Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 19.09.2007; Aktenzeichen 13 A 2541/04) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. September 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Aus den Darlegungen des Klägers ergibt sich weder der gerügte Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO noch die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
1. Der Kläger rügt eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs und damit einen Verfahrensfehler, weil das Berufungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 130a VwGO entschieden habe, obwohl der Rechtsstreit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht außergewöhnlich schwierig gewesen sei. Diese Rüge greift nicht durch.
Nach § 130a Satz 1 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht über die Berufung durch Beschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Grenzen des dem Berufungsgericht insoweit eingeräumten Ermessens sind weit gezogen. Das Bundesverwaltungsgericht kann die Entscheidung für die Durchführung des vereinfachten Berufungsverfahrens nur darauf überprüfen, ob das Oberverwaltungsgericht von seinem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. Beschluss vom 12. März 1999 – BVerwG 4 B 112.98 – Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 35 S. 5 m.w.N.; Beschluss vom 25. September 2003 – BVerwG 4 B 68.03 – NVwZ 2004, 108 ≪109≫; Beschluss vom 11. Dezember 2003 – BVerwG 6 B 60.03 – ZUM 2004, 408 ≪411≫, insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 442.066 § 43 TKG Nr. 3). Der Verzicht auf die mündliche Verhandlung ist nur zu beanstanden, wenn er auf sachfremden Erwägungen oder auf grober Fehleinschätzung beruht (vgl. Beschluss vom 3. Februar 1999 – BVerwG 4 B 4.99 – Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 33 S. 2; Beschluss vom 11. Dezember 2003 a.a.O.). Bezogen auf den – hier von dem Kläger geltend gemachten – Schwierigkeitsgrad der Sache überschreitet das Berufungsgericht die Grenzen des ihm durch § 130a Satz 1 VwGO eröffneten Ermessens nur dann, wenn es im vereinfachten Berufungsverfahren ohne mündliche Verhandlung entscheidet, obwohl die Sache außergewöhnlich große Schwierigkeiten aufweist (Urteil vom 30. Juni 2004 – BVerwG 6 C 28.03 – BVerwGE 121, 211 = Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 64).
Ein solcher Ermessensfehler ist hier nicht festzustellen. Der Kläger macht in erster Linie geltend, die Auslegung der Funktionsschutzklausel des § 19 Abs. 4 RettG NRW bereite besondere rechtliche Schwierigkeiten. Er trägt verschiedene Gründe dafür vor, warum die Ansicht des Berufungsgerichts unzutreffend sei, wonach die Anwendung der Funktionsschutzklausel nicht voraussetze, dass überhaupt ein funktionsfähiger Rettungsdienst vorliege. Damit sind keine außergewöhnlich großen Schwierigkeiten dieser Rechtssache aufgezeigt. Die sich für ein Gericht ergebende Notwendigkeit, eine einzelne Rechtsnorm nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik oder Sinn und Zweck auszulegen, begründet für sich genommen noch keine außergewöhnlich großen Schwierigkeiten einer Rechtssache. Außerdem ist hier zu berücksichtigen, dass das Berufungsgericht sich mit der Auslegung der landesrechtlichen Funktionsschutzklausel bereits in einer zuvor ergangenen Entscheidung im Einzelnen befasst und seine vormalige Rechtsprechung in Auseinandersetzung mit den wesentlichen Gegenargumenten geändert hatte (vgl. OVG Münster, Urteil vom 7. März 2007 – 13 A 3700/04 – DVBl 2007, 1503). Die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens sind mit dem Anhörungsschreiben nach § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf diese Rechtsprechung hingewiesen worden. Die Einwände des Klägers gegen diese Auslegung in der Antwort auf das Anhörungsschreiben bewegten sich im Rahmen der bereits berücksichtigten Gegenargumente (Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck der Norm). Die Ausführungen in dem angegriffenen Beschluss zur Auslegung der Funktionsschutzklausel stellen sich vor diesem Hintergrund als (bloße) Fortführung der neueren Rechtsprechung des Berufungsgerichts dar.
Die mit der Beschwerde erhobenen Einwände des Klägers gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene fallbezogene Prüfung einer Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem funktionsfähigen Rettungsdienst durch den Gebrauch der beantragten Genehmigung am Maßstab der Verträglichkeitsgrenze begründen ebenfalls nicht die Annahme, dass sich für das Berufungsgericht außergewöhnlich große rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten ergeben hätten. Die Einwände beschränken sich darauf, dem Berufungsgericht vorzuhalten, bestimmte tatsächliche Umstände übersehen oder nicht im Sinne des Klägers gewertet zu haben, und einzelne rechtliche Wertungen des Berufungsgerichts in Zweifel zu ziehen. Darauf kommt es in dem hier interessierenden Zusammenhang nicht entscheidend an. Ob das Berufungsgericht aus dem ihm unterbreiteten Sachverhalt die tatsächlich und rechtlich zutreffenden Schlüsse gezogen hat, besagt nichts Hinreichendes darüber, ob in der Rechtssache außergewöhnlich große Schwierigkeiten zu bewältigen waren, die das Absehen von dem Regelfall einer mündlichen Verhandlung als grobe Fehleinschätzung erscheinen lassen. Dafür kommt es vielmehr darauf an, ob sich etwa eine Vielzahl von ungewöhnlich schwierigen, umstrittenen oder neue Rechtsmaterien betreffende Rechtsfragen stellt oder ein besonders umfangreicher Streitstoff zu bewältigen ist (vgl. Urteil vom 30. Juni 2004 – BVerwG 6 C 28.03 – a.a.O. S. 217 f. bzw. S. 56). Das war hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat im Rahmen der Überprüfung der Prognoseentscheidung des Beklagten die tatsächlichen Grundlagen als zutreffend und umfassend ermittelt angesehen und musste keine Rechtsfragen von außergewöhnlich hohem Schwierigkeitsgrad entscheiden.
2. Der Rechtssache kommt ferner keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Der Kläger hält die Auslegung der Funktionsschutzklausel des § 19 Abs. 4 RettG NRW im Hinblick auf Art. 12 GG für grundsätzlich bedeutsam und formuliert verschiedene Fragen, die zum Teil die Rechtsansicht des Berufungsgerichts betreffen, wonach es auf das Vorhandensein eines funktionsfähigen Rettungsdienstes nicht ankomme, und zum Teil rechtliche und tatsächliche Einzelaspekte der Verträglichkeitsprüfung.
Damit ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache unbeschadet weiterer Gründe schon deshalb nicht aufgezeigt, weil die Auslegung des § 19 Abs. 4 RettG NRW irrevisibles Landesrecht betrifft, dessen Nachprüfung dem Revisionsgericht versagt ist (§ 137 Abs. 1 VwGO). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Anwendung und Auslegung von irrevisiblem Landesrecht eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der – gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten – bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (s. etwa Beschluss vom 8. November 2004 – BVerwG 3 B 36.04 – juris Rn. 5, insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 418.15 Rettungswesen Nr. 12; Beschluss vom 20. September 1995 – BVerwG 6 B 11.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 6 S. 8; Beschluss vom 15. Dezember 1989 – BVerwG 7 B 177.89 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 277). Dazu ist der Beschwerde nichts zu entnehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Kley, Liebler, Buchheister
Fundstellen