Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsfähige Kosten. zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Aufwendungen. Privatgutachten
Leitsatz (amtlich)
Die Einholung eines Privatgutachtens im Verwaltungsprozess ist nur – ausnahmsweise – dann als notwendig anzuerkennen, wenn die Partei mangels genügender eigener Sachkunde ihr Begehren tragende Behauptungen nur mit Hilfe des eingeholten Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann. Außerdem ist der jeweilige Verfahrensstand zu berücksichtigen: Die Prozesssituation muss das Gutachten herausfordern, und dessen Inhalt muss auf die Verfahrensförderung zugeschnitten sein.
Normenkette
VwGO § 162 Abs. 1
Tenor
Die Erinnerung der Kläger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
I.
Durch Urteil vom 11. November 1998 hat das Bundesverwaltungsgericht der Beklagten und der Beigeladenen je 1/8 der Kosten des Klageverfahrens BVerwG 11 A 13.97 mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten dieser Beteiligten auferlegt. Mit Schriftsatz vom 19. Juli 2000 haben die Kläger beantragt, u.a. Kosten in Höhe von 16 240 DM für ein von ihnen im Klageverfahren vorgelegtes Privatgutachten zu Wertminderungen der Grundstücke St.straße 9, 10 und 11 in Erfurt durch den Ausbau des entlang dieser Grundstücke verlaufenden Schienenweges der Beigeladenen anteilig in die Festsetzung der ihnen zu erstattenden Kosten einzubeziehen. Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. Oktober 2000 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die zu erstattenden Kosten festgesetzt, dabei jedoch die Kosten für das genannte Gutachten als nicht erstattungsfähig behandelt. Hiergegen haben die Kläger die Entscheidung des Gerichts beantragt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Erinnerung ist nach den §§ 165, 151, 147 VwGO zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Umfang und Höhe der den Klägern aufgrund des Urteils vom 11. November 1998 zu erstattenden Kosten ergeben sich ausschließlich aus § 162 VwGO. Aufwendungen für private, d.h. nicht vom Gericht bestellte Sachverständige sind nach Abs. 1 dieser Vorschrift nur dann erstattungsfähig, wenn diese Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nicht nach der subjektiven Auffassung der Kläger, sondern danach, wie eine verständige Partei, die bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Lage ihre Interessen wahrgenommen hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 2000 – BVerwG 11 KSt 2.99 – NJW 2000, S. 2832 f.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass in dem gemäß § 86 VwGO von der Untersuchungsmaxime beherrschten verwaltungsgerichtlichen Verfahren von Amts wegen der Sachverhalt zu erforschen und der Umfang der Beweisaufnahme zu bestimmen ist. In diesem Verfahren sind daher zwangsläufig der Erstattungsfähigkeit der Kosten für private Sachverständige engere Grenzen gesetzt als in dem von der Verhandlungsmaxime beherrschten Zivilprozess, so dass die dort entwickelten Grundsätze nicht ohne weiteres zu übernehmen sind. Die Einholung eines Privatgutachtens durch eine Partei ist hiernach nur – ausnahmsweise – dann als notwendig anzuerkennen, wenn die Partei mangels genügender eigener Sachkunde ihr Begehren tragende Behauptungen nur mit Hilfe des eingeholten Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann. Außerdem ist der jeweilige Verfahrensstand zu berücksichtigen: Die Prozesssituation muss das Gutachten herausfordern, und dessen Inhalt muss auf die Verfahrensförderung zugeschnitten sein (vgl. BayVGH, NVwZ-RR 1997, S. 499 f.; VGH Baden-Württemberg, NVwZ-RR 1998, S. 691 f.).
Nach diesem Maßstab war die Einholung des in Rede stehenden Gutachtens in der Prozesssituation nach dem Erörterungstermin vom 15. Juli 1998 und der darauf beruhenden Verfügung des Berichterstatters vom 16. Juli 1998 nicht notwendig. Wie sich aus jener Verfügung ergab, kam es dem Gericht beim damaligen Verfahrensstand im hier in Rede stehenden Zusammenhang nicht auf eine umfassende Ermittlung der auf allen drei Grundstücken eintretenden Wertminderungen durch das planfestgestellte Vorhaben an, sondern allein auf die Höhe des Ertragswerts der auf dem Grundstück St.straße 10 wegfallenden Stellplätze, den der Berichterstatter im von der Beigeladenen eingeholten Sachverständigengutachten der A. GmbH für substantiiert ermittelt hielt. In dieser Lage wäre es aus der Sicht einer verständigen, kostenbewussten Partei sachgerecht und ausreichend gewesen, die Ertragswertermittlung des Gutachtens A. für diese Stellplätze substantiiert anzugreifen und ihr – wenn möglich – andere Ausgangswerte oder ein anderes Berechnungsverfahren entgegenzusetzen. Hierfür hätte sich bei fehlender Sachkunde der Partei auch die Hinzuziehung eines privaten Sachverständigen angeboten, dessen Kosten je nach Ausgang des Verfahrens erstattungsfähig gewesen wären.
Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 20. August 1998 aus eigener Sachkunde die für die Zeit nach 2002 im Gutachten A. angenommene Stellplatzmiete von 20 DM/Monat auf 60 DM/Monat beziffert, was das Gericht im Urteil auch berücksichtigt hat. Sie haben ferner eingewandt, das Gutachten A. habe die zusätzliche Wertminderung für das Gesamtobjekt nicht berücksichtigt, was ausweislich jenes Gutachtens unzutreffend ist.
Das von ihnen darüber hinaus am 5. August 1998 in Auftrag gegebene und mit Schriftsatz vom 3. November 1998 noch vor der mündlichen Verhandlung dem Gericht vorgelegte Gutachten der Firma Oe. GmbH enthielt dagegen überhaupt keine Aussagen zur Höhe des Ertragswerts der Stellplätze, sondern lediglich zur Höhe ihres Sachwerts, der danach deutlich unter den Wertansätzen des Gutachtens A. lag. Auch die Berechnung eines zusätzlichen merkantilen Minderwerts der Grundstücke im Gutachten Oe. lag neben der Sache, weil sie allein die Minderung des „Gestaltungswerts” (Ansicht, Belichtung u. Ä.) durch das planfestgestellte Vorhaben, nicht aber die durch Wegfall der Stellplätze eintretende Wertminderung der Gebäude bezifferte. Zum Gutachten A. nahm das Gutachten Oe. nur mit der unsubstantiierten Bemerkung Stellung, die Ansätze des Büros A. seien „für die Beurteilung wenig hilfreich”. Zur Widerlegung jener Ansätze war diese Bemerkung offensichtlich ungeeignet. Deshalb ist der erkennende Senat in seinem Urteil vom 11. November 1998 davon ausgegangen, die Berechnungsweise des Büros A. sei nicht substantiiert bestritten. Hiernach war die Einholung des Gutachtens Oe. im vorliegenden Verfahren weder durch die Prozesssituation gefordert noch auf die Prozessförderung zugeschnitten, sondern aus der Sicht einer verständigen, kostenbewussten Partei schlicht überflüssig.
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, Vallendar
Fundstellen