Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Aktenzeichen 26 B 99.3606) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für ein zweigeschossiges Einfamilienhaus mit Garage für ein Grundstück, das nach seiner Auffassung in einem nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilenden Gebiet, nach Auffassung der Beklagten hingegen im Außenbereich liegt. Klage und Berufung hatten keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
II.
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
Die Beschwerde hält die Frage, „ob ein als ‚Sommerhaus’ genehmigtes Gebäude, das durch ein der ‚ankommenden’ Bebauung entsprechendes Gebäude ersetzt werden soll, eine vorhandene Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB darstellt”, für grundsätzlich bedeutsam und meint, die vorhandene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei fortentwicklungsbedürftig.
Diese Frage ist nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise zu klären, weil sie sich allein nach den konkreten Umständen des jeweiligen Falles beantworten lässt. Die somit erforderliche tatrichterliche Einzelfallwürdigung lässt sich nicht mit dem Einwand überwinden, die vorhandene höchstrichterliche Rechtsprechung bedürfe der Fortentwicklung. Auch die von der Beschwerde aufgeworfene Frage lässt sich auf der Grundlage der bisherigen Senatsrechtsprechung unschwer in der Weise beantworten, wie es das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Entscheidungen des beschließenden Senats vom 2. März 2000 – BVerwG 4 B 15.00 – (ZfBR 2000, 428 = BauR 2000, 130) und vom 10. Juli 2000 – BVerwG 4 B 39.00 – (RdL 2000, 258 = ZfBR 2001, 59) getan hat.
Hiernach setzt die Anwendung des § 34 Abs. 1 BauGB das Vorhandensein eines Bebauungszusammenhangs voraus. Unter den Begriff der Bebauung im Sinne dieser Vorschrift fällt nicht jede beliebige bauliche Anlage. Gemeint sind vielmehr Bauwerke, die für die angemessene Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung maßstabsbildend sind. Dies trifft ausschließlich für Anlagen zu, die optisch wahrnehmbar und nach Art und Gewicht geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten städtebaulichen Charakter zu prägen (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. September 1992 – BVerwG 4 C 15.90 – und vom 17. Juni 1993 – BVerwG 4 C 17.91 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nrn. 152 und 158). Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1984 – BVerwG 4 C 55.81 – Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 97). Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt zu werden pflegen, sind unabhängig davon, ob sie landwirtschaftlichen Zwecken (z.B. Scheunen oder Ställe), Freizeitzwecken (z.B. kleine Wochenendhäuser, Gartenhäuser) oder sonstigen Zwecken dienen, in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen als ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element zu Buche schlagen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. März 1992 – BVerwG 4 B 35.92 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 149). Dass sie als bauliche Anlagen im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB zu qualifizieren sind, ändert nichts an dieser Beurteilung.
Für die Frage, ob ein Grundstück im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB bebaut ist, kommt es allein auf die vorhandene Anlage an; ob das geplante neue Gebäude der in der Umgebung vorhandenen Bebauung entsprechen würde, ist für diese Frage unerheblich. Erst wenn die Prüfung ergeben hat, dass die Anwendbarkeit des § 34 BauGB zu bejahen ist, weil das Baugrundstück zum unbeplanten Innenbereich gehört, wird die Frage, ob das neue Gebäude der vorhandenen Bebauung entspricht, bei der Prüfung des Merkmals des „Einfügens” rechtlich bedeutsam.
Zu einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil können allerdings auch Grundstücke gehören, auf denen sich nur bauliche Anlagen ohne maßstabbildende Kraft befinden; denn selbst unbebaute Flächen können einem Bebauungszusammenhang zuzurechnen sein. Maßgeblich ist, wie weit eine aufeinander folgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche selbst diesem Zusammenhang angehört (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. November 1968 – BVerwG 4 C 2.66 – BVerwGE 31, 20; vom 19. September 1986 – BVerwG 4 C 15.84 – BVerwGE 75, 34 und vom 14. November 1991 – BVerwG 4 C 1.91 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 336). Das ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben zu entscheiden. Vielmehr bedarf es einer umfassenden Wertung und Bewertung der konkreten Gegebenheiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1967 – BVerwG 4 C 94.66 – BVerwGE 28, 268; Beschlüsse vom 27. Mai 1988 – BVerwG 4 B 71.88 – Buchholz 406.11 § 34 BBauG/BauGB Nr. 127 und vom 1. April 1997 – BVerwG 4 B 11.97 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 328). Ein Bebauungszusammenhang scheidet z.B. auch bei einer Grundstückslage am Ortsrand nicht von vornherein aus. Zwar endet er in aller Regel am letzten Baukörper; örtliche Besonderheiten können es aber rechtfertigen, ihm noch bis zu einer natürlichen Grenze (z.B. Fluss, Waldrand o.ä.) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind und trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1990 – BVerwG 4 C 40.87 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 138; Beschlüsse vom 18. Juni 1997 – BVerwG 4 B 238.96 – und vom 20. August 1998 – BVerwG 4 B 79.98 – NVwZ-RR 1998, 157 und 1999, 105 = Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nrn. 186 und 191).
An dieser Rechtsprechung hat sich das Berufungsgericht orientiert.
Die von der Beschwerde darüber hinaus formulierten Fragen greifen individuelle Besonderheiten der von der Vorinstanz festgestellten tatsächlichen Verhältnisse heraus, die angesichts ihrer Singularität nicht verallgemeinerungsfähig und daher einer grundsätzlichen Klärung mit Bedeutung für eine Vielzahl von Fällen nicht zugänglich sind.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 14 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Berkemann, Lemmel, Heeren
Fundstellen
BauR 2002, 277 |
ZfBR 2002, 69 |
BRS 2002, 380 |
GV/RP 2003, 12 |
BRS-ID 2002, 1 |
FuBW 2002, 721 |
FuHe 2002, 730 |