Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 19.06.2006; Aktenzeichen I-15 U 91/05) |
Tenor
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Aus Anlass einer Verfassungsbeschwerde gegen eine Verurteilung zur Unterlassung einer Äußerung ist zu entscheiden, ob die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist des § 93 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG verfassungsrechtlich geboten ist.
I.
1. Das Landgericht Düsseldorf verurteilte den Beschwerdeführer dazu, eine Äußerung über eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu unterlassen und Auskunft über die Adressaten der Äußerung zu erteilen, und stellte eine Schadensersatzpflicht des Beschwerdeführers fest.
Der Beschwerdeführer legte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein. Das Oberlandesgericht erließ einen Hinweisbeschluss, in dem es dem Beschwerdeführer mitteilte, es beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Unter Bezugnahme auf diesen Beschluss wies es die Berufung mit dem angegriffenen Beschluss zurück, der dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 23. Juni 2006 zugestellt wurde.
2. Der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers hat am 24. Juli 2006 kurz vor Mitternacht per Fax Verfassungsbeschwerde eingelegt. Dem Fax waren das Urteil des Landgerichts und der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts beigefügt, nicht aber der Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts. Der Hinweisbeschluss lag dagegen einem per Post zugesandten Exemplar der Verfassungsbeschwerde bei, das am 28. Juli 2006 eingegangen ist.
Der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers hat am 22. August 2006 wegen Versäumung der Beschwerdefrist schriftsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung führt er aus, seine Kanzleimitarbeiterin habe am Abend des 24. Juli 2006 ab 22 Uhr versucht, den Schriftsatz nebst Anlagen per Fax an das Bundesverfassungsgericht zu übertragen. Erst gegen 23:50 Uhr sei es erstmals gelungen, eine Verbindung aufzubauen, die jedoch wieder zusammengebrochen sei. Bis dahin seien nur die ersten beiden Anlagen übertragen worden. In Kenntnis der unvollständigen Übertragung habe innerhalb von zwei Wochen ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt werden sollen. Daran sei der Bevollmächtigte durch eine am 31. Juli 2006 akut aufgetretene Halswirbelblockade gehindert worden.
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, da Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
1. Der Beschwerdeführer hat seine Verfassungsbeschwerde nicht innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG in einer Weise begründet, die den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügt. Wird die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO unter Bezugnahme auf einen Hinweisbeschluss zurückgewiesen, muss zur Substantiierung der Verfassungsbeschwerde grundsätzlich dem Bundesverfassungsgericht auch der Hinweisbeschluss während der Beschwerdefrist vorgelegt oder sein wesentlicher Inhalt mitgeteilt werden (vgl. BVerfGK 5, 170 f.).
Diesem Erfordernis hat der Beschwerdeführer hier nicht genügt. Der Hinweisbeschluss, auf den in der Verfassungsbeschwerde ohne inhaltliche Wiedergabe verwiesen worden ist, lag dem allein fristgemäß eingegangenen Fax vom 24. Juli 2006 nicht bei, sondern wurde erst dem nach Fristablauf per Post eingegangenen Exemplar der Verfassungsbeschwerde angefügt.
2. Der Antrag des Beschwerdeführers, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, ist abzulehnen. Die Antragsfrist des § 93 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG ist nicht gewahrt. Danach muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden.
Als Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses ist hier der Abbruch der Faxübertragung anzusetzen. In diesem Moment wusste der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers nach seinem eigenen Vorbringen, dass er die Verfassungsbeschwerde nicht in hinreichend substantiierter Form eingelegt hatte. Gleichwohl hat der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers erst am 22. August 2006 und damit nach mehr als zwei Wochen die Wiedereinsetzung schriftsätzlich beantragt. In diesem Schriftsatz hat er die Tatsachen vorgetragen, aus denen sich seiner Ansicht nach ein Wiedereinsetzungsgrund ergibt. Diese Tatsachen sind jedoch während der Antragsfrist mitzuteilen (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 5. Oktober 1995 – 1 BvR 1566/95 –, juris; Beschluss vom 15. September 1998 – 1 BvR 1540/98 –, juris).
Auf die Frage, ob der Beschwerdeführer oder sein Bevollmächtigter die Versäumung der Antragsfrist zu vertreten haben, kommt es nicht an. Eine Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist ist dem Recht der Verfassungsbeschwerde unbekannt. § 93 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG bezieht sich nach seinem Wortlaut ausschließlich auf die in § 93 Abs. 1 BVerfGG geregelte Beschwerdefrist. Den Gesetzgebungsmaterialien lassen sich Anhaltspunkte für eine erweiternde Auslegung der Norm nicht entnehmen. Dafür lassen sich auch keine verfassungsrechtlichen Argumente anführen. Bereits die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Bis zu der Einführung des § 93 Abs. 2 BVerfGG in seiner heutigen Fassung im Jahr 1993 bestand eine solche Möglichkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht (vgl. BVerfGE 4, 309 ≪313 ff.≫; 28, 243 ≪256≫; 50, 381 ≪384≫). Dementsprechend kann auch die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in die einfachrechtlich eingeräumte Wiedereinsetzungsfrist nicht als Gebot der Verfassung angesehen werden (vgl. Heusch/Sennekamp, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl., 2005, § 93 Rn. 72).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem
Fundstellen