Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Aktenzeichen 6 A 5132/96) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Juli 2001 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 6 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die mit ihr begehrte Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind nicht gegeben.
1. Die Berufungsentscheidung beruht nicht auf der geltend gemachten Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO). Bei der Prüfung, ob dem Tatsachengericht dieser Verfahrensverstoß unterlaufen ist, muss dessen materiellrechtliche Beurteilung zu Grunde gelegt werden (stRspr; vgl. z.B. Urteil vom 27. Mai 1982 – BVerwG 2 C 50.80 – NJW 1983, 187 ≪189≫ m.w.N.).
Ausgehend von seinem materiellrechtlichen Ansatz ist das Berufungsgericht bei Würdigung des Gutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. zu dem Ergebnis gelangt, dass der Dienstunfall des Klägers vom 9. Juni 1993 zwar eine Ursache im natürlich-logischen Sinn der gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei, dass es sich aber im Sinn des Dienstunfallrechts um keine wesentliche Ursache handle. Dem Dienstunfall komme vielmehr nur untergeordnete Bedeutung zu. Deshalb seien die vom Gutachten bezeichneten anderen Bedingungen bei natürlicher Betrachtungsweise die allein maßgebliche Ursache. Das Gericht stützt sich bei dieser rechtlichen Schlussfolgerung insbesondere auf die zusammenfassende Feststellung des Gutachtens Dr. K., dass die Somatisierungsstörung des Klägers auf dem Boden einer vorgegebenen eingeschränkten Kompensationsmöglichkeit für innere psychische Konflikte entstanden sei und seine anlagebedingte Neigung zur psychischen Reaktion mit Somatisierungsstörung den überwiegenden Anteil der schweren und chronischen Symptomatik bedinge. Die von der Beschwerde vorgebrachte, hieran anknüpfende Rüge mangelnder Sachaufklärung greift nicht.
Die Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens steht im Ermessen des Tatsachengerichts (stRspr; vgl. Beschluss vom 7. Juni 1995 – BVerwG 5 B 141.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 268 S. 14 m.w.N.). Eine Pflicht hierzu besteht nur dann, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung deshalb aufdrängen musste, weil entweder eine noch nicht hinreichend geklärte besonders schwierige oder umstrittene Fachfrage zu beantworten war oder weil das dem Gericht bereits vorliegende Gutachten offenkundig von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen ist, grobe, auch dem Nichtssachkundigen erkennbare, die verwaltungsgerichtliche Entscheidung beeinflussende Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, ferner wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unvoreingenommenheit des Gutachters besteht (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 13. August 1987 – BVerwG 7 B 53.87 – Buchholz 442.10 § 4 StVG Nr. 76 S. 9 und vom 7. Juni 1995, a.a.O. S. 14 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht dargetan.
Soweit die Beschwerde meint, das Oberverwaltungsgericht hätte den Gesundheitszustand des Klägers vor dem Unfall aufklären müssen, weil das Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. hierzu keine definitive Feststellung getroffen habe, verkennt sie, dass das Gutachten den Verkehrsunfall eindeutig als ein traumatisches Ereignis qualifiziert, das zur Manifestation eines beim Kläger bereits latent vorhandenen neurologischen Konflikts geführt habe. Diese gutachterliche Einschätzung lässt den Schluss des Berufungsgerichts zu, dass der Unfall rechtlich als Gelegenheitsursache einzustufen sei. Eine zusätzliche Sachaufklärung war aus der Sicht der Vorinstanz daher nicht geboten.
Diese war auch nicht deswegen veranlasst, weil der Hausarzt des Klägers, Dr. H., am 10. Juni 1999 festgestellt haben soll, dass vor dem Autounfall keine neurologischen und psychischen Beschwerden, Erkrankungen oder Auffälligkeiten bekannt gewesen oder behandelt worden seien. Denn diese Diagnose steht in keinem Gegensatz zu der Annahme einer latent bestehenden neurotischen Konfliktsituation vor dem Unfallereignis in dem fachärztlichen Gutachten Dr. K.
Entgegen der Auffassung der Beschwerde war eine weitere Sachaufklärung auch nicht deshalb veranlasst, weil das Gutachten des Facharztes Dr. K. keine Gewichtung der orthopädischen, neurologischen und psychischen Erkrankungen des Klägers sowie keine zeitliche Einordnung seiner Beschwerden enthalte. Auf die von der Beschwerde vermisste Gewichtung kam es nach dem gerichtlichen Sachverständigengutachten nicht an. Ebenso wenig musste danach ein orthopädisches Gutachten eingeholt werden.
Schließlich war das Berufungsgericht nicht gehalten, das vom Oberlandesgericht Hamm eingeholte Sachverständigengutachten des Prof. Dr. R. vom 20. Januar 1997 wegen seiner zeitlichen Nähe zum Unfallgeschehen zur Klärung des Krankheitsbildes des Klägers heranzuziehen. Bei der vom Berufungsgericht vorgenommenen Einstufung des Verkehrsunfalls als Gelegenheitsursache ist nicht ersichtlich, weshalb das Gutachten Dr. R. einer zusätzlichen Tatsachenklärung gedient hätte.
2. Unbegründet ist auch die Rüge, das Berufungsgericht habe den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) verletzt.
Die Beschwerde übersieht, dass mit Angriffen gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich nicht aufgezeigt werden kann. Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Sie können erst im Rahmen einer zugelassenen Revision für die Nachprüfung der richtigen Anwendung des materiellen Rechts erheblich sein (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 2. November 1995 – BVerwG 9 B 710.94 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 18 f. m.w.N. und vom 19. Oktober 1999 – BVerwG 9 B 407.99 – Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 11 S. 11). Ob bei einem Verstoß gegen die Denkgesetze im Tatsachenbereich oder bei einer von Willkür geprägten Beweiswürdigung ausnahmsweise etwas anderes gilt (vgl. dazu Urteil vom 19. Januar 1990 – BVerwG 4 C 28.89 – BVerwGE 84, 271 ≪272 f.≫; Beschlüsse vom 3. April 1996 – BVerwG 4 B 253.95 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 269 S. 28 und vom 19. Oktober 1999, a.a.O.), mag hier auf sich beruhen. Darauf kommt es nicht an. Die schlüssige Behauptung eines Verstoßes gegen die Denkgesetze im Tatsachenbereich verlangt die Darlegung, dass das Tatsachengericht einen Schluss gezogen hat, der aus denkgesetzlichen Gründen schlechterdings nicht gezogen werden kann (stRspr; Urteil vom 6. Februar 1975 – BVerwG 2 C 68.73 – BVerwGE 47, 330 ≪361≫; Beschluss vom 24. Mai 1996 – BVerwG 8 B 98.96 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 270 S. 31 m.w.N.). Einen denkgesetzlich unmöglichen Schluss des Berufungsgerichts vermag die Beschwerde ebenso wenig aufzuzeigen wie Anhaltspunkte für eine willkürliche Beweiswürdigung. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe unter den vom Sachverständigen Dr. K. diagnostizierten gesundheitlichen Beeinträchtigungen schon in der Zeit bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides und auch noch im Zeitpunkt der Begutachtung gelitten, stehen entgegen dem Beschwerdevorbringen mit dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens (S. 26 ff.) im Einklang. Das gleiche gilt für die Würdigung des fachärztlichen Gutachtens, der als Dienstunfall anerkannte Verkehrsunfall sei zwar eine Ursache im natürlich-logischen Sinn für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, jedoch keine wesentliche Ursache im Sinn des Dienstunfallrechts, obgleich das Gutachten des Gesundheitsamtes hierüber nichts aussage.
Unbegründet ist schließlich die Rüge, die Beweiswürdigung beruhe zu einem großen Teil auf einem aktenwidrig angenommenen Sachverhalt, weil das Berufungsgericht auf S. 16 des amtlichen Urteilsabdrucks festgestellt habe, die rein körperlichen Störungen des Klägers hätten seine Erwerbsfähigkeit nicht um mindestens 25 v.H. eingeschränkt, obgleich von einer Erwerbsunfähigkeit diesen Grades niemals die Rede gewesen sei. Das Gericht hat lediglich verneint, dass der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Unfallausgleich schon wegen der auf den Dienstunfall zurückzuführenden rein körperlichen Beeinträchtigungen begründet wäre. Es ist dabei aufgrund des fachärztlichen Gutachtens Dr. K. und verschiedener ärztlicher Stellungnahmen aus den Monaten nach dem Dienstunfall zu dem Ergebnis gekommen, dass diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen den in § 31 Abs. 1 bis 4 BVG vorausgesetzten Grad einer Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht annähernd erreichen. Dass es dabei den gesetzlichen Minderungsgrad von mindestens 25 v.H. genannt hat, ist unerheblich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG (vgl. zur Streitwertfestsetzung beim Teilstatus Beschluss vom 13. September 1999 – BVerwG 2 B 53.99 – Buchholz 360 § 13 GKG Nr. 106).
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele
Fundstellen