Leitsatz (amtlich)
Es ist mit Art. 6 Abs. 4 GG unvereinbar, wenn Zeiten, in denen Frauen wegen der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote ihre versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrechen, bei der Berechnung der Anwartschaftszeit in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung nicht berücksichtigt werden.
Verfahrensgang
Tenor
- Es war mit Artikel 6 Absatz 4 des Grundgesetzes unvereinbar, dass Zeiten, in denen Frauen wegen der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote ihre versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrachen, nach dem vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Recht bei der Berechnung der Anwartschaftszeit in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung nicht berücksichtigt wurden.
- Der Gesetzgeber hat bis zum 31. März 2007 eine Regelung zu treffen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht. Kommt es zu einer fristgemäßen Regelung nicht, so ist auf die noch nicht bestands- oder rechtskräftig entschiedenen Verfahren, in denen es für die Gewährung einer Leistung der Arbeitslosenversicherung auf die Berücksichtigung der Zeit der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote im Rahmen der Berechnung der Anwartschaftszeit nach dem vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Recht ankommt, § 107 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe b des Arbeitsförderungsgesetzes in der am 31. Dezember 1997 geltenden Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 sinngemäß anzuwenden.
Tatbestand
A.
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob es verfassungswidrig war, dass nach dem zwischen 1998 und 2002 geltenden Arbeitsförderungsrecht Zeiten, in denen Mütter wegen des gesetzlichen Mutterschutzes eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung unterbrachen, bei der Berechnung der Anwartschaftszeit für den Bezug von Arbeitslosengeld unberücksichtigt blieben.
I.
1. Der Mutterschutz nach dem Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz – MuSchG) vom 24. Januar 1952 (BGBl I S. 69) in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 17. Januar 1997 (BGBl I S. 22) soll die im Arbeitsverhältnis stehende Mutter und ihr Kind vor arbeitsplatzbedingten Gefahren, Überforderungen und Gesundheitsschädigungen schützen. Der Gesetzgeber verwirklicht mit ihm auch seinen Schutzauftrag aus Art. 6 Abs. 4 GG (vgl. BVerfGE 37, 121 ≪125 f.≫; 109, 64 ≪85 f.≫). Frauen, die den Schutz des Gesetzes genießen, dürfen sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung nicht beschäftigt werden (§ 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 MuSchG). Sie sollen aber in dieser Zeit nicht auf ihr Arbeitseinkommen verzichten müssen. Sie erhalten für die Dauer der Beschäftigungsverbote Lohnersatz in der Form des Mutterschaftsgeldes (§ 13 MuSchG) und eines Zuschusses zum Mutterschaftsgeld durch den Arbeitgeber in Anknüpfung an die Höhe ihres Arbeitsentgelts (§ 14 MuSchG).
2. Die Zeiten der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote wurden im deutschen Sozialrecht bei der Berechnung der Anwartschaft zur Begründung eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld in unterschiedlicher Weise behandelt (zur Rechtslage bis zum Jahre 1979 vgl. BVerfGE 60, 68 ≪69 f.≫). In der Zeit von 1979 bis 1997 stellte § 104 Abs. 1 Satz 3 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der Fassung des Gesetzes zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs vom 25. Juni 1979 (BGBl I S. 797) die Zeit des Bezugs von Mutterschaftsgeld einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleich, sofern durch Schwangerschaft oder Mutterschaft eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unterbrochen wurde. Ein Beitrag zur Arbeitslosenversicherung war von Seiten der Mütter nicht zu entrichten.
3. In dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1998 bis 2002 bestimmte § 123 Satz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2970) in Bezug auf die Anwartschaftszeit:
Anwartschaftszeit
Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist
1. mindestens zwölf Monate,
2. als Wehrdienstleistender oder Zivildienstleistender (§ 25 Abs. 2 Satz 2, § 26 Abs. 1 Nr. 2 und 3 und Abs. 4) mindestens zehn Monate oder
3. als Saisonarbeitnehmer mindestens sechs Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat.
Lage und Dauer der Rahmenfrist, in der das Versicherungspflichtverhältnis bestanden haben musste, sind in § 124 SGB III geregelt. Die Vorschrift lautete in der Fassung vom 16. Dezember 1997, soweit hier von Interesse:
Rahmenfrist
(1) Die Rahmenfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
(2) Die Rahmenfrist reicht nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte.
(3) In die Rahmenfrist werden nicht eingerechnet
1. Zeiten, in denen der Arbeitslose als Pflegeperson einen … Angehörigen … wenigstens 14 Stunden wöchentlich gepflegt hat,
2. Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes des Arbeitslosen, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat,
3. Zeiten einer selbständigen Tätigkeit,
4. Zeiten, in denen der Arbeitslose Unterhaltsgeld nach diesem Buch bezogen … hat,
5. Zeiten, in denen der Arbeitslose von einem Rehabilitationsträger Übergangsgeld … bezogen hat.
Die Rahmenfrist endet im Falle der Nummern 3 bis 5 spätestens nach fünf Jahren seit ihrem Beginn.
Ein Versicherungspflichtverhältnis im Sinne des § 123 SGB III besteht nach § 24 Abs. 1 SGB III für Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Versicherungspflichtig beschäftigt ist nach § 25 Abs. 1 SGB III, wer Arbeitsentgelt bezieht oder sich in Berufsausbildung befindet. § 26 SGB III regelt die sonstigen Versicherungspflichtverhältnisse. In der für den vorliegenden Fall maßgebenden Fassung vom 16. Dezember 1997 lautete die Vorschrift, soweit hier von Interesse:
Sonstige Versicherungspflichtige
(1) Versicherungspflichtig sind
1. jugendliche Behinderte …,
2. Personen, die auf Grund gesetzlicher Pflicht länger als drei Tage Wehrdienst oder Zivildienst leisten …,
3. Personen während des Wehrdienstes in der Verfügungsbereitschaft …,
4. Gefangene …
(2) Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit, für die sie
1. von einem Leistungsträger Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld oder von einem Träger der medizinischen Rehabilitation Übergangsgeld beziehen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren oder eine laufende Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen haben,
2. von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen Krankentagegeld beziehen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren oder eine laufende Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen haben.
(3) und (4) …
Danach begründete der Bezug von Mutterschaftsgeld kein Versicherungspflichtverhältnis. Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass die bis dahin geltende Regelung über die Gleichstellung der Zeiten des Bezugs von Mutterschaftsgeld mit einer beitragspflichtigen Beschäftigung entfallen sollte, weil diese Gleichstellung nicht dem durch die Reform konsequent einzuführenden Versicherungsprinzip entsprochen hätte (vgl. BTDrucks 13/4941, S. 143, 158).
4. Durch das Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom 10. Dezember 2001 (BGBl I S. 3443) änderte sich zum 1. Januar 2003 die Rechtslage. Der Bezug von Mutterschaftsgeld begründet seitdem ein beitragspflichtiges Versicherungspflichtverhältnis (§ 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III). Als beitragspflichtige Einnahme zählt nach § 345 Nr. 7 SGB III ein Arbeitsentgelt in Höhe des Mutterschaftsgeldes. Die Beiträge trägt gemäß § 347 Nr. 8 SGB III der Leistungsträger, regelmäßig die Krankenkasse. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung den Arbeitslosenversicherungsschutz der Mutter verbessern (vgl. BTDrucks 14/6944, S. 30).
II.
Dem Ausgangsverfahren liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
1. Die 1968 geborene Klägerin war vom 1. Februar 1991 bis 30. September 1994 als Repräsentantin von Verlagen beitragspflichtig beschäftigt. Vom 1. Oktober 1994 bis zum 31. Januar 1995 war sie arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Vom 1. Februar 1995 bis 31. Dezember 1996 war sie erneut als Verlagsrepräsentantin tätig. 1997 war sie wiederum arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld für insgesamt 312 Werktage. Danach war sie vom 1. Januar 1998 bis 31. Januar 1999 als Buchhändlerin beschäftigt. Im Mai 1998 brachte sie ihr Kind zur Welt. Die Schutzfristen nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG liefen vom 3. April bis einschließlich 12. Juli 1998. Während der Schutzfristen bezog die Klägerin Mutterschaftsgeld und Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld. Vom 13. Juli 1998 bis zum 31. Januar 1999 war sie mit 21,5 Stunden wöchentlich wieder in einer Buchhandlung beschäftigt und erhielt – neben dem Erziehungsgeld – Arbeitsentgelt.
2. Zum 1. Februar 1999 meldete sich die Klägerin erneut arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Diesen Antrag lehnte die im Ausgangsverfahren beklagte – damalige – Bundesanstalt für Arbeit mit Bescheid vom 3. Februar 1999 ab. Einen Antrag auf Arbeitslosenhilfe stellte die Klägerin, soweit ersichtlich, nicht. Ihr Widerspruch wurde abgelehnt. Nach Erschöpfung des Anspruchs am 30. Dezember 1997 habe die Klägerin eine neue Anwartschaft auf Arbeitslosengeld nicht begründet. Während der für die Begründung ihres Anspruchs maßgeblichen Rahmenfrist habe sie lediglich 295 Tage und damit weniger als die nach § 123 SGB III für die Erfüllung der Anwartschaftszeit erforderlichen zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Dabei sei die gesamte Zeit der Schutzfristen mit Bezug von Mutterschaftsgeld nicht zu berücksichtigen; denn bei dieser Zeit handle es sich nicht um ein Versicherungspflichtverhältnis. Deshalb könne sie nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit beitragen.
3. Gegen die Ablehnung ihres Antrags beschritt die Klägerin den Rechtsweg. Sozialgericht und Landessozialgericht wiesen ihre Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hat das Bundessozialgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob das Dritte Buch Sozialgesetzbuch mit Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 4 GG insoweit vereinbar ist, als Frauen, die wegen des gesetzlichen Mutterschutzes eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung unterbrachen und Mutterschaftsgeld bezogen, anders als Bezieher von Krankengeld in den Jahren 1998 bis 2002 nicht zur Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig waren.
a) Die Klägerin habe nach einfachem Recht keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Sie habe während der maßgeblichen Rahmenfrist nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Arbeitslosenversicherung gestanden. Die versicherungspflichtige Beschäftigung der Klägerin sei durch die Mutterschutzfristen unterbrochen worden. Sonstige Versicherungspflichttatbestände hätten nicht vorgelegen; denn die Klägerin habe keine der in § 26 Abs. 2 SGB III genannten Leistungen bezogen. Diese Norm biete keine Handhabe, sie auf den Bezug von Mutterschaftsgeld mit Hilfe einer verfassungskonformen Auslegung anzuwenden. Der Gesetzgeber habe mit dem Arbeitsförderungs-Reformgesetz von 1997, mit dem das Dritte Buch Sozialgesetzbuch eingeführt wurde, Zeiten des Bezuges von Mutterschaftsgeld bewusst nicht mehr als anwartschaftsbegründend behandelt, weil für diese Zeiten Beiträge nicht zu entrichten gewesen seien. Der Wortlaut des Gesetzes sei eindeutig und der Wille des Gesetzgebers klar zu erkennen.
b) Die Vorschriften über die Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung verletzten das Gebot der Gleichheit vor dem Gesetz nach Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Schutz- und Fürsorgeanspruch von Müttern nach Art. 6 Abs. 4 GG, weil sie zur Folge hätten, dass Bezieherinnen von Mutterschaftsgeld Ansprüche auf Arbeitslosengeld nicht unter den gleichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erwerben könnten wie Bezieher der in § 26 Abs. 2 SGB III genannten Leistungen, insbesondere wie Bezieher von Krankengeld. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers sei auf Grund des Schutzgebots des Art. 6 Abs. 4 GG, wonach jede Mutter Anspruch auf Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft habe, eingeschränkt. Ebenso wie bei Krankheit sei eine Schwangere und Wöchnerin während der Beschäftigungsverbote gehindert, die bisherige Erwerbstätigkeit fortzusetzen. Ebenso wie bei Beziehern von Krankengeld könne deshalb eine Anwartschaft in der Arbeitslosenversicherung durch entgeltliche Beschäftigung während der Zeit des Leistungsbezugs nicht aufgebaut oder der Aufbau fortgeführt werden. Die Nähe zu den Leistungen bei Krankheit zeige sich insbesondere dadurch, dass das Mutterschaftsgeld und der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld das ausfallende Arbeitsentgelt ersetzten und die Mutter insoweit dem Arbeitnehmer gleichstellten, der wegen Krankheit gehindert sei, seine Erwerbstätigkeit fortzusetzen, und wegen Ausfalls des Arbeitsentgelts Krankengeld erhalte.
Ein signifikanter Unterschied zwischen den in § 26 Abs. 2 SGB III genannten Beziehern von Krankengeld und anderen Sozialleistungen auf der einen und den Bezieherinnen von Mutterschaftsgeld auf der anderen Seite könne nicht darin gesehen werden, dass Erstere trotz Ausfalls des Arbeitsentgelts versicherungspflichtig blieben. Wegen der Vergleichbarkeit ihrer Lage sei es nicht sachgerecht, dass Bezieherinnen von Mutterschaftsgeld anwartschaftsbegründende Zeiten nicht zurücklegen könnten, wenn durch Schwangerschaft oder Mutterschaft eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung unterbrochen worden sei. Würden bei Bezug von Leistungen wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit Anwartschaften in der Arbeitslosenversicherung begründet, müsse dies wegen des Schutzgebots des Art. 6 Abs. 4 GG erst recht für Unterbrechungen einer Beschäftigung wegen der Schutzfristen des Mutterschutzes gelten.
Der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichstellung könne nicht entgegengehalten werden, die Versicherungspflicht der Bezieherinnen von Mutterschaftsgeld sei möglicherweise mit einer finanziellen Belastung der öffentlichen Hand oder der Arbeitgeber verbunden. Angesichts des Gleichbehandlungsgebots und des Schutzgebots des Art. 6 Abs. 4 GG könne das Aufbringen der erforderlichen Mittel durch die Gemeinschaft nicht verweigert werden. Im Übrigen stünden dem Gesetzgeber auch andere Wege zur Verfügung, um die Ungleichbehandlung zu beseitigen. Er könne sich beispielsweise darauf beschränken, Zeiten des Bezuges von Mutterschaftsgeld für versicherungspflichtig, aber beitragsfrei zu erklären oder solche Zeiten versicherungspflichtigen Zeiten lediglich gleichzustellen. Damit habe man bereits in der Vergangenheit keine schlechten Erfahrungen gemacht. Dem Umstand, dass nach Art. 6 Abs. 4 GG der Gesetzgeber nicht jede wirtschaftliche Belastung von Müttern auszugleichen habe, komme in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG keine Bedeutung mehr zu, nachdem der Gesetzgeber eine Versicherungs- und Beitragspflicht bei Leistungen wegen Krankheit nach § 26 Abs. 2 SGB III begründet habe. Deswegen könne die gerügte Ungleichbehandlung auch nicht mit dem Gedanken der Beitragsäquivalenz gerechtfertigt werden.
Auch wenn Bezieherinnen von Mutterschaftsgeld bei einer Rahmenfrist von drei Jahren anderweitige Möglichkeiten offen stünden, die Anwartschaftszeit von zwölf Monaten zu erfüllen, sei jedoch zu bedenken, dass die Rahmenfrist wegen § 124 Abs. 2 SGB III nicht stets in vollem Umfang zur Verfügung stehe. Dieser Umstand sei gerade wegen der Mobilität jüngerer Arbeitnehmer und der gegenwärtigen Arbeitslosenquote zu berücksichtigen. Hinzu komme, dass auch der Bezug von Erziehungsgeld, der sich in der Regel an die Mutterschutzfristen anschließe, nicht unmittelbar anwartschaftsbildend sei, sondern ebenfalls nur zu einer Streckung der Rahmenfrist führe. Die fehlende Versicherungspflicht während des Bezuges von Mutterschaftsgeld wirke sich nicht nur bezüglich des Anspruchs auf Arbeitslosengeld dem Grunde nach, sondern auch auf dessen Höhe aus.
III.
Zu der Vorlage haben sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit namens der Bundesregierung, das Bundessozialgericht, der Deutsche Juristinnenbund sowie die Klägerin des Ausgangsverfahrens geäußert.
1. Das Bundesministerium hält die Vorlage für unbegründet. Ein Verstoß gegen das Gebot der Gleichheit vor dem Gesetz nach Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Schutz- und Fürsorgeanspruch von Müttern nach Art. 6 Abs. 4 GG liege nicht vor. Die Arbeitslosenversicherung sei im Interesse ihrer Finanzierbarkeit grundsätzlich darauf angewiesen, nur solche Personengruppen in ihren Schutz einzubeziehen, die der Versichertengemeinschaft der Beitragszahler zur Arbeitsförderung bis zum Eintritt des Versicherungsfalles angehören und dementsprechend das Risiko der Arbeitslosigkeit bis zu diesem Zeitpunkt mitgetragen haben.
Von diesem Grundprinzip weiche das Recht der Arbeitslosenversicherung im Interesse des sozialen Schutzes der Arbeitnehmer bereits erheblich ab, indem nur die Erfüllung der Anwartschaftszeit innerhalb der Rahmenfrist verlangt werde. Zwischen dem 1. Januar 1998 und dem 31. Dezember 2002 sei die grundsätzlich dreijährige Rahmenfrist darüber hinaus um Zeiten der Erziehung eines Kindes unter drei Jahren erweitert gewesen. Ein weitergehender beitragsfreier Schutz von Bezieherinnen von Mutterschaftsgeld in der Arbeitslosenversicherung hätte dem Solidarprinzip widersprochen und die Arbeitnehmer und deren Arbeitgeber zusätzlich belastet, die mit ihren Beiträgen zur Arbeitsförderung die Mittel für das Arbeitslosengeld und andere arbeitsförderungsrechtliche Leistungen aufbringen müssten. Der Anspruch jeder Mutter auf Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft sei nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft der Beitragszahler zu erfüllen. Den Schutz der Arbeitslosenversicherung könnten grundsätzlich nur die Personen für sich in Anspruch nehmen, die auch Beiträge zur Arbeitsförderung entrichtet hätten. Die Finanzierung müsse daher aus anderen Quellen erfolgen. Hierfür kämen die Betroffenen selbst, die Gemeinschaft der Steuerzahler oder die Risikogemeinschaft der Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht.
Die unterschiedliche Behandlung von Bezieherinnen von Mutterschaftsgeld und Beziehern von Krankengeld sei sachlich gerechtfertigt. Krankengeld werde grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, geleistet. Der Bezug von Krankengeld könne sich somit über einen längeren Zeitraum erstrecken. Daher bestehe ein erhebliches Risiko, dass bei Beziehern von Krankengeld die Anwartschaftszeit nicht mehr durch die innerhalb der Rahmenfrist liegenden versicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten erfüllt werden könne. Um ein Angewiesensein auf Sozialhilfe zu verhindern, habe sich der Gesetzgeber dafür entschieden, Zeiten des Bezuges von Krankengeld als beitragspflichtige Versicherungszeiten auszugestalten. Demgegenüber unterlägen Frauen während der Zeit des Mutterschutzes nur für einen relativ kurzen Zeitraum nicht der Versicherungspflicht zur Arbeitsförderung. Zudem hätten die Zeiten nach der Entbindung in dem für den vorliegenden Fall maßgeblichen Zeitraum zu einer Verlängerung der Rahmenfrist geführt. Schließlich seien Fallkonstellationen, in denen gerade die Zeiten des Bezuges von Mutterschaftsgeld für die Erfüllung der Anwartschaftszeit ausschlaggebend seien, relativ selten. Im Regelfall könnten die Betroffenen die zwölfmonatige Anwartschaftszeit durch unmittelbar vorgelagerte Zeiten einer versicherungspflichtigen Beschäftigung erfüllen; wegen der kurzen Zeiträume, in denen Mutterschaftsgeld bezogen werde, fielen diese Beschäftigungszeiten auch nicht aus der dreijährigen Rahmenfrist heraus.
2. Das Bundessozialgericht hat auf Anfrage mitgeteilt, zu dem dem Vorlagebeschluss zu Grunde liegenden Problembereich seien keine weiteren Verfahren anhängig und auch nicht anhängig gewesen. Es hat allerdings auf die Entscheidung BSGE 91, 226 verwiesen, wonach Art. 6 Abs. 4 GG eine Ausnahme von der unbedingten Geltung der vierjährigen Verfallsfrist des § 147 Abs. 2 SGB III für den eng umgrenzten Sonderfall gebiete, dass während der Zeit des mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots die Verfallsfrist ablaufe und dadurch ein zuvor bereits bewilligter Arbeitslosengeldanspruch erlösche.
3. Der Deutsche Juristinnenbund hält die zur Überprüfung stehenden Rechtsnormen für verfassungswidrig. Die Auffassung des Bundessozialgerichts treffe zu. Jedoch sei noch darüber hinauszugehen. Regelungen, die an Mutterschutzfristen in bestehenden Beschäftigungsverhältnissen sozialversicherungsrechtliche Nachteile knüpften, seien unabhängig von den Regelungen über das Krankengeld verfassungswidrig. Der allgemeine Gleichheitssatz gebiete im Lichte der Fürsorgepflicht nach Art. 6 Abs. 4 GG, Mutterschutzzeiten vor und nach der Geburt eines Kindes im Arbeitsförderungsrecht so zu behandeln, als ob die Beschäftigung fortgeführt worden wäre. Richtige Vergleichsgruppe zu den Frauen, die auf Grund der Geburt eines Kindes vorübergehend nicht arbeiten dürften, seien nicht längerfristig Kranke, die Krankengeld bezögen, sondern Beschäftigte, die Arbeitsentgelt oder bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung innerhalb der ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit erhielten. Der einzelnen Frau dürfe kein Nachteil daraus entstehen, dass sie während der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz kein Arbeitsentgelt aus dem Beschäftigungsverhältnis erzielen könne. Ein Beleg dafür sei, dass die Leistungen während der Schutzfristen dem vorher erzielten Arbeitsentgelt entsprächen. Der Nachteilsausgleich über eine Verlängerung der Rahmenfrist habe sich als unzureichend erwiesen.
Außerdem liege ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG vor. Mutterschutzfristen beträfen notwendigerweise nur Frauen. Art. 3 Abs. 2 GG verpflichte den Gesetzgeber, Regelungen zu treffen, die Frauen während des Beschäftigungsverbotes so stellten, wie wenn das Beschäftigungsverbot nicht bestünde. Durch das Mutterschaftsgeld und den Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld sei der Gesetzgeber dieser Verpflichtung noch nicht vollständig nachgekommen. Denn auch die an das Arbeitseinkommen anknüpfenden Berechtigungen der Sozialversicherungssysteme seien Bestandteil der wirtschaftlichen Situation der Arbeitnehmerin. Deshalb müsse der Gesetzgeber dafür Sorge tragen, dass auch in den Zweigen der Sozialversicherung durch die Mutterschutzfristen keine Nachteile entstünden.
Die vom Gesetzgeber zu treffende Regelung müsse den vollen wirtschaftlichen Ausgleich der Nachteile des Beschäftigungsverbotes während der Mutterschutzfristen erreichen. Dafür sei für die Vergangenheit eine gesetzliche Gleichstellung der Mutterschutzzeiten mit den normalen Beitragszeiten vorzusehen. Soweit dadurch möglicherweise das strikte Versicherungsprinzip durchbrochen werde, weil eine rückwirkende Beitragspflicht wohl kaum in Frage komme, spreche dies nicht gegen eine solche Lösung. Denn das Versicherungsprinzip sei ohnehin nur eine und nicht die einzige Systementscheidung im Sozialversicherungsrecht. Sie werde immer ergänzt durch Elemente des sozialen Ausgleichs.
4. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens schließt sich der Auffassung des Bundessozialgerichts an.
Entscheidungsgründe
B.
Es war mit Art. 6 Abs. 4 GG unvereinbar, dass Zeiten, in denen Frauen wegen der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote ihre versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrachen, nach dem vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Recht bei der Berechnung der Anwartschaftszeit in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung nicht berücksichtigt wurden.
I.
1. Art. 6 Abs. 4 GG enthält den bindenden Auftrag an den Gesetzgeber, jeder Mutter Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft angedeihen zu lassen. Er verpflichtet den Gesetzgeber grundsätzlich auch, wirtschaftliche Belastungen der Mutter, die im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft und Mutterschaft stehen, auszugleichen. Insoweit schützt Art. 6 Abs. 4 GG die Mutter in vergleichbarer Weise wie Art. 6 Abs. 1 GG Ehe und Familie (vgl. BVerfGE 60, 68 ≪74≫). Dies gilt auch für das Gebiet der sozialen Sicherheit (vgl. BVerfG, NJW 2005, S. 2443 ≪2447≫ zum Aufbau von Versorgungsanwartschaften in der berufständischen Versorgung der Rechtsanwälte) und insbesondere für die Sozialversicherung (vgl. BVerfGE 60, 68 ≪74≫ m.w.N.).
2. Der Schutzauftrag des Art. 6 Abs. 4 GG bedeutet zwar nicht, dass der Gesetzgeber gehalten wäre, jede mit der Mutterschaft zusammenhängende wirtschaftliche Belastung auszugleichen (vgl. BVerfGE 60, 68 ≪74≫). Der Gesetzgeber ist – nicht anders als im Falle des Art. 6 Abs. 1 GG – nicht verpflichtet, dem Förderungsgebot ohne Rücksicht auf sonstige Belange nachzukommen (vgl. BVerfGE 82, 60 ≪81≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. April 1996, NVwZ 1997, S. 54 ≪55≫). Untersagt er aber, wie in § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG, der Frau für eine bestimmte Zeit vor und nach der Geburt eines Kindes die Fortsetzung oder Wiederaufnahme ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung, so ist er gehalten, die sich aus diesem Verbot unmittelbar ergebenden sozialrechtlichen Nachteile soweit wie möglich auszugleichen. Dazu gehört auch der sozialversicherungsrechtliche Schutz im Falle der Arbeitslosigkeit.
Die vom Beschäftigungsverbot betroffene Mutter wird gehindert, durch Fortsetzung oder Wiederaufnahme ihres versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses eine Anwartschaft in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung gemäß § 123 SGB III aufzubauen oder den Aufbau einer Anwartschaft fortzusetzen. Diese Konsequenz aus den mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverboten darf der Frau nicht zum Nachteil gegenüber anderen Arbeitnehmern gereichen, die nicht von solchen Verboten betroffen sind. Insoweit ist die grundsätzlich bestehende Freiheit des Gesetzgebers, zu entscheiden, wie er die ihm durch Art. 6 Abs. 4 GG auferlegte Förderung von Müttern ausgestaltet, auf Grund seines eigenen gesetzgeberischen Handelns, durch Beschäftigungsverbote der werdenden Mutter und dem Kind Schutz zu bieten, determiniert und eingeschränkt. Der mit den Beschäftigungsverboten angestrebte Schutz bleibt, gemessen an Art. 6 Abs. 4 GG, unvollständig, wenn er nicht von Maßnahmen begleitet wird, die die sich daraus ergebende Benachteiligung der Mutter, die während der Mutterschutzfrist an der Erfüllung der Anwartschaftszeit gehindert ist, soweit wie möglich ausgleichen (vgl. auch BVerfGE 60, 68 ≪77≫).
Es ist daher mit Art. 6 Abs. 4 GG, der eine Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips für den speziellen Bereich des Mutterschutzes darstellt (vgl. BVerfGE 32, 273 ≪279≫), nicht zu vereinbaren, dass die Zeiten der Beschäftigungsverbote bei der Berechnung der Anwartschaftszeit in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung während des hier maßgeblichen Zeitraums zwischen 1998 und 2002 – und damit abweichend von dem vorher und nachher geltenden Recht (siehe oben unter A I 2 und 4) – nicht berücksichtigt wurden. Der Gesetzgeber erschwerte der Mutter im Falle der Arbeitslosigkeit den Zugang zum Arbeitslosengeld in einer Weise, die dem Schutzauftrag des Art. 6 Abs. 4 GG nicht mehr entsprach. Darüber hinaus stand dies auch im Widerspruch zur sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von Personen, die wegen Krankheit ebenfalls unfreiwillig ihre Beschäftigung unterbrechen und Krankengeld erhalten; diese sind gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III versicherungspflichtig und können während des Leistungsbezugs eine Anwartschaft aufbauen oder deren Aufbau fortsetzen.
a) Das Bedürfnis nach Berücksichtigung der Zeit des Beschäftigungsverbots vor der Geburt des Kindes im Rahmen der Berechnung der Anwartschaftszeit entfällt nicht dadurch, dass die Mutter auf den Schutz, der ihr und ihrem Kind nach § 3 Abs. 2 MuSchG zuteil wird, grundsätzlich verzichten und ihr versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bis zur Geburt aufrechterhalten kann.
Der Gesetzgeber hat die Ausnahmeregelung in § 3 Abs. 2 MuSchG nicht geschaffen, um der schwangeren Frau die Möglichkeit zu eröffnen, aus wirtschaftlichen Gründen in dem fraglichen Zeitraum erwerbstätig zu bleiben und damit den hier in Frage stehenden sozialversicherungsrechtlichen Nachteil zu vermeiden. Vielmehr hat er durch die Kombination von Mutterschaftsgeld und Zuschuss zum Mutterschaftsgeld die Mutter während des Beschäftigungsverbotes auch vor der Entbindung finanziell so absichern wollen, dass für sie kein Anreiz besteht, unter Inkaufnahme von gesundheitlichen Gefährdungen zum Zwecke der Existenzsicherung zu arbeiten (vgl. BVerfGE 109, 64 ≪86≫). Dieser Umstand hat dem Gesetzgeber die Entscheidung erleichtert, im Interesse der werdenden Mutter, deren Schutz der Verfassungsauftrag des Art. 6 Abs. 4 GG insbesondere dient (vgl. BVerfGE 32, 273 ≪277≫; 52, 357 ≪365≫), von einem absoluten Beschäftigungsverbot abzusehen (vgl. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit des Deutschen Bundestages vom 23. Juni 1965, zu BTDrucks IV/3652, S. 3; Viethen/Wascher, in: Zmarzlik/Zipperer/Viethen/Vieß, Mutterschutzgesetz, Mutterschaftsleistungen, 9. Aufl. 2006, § 3 MuSchG Rn. 40). Der Ausnahmeregelung liegt die Erfahrung zu Grunde, dass es für die Schwangere psychisch günstiger sein kann, sich durch die bisherige, gewohnte Arbeit, solange wie gesundheitlich möglich abzulenken (vgl. BAGE 102, 218 ≪224≫). Danach soll es in aller Regel bei der Geltung des Beschäftigungsverbotes bleiben, das auch dem Schutz des ungeborenen Kindes dient.
Dem entspricht die nähere Ausgestaltung der Ausnahmeregelung. So kann die Frau nach § 3 Abs. 2 2. Halbsatz MuSchG ihre Erklärung zur Weiterarbeit jederzeit gegenüber dem Arbeitgeber widerrufen. Auf dieses Widerrufsrecht, das ohne Angabe von Gründen ausgeübt werden kann, kann sie nicht, auch nicht vertraglich, verzichten (vgl. Viethen/Wascher, a.a.O., § 3 MuSchG Rn. 42; Buchner, in: Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeserziehungsgeldgesetz, 7. Aufl. 2003, § 3 Rn. 45). An die Erklärung der Frau, während der Schutzfrist zur Arbeitsleistung bereit zu sein, sind nach einhelliger Auffassung strenge Anforderungen zu stellen, weil die Betriebsarbeit während der Schutzfrist in vielen Fällen nicht ungefährlich ist (vgl. Viethen/Wascher, a.a.O., § 3 MuSchG Rn. 39). § 3 Abs. 2 MuschG verlangt hierfür eine ausdrückliche Erklärung. Das Beschäftigungsverbot steht auch nur für die Frau zur Disposition. Der Arbeitgeber muss es von sich aus beachten, sobald ihm die Schwangerschaft bekannt ist. Das Beschäftigungsverbot ist für ihn zwingend (vgl. Viethen/Wascher, a.a.O., § 3 MuSchG Rn. 31).
b) Die dreijährige Rahmenfrist des § 124 Abs. 1 SGB III, in der die Anwartschaftszeit für den Anspruch auf Leistung erfüllt sein muss, gleicht nicht in einer den Anforderungen des Art. 6 Abs. 4 GG genügenden Weise den dargestellten sozialversicherungsrechtlichen Nachteil aus. Dem Gesetzgeber ist einzuräumen, dass durch die in § 104 Abs. 3 1. Halbsatz des Arbeitsförderungsgesetzes vom 25. Juni 1969 (BGBl I S. 582) erfolgte und im Dritten Buch Sozialgesetzbuch beibehaltene Verlängerung der Rahmenfrist von zwei auf drei Jahre die Erfüllung der Anwartschaft erleichtert wurde; mit dieser Begründung hatte er seinerzeit die “Privilegierung der Mutterschaftszeit” im Arbeitsförderungsrecht entfallen lassen (vgl. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit des Deutschen Bundestages vom 6. Mai 1969, zu BTDrucks V/4110, S. 18). Die Verlängerung war geeignet, vor allem Versicherte, deren Arbeitsverhältnisse besonders oft unterbrochen wurden, zu begünstigen (vgl. BVerfGE 60, 68 ≪75, 76≫). Insofern kam sie als allgemeine Regelung auch den Müttern zugute, die infolge der Beschäftigungsverbote ihre Erwerbstätigkeit für einige Zeit unterbrochen hatten (vgl. BVerfGE 60, 68 ≪76≫). Der dem Ausgangsverfahren zu Grunde liegende Sachverhalt zeigt aber, dass sie bei einem keineswegs atypischen Wechsel von Beschäftigung, Mutterschutzzeit und Arbeitslosigkeit nicht hinreichend geeignet war, in einer dem Schutzauftrag des Art. 6 Abs. 4 GG genügenden Weise für den Fall der Arbeitslosigkeit sozialversicherungsrechtlich vorzusorgen. Der Klägerin hat die dreijährige Rahmenfrist keinen Vorteil gebracht, weil eine vorausgegangene Rahmenfrist wegen § 124 Abs. 2 SGB III einer Verlängerung der für ihren erneuten Anspruch auf Arbeitslosengeld maßgeblichen Rahmenfrist im Wege stand.
c) In diesen und anderen Fallgestaltungen nutzte es den Betroffenen auch nicht, dass ein Teil der Zeiten mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote zugleich Zeiten der Kindererziehung darstellte, die nach § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III mittelbar die Rahmenfrist des § 124 Abs. 1 SGB III zusätzlich verlängerten. Der Gesetzgeber hat dies später auch erkannt. In der Begründung zum Job-AQTIV-Gesetz ist ausgeführt, der Anspruch auf Lohnersatzleistungen sei nach dem bisherigen Recht von einer Vielfalt starrer Fristen abhängig gewesen, welche insbesondere die Belange der Mütter weitgehend außer Acht gelassen hätten. Im Ergebnis seien Zufälligkeiten der zeitlichen Abfolge von Anwartschaftszeit, Mutterschutz und Erziehungszeit für den Leistungsanspruch und damit die Förderung der beruflichen Eingliederung ausschlaggebend gewesen (vgl. BTDrucks 14/6944, S. 26).
II.
Da das zur Prüfung gestellte Recht schon wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 4 GG verfassungswidrig war, erübrigt sich eine Prüfung anhand des Maßstabes des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Verbot geschlechtsspezifischer Diskriminierung des Art. 3 Abs. 2 GG kann hier im Übrigen zu keinem anderen Ergebnis führen als die Pflicht nach Art. 6 Abs. 4 GG, Nachteile der Mutterschaft auszugleichen.
C.
I.
Gegenstand der Vorlage ist nicht die Prüfung einer bestimmten Rechtsvorschrift auf ihre Verfassungsmäßigkeit, sondern die Unterlassung einer Regelung durch den Gesetzgeber im Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2002. Daher kommt nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht.
Der Gesetzgeber hat bis zum 31. März 2007 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Kommt es zu einer Regelung innerhalb dieser Frist nicht, so ist auf die noch nicht bestands- oder rechtskräftig entschiedenen Verfahren, in denen es für die Gewährung einer Leistung der Arbeitslosenversicherung auf die Berücksichtigung der Zeiten mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote im Rahmen der Berechnung der Anwartschaftszeit nach dem vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Recht ankommt, § 107 Satz 1 Nr. 5 Buchstabe b AFG in der am 31. Dezember 1997 geltenden Fassung des Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) vom 22. Dezember 1983 (BGBl I S. 1532) sinngemäß anzuwenden.
II.
Noch nicht rechts- oder bestandskräftig abgeschlossene Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen die begehrte Leistung der Arbeitslosenversicherung nicht gewährt werden kann, weil Zeiten, in denen Frauen wegen der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote ihre versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen hatten, nach dem vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Recht bei der Berechnung der Anwartschaftszeit in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung nicht berücksichtigt wurden, bleiben ausgesetzt oder sind auszusetzen, um den Betroffenen die Möglichkeit zu erhalten, aus der vom Gesetzgeber zu treffenden Regelung Nutzen zu ziehen. Bereits bestandskräftig gewordene Verwaltungsentscheidungen bleiben von der vorliegenden Entscheidung für die Zeit vor der Bekanntgabe unberührt. Es ist dem Gesetzgeber aber unbenommen, die Wirkung dieser Entscheidung auch auf bereits bestandskräftige Bescheide zu erstrecken; von Verfassungs wegen verpflichtet ist er hierzu nicht (vgl. BVerfGE 104, 126 ≪150≫).
Unterschriften
Papier, Haas, Hömig, Steiner, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem, Bryde, Gaier
Fundstellen
Haufe-Index 1504877 |
BVerfGE 2006, 259 |
DB 2006, 958 |
NJW 2006, 1721 |
NWB 2006, 1400 |
FamRZ 2006, 680 |
NVwZ 2006, 1049 |
ZAP 2006, 496 |
AP 2007 |
AP, 0 |
AuA 2006, 295 |
FPR 2007, 375 |
NZS 2006, 589 |
ZfSH/SGB 2006, 279 |
AUR 2006, 175 |
ArbRB 2006, 129 |
BGBl. I 2006, 1109 |
FuBW 2006, 742 |
FuHe 2006, 695 |
Nds.MBl 2006, 262 |
info-also 2006, 184 |
info-also 2006, 230 |