Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist mangels einer den Anforderungen der §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG genügenden Begründung unzulässig.
Ein Beschwerdeführer hat im Rahmen der Begründung seiner Verfassungsbeschwerde substantiiert darzulegen, inwieweit seine Grundrechte durch die angegriffene Maßnahme verletzt sein sollen (vgl. BVerfGE 99, 84 ≪87≫). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung anhand dieser Maßstäbe aufgezeigt werden (vgl. BVerfGE 101, 331 ≪345 f.≫; 102, 147 ≪164≫). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Europäische Gerichtshof ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Es stellt einen Entzug des gesetzlichen Richters dar, wenn ein nationales Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (im Folgenden: EG) nicht nachkommt (vgl. BVerfGE 73, 339 ≪366 f.≫; 82, 159 ≪192 ff.≫; stRspr). Das Bundesverfassungsgericht wird durch die grundrechtsgleiche Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG jedoch nicht zu einem Kontrollorgan, das jeden einem Gericht unterlaufenen Verfahrensfehler korrigieren müsste. Es beanstandet die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen vielmehr nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 82, 159 ≪194≫). Allein dieser – durch Fallgruppenbildung präzisierte – Willkürmaßstab entspricht der Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 82, 159 ≪195≫).
Die Vorlagepflicht wird danach insbesondere dann offensichtlich unhaltbar gehandhabt, wenn ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der – seiner Auffassung nach bestehenden – Entscheidungserheblichkeit der gemeinschaftsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hat (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht; vgl. BVerfGE 82, 159 ≪195≫). Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ohne Vorlagebereitschaft; vgl. BVerfGE 75, 223 ≪245≫; 82, 159 ≪195≫). Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs noch nicht vor oder hat er die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit (Unvollständigkeit der Rechtsprechung), so wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind (vgl. BVerfGE 82, 159 ≪195 f.≫). Zu verneinen ist in diesen Fällen ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG deshalb bereits dann, wenn das Gericht die gemeinschaftsrechtliche Rechtsfrage in zumindest vertretbarer Weise beantwortet hat. In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob sich das Gericht hinsichtlich des europäischen Rechts ausreichend kundig gemacht hat; hat es dies nicht getan, verkennt es regelmäßig die Bedingungen für die Vorlagepflicht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. Februar 2008 – 1 BvR 2722/06 –, http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20080220_1bvr272206.html).
Gemessen hierin legt der Beschwerdeführer eine mögliche Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch das unterbliebene Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG nicht hinreichend dar. Dass das Bundessozialgericht eine Vorlage überhaupt nicht in Erwägung gezogen habe, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage gehabt habe (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht), oder dass es von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ohne Vorlagebereitschaft bewusst abgewichen sei, wird nicht behauptet. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, im Hinblick auf Altersgrenzen für Selbständige liege eine Unvollständigkeit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vor, legt er nicht dar, dass das Bundessozialgericht seinen dann aus verfassungsrechtlicher Perspektive bestehenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten habe.
Der Beschwerdeführer beruft sich zusammenfassend darauf, das Bundessozialgericht habe zu Unrecht angenommen, an der Auslegung des europäischen Rechts bestünden im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Altersgrenze mit den europarechtlichen Vorgaben keine Zweifel und habe deshalb zu Unrecht von einer Vorlage abgesehen. Das Bundessozialgericht sei in unvertretbarer Weise von einer Offenkundigkeit der Rechtsfrage ausgegangen, obwohl die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die entscheidungserhebliche Frage der Europarechtskonformität der Altersgrenze für Vertragsärzte noch nicht erschöpfend beantwortet und insoweit auch die Möglichkeit der Fortentwicklung der bisher nur zu Arbeitnehmern ergangenen Rechtsprechung bestanden habe. Diese Darlegungen zur fehlenden Vertretbarkeit der Ansicht des Bundessozialgerichts beziehen sich damit nur auf die Frage des Bestehens einer Vorlagepflicht. Es fehlen hingegen substantiierte Ausführungen dazu, dass die materielle gemeinschaftsrechtliche Frage als solche vom Bundessozialgericht in unvertretbarer Weise beantwortet wurde. Insoweit wird geltend gemacht, es sei zu erwarten, dass der Europäische Gerichtshof die Altersgrenze für unzulässig halten werde, insbesondere weil nach der “Mangold”-Entscheidung (vgl. EuGH, NJW 2005, S. 3695) im Hinblick auf die beschäftigungspolitischen Ziele eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen sei. Daran habe die “Palacios”-Entscheidung (vgl. EuGH, NJW 2007, S. 3339) entgegen der Ansicht des Bundessozialgerichts nichts grundlegend geändert. Mit dieser Argumentation des Beschwerdeführers ist indes nicht zugleich dargelegt, dass die materiellrechtliche Ansicht des Bundessozialgerichts, die auf einer ausführlichen Auseinandersetzung mit der “Palacios”-Entscheidung beruht, unvertretbar wäre. Aus verfassungsrechtlicher Sicht steht dem Fachgericht ein Beurteilungsrahmen zu, innerhalb dessen die Lösung einer materiellrechtlichen Frage des Gemeinschaftsrechts möglicherweise zwar nicht offenkundig richtig – im Sinne der Kriterien zur Vorlagepflicht des Europäischen Gerichtshofs –, aber auch nicht offenkundig unrichtig – im Sinne des verfassungsrechtlichen Willkürmaßstabs – ist.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, das Bundessozialgericht habe sich nicht hinreichend kundig gemacht, dadurch die Bedingungen für die Vorlagepflicht verkannt und so sein Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt, beziehen sich seine Ausführungen nur auf die ergänzenden Erwägungen in der angegriffenen Entscheidung zur Frage der Vorwirkung der Richtlinie bei noch laufender Umsetzungsfrist. Es ist nicht dargelegt, dass die Entscheidung auf einem etwaigen diesbezüglichen Versäumnis des Gerichts beruhen könnte, obwohl es die Vereinbarkeit der Altersgrenze mit europäischem Recht zuvor ungeachtet der Frage der Umsetzungsfrist geprüft und bejaht hatte.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Kirchhof
Fundstellen