Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 20.01.2004; Aktenzeichen 11 K 1432/02) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 20. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.
Die Klägerinnen beanspruchen als Rechtsnachfolger des am 10. November 1947 verstorbenen P.… A.… G.…, dessen verwaltungsrechtliche Rehabilitierung nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG). P.… A.… G.… war ehemals Eigentümer eines in O.… bei S.… gelegenen landwirtschaftlichen Betriebes mit diversen dazu gehörenden Grundstücken. Die Vermögenswerte wurden nach Maßgabe des SMAD-Befehls Nr. 124 sequestriert. Herrn P.… A.… G.… traf dabei der Vorwurf, NS-Aktivist gewesen zu sein. Unter Berufung auf den SMAD-Befehl Nr. 64 wurden die Vermögenswerte eingezogen. Am 18. September 1945 verhafteten die für den Kreis P.… zuständigen Organe des Volkskommissariats für innere Angelegenheiten der UDSSR (NKWD) P.… A.… G.… und brachten ihn in ein Sonderlager, wo er verstarb. Sein landwirtschaftlicher Betrieb ging samt den dazu gehörenden Grundstücken auf der Grundlage des Beschlusses der Deutschen Wirtschaftskommission vom 21. September 1948 in das Volkseigentum über. Mit Bescheid vom 17. Mai 1995 wurde P.… A.… G.… seitens der Militärstaatsanwaltschaft (W.… A.… Wolin) bei der Generalstaatsanwaltschaft der russischen Föderation “mit voller Wiederherstellung der Rechte” rehabilitiert.
Die Klägerinnen tragen zur Begründung ihres Anspruchs zusammengefasst im Wesentlichen vor, dass ihr Rechtsvorgänger das Opfer einer persönlichen politischen Verfolgung durch sowjetische und deutsche Behörden in der Zeit der sowjetischen Besatzung gewesen sei. Die Akte im Vollzug der Bodenreformverordnungen hätten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, vergleichbar mit der Einziehung jüdischen Vermögens dargestellt und allesamt gegen zwingendes Völkerrecht verstoßen. Sie seien innerstaatlich null und nichtig gewesen und dürften durch keinen zivilisierten Rechtsstaat für bestandskräftig erklärt werden. Vielmehr sei mit dem Beitritt der DDR die Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer Unterwerfung unter die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, den Internationalen Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte und nicht zuletzt unter die Europäische Menschenrechtskonvention verpflichtet, einen völker- und menschenrechtskonformen Zustand herzustellen. Dies erfordere die Rehabilitierung zur Beseitigung der noch immer andauernden Diskriminierung der Betroffenen und ihrer Angehörigen und die Rückgabe des seinerzeit geraubten Vermögens in seiner Gesamtheit. Dafür spreche insbesondere, dass es sich bei den Vermögenszugriffen nicht um entschädigungslose Enteignungen, sondern um strafrechtliche Vermögenseinziehungen gehandelt habe, für die Nr. 9 der Gemeinsamen Erklärung einschlägig sei. Auch das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 4. Juli 2003 ausgeführt, dass zwischen bloßen Vermögenszugriffen im Gewand einer Verwaltungsentscheidung und Vermögenszugriffen im Rahmen einer strafrechtlichen Verurteilung zu differenzieren sei. Da die Betroffenen nicht als Enteignungs- sondern als Verfolgungsopfer zu verstehen seien, folge daraus notwendig ein Rehabilitierungsanspruch. Auch die Organe der Bundesrepublik Deutschland würden sehr wohl erkennen, dass es sich bei den Vermögenszugriffen im Zusammenhang mit der Boden- und Industriereform um Sühnemaßnahmen für ein bestimmtes politisches Verhalten gehandelt habe, die nicht primär der Mehrung des Staatsvermögens dienten. Da aber die Rehabilitierung die Herausgabe des eingezogenen Vermögens zur Folge hätte, werde diese insgesamt verweigert, so dass die Betroffenen nach wie vor als Nazi- und Kriegsverbrecher gebrandmarkt seien. Die dementsprechend instruierten Gerichte – wie offensichtlich auch das Verwaltungsgericht Dresden – versuchten nun entgegen zwingendem nationalen Recht und Völkerrecht dem Fiskalinteresse des Staates zu entsprechen, indem sie die Rehabilitierungsgesetze für unanwendbar erklärten.
Die Voraussetzungen einer Divergenzrevision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind nicht gegeben. Eine die Revision eröffnende Divergenz liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in der angefochtenen Entscheidung eine Rechtsauffassung vertritt, die einem bestimmten, vom Bundesverwaltungsgericht, dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder dem Bundesverfassungsgericht aufgestellten Rechtssatz widerspricht. Eine derartige Abweichung wird in der Beschwerdeschrift nicht aufgezeigt. Zwar behauptet die Beschwerde eine Abweichung des angefochtenen Urteils von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juli 2003 (1 BvR 834/02). Dazu zitiert sie sinngemäß folgende Passage aus dem angefochtenen Urteil:
“Es kann hier dahinstehen, ob die Enteignungsmaßnahmen im Zuge der Bodenreform vor allem auf die politische Verfolgung der Betroffenen zielten und deshalb nicht vom VermG erfasst werden mit der Folge der Anwendbarkeit des § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG. Letztlich kommt es darauf nämlich entgegen der Auffassung des Klägers nicht entscheidend an. Sollte nämlich eine solche Enteignungsmaßnahme i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG vom VermG erfasst werden, würde seine Rückgabe an § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG scheitern.”
Anschließend gibt sie aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juli 2003 (1 BvR 834/02) folgende Auszüge wieder:
“Jedoch wird deren unterschiedliche Behandlung verfassungsrechtlich dadurch gerechtfertigt, dass Eingriffe in die Freiheitssphäre des Einzelnen, die sich in einer strafgerichtlichen Verurteilung niederschlagen, ihrem Wesen und ihrer Sanktionswirkung nach typischerweise schwerer wiegen als Eingriffe im Gewand einer Verwaltungsentscheidung (zum sozialethischen Unwerturteil strafgerichtlicher Verurteilungen; vgl. BVerfGE 101, 275 (287) m.w.N.).
…
Mit der Verhängung einer solchen Sanktion war in aller Regel ein erheblich größerer und damit auch erhöht rehabilitierungsbedürftiger Makel verbunden als mit einem Verwaltungszugriff auf das Eigentum, der vornehmlich vermögensrechtlich geprägt war. Es ist nicht sachwidrig und deshalb von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn derart massive und nicht in erster Linie auf die Vermögenssphäre der Betroffenen bezogene Eingriffe als so schwerwiegend angesehen werden, dass sie anders als Vermögensentziehungen durch deutsche Verwaltungsstellen als auch in vermögensmäßiger Hinsicht rehabilitierungswürdig und -bedürftig eingestuft werden.”
Insoweit ist schon nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an eine ordnungsgemäße Darlegung des Zulassungsgrundes genügt. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 1995 – BVerwG 8 B 61.95 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 18). Es ist nicht ersichtlich, hinsichtlich welchen Rechtssatzes die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts in den zitierten Teilen einander widersprechen sollten.
Davon abgesehen werden die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Zusammenhang gerissen und unvollständig wiedergegeben. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt nämlich die Auslegung der Ausschlussklausel des § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG durch den beschließenden Senat, auf die sich die angefochtene Entscheidung stützt, und erläutert an der zitierten Stelle lediglich, warum eine dadurch bedingte Schlechterstellung im Verhältnis zu Rechtsnachfolgern von Personen, die durch ein sowjetisches Militärtribunal neben einer Freiheitsstrafe zu einer Vermögenseinziehung als Nebenstrafe verurteilt wurden, mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist.
Die behauptete Grundsatzbedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO führt ebenfalls nicht auf die begehrte Revision. Zwar wird in der Beschwerdebegründung im Einzelnen dargelegt, dass die grundsätzlich bedeutsamen Fragen dergestalt seien, ob § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG ein Ausschlusstatbestand sein kann, wenn die zu beurteilende Maßnahme als politische Verfolgung und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzusehen sind und eine Rehabilitierung durch die Russische Militäradministration vorliegt.
Daraus ist sinngemäß zu entnehmen, dass es die Beschwerde im Wesentlichen für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob als rehabilitierungsfähige Maßnahme im Zusammenhang mit dem Vollzug der “Bodenreform” allein die Wegnahmeentscheidung in Betracht kommt oder ob zwischen der politischen Verfolgung des Betroffenen durch andere – namentlich strafrechtliche – Maßnahmen und der dieser Verfolgung dienenden Wegnahmeentscheidung zu differenzieren ist, ob diese politische Verfolgung Gegenstand der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung sein kann und ob – bejahendenfalls – eine solche Rehabilitierung Folgeansprüche gemäß § 2 Abs. 1, § 7 Abs. 1 VwRehaG wegen der Vermögensentziehung begründet.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache jedoch nur, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung dazu beitragen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Einer Rechtsfrage kommt nicht schon deshalb grundsätzliche Bedeutung zu, weil zu ihr noch keine ausdrückliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vorliegt; auch in einem solchen Fall fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit, wenn sich die Rechtsfrage durch Auslegung der maßgeblichen Rechtsvorschriften anhand der anerkannten Auslegungskriterien ohne weiteres beantworten lässt oder durch die bisherige Rechtsprechung als geklärt angesehen werden kann (Beschluss vom 31. Juli 1987 – BVerwG 5 B 49.87 – Buchholz 436.0 § 69 BSHG Nr. 14). Letzteres trifft auch dann zu, wenn die vorhandene höchstrichterliche Rechtsprechung ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage gibt (Beschluss vom 28. September 1995 – BVerwG 10 B 6.94 –). Ein solcher Fall ist hier gegeben.
In der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats ist geklärt, dass das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz keine Anwendung findet in Fällen, in denen die Rehabilitierung wegen des Verlustes von Eigentum im Zuge der so genannten Bodenreform begehrt wird (vgl. etwa Urteile vom 23. August 2001 – BVerwG 3 C 39.00 – VIZ 2002, 25 und vom 21. Februar 2002 – BVerwG 3 C 16.01 – BVerwGE 116, 42; Beschlüsse vom 11. April 2002 – BVerwG 3 B 16.01 –; vom 14. April 2003 – BVerwG 3 B 167.02 – und vom 17. Dezember 2003 – BVerwG 3 B 92.03 –). Damit sind die von der Beschwerde aufgeworfenen allgemeinen Fragen, die in den einzeln formulierten Fragen in unterschiedlicher Ausprägung aufgegriffen werden, höchstrichterlich geklärt, zumal die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wie oben im Zusammenhang mit der Divergensrüge bereits dargelegt wurde, durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt worden ist (Beschluss vom 4. Juli 2003 – BVerfG 1 BvR 834/02 –).
Zwar unterscheidet sich der vorliegende Fall von den früher durch den erkennenden Senat entschiedenen Fällen dadurch, dass der Rechtsvorgänger der Klägerinnen mit Bescheid vom 17. Mai 1995 seitens der Militärstaatsanwaltschaft (W.… A.… Wolin) bei der Generalstaatsanwaltschaft der russischen Föderation “mit voller Wiederherstellung der Rechte” rehabilitiert wurde. Dieser Umstand ändert aber nichts daran, dass die Enteignung auf besatzungsrechtlicher Grundlage erfolgte. Insoweit besteht kein Unterschied zu den bisher bereits entschiedenen Fällen, wie inzwischen auch durch die neuere Rechtsprechung des beschließenden Senats geklärt ist (Beschluss vom 11. August 2004 – BVerwG 3 B 12.04 –).
Auch das Vorbringen, dass es sich bei den Vermögenszugriffen nicht um entschädigungslose Enteignungen, sondern um strafrechtliche Vermögenseinziehungen gehandelt habe, rechtfertigt eine Zulassung der Revision nicht. Es mag sein, dass – wie der Kläger geltend macht – im Gegensatz zu dem dargelegten Anwendungsausschluss des verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes in Fällen einer strafrechtlichen Rehabilitierung auch der Vermögensverlust ausgeglichen werden kann. Ob die Voraussetzungen hier gegeben sind, kann im vorliegenden Verfahren indessen dahinstehen. Die strafrechtliche Rehabilitierung, in deren Rahmen ggf. über die Erstreckung der Rehabilitierung auf die Vermögenseinziehung zu entscheiden wäre (vgl. § 3 Abs. 2 StrRehaG i.V.m. § 1 Abs. 7 VermG), wäre nämlich im strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahren geltend zu machen. Auch im Falle einer Verurteilung durch ein Sowjetisches Militärtribunal zu einer Vermögenseinziehung ggf. neben einer Freiheitsstrafe können Rehabilitierungen den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 7 VermG eröffnen, sofern sich die Rehabilitierung auch auf die vermögensentziehende Maßnahme bezieht (vgl. BVerwGE 108, 315 ≪321 f.≫). Aber auch insoweit kann hier dahinstehen, ob diese Voraussetzungen vorliegen, da diese Fragen ebenfalls nicht im verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsverfahren zu entscheiden wären. In diesem Verfahren steht § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG einer Rehabilitierung hinsichtlich der besatzungshoheitlichen Maßnahme der Vermögensentziehung als solcher uneingeschränkt entgegen (Beschluss vom 11. August 2004 – BVerwG 3 B 12.04 –).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Dette
Fundstellen