Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 16.04.2014; Aktenzeichen A 11 S 1721/13) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt Norbert W., H., beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16. April 2014 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1. Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und seinen Bevollmächtigten beizuordnen, ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung – wie sich aus den nachstehend ausgeführten Gründen ergibt – keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).
2. Wird die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) begehrt, setzt die hinreichende Darlegung dieses Zulassungsgrundes gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch nicht geklärten und sowohl für das Berufungsgericht als auch die begehrte Revisionsentscheidung entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus und verlangt außerdem die Angabe, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr, vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Beschwerde nicht.
Die Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darin, dass der Supreme Court des Vereinigten Königreichs in seinem Urteil vom 19. Februar 2014 (R v Secretary of State for the Home Department [2014] UKSC 12) im Gegensatz zu der Auffassung des Berufungsgerichts davon ausgehe, dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Dezember 2011 (EuGH, Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 – Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. – Slg. 2011, I-13905 = NVwZ 2012, 417) lasse sich nicht entnehmen, „systemische Mängel” in einem anderen Mitgliedstaat seien eine (notwendige) Voraussetzung für ein Überstellungsverbot.
Mit diesem Vorbringen zu der Frage, ob die Berufung auf systemische Mängel eine notwendige Voraussetzung für ein Überstellungsverbot in den nach dem Dublin-System eigentlich zuständigen Mitgliedstaat darstellt, verfehlt die Beschwerde die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie setzt sich nicht – wie erforderlich – mit der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dieser Frage auseinander. Weder berücksichtigt sie die Verfestigung der Rechtsprechungslinie in den jüngeren Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteile der Großen Kammer vom 14. November 2013 – Rs. C-4/11, Puid – NVwZ 2014, 129 und vom 10. Dezember 2013 – Rs. C-394/12, Abdullahi – NVwZ 2014, 208) noch geht sie auf die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein (Beschlüsse vom 19. März 2014 – BVerwG 10 B 6.14 – juris sowie vom 15. April 2014 – BVerwG 10 B 16.14 und 10 B 17.14 – juris). Insbesondere hätte die Beschwerde erläutern müssen, inwieweit nach dem Urteil des Gerichtshofs vom 10. Dezember 2013 (a.a.O.) noch ein Klärungsbedarf besteht. Denn in dieser Entscheidung hat der Gerichtshof klargestellt, dass, wenn der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme – wie hier – zustimmt, der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 a.a.O. Rn. 60; dem folgend die oben angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, zuletzt Beschluss vom 6. Juni 2014 – BVerwG 10 B 35.14 – juris).
Die Rüge, das Berufungsgericht hätte bei der Prüfung des Vorliegens systemischer Mängel von Amts wegen berücksichtigen müssen, dass seitens der Europäischen Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren wegen defizitärer Bedingungen für Asylbewerber gegen diesen Mitgliedstaat (Italien) eingeleitet worden sei, führt auch nicht ansatzweise auf eine in einem Revisionsverfahren klärungsfähige und -bedürftige Grundsatzfrage i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Im Gewande der Grundsatzrüge wendet sich die Beschwerde mit diesem Vorbringen in Wahrheit gegen die dem Tatrichter vorbehaltene Feststellung der tatsächlichen Prognosegrundlagen und dessen darauf aufbauende prognostische Würdigung, dem Kläger drohe infolge der angeordneten Abschiebung nach Italien dort nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen. Die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vermag sie mit diesem Vorbringen nicht zu erreichen.
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.
Unterschriften
Prof. Dr. Berlit, Prof. Dr. Kraft, Dr. Maidowski
Fundstellen