Verfahrensgang
VG Bremen (Urteil vom 20.04.2004; Aktenzeichen 5 K 728/03) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 20. April 2004 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.
Die Kläger, Geschwister in Erbengemeinschaft, wenden sich gegen die Ablehnung der Feststellung eines Restschadens nach Vermögensrückübertragung eines in der ehemaligen DDR belegenen Grundvermögens.
1. Entgegen der Auffassung der Kläger führen ihre Verfahrensrügen nicht auf einen Zulassungsgrund für die begehrte Revision.
a) Die Beschwerde hält dem Verwaltungsgericht einen Verstoß gegen den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör und faires Verfahren (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 1 und 2 VwGO) vor, da das Gericht ihrer Bitte um Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 20. April 2004, 10:00 Uhr, nicht gefolgt ist. Darin ist jedoch kein Verfahrensverstoß zu sehen. § 102 Abs. 2 VwGO gestattet die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Entscheidung des Gerichts trotz Abwesenheit eines Beteiligten, wenn in der Ladung – wie im vorliegenden Fall nach den Feststellungen des Urteils des Verwaltungsgerichts geschehen – auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. Ein mit einer Verhinderung des Prozessbevollmächtigten begründeter Antrag kann Anlass für eine Terminsaufhebung sein, wenn die zu erwartende Abwesenheit des Rechtsanwalts unverschuldet ist (Beschluss vom 26. April 1999 – BVerwG 5 B 49.99 – n.v., Abdruck S. 3; zum vergleichbaren Problem bei der Wiedereinsetzung: BGH, Beschluss vom 26. Februar 1996 – II ZB 7/95 – NJW 1996, 1540 f.). Ferner setzt eine solche Terminsverlegung voraus, dass der Antrag nicht durch die Absicht der Prozessverschleppung getragen wird (Beschlüsse vom 19. Januar 1999 – BVerwG 8 B 186.98 – Buchholz 303 § 227 ZPO Nr. 26, vom 2. November 1998 – BVerwG 8 B 162.98 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 285 und vom 3. August 1994 – BVerwG 6 B 31.94 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 257; BFHE 113, 4 ≪6≫) bzw. nicht gegen die prozessuale Mitwirkungspflicht eines Beteiligten verstößt (Beschluss vom 5. Dezember 1994 – BVerwG 8 B 179.94 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 259; BFHE 113, 4 ≪6≫; BFH, Beschluss vom 17. Mai 2000 – IV B 86/99 – BFH/NV 2000, S. 1353 ≪1354≫). Diese Mitwirkungspflicht erfordert, dass ein Antrag auf Terminsverlegung unverzüglich gestellt wird, nachdem die Verhinderung bekannt wird (vgl. Beschluss vom 28. August 1992 – BVerwG 5 B 159.91 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 252 S. 103 ≪105≫). Schon die Erfüllung dieser Voraussetzung ist im vorliegenden Fall zweifelhaft. Unverzüglich heißt nach der hier anzuwendenden Legaldefinition des § 121 Abs. 1 BGB, dass die vorzunehmende Handlung ohne schuldhaftes Zögern erfolgt. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts war die Ladung für den 20. April 2004 am 22. März 2004 ausgeführt und dem Klägervertreter nach eigenem Vorbringen spätestens am 6. April 2004 zugegangen, die Verlegung des Termins hingegen erst mittels Telefax am 16. April 2004, also vier Tage vor dem Termin (20. April 2004) beantragt worden. Die Behauptung des Klägervertreters, er habe bereits mit Schreiben vom 26. März 2004 die Verlegung des Termins beantragt, bietet keinen Anlass, an diesen Feststellungen zu zweifeln. Jedenfalls findet sich ein solches Schreiben nicht im Original bei der Gerichtsakte, sondern lediglich als später durch den Klägervertreter übermittelte Kopie.
Letztlich kann indes die Frage, ob der Antrag auf Terminsverlegung unverzüglich gestellt worden ist, dahinstehen, da jedenfalls keine erheblichen Gründe (vgl. § 227 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 173 VwGO) glaubhaft gemacht wurden, die es nach dem Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs geboten hätten, dem Vertagungsantrag des Klägervertreters zu entsprechen. So muss etwa eine Erkrankung oder sonstige Verhinderung des Prozessbevollmächtigten schlüssig aus einem dem Verwaltungsgericht vorgelegten Attest hervorgehen (vgl. Urteile vom 13. April 1999 – BVerwG 1 C 24 – 26.97 – Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 19); die Bescheinigung muss so substantiiert sein, dass das Gericht auf ihrer Grundlage in der Lage ist, die Frage einer behaupteten Verhandlungsunfähigkeit selbst zu beurteilen (Beschluss vom 22. Mai 2001 – BVerwG 8 B 69.01 – Buchholz 303 § 227 ZPO Nr. 30 = NJW 2001, 2735 f.; BFH, Beschluss vom 17. Mai 2000, a.a.O.). Außerdem ist der Beteiligte gehalten, sich im Rahmen des Zumutbaren das rechtliche Gehör zu verschaffen, so dass letztlich nur eine ihm trotz zumutbaren eigenen Bemühens um die Erlangung rechtlichen Gehörs verweigerte oder abgeschnittene Möglichkeit zur Äußerung eine Gehörsverletzung darstellt. Deshalb sind eine Vertagung rechtfertigende “erhebliche” Gründe im Sinne des § 227 ZPO nur solche Umstände, die auch und gerade zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebotes erfordern (vgl. Beschluss vom 29. April 2004 – BVerwG 3 B 118.03 –).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, trotz der Abwesenheit des Prozessbevollmächtigten der Kläger unter Ablehnung der Terminsaufhebung zu verhandeln und in der Sache zu entscheiden, nicht zu beanstanden. Die Kläger haben schon die Verhinderung des Prozessbevollmächtigten nicht substantiiert dargelegt. So wird in dem per Telefax am 16. April 2004 übermittelten Schreiben vom 15. April 2004 lediglich ausgeführt, der Prozessbevollmächtigte befinde sich “im April mit Ausnahme der z. Zt. laufenden Woche im dringend benötigten Erholungsurlaub”. In der diesem Telefax beigefügten Kopie eines auf den 26. März 2004 datierten Schreibens heißt es, der Prozessbevollmächtigte befinde sich “im April mit Ausnahme der Woche nach Ostern im Erholungsurlaub, um eine Besserung seiner schweren Wirbelsäulenerkrankung herbeizuführen”. Mit diesen Ausführungen wird nicht erkennbar, warum der in der Woche vor dem Termin unterbrochene Erholungsurlaub nicht auch zur Wahrnehmung des Termins selbst hätte unterbrochen werden können. In Sonderheit wird noch nicht einmal behauptet, dass der Termin aus gesundheitlichen Gründen nicht hätte wahrgenommen werden können. Das Verwaltungsgericht weist zutreffend darauf hin, dem Verlegungsantrag sei nicht zu entnehmen, dass der Prozessbevollmächtigte etwa aus Gründen eines lange zuvor geplanten und gebuchten Erholungsurlaubs ortsabwesend gewesen wäre und er insbesondere nicht für seine anwaltliche Vertretung hätte sorgen können. Weiterhin hätte zur Begründung der Verfahrensrüge als Zulassungsgrund jedenfalls der substantiierte Vortrag gehört, welche Tatsachen bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen worden wären und dass diese Tatsachen zur Klärung der Rechtslage im Sinne der Partei geeignet gewesen wären (vgl. Beschluss vom 31. Juli 1985 – BVerwG 9 B 71.85 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 28 = NJW 1986, 3221). Diesen Vortrag lässt die Beschwerdebegründung vermissen. Zwar behauptet der Klägervertreter, wenn er “an der mündlichen Verhandlung hätte teilnehmen können, hätte er auf die Berücksichtigung der Klagebegründung vom 30. Januar 2004 hinwirken können”. Aber diese Behauptung ist kein substantiierter Vortrag, der die Verfahrensrüge begründen könnte. Ein solches Schreiben vom 30. Januar 2004, mit dem die Klage vom 28. April 2003 begründet worden wäre, ist in der Gerichtsakte nicht enthalten. Es findet sich vielmehr ein Schreiben des Gerichts vom 10. Dezember 2003, mit dem um Begründung der Klage innerhalb eines Monats gebeten wird, und ein Schreiben vom 15. Januar 2004, in dem festgestellt wird, dass eine Klagebegründung bislang bei Gericht nicht eingegangen ist. Außerdem enthält die Akte ein Schreiben des Klägervertreters vom 10. Februar 2004 mit dem um Verlängerung der mit Verfügung vom 15. Januar 2004 gesetzten Frist und um Akteneinsicht gebeten wird. Aus diesem Schreiben vom 10. Februar 2004 kann wohl kaum gefolgert werden, dass die Klagebegründung am 30. Januar 2004 bereits an das Gericht geschickt worden ist.
b) Ebenfalls fehl geht die Rüge, das Verwaltungsgericht habe das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG), verletzt, da es “von einem Schreiben des Finanzamtes Cottbus vom 21.02.03 ausgegangen ist, nach dem der Einheitswert für das Grundstück in Guben, Cottbuser Straße 15, auf den 01.01.50 auf DM 28.900 festgestellt worden und in dieser Höhe unverändert gültig sei”. Die Kläger hätten von der Existenz dieses Schreibens erstmals durch das angefochtene Urteil erfahren und das Verwaltungsgericht habe ebenfalls nicht mitgeteilt, dass es dieses Dokument seiner Entscheidung zugrunde legen werde. Eine (unzulässige) Überraschungsentscheidung liegt im vorliegenden Fall indessen nicht vor. Das setzte voraus, dass das Urteil auf neue Gesichtspunkte abstellte, mit denen ein verständiger Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen Verlaufs des Verfahrens nicht rechnen konnte und musste (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 28. Dezember 1999 – BVerwG 9 B 467.99 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51). Das erwähnte Schreiben des Finanzamtes Cottbus vom 21. Februar 2003 ist indessen keineswegs neu. Es befindet sich als Blatt 113 in der Akte F/I/H-836 des Ausgleichsamts Bremen. Nachdem der Klägervertreter mit Schreiben des Ausgleichsamts Bremen vom 28. Februar 2003 (Blatt 114 in der Akte F/I/H-836 des Ausgleichsamts Bremen) über den Inhalt des Schreibens des Finanzamtes Cottbus informiert wurde, ist nicht nachzuvollziehen, aus welchem Grunde es für die Kläger überraschend gewesen sein soll, dass das Verwaltungsgericht wie zuvor die Beschwerdestelle für den Lastenausgleich auf die Feststellungen des Finanzamtes zum Einheitswert des Grundstücks in Guben, Cottbuser Straße 15, abgestellt hat.
2. Auch die Voraussetzungen einer Grundsatzrevision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nämlich nur, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung dazu beitragen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Anhaltspunkte dafür, dass hier diese Voraussetzungen gegeben sein könnten, sind nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt, aber auch nicht ersichtlich. Zwar werden in der Beschwerdebegründung einzelne Fragen dargelegt, die grundsätzlich bedeutsam sein sollen. Die Beschwerdebegründung richtet diese Fragen jedoch auf den Tatbestand des vorliegenden Falles aus, statt eine konkrete klärungsbedürftige Fragestellung mit übergeordneter Bedeutung herauszuarbeiten. Damit beschränkt sie sich letztlich darauf, die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts anzugreifen und grundsätzliche Bedeutung zu behaupten. Mit bloßen Angriffen gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanz kann jedoch die grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt werden. Das gilt selbst dann, wenn dazu verfassungsrechtliche Erwägungen angeführt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 1990 – BVerwG 5 B 94.89 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 282). Die Behauptung, die Kläger hätten entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts die volle Verfügungsmöglichkeit über den Grundbesitz gemäß § 349 Abs. 3 Satz 2 LAG nicht wiedererlangt und das sei eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die bislang nicht entschieden sei, genügt daher ebenso wenig den Darlegungserfordernissen wie die Behauptung, die Schadensausgleichsfiktion des § 349 Abs. 3 Satz 2 LAG sei verfassungswidrig. Die aufschiebende Bedingung, unter der die Rückgabe stand, begründet schon deshalb keinen Klärungsbedarf, weil die Erfüllung der Bedingung allein in der Entscheidung der Kläger steht. Davon abgesehen lässt die Beschwerdebegründung außer Acht, dass der Senat sich mit der Problematik und den mit Blick auf § 349 LAG beachtlichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits ausführlich in zahlreichen Entscheidungen auseinander gesetzt hat (vgl. etwa Urteil vom 18. Mai 2000 – BVerwG 3 C 9.99 – Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 8; im Anschluss an Urteile vom 22. Oktober 1998 – BVerwG 3 C 37.97 – BVerwGE 107, 294; 19. Juni 1997 – BVerwG 3 C 40.96 – Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 3; 19. Juni 1997 – BVerwG 3 C 10.97 – BVerwGE 105, 110; 6. Mai 1997 – BVerwG 3 C 38.96 – Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 2; 3. November 1994 – BVerwG 3 C 32.93 – Buchholz 427.6 § 20a BFG Nr. 2). Überdies hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 30. Oktober 2002 (1 BvL 13/96, 1 BvL 14/96 und 1 BvL 15/96) auf die von der Beschwerde erwähnten Vorlagen des Verwaltungsgerichts Osnabrück zum Lastenausgleichsgesetz festgestellt, dass die Regelung des § 349 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Satz 3 des Lastenausgleichsgesetzes in der Fassung vom 2. Juni 1993 mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Zur ordnungsgemäßen Darlegung aller in diesem Rahmen noch in einem Revisionsverfahren zu klärenden Rechtsfragen hätte namentlich eine Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung gehört (vgl. schon Beschluss vom 2. August 1960 – BVerwG 7 B 54.60 – DVBl 1960, 854). Daran fehlt es ebenfalls.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F. in Verbindung mit § 72 GKG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I 718).
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Dette
Fundstellen