Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 19.12.2005; Aktenzeichen 19 N 04.1774) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Antragstellerin erzielt ihr Einkommen aus der Kontrolle sogenannter Öko-Landbau-Unternehmen, also derjenigen Unternehmen, die Erzeugnisse aus ökologischem Landbau herstellen, aufbereiten, lagern oder einführen. Mit ihrem Antrag gemäß § 47 VwGO wendet sie sich dagegen, dass diese Kontrolle nunmehr vom Staat normiert und organisiert wird und dass sie durch die zur gerichtlichen Prüfung gestellten Vorschriften des bayerischen Verordnungsrechts als private Kontrollstelle in die Wahrnehmung der Aufgabe einbezogen und hierzu mit hoheitlichen Befugnissen beliehen wird. Darin sieht sie eine übermäßige Verkürzung ihrer Grundrechtsstellung namentlich aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 GG. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag abgelehnt und die Revision nicht zugelassen.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Aus dem Vortrag der Antragstellerin ergeben sich keine Gründe für die Zulassung der Revision.
1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Die Antragstellerin hält die Frage für klärungsbedürftig, ob die Aufgabe der Kontrolle nach Art. 8 und 9 der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 des Rates vom 24. Juni 1991 über den ökologischen Landbau und die entsprechende Kennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel (ABl L Nr. 198 S. 1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1336/2005 der Kommission vom 12. August 2005 (ABl L Nr. 211 S. 11) – im Folgenden: Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 – bereits durch diese gemeinschaftsrechtliche Verordnung selbst oder doch durch das Gesetz zur Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des ökologischen Landbaus (Öko-Landbaugesetz – ÖLG) vom 10. Juli 2002 (BGBl I S. 2558) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. August 2005 (BGBl I S. 2431) als Staatsaufgabe bzw. als hoheitliche Aufgabe ausgestaltet sei. Sie möchte die Frage – anders als der Verwaltungsgerichtshof – verneinen. In diesem Falle hält sie ihren Normenkontrollantrag für begründet; denn die Kontrollaufgabe sei dann erst durch die zur gerichtlichen Prüfung gestellten Vorschriften des bayerischen Verordnungsrechts als hoheitliche Aufgabe qualifiziert worden, was dem Gesetzesvorbehalt im Grundrechtsbereich nicht genüge.
Damit ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan. Es liegt auf der Hand und bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass Art. 8 und 9 der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 die Kontrolle der Öko-Landbau-Unternehmen zu einer öffentlichen Aufgabe erklären, also zu einer Aufgabe, die aus Gründen des Gemeinwohls vom Staat bzw. hier von der Europäischen Gemeinschaft definiert und soweit erforderlich organisiert wird. Das ist gerade der Inhalt dieser Bestimmungen. Sie verpflichten diejenigen Unternehmen, die ihre Produkte und Waren als Erzeugnisse aus ökologischem Landbau kennzeichnen wollen, dies bei der zuständigen Behörde zu melden und ihre Tätigkeit einem Kontrollverfahren zu unterstellen (Art. 8 Abs. 1), und sie treffen Regelungen über den Inhalt dieses Kontrollverfahrens (Art. 9 Abs. 3 i.V.m. Anhang III) und seine Organisation (Art. 9 im Übrigen). Auch das Öko-Landbaugesetz geht selbstverständlich davon aus, dass es sich bei der Kontrolle der Öko-Landbau-Unternehmen um eine öffentliche Aufgabe handelt. Damit wurde die für die Ausübung der Grundrechte eines privaten Kontrollunternehmens wesentliche Entscheidung über die Errichtung eines öffentlichen Kontrollsystems durch den Gesetzgeber getroffen.
b) Eine andere Frage ist, wie die Wahrnehmung dieser öffentlichen Aufgabe organisiert wird, namentlich ob und in welchem Umfang private Kontrollunternehmen einbezogen werden oder nicht. Die Antragstellerin wendet sich nicht dagegen, dass private Kontrollunternehmen bei der Durchführung der Kontrolle überhaupt beteiligt werden können; hierdurch wird sie nur begünstigt. Ihrem Vortrag lässt sich entnehmen, dass sie sich dadurch in ihren Rechten verletzt sieht, dass der Antragsgegner ihre Beteiligung nur in der Form der Beleihung vorsieht und die Form der bloßen Mitwirkung – etwa als Verwaltungshelfer oder externer Sachverständiger – nicht kennt.
Auch dieser Vortrag führt nicht auf eine in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftige Rechtsfrage. Wiederum liegt auf der Hand, dass die grundsätzliche Entscheidung, dass private Kontrollunternehmen – als sogenannte Kontrollstellen – unter Beleihung mit hoheitlichen Befugnissen mit der Durchführung der Kontrolle beauftragt werden können, durch den Gesetzgeber getroffen wurde. Das gilt schon für das europäische Gemeinschaftsrecht. Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 ermächtigt die Mitgliedstaaten, vorzusehen, dass das Kontrollverfahren zur Gänze von zugelassenen privaten Kontrollstellen durchgeführt wird. Das schließt Maßnahmen bei Unregelmäßigkeiten gegenüber den kontrollierten Öko-Landbau-Unternehmen ein, die nach deutschem Rechtsverständnis hoheitlicher Art sind; mit Recht verweist der Verwaltungsgerichtshof insofern auf die Verhängung von Sanktionen (Art. 9 Abs. 5 Buchstabe b, Abs. 6 Buchstabe c), auf die Anordnung, Hinweise auf den ökologischen Landbau von Erzeugnissen zu entfernen (Art. 9 Abs. 9 Buchstabe a), und auf die Untersagung, Erzeugnisse mit derartigen Hinweisen zu vermarkten (Art. 9 Abs. 9 Buchstabe b der Verordnung ≪EWG≫ Nr. 2092/91). Es bedarf keiner Entscheidung, ob das Gemeinschaftsrecht damit einer mitgliedstaatlichen Regelung, nach der die Befugnis der privaten Kontrollstelle zu diesen Maßnahmen zwischen ihr und dem kontrollierten Öko-Landbau-Unternehmen privatvertraglich vereinbart wird, entgegensteht. Jedenfalls trägt es auch ein hoheitsrechtliches Verständnis und legt es sogar nahe. Im Gefolge dieser gemeinschaftsrechtlichen Regelung hat der Bundesgesetzgeber entschieden, dass die Landesregierungen durch Rechtsverordnung vorsehen können, dass die Durchführung der Kontrolle privaten Kontrollstellen oder anderen Personen des Privatrechts, die in gleicher Weise die Gewähr für eine unabhängige, sachkundige und zuverlässige Erfüllung der Aufgabe bieten, auf Antrag übertragen wird. § 2 Abs. 3 Satz 1 ÖLG bezeichnet diese Form der Einbeziehung ausdrücklich als “Beleihung”. Damit ist dem Gesetzesvorbehalt ersichtlich genügt.
Auf eine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts führt auch nicht der Umstand, dass der Bundesgesetzgeber dem Landesverordnungsgeber die Wahl zwischen diesem Beleihungsmodell und einer bloßen Mitwirkung privater Unternehmen im Rahmen der von staatlichen Behörden wahrgenommenen Kontrollaufgabe gelassen hat. Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Art. 80 Abs. 1 GG hat der Verwaltungsgerichtshof nicht erhoben, und die Beschwerde bringt insofern nichts vor. Die Antragstellerin leitet ihre Einwände aus ihren Grundrechten her und meint, das Beleihungsmodell sei für sie ungleich nachteiliger als das Mitwirkungsmodell, weshalb es nicht erforderlich sei. Dahinter verbirgt sich die Auffassung, der Gesetzgeber dürfe dem Verordnungsgeber nicht zwei ungleich belastende Modelle zur freien Wahl stellen, sondern müsse die Auswahlentscheidung vorstrukturieren. Ob dem zu folgen wäre, bedarf aber keiner Entscheidung. Das Beleihungsmodell muss nämlich nicht jedem privaten Kontrollunternehmen als nachteiliger erscheinen als das bloße Mitwirkungsmodell; im Gegenteil kann die Befugnis zu eigenständigem hoheitlichem Handeln als Vorzug erscheinen. Auf der anderen Seite musste der Bundesgesetzgeber Rücksicht auf die Befugnis der Länder zur Organisation ihrer Verwaltung nehmen (Art. 83 f. GG).
c) Schließlich lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen, inwiefern das in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Zitiergebot einer weitergehenden Klärung bedürfte. Die Antragstellerin bringt zwar ihre Auffassung zum Ausdruck, durch die “Verstaatlichung” der Kontrolle von Öko-Landbau-Unternehmen oder doch jedenfalls durch die Einbeziehung privater Kontrollunternehmen in die Erfüllung dieser öffentlichen Aufgabe nur im Wege der Beleihung würden ihre Grundrechte aus Art. 12 und Art. 14 GG derart eingeschränkt, dass das einschränkende Gesetz gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG diese Grundrechte unter Angabe ihres Artikels hätte nennen müssen. Damit tritt sie der anderen Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs entgegen. Sie zeigt indes nicht auf, inwiefern sich hieraus ein Klärungsbedarf zur Auslegung von Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ergäbe.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist schon im Ansatz nicht dargetan. Die Antragstellerin beruft sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zur Grundrechtsfähigkeit von Gemeinden. Sie ist aber keine Gemeinde und steht diesen auch nicht gleich.
3. Das angefochtene Urteil beruht schließlich nicht auf einem Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Der Verwaltungsgerichtshof war nicht verpflichtet, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen, schon weil er nicht als letztinstanzliches Gericht entschieden hat (Art. 234 Abs. 2 EG).
Dass der Verwaltungsgerichtshof die beiden Beweisanträge prozessordnungswidrig abgelehnt hätte (§ 86 Abs. 2 VwGO), legt die Antragstellerin nicht dar. Sie bemängelt vor allem, dass der Verwaltungsgerichtshof die Beweisanträge für unerheblich erachtet hat. Dabei verkennt sie, dass es insofern allein auf den eigenen materiellen Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichtshofs ankommt.
Ob der Verwaltungsgerichtshof die telefonische Auskunft eines Mitarbeiters des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft prozessordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt hat, mag offen bleiben. Jedenfalls beruht die angefochtene Entscheidung hierauf nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Auskunft nicht als Beweismittel zu Tatfragen, sondern nur zur Bekräftigung seiner schon anderweit begründeten Rechtsauffassung angeführt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 sowie § 72 Nr. 1 GKG.
Unterschriften
Kley, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen