksichtigung von Beiträgen zum Anwaltsversorgungswerk, zu Unfall-, Lebens- und Haftpflichtversicherungen für die Veranlagungszeiträume 1990 und 1997 geltend macht, fehlt vor dem Hintergrund des Urteils des BVerfG zur Rentenbesteuerung (BVerfGE 105, 73) und der Neuregelung der Besteuerung der Altersbezüge durch das Alterseinkünftegesetz die hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. Beschluss des BVerfG vom 13. 2.2008, 2 BvR 1220/04 und 2 BvR 410/05).
4. Die verfassungsrechtlichen Fragen zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Beiträgen zu Kranken- und Pflegeversicherungen, sind durch den Beschluss des Zweiten Senats des BVerfG vom 13.2.2008, 2 BvL 1/06 – geklärt. Danach hat der Gesetzgeber für eine Neuregelung mit Wirkung zum 1. 1.2010 zu sorgen. Vor diesem Hintergrund können keine für die Streitjahre günstigeren Regelung erreicht werden.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 3 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
1. a) Die Beschwerdeführer sind zusammenveranlagte Ehegatten. Sie haben zwei nach § 32 EStG berücksichtigungsfähige Kinder. In den Streitjahren 1990 und 1997 erzielte der Beschwerdeführer als Rechtsanwalt Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 18 EStG, die Beschwerdeführerin als Beamtin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG. Bei der Einkommensteuer machten die Ehegatten Vorsorgeaufwendungen geltend, und zwar unter anderem Beiträge des Ehemanns zum Anwaltsversorgungswerk, Beiträge zu privaten Kranken- und Pflegeversicherungen sowie Unfall-, Lebens- und Haftpflichtversicherungsbeiträge. Das Finanzamt begrenzte den Abzug der Vorsorgeaufwendungen der Höhe nach unter Anwendung von § 10 Abs. 3 EStG. Dabei wurde der den Ehegatten gemeinsam zustehende Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG in beiden Streitjahren wegen der hohen Einkünfte der Ehefrau aus nichtselbständiger Arbeit übergreifend gekürzt. Die hiergegen gerichtete Klage wurde vom Finanzgericht Köln durch Urteil vom 16. Dezember 1999 – 2 K 8306/98 – abgewiesen. Die Revision vor dem Bundesfinanzhof war erfolglos (BFH, Urteil vom 11. Dezember 2002 – XI R 17/00 –, BStBl II 2003, S. 650 = BFHE 201, 437).
b) Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer mehrere Grundrechtsverstöße. Zum einen sei der Beschwerdeführer als selbständiger Rechtsanwalt wegen der betragsmäßigen Relation von maximal steuerfreien Arbeitgeberleistungen nach § 3 Nr. 62 EStG und Höhe des Vorwegabzugs nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Außerdem verstoße die übergreifende Kürzung des Vorwegabzugs gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 GG.
c) Zu der Verfassungsbeschwerde hat das Bundesministerium der Finanzen Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
2. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
a) Soweit es insbesondere um Beiträge zum Anwaltsversorgungswerk sowie zu Unfall-, Lebens- und Haftpflichtversicherungen geht, fehlt der Verfassungsbeschwerde vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Rentenbesteuerung (BVerfGE 105, 73) und der Neuregelung der Besteuerung der Altersbezüge durch das Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz – AltEinkG) vom 5. Juli 2004 (BGBl I S. 1427) die hinreichende Aussicht auf Erfolg. Insoweit wird auf den Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2008 – 2 BvR 1220/04 und 2 BvR 410/05 – verwiesen.
b) Soweit es um die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung von Beiträgen zu Kranken- und Pflegeversicherungen geht, sind die verfassungsrechtlichen Fragen durch den Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2008 – 2 BvL 1/06 – geklärt. Nach diesem Beschluss, auf dessen Begründung verwiesen wird, liegt die hier im Verfassungsbeschwerdeverfahren allein geltend gemachte Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG wegen einer Ungleichbehandlung im Vergleich mit den nichtselbständig tätigen Steuerpflichtigen nicht vor.
c) Auch soweit die Beschwerdeführer sich gegen die übergreifende Kürzung des Vorwegabzugs wenden, fehlt ihrer Verfassungsbeschwerde die hinreichende Erfolgsaussicht.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben Ehegatten gegenüber Ledigen eine gesetzliche Benachteiligung hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Gleichbehandlung ausgeht und die Ehegatten teilweise begünstigt, teilweise benachteiligt werden, die gesetzliche Regelung im Ganzen sich aber vorteilhaft oder zumindest “eheneutral” auswirkt und wenn die gesetzlichen Vorteile denen zugute kommen, die zu den von der Benachteiligung Betroffenen gehören. Auf dieser Grundlage hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts für frühere Veranlagungszeiträume entschieden, dass die übergreifende Kürzung des Vorwegabzugs nicht gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 GG verstößt (Beschluss vom 16. Januar 1991 – 2 BvR 1400/90 –, HFR 1991, S. 672; vgl. auch BVerfGE 32, 260 ≪269≫; 75, 361 ≪366 f.≫).
bb) Auch die Kürzungsregelung nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG in der Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom 21. Dezember 1993 (BGBl I S. 2310) war eheneutral im genannten Sinne. Die hierzu vom Bundesfinanzhof in der angegriffenen Entscheidung gemachten Ausführungen begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch BFH/NV 1998, S. 1466; BFH/NV 2001, S. 773; BFH/NV 2003, S. 1573).
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen
Haufe-Index 1959807 |
BFH/NV Beilage 2008, 245 |
HFR 2008, 752 |
NJW 2008, 2327 |
FamRZ 2008, 963 |
BFH/NV-Beilage 2008, 245 |