Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft u.a. die Frage, ob die Vorschrift des Art. 315a Abs. 2 EGStGB, soweit sie die einfache Verjährungsfrist verlängert, wegen ihrer Differenzierung nach im Beitrittsgebiet begangenen Straftaten gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.
Dem Beschwerdeführer liegt zur Last, in der Zeit vom 17. Oktober 1991 bis 2. April 1992 im Beitrittsgebiet Beihilfe zu Untreuehandlungen geleistet zu haben. Nachdem die Staatsanwaltschaft am 24. November 1999 die Ermittlungen eingeleitet hatte, wurden am 6. März 2000 richterlich angeordnete Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt. Das Hauptverfahren wurde am 7. August 2001 eröffnet. Landgericht und Bundesgerichtshof wandten Art. 315a Abs. 2 EGStGB an und verneinten deshalb den Eintritt der Verfolgungsverjährung. Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Anwendbarkeit des 3. Verjährungsgesetzes seien in dem zu beurteilenden Fall von “Vereinigungskriminalität” nicht zu ersehen. Mit der Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, Art. 315a Abs. 2 EGStGB in seiner Fassung nach dem 2. und 3. Verjährungsgesetz verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Bundesgerichtshof habe diese verfassungsrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführers entgegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht erwogen.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind entschieden (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG); denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg (BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫). Sie ist unbegründet.
a) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinem grundrechtsgleichen Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 11, 218 ≪220≫; 83, 24 ≪35≫; stRspr). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann nur dann festgestellt werden, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich weder erwogen (vgl. BVerfGE 65, 293 ≪295 f.≫; 70, 288 ≪293≫; 85, 386 ≪404≫) noch in den Entscheidungsgründen verarbeitet hat (vgl. BVerfGE 47, 182 ≪189≫; 51, 126 ≪129≫; 58, 353 ≪357≫), wobei letztinstanzliche Entscheidungen von Verfassungs wegen grundsätzlich keiner Begründung bedürfen (BVerfGE 50, 287 ≪289 f.≫). Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass er verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Anwendbarkeit des 3. Verjährungsgesetzes auf den vorliegenden Fall der “Vereinigungskriminalität” nicht hegt. Damit hat er deutlich gemacht, dass er der Argumentation des Beschwerdeführers nicht folgen wolle. Besondere Umstände, die nahe legten, dass der Bundesgerichtshof die Argumente des Beschwerdeführers nicht erwogen habe, liegen nicht vor.
b) Die verjährungsverlängernde Regelung in Art. 315a EGStGB verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Maßstab für die verfassungsgerichtliche Prüfung, ob die Regelung verfassungswidrig ist, weil sie Straftäter in den neuen und den alten Ländern unterschiedlich behandelt, ist der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches nicht willkürlich gleich zu behandeln. Dabei bleibt ihm die Auswahl der Parameter überlassen, die für dieselben oder für unterschiedliche Rechtsfolgen den Ausschlag geben sollen, im Rechtssinne also “gleiche” und “ungleiche” Sachverhalte schaffen (vgl. BVerfGE 75, 108 ≪157≫; 78, 249 ≪287≫). Ihm kommt eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu, die erst dort endet, wo die ungleiche Behandlung der Lebenssachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, weil ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung offensichtlich fehlt, es sich demnach um Regelungen handelt, die unter keinem sachlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt sind und damit als willkürlich erscheinen (vgl. BVerfGE, a.a.O.).
Art. 315a Abs. 2 EGStGB in der Fassung nach dem 2. und 3. Verjährungsgesetz hält diesen Maßstäben Stand. Der Annahme, bei Erlass des 3. Verjährungsgesetzes habe für eine unterschiedliche Verjährungsregelung in den alten und in den neuen Bundesländern kein sachlicher Grund mehr bestanden, weil zu dieser Zeit der Aufbau der Justiz in den neuen Ländern schon abgeschlossen gewesen sei, lässt sich die Argumentation aus den Gesetzesmaterialien entgegenhalten. Der Gesetzgeber ist ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs (BTDrucks 13/8962, S. 3) und der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestags (BTDrucks 13/9252, S. 4 ff.) davon ausgegangen, dass zum einen die Aufarbeitung von DDR-Regierungskriminalität und vereinigungsbedingter Wirtschaftskriminalität noch nicht abgeschlossen und zum anderen die Justiz in den neuen Ländern nach wie vor in einer Notsituation und trotz großer Anstrengungen an ihre Grenzen gestoßen sei. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass diese gesetzgeberische Einschätzung unzutreffend war, hat der Beschwerdeführer nicht vorgetragen. Solche sind auch nicht ersichtlich (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. November 2003 – 2 BvR 1247/01, 2 BvR 1248/01 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Damit liegen sachlich vertretbare, am Gerechtigkeitsgedanken orientierte und nachvollziehbare Gesichtspunkte für die Schaffung unterschiedlicher Verjährungsfristen vor, die vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben.
Die Argumentation des Beschwerdeführers, der Gesetzgeber habe in Art. 315a Abs. 2 EGStGB mit dem Tatort ein ungeeignetes Differenzierungskriterium gewählt, weil es bei vielen Straftaten mehrere Tatorte gebe, die unter Umständen zur Anwendbarkeit unterschiedlicher Verjährungsregelungen führen könnten, lässt außer Acht, dass der Gesetzgeber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht um die differenzierende Berücksichtigung aller denkbaren Fälle besorgt sein muss. Er ist vielmehr berechtigt, von einem Gesamtbild auszugehen, das sich aus den ihm vorliegenden Erfahrungen ergibt. Auf dieser Grundlage kann er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den Gleichheitssatz zu verstoßen (BVerfGE 11, 245 ≪253 f.≫; 84, 348 ≪359 f.≫; 87, 234 ≪255 f.≫; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2002 – 2 BvL 2/01 –). Dass die mit der in Art. 315a Abs. 2 EGStGB vorgenommenen Generalisierung (Abstellen auf den Tatort) verbundenen Ungerechtigkeiten und Härten nicht nur eine unverhältnismäßig kleine Zahl von Personen und Verfahren betreffen und auch unter Beachtung praktischer Erfordernisse vermeidbar wäre, hat der Beschwerdeführer nicht substantiiert vorgetragen. Insbesondere erhellt aus dem Beschwerdevortrag nicht, warum eine verlängerte Verjährungsfrist in den Fällen, in denen zumindest ein Tatort im Beitrittsgebiet liegt, dem Differenzierungsziel entgegenlaufe.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen