Tenor
Dem Antragsgegner wird es bis auf weiteres untersagt, im Bereich des Naturschutzgebietes „Wakenitzniederung und Herrnburger Binnendüne” Bauarbeiten und bauvorbereitende Maßnahmen im unmittelbaren und mittelbaren Zusammenhang mit dem geplanten Bau der Ostseeautobahn A 20 durchzuführen oder durch Dritte durchführen zu lassen bzw. zu dulden. Hierin eingeschlossen ist insbesondere, Munition und Bodendenkmäler zu bergen, Bohr- und Sondierungsmaßnahmen durchzuführen, Bäume zu fällen, Trockenrasen zu beschädigen, sich zum Zwecke der vorgenannten Maßnahmen mit Maschinen und Geräten, z.B. schweren LKW und Baugerät, außerhalb befestigter Wege innerhalb des Naturschutzgebietes aufzuhalten.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Anordnungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Anordnungsverfahren auf 10 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Antragsgegner stellte mit Beschluss vom 2. Februar 2001 den Plan für den Neubau der Bundesautobahn A 20 von der Landesgrenze Schleswig-Holstein bis zur Anschlusstelle Schönberg fest. Der Antragsteller ging hiergegen im Klagewege vor (BVerwG 4 A 20.01). Der Antragsgegner brachte am 23. Mai 2001 unter Hinweis darauf, dass das Recht des Landes Mecklenburg-Vorpommern die Verbandsklage nicht kenne, schriftsätzlich zum Ausdruck, dass er die Klage für unzulässig halte. „Im Übrigen” erklärte er „in Ergänzung der Ziffer 2.1 des Planfeststellungsbeschlusses verbindlich, dass mit dem Bau der Trasse der A 20 in Mecklenburg-Vorpommern nur bei Vorliegen eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses in Schleswig-Holstein zum Abschnitt Wakenitz-Querung begonnen wird”. Das gerichtliche Verfahren wurde eingestellt, nachdem die Beteiligten übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben hatten (Beschluss vom 23. Juli 2001).
Mit Schreiben vom 30. Juli 2001 teilte der Antragsgegner mit, dass er im Bereich der geplanten Autobahntrasse Maßnahmen durchzuführen beabsichtige, die der Vermessung, der Bergung von Bodendenkmalen und von Weltkriegsmunition sowie der Baugrunduntersuchung dienten. Er äußerte die Überzeugung, mit diesen Arbeiten nicht den Baumaßnahmen vorzugreifen, die den Gegenstand der Erklärung vom 23. Mai 2001 bildeten. In Befolgung der Ankündigung vom 30. Juli 2001 ließ der Antragsgegner in der Nachbarschaft der Wakenitz Bäume fällen bzw. zurückschneiden und Bohlenwege herstellen.
Der Antragsteller hat am 2. August 2001 eine Unterlassungsklage erhoben. Gleichzeitig hat er beantragt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung die im Tenor bezeichneten Maßnahmen zu untersagen. Der Antragsgegner ist dem Antrag mit der Bemerkung entgegengetreten, die Arbeiten, die demnächst fortgesetzt werden sollten, liefen der von ihm eingegangenen Stillhalteverpflichtung nicht zuwider.
Entscheidungsgründe
II.
1. Das Bundesverwaltungsgericht ist als Gericht der Hauptsache nach § 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung zuständig. Es entscheidet nach § 5 Abs. 1 VerkPBG im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren für Vorhaben nach § 1 VerkPBG betreffen. Die vom Antragsteller erhobene Klage richtet sich freilich nicht unmittelbar gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 2. Februar 2001 für den Neubau der Bundesautobahn A 20 von der Landesgrenze Schleswig-Holstein bis zur Anschlusstelle Schönberg, der die Merkmale eines Vorhabens im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 VerkPBG erfüllt. Sie weist indes einen engen Bezug zu dem Planfeststellungsverfahren für diesen Autobahnabschnitt auf. Sie zielt darauf ab, dass Maßnahmen unterbleiben, die in einem unlösbaren Zusammenhang mit der Planfeststellung stehen. Der Sinn der Zuständigkeitsregelung des § 5 Abs. 1 VerkPBG ist es, durch eine Verkürzung des Verwaltungsgerichtsverfahrens den Ausbau der Verkehrswege in den neuen Ländern zu beschleunigen und durch die Beschränkung auf eine Instanz divergierende Entscheidungen zu vermeiden. Dieser Zweckrichtung entspricht es, alle Rechtsstreitigkeiten um Maßnahmen, die der Durchführung eines der in § 1 VerkPBG aufgeführten Vorhaben dienen, beim Bundesverwaltungsgericht zu konzentrieren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. Juli 1993 – BVerwG 7 ER 308.93 – Buchholz 407.3 VerkPBG Nr. 4 sowie Beschlüsse vom 13. Oktober 1994 – BVerwG 7 VR 10.94 – und vom 18. Mai 2000 – BVerwG 11 A 6.99 – Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nrn. 5 und 11). Hierzu zählen jedenfalls Maßnahmen, die sich, wie hier, – das Vorbringen des Antragstellers insoweit als zutreffend unterstellt – als erste Schritte zur Verwirklichung eines planfestgestellten Vorhabens qualifizieren lassen.
2. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Er beruft sich insoweit auf die Erklärung, die der Antragsgegner im Rahmen der inzwischen erledigten Verwaltungsstreitsache BVerwG 4 A 20.01 ihm gegenüber abgegeben hat. Es spricht Überwiegendes dafür, dass ihm der hieraus abgeleitete Unterlassungsanspruch zusteht. Der Antragsgegner hat nämlich seinerzeit im Schriftsatz vom 23. Mai 2001 „in Ergänzung der Ziffer 2.1 des Planfeststellungsbeschlusses verbindlich (erklärt), dass mit dem Bau der Trasse der A 20 in Mecklenburg-Vorpommern nur bei Vorliegen eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses in Schleswig-Holstein zum Abschnitt Wakenitz-Querung begonnen wird”. An dieser Erklärung muss er sich festhalten lassen. Freilich weist seine Äußerung nicht die Merkmale einer Zusicherung im Sinne des § 38 Abs. 1 VwVfG auf, denn sie ist nicht darauf gerichtet, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Indes kann eine Behörde auch ein sonstiges künftiges Tun oder Unterlassen zusagen. Eine solche Zusage ist außerhalb des Anwendungsbereichs des § 38 VwVfG zulässig. Sie ist geeignet, Rechtswirkungen zu erzeugen, wenn sie mit Bindungswillen und mit Verbindlichkeitsanspruch ausgestattet ist. Davon ist auszugehen, wenn die Behörde gegenüber dem Adressaten unzweifelhaft den Willen zum Ausdruck bringt, eine bestimmte Handlung später vorzunehmen oder zu unterlassen (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. September 1996 – BVerwG 2 C 39.95 – BVerwGE 102, 81 und vom 22. Januar 1998 – BVerwG 2 C 8.97 – BVerwGE 106, 129). Die Erklärung, die der Antragsgegner im Schriftsatz vom 23. Mai 2001 in Anknüpfung an die bereits im Planfeststellungsbeschluss vom 2. Februar 2001 getroffene Regelung abgegeben hat, weist eine derartige Bindungswirkung auf. Denn sie wird ausdrücklich als „verbindlich” gekennzeichnet.
3. Es besteht begründeter Anlass zu der Annahme, dass der Antragsgegner der Ankündigung, mit dem Bau der Trasse der A 20 in Mecklenburg-Vorpommern nur bei Vorliegen eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses in Schleswig-Holstein zum Abschnitt der Wakenitz-Querung zu beginnen, mit den in der Antragsschrift bezeichneten Arbeiten zuwider handelt.
Der Senat hat noch nicht über die Klagen entschieden, die den schleswig-holsteinischen Teil der Bundesautobahn A 20 betreffen. Gleichwohl hat der Antragsgegner im Bereich der auf mecklenburgischem Gebiet geplanten Trasse Maßnahmen ergriffen, die nach seinen Angaben Zwecken der Vermessung, der Bergung von Bodendenkmalen und Weltkriegsmunition sowie der Baugrunduntersuchung dienen. Er behauptet selbst nicht, dass diese Arbeiten keinen Zusammenhang mit dem Autobahnneubauvorhaben aufweisen. Selbst soweit es um die Bergung von Bodendenkmalen und von Weltkriegsmunition geht, macht er nicht geltend, dass diese Arbeiten zum jetzigen Zeitpunkt am besagten Ort auch dann ausgeführt werden würden, wenn der Planfeststellungsbeschluss vom 2. Februar 2001 nicht erlassen worden wäre. Seine Angaben zu den mit den Maßnahmen verfolgten Zielen variieren allerdings. Zum Teil ist von „Vorbereitungsmaßnahmen” die Rede, die der Beschaffung von „Ausschreibungsunterlagen für das Projekt” dienen (Schriftsatz vom 30. Juli 2001). In anderem Zusammenhang taucht der Begriff der „Vorarbeiten im Sinne des § 16 a FStrG” auf (Schriftsatz vom 31. Juli 2001). Hiermit wiederum kontrastiert die Erklärung, die der zuständige Wirtschaftsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern laut DPA-Meldung in einem Gespräch am 28. Juli 2001 abgegeben hat. Nach dieser Verlautbarung „soll mit Bauvorbereitungen für den Lückenschluss des fehlenden Teilstücks der Ostseeautobahn an der Landesgrenze zu Schleswig-Holstein begonnen werden”. Der Minister weist darauf hin, dass die Gemeinde L. „den Antrag auf Stopp des Baus der Wakenitz-Querung an der A 20 zurückgenommen” hat. Aus dem Umstand, dass „für Mecklenburg-Vorpommern keine Baustoppverfahren mehr” anhängig sind, leitet er die Berechtigung ab, dass „im Baugebiet Munition und Baudenkmäler geborgen” sowie „im Rahmen der Vorbereitungen für den Bau der Wakenitz-Querung an der Landesgrenze u.a. auch Bäume in der Flussniederung gefällt” werden. In der DPA-Meldung wird der für den Autobahnbau zuständige Minister abschließend mit der Bemerkung zitiert: „Mit den Vorbereitungsmaßnahmen nutzen wir die Zeit, bis die gerichtlichen Entscheidungen vorliegen. Sobald wir können, fangen wir natürlich mit dem eigentlichen Autobahnbau an.” Unabhängig davon, wie die einzelnen Handlungen jeweils bezeichnet werden, lassen sich sämtliche Erklärungen des Antragsgegners auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Die Arbeiten, die ausgeführt werden sollen, sind für den Bau der Autobahn unverzichtbar. Sie sind Teil der Umsetzung des Planfeststellungsbeschlusses vom 2. Februar 2001. Werden sie nicht jetzt in Angriff genommen, so müssen sie zwangsläufig zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden, damit das Bauvorhaben ordnungsgemäß verwirklicht werden kann. Der Antragsgegner stellt überdies nicht in Abrede, dass sich die Maßnahmen von ihren Wirkungen her insofern nicht von dem „eigentlichen Autobahnbau” unterscheiden, als sie, wenn auch nur punktuell, mit erheblichen Veränderungen der natürlichen Geländeverhältnisse verbunden sind. Nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung des Antragstellers ist eine Fläche von zwei bis drei Hektar betroffen, die neben Wald auch Trockenrasen und Hochstaudenfluren umfasst. Werden bereits jetzt im Vorgriff auf künftige Baumaßnahmen in einem ökologisch sensiblen Bereich Bäume gefällt, Bohrungen niedergebracht und sonstige Erdarbeiten ausgeführt, so widerspricht dies – zumindest beim gegenwärtigen Erkenntnisstand – der Stillhalteverpflichtung, die der Antragsgegner mit seiner Erklärung vom 23. Mai 2001 eingegangen ist.
4. Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ohne eine einstweilige Anordnung besteht im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Gefahr, dass sein Unterlassungsanspruch vereitelt wird. Der Antragsgegner hat nicht nur in den Schriftsätzen vom 30. und vom 31. Juli 2001 in der Streitsache BVerwG 4 A 20.01, sondern auch im anhängigen Verfahren seinen Standpunkt bekräftigt, dass die Zusage vom 23. Mai 2001 der Durchführung der von ihm angekündigten Maßnahmen nicht entgegenstehe. Aus seinen Äußerungen vom 3. und vom 6. August 2001 erhellt, dass erst ein Teil der beabsichtigten Arbeiten ausgeführt worden ist. Nach seinen eigenen Bekundungen ist demnächst mit einer Fortführung „in das zugänglich gemachte Erdreich” zu rechnen. Vor dem Hintergrund dieser Erklärungen ist es dem Antragsteller nicht zumutbar, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Es ist davon auszugehen, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden, die sich nicht wieder ungeschehen machen lassen. Da der Antragsgegner nicht bereit ist, mit weiteren Maßnahmen bis zur Hauptsacheentscheidung zuzuwarten, droht ohne einstweilige Anordnung ein endgültiger Rechtsverlust. Der Antragsteller braucht die damit verbundenen Nachteile umso weniger hinzunehmen, als die Klageaussichten schon bei summarischer Prüfung als günstig einzuschätzen sind. Ist absehbar, dass er anderenfalls um den Klageerfolg gebracht wird, so kann ihm vorläufiger Rechtsschutz nicht vorenthalten werden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Januar 1999 – BVerwG 11 VR 8.98 – Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 26 und vom 13. August 1999 – BVerwG 2 VR 1.99 – BVerwGE 109, 258).
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 und § 20 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Berkemann, Lemmel, Halama
Fundstellen