Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Aktenzeichen 9 BA 96.30665) |
Tenor
Der Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. November 1999 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten in der Hauptsache bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der vorbehaltenen Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Gründe
Die trotz vieler unstrukturiert und zusammenhanglos aneinandergereihter Ausführungen teilweise zulässige Beschwerde ist mit der Rüge eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) begründet. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung verweist der Senat die Sache nach § 133 Abs. 6 VwGO unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Berufungsgericht zurück.
Die Beschwerde rügt zu Recht eine Verletzung des Anspruchs der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs, weil der angefochtene Beschluß nicht erkennen lasse, daß das Berufungsgericht ihre Beweisanträge gewürdigt habe (Beschwerdebegründung S. 4). Auf die Ankündigung des Berufungsgerichts, ohne mündliche Verhandlung nach § 130 a VwGO zu entscheiden, haben die Kläger mit einem am 17. Juni 1999 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz unter anderem folgende Beweisanträge gestellt:
„Erschwerend kommt hinzu, daß der Kläger zu 1 bereits anläßlich der Machtübernahme durch die jetzige Regierung in der UdSSR dadurch aufgefallen ist, daß er aktiv den Protest mitorganisierte. In der Bundesrepublik war er maßgeblich am Aufbau der Medhin beteiligt und wurde von dem früheren Vorsitzenden S. G., dessen Schatzmeister er war, persönlich betreut. Dieser fertigte auch die Übersetzungen, die im streitgegenständlichen Verfahren dem Gericht übergeben wurden. Im Zusammenhang mit seiner früheren Kaderfunktion bringt ihn das bei einer Rückkehr in höchste Gefahr, Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch das derzeitige Regime zu werden, falls er sich nicht bedingungslos für die Politik der EPRDF einsetzt.
Beweis: Einholung von Auskünften ai, UNHCR, EHRCO, Institut für Afrikakunde, Internationales Rotes Kreuz und Auswärtiges Amt” (VGH-Akten Bl. 31).
„Zum Beweis der Tatsache,
daß Einzelheiten des exilpolitischen Engagements der Kläger durch den ‚Seitenwechsel’ des früheren Vorsitzenden S. G. in dem Sicherheitsdienst der jetzigen Regierung bekannt sind und auch eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, daß die frühere Kadertätigkeit, das Engagement für den Äthiopischen Fürsorgeverein, die Tatsache, daß beide Ehegatten verschiedener Nationalität sind und dem Volk des verfeindeten Nachbarlandes angehören, wird beantragt Auskünfte einzuholen von ai, Institut für Afrikakunde, Auswärtiges Amt, UNHCR, EHRCO, MAD und BND” (VGH-Akte Bl. 32).
Diese Beweisanträge hätte das Berufungsgericht entweder zum Gegenstand einer erneuten Anhörungsmitteilung nach § 130 a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO machen müssen oder es hätte in dem angefochtenen Beschluß darlegen müssen, weshalb es ausnahmsweise ohne einen solchen Hinweis im vereinfachten Berufungsverfahren entscheiden durfte (BVerwG, Beschluß vom 18. Juni 1996 – BVerwG 9 B 140.96 – Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 16; Beschluß vom 6. Juli 1999 – BVerwG 2 B 45.99 – ≪juris≫).
Unabhängig hiervon hätte das Berufungsgericht in dem angefochtenen Beschluß jedenfalls darlegen müssen, aus welchen prozeßrechtlichen Gründen es den Beweisanträgen nicht nachzugehen brauchte (BVerwG, Beschluß vom 24. November 1994 – BVerwG 8 B 176.94 – Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 12). Diesen Anforderungen genügt der Beschluß nicht. Das Berufungsgericht verweist zwar im Tatbestand der Entscheidung auf den am 17. Juni 1999 eingegangenen Schriftsatz der Kläger und die dortigen „Beweisangebote” (BA S. 3); es erwähnt in den Beschlußgründen die Beweisanträge indes nicht. Das Beweisbegehren der Kläger ist auch aus der hierfür maßgeblichen materiellrechtlichen Sicht des Berufungsgerichts nicht von vornherein unerheblich. Die Erwägungen des Berufungsgerichts, die Mitgliedschaft des Klägers zu 1 im Vorstand der Medhin in der Bundesrepublik Deutschland und seine Stellung dort als Schatzmeister ließen keine Anhaltspunkte dafür erkennen, daß es sich bei ihm um einen allgemein und auch den äthiopischen Behörden bekannten und prominenten Exilpolitiker handle (BA S. 10), zeigen im Gegenteil, daß die Bedeutung der exilpolitischen Betätigung und die Frage ihrer Kenntnis durch die äthiopischen Sicherheitsbehörden auch für das Berufungsgericht entscheidungserheblich sind. Auf den Nachweis eines solchen Zusammenhangs und der daraus folgenden Gefährdung der Kläger zielen jedoch die Beweisanträge. Das Berufungsgericht hätte daher die beantragte Beweiserhebung in Erwägung ziehen und seine Überlegungen hierzu in den Entscheidungsgründen mitteilen müssen.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht auf diesem Verfahrensmangel. Auf die weiteren Verfahrensrügen, die von der Beschwerde allerdings weitgehend unstrukturiert und vielfach auch ohne Bezug zum konkreten Fall vorgebracht werden, kommt es danach nicht an. Die von der Beschwerde ferner geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu der Frage, ob das Berufungsgericht sein Ermessen für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 130 a VwGO ordnungsgemäß ausgeübt hat (Beschwerdebegründung S. 3), und die behauptete Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO – Beschwerdebegründung S. 4) sind schon nicht hinreichend dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Für die erneute Entscheidung weist der Senat darauf hin, daß das Berufungsgericht, sollte es den Klägern wiederum Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG versagen, dann – entgegen seiner in der angefochtenen Entscheidung geäußerten Auffassung – über die Hilfsanträge der Kläger auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG zu entscheiden hat (BVerwG, Urteil vom 15. April 1997 – BVerwG 9 C 19.96 – BVerwGE 104, 260).
Unterschriften
Dr. Paetow, Hund, Dr. Eichberger
Fundstellen