Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Urteil vom 12.04.2010; Aktenzeichen 3 Bf 370/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. April 2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Eine solche Frage mit Grundsatzbedeutung lässt sich – gemessen an dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO – der Beschwerdebegründung nicht entnehmen. Diese wendet sich über weite Strecken im Stil einer bereits zugelassenen Revision gegen die Studiengebühr, die die Beklagte auf der Grundlage des § 6b des Hamburgischen Hochschulgesetzes in der Fassung vom 6. Juli 2006 – HmbHG 2006 – (HmbGVBl S. 376) gegenüber dem Kläger für das Sommersemester 2007 festgesetzt hat. Soweit die Beschwerde Fragen als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet, kommt ihnen diese Eigenschaft unabhängig davon nicht zu, dass die landesgesetzlichen Regelungen für die Erhebung allgemeiner Studiengebühren durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Hochschulgesetzes vom 23. September 2008 – HmbHG 2008 – (HmbGVBl S. 335) grundlegend geändert worden sind.
Rz. 3
a) Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig zunächst die folgende Frage: “Verstößt die Erhebung allgemeiner Studiengebühren nach dem Hamburger Studiengebührengesetz vom 6. Juli 2006 gegen das Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG, da es den Belangen einkommensschwacher Studierender nicht angemessen Rechnung trägt und damit die Wahrung gleicher Bildungschancen nicht gewährleistet?” Mit dieser Frage wird keine klärungsbedürftige Problematik des revisiblen Rechts aufgezeigt.
Rz. 4
Die in der Beschwerdebegründung dargelegte Auffassung des Klägers, die durch Landesrecht geregelte Erhebung allgemeiner Studiengebühren sei mit den bezeichneten grundrechtlichen Gewährleistungen nicht vereinbar, verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Anwendung irrevisiblen Landesrechts vermag eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nur dann zu begründen, wenn die Auslegung der – als korrigierender Maßstab angeführten – bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Dem hieran auszurichtenden Darlegungserfordernis wird nicht schon dadurch genügt, dass die maßgeblichen Vorschriften des irrevisiblen Landesrechts als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen werden. Vielmehr ist im Einzelnen darzulegen, gegen welche Verfassungsnormen verstoßen wird und inwiefern sich bei deren Auslegung Fragen grundsätzlicher Bedeutung stellen, die sich noch nicht auf der Grundlage bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung beantworten lassen (vgl. aus der Rechtsprechung des Senats zum Hochschulrecht etwa: Beschlüsse vom 17. August 2009 – BVerwG 6 B 9.09 – Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 166 Rn. 4 und vom 21. Dezember 2009 – BVerwG 6 B 34.09 – juris Rn. 5). Bereits diesen Maßgaben wird die Beschwerde mit der aufgeworfenen Frage nicht gerecht.
Rz. 5
Im Übrigen sind die Maßstäbe, an denen sich die Erhebung allgemeiner Studiengebühren nach den von dem Kläger genannten Grundrechten auszurichten hat, in der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 29. April 2009 – BVerwG 6 C 16.08 – BVerwGE 134, 1 = Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 165 Rn. 18 ff., 39 ff. und vom 15. Dezember 2010 – BVerwG 6 C 10.09 – UA Rn. 19 ff., 29 ff.) geklärt. Das Recht auf Teilhabe an den staatlichen Ausbildungsressourcen, das aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und dem in Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG statuierten Sozialstaatsprinzip ableitbar ist, fordert danach nicht, dass Erschwernisse, die mit der Erhebung von Studiengebühren verbunden sind, stets vollständig oder weitestgehend durch soziale Begleitmaßnahmen kompensiert werden. Es muss allerdings hinreichend sicher verhindert werden, dass die Abgabenerhebung zu unüberwindlichen sozialen Barrieren für die Aufnahme bzw. Weiterführung eines Studiums oder zu einer sozialen Unverträglichkeit führt. Ein rechtliches Instrument zur Sicherung der Sozialverträglichkeit von Studiengebühren stellt neben anderen der gesetzlich garantierte Anspruch auf ein Studienabgabendarlehen dar. Die Zinsbelastung, die sich bei Inanspruchnahme des Darlehens ergibt, ist vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG gerechtfertigt, wenn sie Darlehensanforderungen aus sachfremden Gründen vorbeugt und den Vorteil ausgleicht, der darin besteht, dass sich die aus der Abgabepflicht folgende finanzielle Belastung nicht sofort bei ihrem Entstehen während des Studiums, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt unter der Voraussetzung einer hinreichenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Betroffenen realisiert. Mit Art. 12 Abs. 1 GG in seiner Funktion als Freiheits- bzw. Abwehrrecht sind allgemeine Studienabgaben nach den für Berufsausübungsregelungen maßgeblichen Grundsätzen vereinbar, wenn sie geeignet, erforderlich und angemessen sind, die Leistungsfähigkeit und Effizienz der Hochschullehre zu fördern.
Rz. 6
Von diesen Grundsätzen hat sich das Oberverwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil leiten lassen. Aus den Angriffen, die die Beschwerde gegen die Gründe der vorinstanzlichen Entscheidung richtet, ergibt sich nicht, dass ein Revisionsverfahren zu einer weiteren Klärung der aus den genannten Grundrechten ableitbaren allgemeinen Anforderungen für die Erhebung von Studienabgaben führen könnte.
Rz. 7
b) Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig ferner die folgende Frage: “Verstößt die Erhebung allgemeiner Studiengebühren nach dem Hamburger Studiengebührengesetz vom 6. Juli 2006 bei bereits vor Gesetzeseinführung immatrikulierten Studierenden gegen den Vertrauensschutzgrundsatz aus Art. 20 Abs. 3 GG, da darin keine ausreichenden Übergangsregelungen enthalten sind?” Dies konkretisierend fragt sie: “Wie lang muss eine Übergangsregelung bei Einführung allgemeiner Studiengebühren für die bereits immatrikulierten Studierenden, die ihr Studium nicht innerhalb der Zeit bis zur erstmaligen Erhebung allgemeiner Studiengebühren abschließen können, eine Gebührenbefreiung vorsehen?” Auch aus diesen Fragestellungen ergibt sich keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
Rz. 8
Die bloße Frage nach der Vereinbarkeit der landesrechtlichen allgemeinen Studiengebühren mit dem verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzgrundsatz verfehlt wiederum bereits die oben beschriebenen Darlegungserfordernisse. Hieran ändert auch die Berücksichtigung der weiteren Ausführungen der Beschwerde nichts, mit denen sie geltend macht, es sei bisher höchstrichterlich nicht geklärt, “ob und inwieweit sich das aus dem Grundgesetz ergebende Prinzip des Vertrauensschutzes auf die Einführung von allgemeinen Studiengebühren auswirkt auf bereits vor der Einführung immatrikulierte Studierende.” Eine derart weit gefasste Fragestellung ist in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig.
Rz. 9
Unabhängig davon ist in der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 15. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 31 ff.) geklärt, dass die Anwendung der in den letzten Jahren in verschiedenen Ländern eingeführten allgemeinen Studienabgabenregelungen auf Studierende, die zum Stichtag bereits immatrikuliert waren, an den Anforderungen zu messen ist, denen eine sog. unechte Rückwirkung von Normen genügen muss. Eine solche unechte Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Etwas anderes gilt unter Berücksichtigung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit nur dann, wenn die Betroffenen auf den Fortbestand der bisherigen Regelung vertrauen durften und dieses Vertrauen schutzwürdiger ist als die mit den neuen gesetzlichen Bestimmungen verfolgten Anliegen; um die Grenzen der Zumutbarkeit zu wahren, muss der Gesetzgeber gegebenenfalls geeignete Übergangsregelungen vorsehen, wobei ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht. Hiernach konnte ein schutzwürdiges Vertrauen der Studierenden auf die unveränderte Fortgeltung der prinzipiellen Abgabenfreiheit des Studiums nicht entstehen. Denn das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Normenkontrollverfahren, das am Anfang des Jahres 2003 unter anderem von der Freien und Hansestadt Hamburg anhängig gemacht worden war, mit Urteil vom 26. Januar 2005 – 2 BvF 1/03 – (BVerfGE 112, 226) die durch Art. 1 Nr. 3 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes vom 8. August 2002 (BGBl I S. 3138) eingeführte Vorschrift des § 27 Abs. 4 HRG über die Gebührenfreiheit eines grundständigen Studiums für nichtig erklärt. Diese Bestimmung gehörte ihrerseits in den Rahmen einer bereits seit mehreren Jahren zuvor geführten politischen Auseinandersetzung über allgemeine Studiengebühren. Vor diesem Hintergrund konnte sich ein rechtlich beachtliches Vertrauen der Studierenden von vornherein nur darauf beziehen, dass eine etwaige gesetzliche Neuregelung ihnen die Fortsetzung des Studiums nicht finanziell unmöglich machen und sie nicht unvermittelt und übergangslos mit der Gebührenerhebung konfrontieren werde. Hieran änderten auch die sog. Bildungsguthaben nichts, die im Rahmen von zuvor geltenden landesrechtlichen Langzeitstudiengebührensystemen eingerichtet worden waren, weil diese nur eine Rechengröße zur Bestimmung des Beginns der Langzeitstudiengebührenpflicht darstellten und einen stärkeren Vertrauensschutz nicht begründen konnten.
Rz. 10
Diese Grundsätze finden in den Gründen der oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidung ihren Niederschlag. Die Vorinstanz hat ausdrücklich darauf abgehoben, dass die umstrittene gesetzliche Neuregelung für die bei Inkrafttreten bereits eingeschriebenen Studierenden in § 129a HmbHG 2006 eine Übergangsfrist von einem Dreivierteljahr bis zum Ende des Wintersemesters 2006/2007 vorsah und im Übrigen – in Gestalt des Anspruchs auf ein Studiendarlehen nach § 6c HmbHG 2006 – ausreichende Schutzvorkehrungen traf, die auch unabhängig von einer Anwendung der Härtefallvorschrift des § 6b Abs. 4 HmbHG 2006 sicherstellten, dass (auch) diese Studierenden nicht zur Aufgabe ihres Studiums aufgrund fehlender finanzieller Mittel gezwungen waren. Soweit die Beschwerde die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts für unzureichend hält, wird ein weitergehender grundsätzlicher Klärungsbedarf in Bezug auf die bundesverfassungsrechtlichen Maßstäbe des Vertrauensschutzes nicht ersichtlich. Dies gilt auch für die konkretisierend aufgeworfene Frage nach der durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes gebotenen Länge einer Übergangsregelung bei Einführung allgemeiner Studienabgaben. Denn es liegt auf der Hand und bedarf nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass maßgeblich hierfür auch die Schutzvorkehrungen sind, die das Regelungssystem der Abgabenerhebung im Übrigen vorsieht, so dass sich eine allgemein anzuwendende Grenzziehung verbietet.
Rz. 11
c) Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam weiter die Frage auf, “ob Gremienmitglieder (im Sinne studentischer Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane der Hochschule oder der Studierendenschaften) für eine bis zum Wintersemester 2006/2007 ausgeübte Tätigkeit sich nicht auf einen gesteigerten Vertrauensschutz berufen können”. Dies rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Grundsatzrevision.
Rz. 12
Die gestellte Frage ist ihrem Sinn nach wiederum auf die – allein als solche nicht grundsätzlich bedeutsame – Verfassungskonformität der landesrechtlichen Studiengebühren gerichtet. Abgesehen davon hat der Senat (Urteil vom 15. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 43) bereits geklärt, dass der verfassungsrechtliche Vertrauensschutzgrundsatz grundsätzlich keine besonderen Übergangsvorschriften für Studierende fordert, die unter der Geltung eines durch allgemeine Studiengebühren abgelösten Regelungssystems von Langzeitstudiengebühren, das Gebührenbefreiungen für die Mitarbeit in der universitären Selbstverwaltung vorsah, derartige Funktionen wahrgenommen haben. Denn einem nach der alten Rechtslage begründeten Vertrauen auf eine pauschale Kompensation für die geleistete Gremienarbeit konnte, wenn das Vertrauen auf eine Beibehaltung der bisherigen Rechtslage insgesamt nicht geschützt war, kein gleichsam systemübergreifender Schutz bei der Einführung von allgemeinen Studiengebühren zukommen.
Rz. 13
d) Eine grundsätzlich klärungsbedürftige Problematik sieht die Beschwerde schließlich zu Unrecht darin, “ob aufgrund des Rechts auf Selbstverwaltung nach § 41 Abs. 2 Satz 1 HRG gebildete Fachschaftsräte als Organe der Studentenschaft im Sinne von § 41 Abs. 3 HRG anzusehen sind und daher das Benachteiligungsverbot nach § 37 Abs. 3 HRG auch für Mitglieder von Fachschaftsräten gilt oder nur für die Mitglieder der landesgesetzlich ausdrücklich und zwingend als Organe der Studierendenschaft vorgesehenen Organe (Studierendenparlament und Allgemeiner Studierendenausschuss nach § 102 Abs. 3 HmbHG)” bzw. “ob Art. 3 Abs. 1 GG eine Auslegung in dem Sinne erfordert, dass die Tätigkeit im Fachschaftsrat bei der Erhebung von Studiengebühren zu Gunsten der Studierenden zu berücksichtigen ist”.
Rz. 14
Die derart umschriebenen Fragen haben keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie nicht entscheidungserheblich sind. Denn der Kläger war nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts in dem hier relevanten Zeitraum nicht Mitglied eines Fachschaftsrats. Er gehörte vielmehr dem Studierendenparlament der Beklagten an. Im Hinblick auf diese Funktion des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Neubescheidung des Antrags auf Erlass der Studiengebühr für das Sommersemester 2007 verpflichtet.
Rz. 15
2. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Neumann, Dr. Bier, Dr. Möller
Fundstellen