Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 18. August 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 103 537 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin begehrt die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück, der früher ihrer Mutter gehörte. Diese verzichtete im Jahre 1975 auf ihren Miteigentumsanteil. Er wurde daraufhin in Volkseigentum überführt. Die Mutter der Klägerin verstarb 1979. Das Staatliche Notariat K. stellte einen Erbschein vom 16. November 1979 aus, nach dem die Mutter der Klägerin von deren Bruder Peter D. zu 2/3 und von dem weiteren Bruder Dr. Klaus D. zu 1/3 beerbt wurde.
Die Klage auf vermögensrechtliche Rückübertragung des Miteigentumsanteils an die Klägerin hat das Verwaltungsgericht unter anderem mit der Begründung abgewiesen, es lasse sich nicht feststellen, dass die Klägerin Erbin und damit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG Rechtsnachfolgerin nach ihrer Mutter sei, weil der bisher nicht eingezogene Erbschein nicht sie, sondern ihre Brüder als Erben nach ihrer Mutter ausweise. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, welche die Klägerin ihr beimisst.
a) Die Klägerin möchte zum einen die Frage geklärt wissen,
ob zum Nachweis der Stellung als Erbe und Rechtsnachfolger im Sinne des § 2 Abs. 1 VermG zwingend ein Erbschein erforderlich ist.
Diese Frage würde sich indes in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen und rechtfertigt deshalb nicht die Zulassung der Revision. Das Verwaltungsgericht hat den geltend gemachten Anspruch nicht daran scheitern lassen, dass die Klägerin mangels eines auf sie ausgestellten Erbscheins ihre Berechtigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG nicht nachgewiesen habe. Der Anspruch der Klägerin ist vielmehr daran gescheitert, dass ein bisher nicht eingezogener Erbschein vorliegt, der andere als die Klägerin als Erben ihrer Mutter ausweist. Im Revisionsverfahren würde sich deshalb nicht die Frage stellen, ob der Nachweis der Erbenstellung und damit der Berechtigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG auch auf andere Weise als durch einen Erbschein geführt werden kann. Es würde sich vielmehr nur die Frage stellen, ob das Vermögensamt und das Verwaltungsgericht wegen der Vermutungswirkung des Erbscheins nach § 2365 BGB die Rückübertragung eines Vermögenswerts an einen anderen als den ausgewiesenen Erben ablehnen darf. Diese Frage bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren mehr, weil das Bundesverwaltungsgericht sie in seiner Rechtsprechung bereits beantwortet hat. Danach darf von der Berechtigung des durch Erbschein als Erben Ausgewiesenen ausgegangen werden, solange dieser Erbschein nicht eingezogen ist (Beschluss vom 13. März 2001 – BVerwG 8 B 261.00 – VIZ 2001, 367).
Die von der Klägerin angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 10. Dezember 2004 – V ZR 120/04 – FamRZ 2005, 515, und vom 7. Juni 2005 – XI ZR 311/04 – NJW 2005, 2779) geben keinen Anlass, sich mit dieser Frage erneut zu befassen, weil sie nur die – hier nicht entscheidungserhebliche – Frage behandeln, ob eine Erbenstellung anders als durch Erbschein nachgewiesen werden kann. Sie betreffen mithin ebenfalls nicht die hier allein entscheidungserhebliche Frage, ob bei Vorliegen eines Erbscheins ein anderer als der dort ausgewiesene Erbe als Erbe angenommen werden kann.
b) Nicht klärungsfähig sind auch die weiteren von der Klägerin aufgeworfenen Fragen,
ob der in einem Erbschein ausgewiesene Erbe zwingend alleiniger Rechtsnachfolger im Sinne des § 2 Abs. 1 VermG ist,
ob die Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins die negative Vermutung umfasst, dass derjenige, der nicht im Erbschein als Erbe ausgewiesen ist, auch nicht Rechtsnachfolger im Sinne des § 2 Abs. 1 VermG ist.
Diese Fragen stellen sich nach dem festgestellten Sachverhalt hier nicht. Danach weist der Erbschein die beiden Brüder der Klägerin zu 2/3 bzw. zu 1/3 als Erben nach ihrer Mutter auf. Der Erbschein lässt daher nach seinem Inhalt keinen Raum für die Annahme, dass neben diesen beiden Erben weitere Erben als Rechtsnachfolger nach der geschädigten Mutter der Klägerin vorhanden sein könnten.
2. Das angefochtene Urteil leidet nicht an den Verfahrensmängeln, welche die Klägerin geltend macht.
a) Zu Unrecht rügt die Klägerin, das Verwaltungsgericht habe seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts aus § 86 Abs. 1 VwGO verletzt. Inwieweit das Verwaltungsgericht den Sachverhalt aufzuklären hat, richtet sich nach seiner materiellen Rechtsauffassung. Das Verwaltungsgericht ging hier davon aus, dass eine Berechtigung der Klägerin solange nicht festgestellt werden kann, als der entgegenstehende Erbschein nicht eingezogen ist. Von dieser Rechtsauffassung ausgehend, musste das Verwaltungsgericht nicht der Frage nachgehen, wie das Testament der Mutter der Klägerin auszulegen ist und ob sich aus diesem Testament eine Erbenstellung der Klägerin ergibt.
b) Das Verwaltungsgericht hat nicht den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Es hat keine Überraschungsentscheidung getroffen.
Eine gerichtliche Entscheidung stellt sich als Überraschungsurteil dar, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidungen macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit welcher insbesondere der unterlegene Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte. Das ist der Fall, wenn eine Entscheidung auf Gründe gestützt wird, die nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens oder des Verwaltungsprozesses waren, es sei denn, das Gericht hat durch entsprechende Hinweise oder auf andere geeignete Weise die Verfahrensbeteiligten auf die Entscheidungserheblichkeit des neues Gesichtspunkts hingewiesen.
Hier hatte bereits das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen in seinem Widerspruchsbescheid eine Berechtigung der Klägerin hinsichtlich des streitigen Miteigentumsanteils unter Hinweis darauf verneint, nicht sie, sondern ihre Brüder seien Erben nach ihrer Mutter. Der Beklagte hat dies in seiner Klageerwiderung aufgegriffen und in diesem Zusammenhang auf den erteilten Erbschein verwiesen. Schon deshalb musste die Klägerin ohne ausdrücklichen Hinweis des Verwaltungsgerichts damit rechnen, dass für das Verwaltungsgericht die Fragen erheblich werden würden, ob sie Erbin und damit Rechtsnachfolgerin nach ihrer Mutter ist und welche Bedeutung in diesem Zusammenhang dem vorliegenden Erbschein zukommt. Sie musste sich auch ohne besonderen Hinweis des Verwaltungsgerichts in ihrem Vortrag auf diese Fragen einstellen.
Auf die weiteren Rügen der Klägerin braucht der Senat nicht einzugehen. Sie betreffen die Hilfserwägungen, auf die das Verwaltungsgericht sich ergänzend gestützt hat, auf die es aber nicht ankommt, weil bereits die in erster Linie tragende Begründung nicht mit durchgreifenden Revisionsrügen angegriffen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Weil die Klägerin nur die Rückübertragung eines Miteigentumsanteils begehrt, waren als Streitwert drei Viertel des Verkehrswerts des Grundstücks anzusetzen, den das Verwaltungsgericht mit 138 048,80 EUR ermittelt hat. Nach dem Inhalt der Beschwerdebegründung war nur noch die Rückübertragung dieses Miteigentumsanteils Gegenstand des Rechtsmittels. Ihr weitergehendes Begehren erster Instanz hat die Klägerin hingegen nicht mehr verfolgt.
Unterschriften
Sailer, Herbert, Neumann
Fundstellen