Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Widerruf telekommunikationsrechtlicher Lizenz- und Frequenzzuteilungen.
1. Der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin wurde im Jahr 2000 eine Lizenz zum Betrieb von Mobilfunk für einen Nutzungszeitraum bis zum 31. Dezember 2020 zugeteilt, nachdem sie bei der vorangegangenen Versteigerung für Gebote von insgesamt rund 8,5 Mrd. EUR den Zuschlag in Bezug auf zwei Frequenzblöcke erhalten hatte.
Die Lizenz enthielt in Teil B unter anderem folgende Bestimmungen:
„4.1 Die Lizenznehmerin ist verpflichtet, für das Angebot von UMTS/IMT-2000-Mobilfunkdienstleistungen einen Versorgungsgrad der Bevölkerung von mindestens 25 % bis zum 31.12.2003 und von mindestens 50 % bis zum 31.12.2005 herzustellen.”
Mit Bescheid vom Juni 2002 wurden der Beschwerdeführerin schließlich die betreffenden Frequenzen zugeteilt. In der zweiten Jahreshälfte 2002 beendete die Beschwerdeführerin ihre Kooperation mit einem anderen Mobilfunkunternehmen über den Aufbau einer gemeinsamen UMTS-Infrastruktur, gab ihre Tätigkeit als Diensteanbieterin auf und entließ den größten Teil ihrer Belegschaft.
Nachdem die Beschwerdeführerin bis zum 31. Dezember 2003 und auch danach keine Versorgungsaktivität entwickelt hatte, widerrief die Regulierungsbehörde im Dezember 2004 die der Beschwerdeführerin erteilten Lizenzrechte und den Frequenzzuteilungsbescheid. Widerspruch, Klage und Berufung der Beschwerdeführerin hiergegen blieben erfolglos.
2. Mit dem angegriffenen Urteil wies das Bundesverwaltungsgericht die Revision der Beschwerdeführerin zurück.
Der Widerruf der Lizenzrechte und des Frequenzzuteilungsbescheids finde seine Grundlage in § 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 in der bis zum 9. Mai 2012 geltenden Fassung (TKG a.F.), wonach die Frequenzzuteilung widerrufen werden könne, wenn einer daraus resultierenden Verpflichtung trotz wiederholter Aufforderung nicht nachgekommen werde.
Zwar enthalte Art. 10 der Richtlinie 2002/20/EG vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste (Genehmigungsrichtlinie ≪GRL≫, ABl. EG Nr. L 108, S. 21) weitergehende Anforderungen, welche die nationale Regulierungsbehörde zu beachten habe, wenn sie feststelle, dass ein Unternehmen Bedingungen nicht erfülle, die an Frequenznutzungsrechte geknüpft seien. Diesen zusätzlichen formalen Anforderungen sei nicht entsprochen worden. Sie einzuhalten habe sich aber ausnahmsweise als entbehrlich erwiesen. Das Oberverwaltungsgericht habe festgestellt, dass die Nichterfüllung der Versorgungsverpflichtung bereits endgültig festgestanden habe, weil die Beschwerdeführerin weder zum Stichtag noch danach irgendeine Versorgungsaktivität entfaltet habe. Dass Art. 10 Abs. 2, 3 GRL unter derartigen Umständen keine Geltung beanspruche, sei offensichtlich und bedürfe nicht einer Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof.
Grundrechtlich geschützte Rechtspositionen der Beschwerdeführerin stünden dem Widerruf nicht entgegen. Die auf der UMTS-Lizenz beruhenden Frequenznutzungsrechte der Beschwerdeführerin bildeten zwar Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG. Diese Eigentumsposition sei jedoch in Bezug auf die Lizenz- und Frequenznutzungsrechte durch die wirksame und in Bestandskraft erwachsene Versorgungsverpflichtung belastet. Mit Rücksicht auf die Nichteinhaltung dieser Verpflichtung diene der Widerruf dem Gemeinwohl und sei auch ohne Entschädigung verhältnismäßig.
Die Beschwerdeführerin habe gegen die Beklagte auch sonst keinen Anspruch auf Rückzahlung des von ihr entrichteten Zuschlagspreises. Als Anspruchsgrundlage für den Zahlungsanspruch komme nur der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Betracht. Dessen Voraussetzungen lägen hier jedoch nicht vor.
3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
Das angegriffene Urteil verletze sie in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG, indem es bei der Überprüfung der behördlichen Ermessensausübung beim Widerruf Inhalt und Reichweite des Eigentumsschutzes verkenne. Insbesondere habe der Widerruf nur gegen Gewährung einer Ausgleichszahlung erfolgen dürfen.
Soweit man einen Ausgleichsanspruch durch § 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 in Verbindung mit § 63 Abs. 4 TKG a.F. für ausgeschlossen halte, verstoße schon die Ermächtigungsgrundlage für den Widerruf für sich genommen gegen Art. 14 Abs. 1 GG.
Dass die Beschwerdeführerin durch den Entzug der Nutzungsrechte an einer Fortführung ihres Geschäftsbetriebs gehindert werde, verletze sie darüber hinaus in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung aus Art. 12 Abs. 1 GG.
Durch den entschädigungslosen Widerruf sei außerdem das Äquivalenzverhältnis zwischen den von der Beschwerdeführerin und vom Staat erbrachten Leistungen unzumutbar gestört. Von der Beschwerdeführerin würden mit dem Widerruf der Frequenznutzungsrechte letztlich Abgaben voraussetzungslos erhoben. Die Beschwerdeführerin werde dadurch in ihren insgesamt die Freiheit von Abgaben schützenden Grundrechten verletzt.
Schließlich sei die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Das Bundesverwaltungsgericht habe es unionsrechtswidrig unterlassen, die Frage nach Inhalt und Reichweite der sich aus Art. 10 Abs. 2, 3 und 5 GRL ergebenden Verpflichtung, vor einem Widerruf bestimmte Verfahrensschritte einzuhalten, vorab dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Der von der Beschwerdeführerin gerügte Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG lässt sich nicht feststellen. Dabei kann offen bleiben, ob die ersteigerten Lizenzrechte und die Frequenzzuteilungen überhaupt Eigentumsschutz genießen. Selbst wenn dies zugunsten der Beschwerdeführerin unterstellt wird, verletzt der Widerruf der Lizenz- und Frequenznutzungsrechte nicht Art. 14 Abs. 1 GG.
a) Die hier zur Anwendung gekommene Widerrufsermächtigung in § 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 TKG a.F. ist jedenfalls eine verfassungsgemäße Inhalts- und Schrankenbestimmung, sofern es sich bei den Lizenz- und Frequenznutzungsrechten um Eigentum handelt. Die Möglichkeit, die Zuteilung einer Lizenz beziehungsweise Frequenz zu widerrufen, wenn damit verbundene Versorgungsverpflichtungen nicht erfüllt werden, verfolgt das legitime Ziel der effizienten und störungsfreien Frequenznutzung. Dieses allgemein schon in § 2 Abs. 2 Nr. 7 TKG zum Ausdruck kommende Regulierungsziel, steht bei der Frequenzverwaltung in besonderem Maße im Vordergrund (§ 55 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4, § 61 Abs. 3 Satz 1 TKG).
Die Widerrufsermächtigung ist sowohl geeignet als auch erforderlich, um dieses Ziel zu fördern, wenn ein Berechtigter seinen Versorgungspflichten nicht nachkommt.
Die Ermächtigung zum Widerruf ist auch angemessen. Ein Telekommunikationsanbieter erwirbt Nutzungsrechte in Kenntnis dieser besonderen Versorgungspflichten, kann die mit dem Erwerb einhergehenden Belastungen also in seinem Geschäftskonzept berücksichtigen, insbesondere seine Kalkulation darauf ausrichten und zudem – vor Erwerb eines Nutzungsrechts – prüfen, ob er die mit dem Erwerb verbundenen Verpflichtungen und Belastungen tragen kann. Entscheidet er sich für den Erwerb und kommt dann seiner Versorgungspflicht nicht nach, ist es nicht unverhältnismäßig, wenn der Staat die Zuteilung an ihn widerrufen kann, um das mit der Frequenzvergabe verfolgte Ziel der effizienten Frequenznutzung durch Vergabe an andere Marktteilnehmer zu erreichen. Selbst wenn es sich bei den Lizenz- und Frequenznutzungsrechten um Eigentum handelt, ist dieses von vornherein mit der Widerrufsmöglichkeit für den Fall ungenügender Pflichterfüllung belastet. Ein Fall ausnahmsweise ausgleichspflichtiger, weil sonst unverhältnismäßiger Inhalts- und Schrankenbestimmung (vgl. dazu BVerfGE 100, 226 ≪244 ff.≫ m.w.N.) von Eigentum liegt bei einem solchen Widerruf nicht vor. Die Rückzahlung des Zuschlagspreises war nach der vom Gesetzgeber gewählten Regulierungskonzeption schon deshalb ausgeschlossen, weil ein Unternehmen ansonsten, ohne ein finanzielles Risiko einzugehen, Konkurrenten im Versteigerungsverfahren überbieten und am Marktzutritt hindern könnte, ohne selbst ernsthaft die Versorgung zu beabsichtigen. Die Versorgung der Bevölkerung mit Telekommunikationsdienstleistungen ließe sich so nicht sicherstellen.
b) Die Bundesnetzagentur hat von den ihr zur Verfügung stehenden Widerrufsermächtigungen im Ergebnis in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Weder die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Rügen von Verfahrensfehlern noch die gerichtliche Bestätigung der behördlichen Ermessensausübung, in die eine Eigentumsposition der Beschwerdeführerin eingestellt wurde, verletzen Verfassungsrecht (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; stRspr).
Mit dem Vortrag, die Bundesnetzagentur habe den Widerruf ausgesprochen, ohne zuvor bestimmte Verfahrensschritte durchzuführen, insbesondere weitere Fristen zu setzen, hat die Beschwerdeführerin eine Grundrechtsverletzung nicht substantiiert gerügt. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, inwiefern ihr etwa die Einräumung einer weiteren Frist ermöglicht hätte, ihren mit Erwerb der Lizenz beziehungsweise Frequenz eingegangenen und bestandskräftig gewordenen Versorgungsverpflichtungen nachzukommen. Die Beschwerdeführerin hatte im Zeitpunkt des Widerrufs ihren Geschäftsbetrieb bereits eingestellt und einen Großteil ihrer Belegschaft entlassen.
2. Sofern der Widerruf der Lizenz- und Frequenznutzungsrechte auch oder ausschließlich an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen wäre, ergäbe sich daraus nichts anderes. Die Berufsfreiheit stellt hier in der Sache keine höheren Anforderungen als der Eigentumsschutz.
3. Die von der Beschwerdeführerin erhobene Rüge einer Verletzung der grundrechtlich geschützten Freiheit vor ungerechtfertigten Abgaben ist unsubstantiiert. Die Beschwerdeführerin setzt sich insbesondere nicht hinreichend mit den in diesem Zusammenhang stehenden Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts auseinander.
4. Auch die Rüge einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wegen einer unterlassenden Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bleibt ohne Erfolg. Es liegen weder die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht noch die Fallgruppe der Unvollständigkeit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vor (vgl. BVerfGE 126, 286 ≪316 f.≫).
Das Bundesverwaltungsgericht ist insbesondere anhand der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs jedenfalls vertretbar zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beschwerdeführerin sich auf die geltend gemachten Verfahrensrechte nicht berufen kann. Es ist nicht zu erkennen, dass die Ansicht der Beschwerdeführerin, die entsprechenden Verfahrensschritte seien nur im Falle eines drohenden Versorgungsnotstands verzichtbar, gegenüber der vom Gericht vertretenen Ansicht eindeutig vorzuziehen wäre, wonach ein unmittelbarer Widerruf keinen aktuellen konkreten Frequenzbedarf voraussetzt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kirchhof, Eichberger, Britz
Fundstellen
Haufe-Index 8152226 |
NVwZ 2015, 1757 |
NVwZ 2015, 7 |
WM 2015, 1540 |
MMR 2015, 686 |