Leitsatz (amtlich)
1. Die Folgen einer rechtswidrigen Bestimmung des Vorsitzenden einer Personalvertretung bemessen sich nach den allgemein für Personalratsbeschlüsse geltenden Regeln. Sie ist daher in Anlehnung an die in § 43 Abs. 3 und § 44 VwVfG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken (nur dann) nichtig und damit unwirksam, wenn sie an einem schwerwiegenden Fehler leidet, der offenkundig ist.
2. Der Vorsitzende der Personalvertretung ist nach den Regelungen des Bundespersonalvertretungsgesetzes grundsätzlich aus dem Kreis der Gruppensprecher zu bestimmen. Die Gruppensprecher können jedenfalls nicht alle auf ihre Bestimmung zum Vorsitzenden verzichten.
3. Von der Personalvertretung gefasste Beschlüsse sind unwirksam, wenn das Gremium nicht wirksam einen Vorsitzenden gewählt hat und deshalb handlungsunfähig ist.
Tenor
Es wird festgestellt, dass die im März 2018 erfolgte Wahl des Vorsitzenden des Gesamtpersonalrats beim Bundesnachrichtendienst und die in der Sitzung vom 12. bis 16. März 2018 gefassten Beschlüsse des Gremiums unwirksam sind. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Gründe
I
Rz. 1
Der Antragsteller nahm ab dem 14. März 2018 als Ersatzmitglied an der vom 12. bis 16. März 2018 stattfindenden Sitzung sowie in der Folgezeit an weiteren Sitzungen des Beteiligten zu 1 (Gesamtpersonalrat beim Bundesnachrichtendienst - BND) teil. Er hält die zuvor in der konstituierenden Sitzung durchgeführte Wahl des Vorsitzenden des Beteiligten zu 1 für unwirksam, weil der Gewählte zwar Mitglied des Beteiligten zu 1 war, aber nicht dessen Vorstand angehörte. Da der Beteiligte zu 1 nicht über einen wirksam gewählten Vorsitzenden verfügt habe, seien die in der Sitzung vom 12. bis 16. März 2018 gefassten Beschlüsse unwirksam. Die im September 2018 erfolgte erneute Wahl desselben Vorsitzenden, der nunmehr Ergänzungsvorstand war, sei ebenfalls unwirksam. Der Vorsitzende sei grundsätzlich aus dem Kreis der Gruppenvorstandsmitglieder zu bestimmen, die jedenfalls nicht grundlos auf die Übernahme des Amtes des Vorsitzenden verzichten dürften.
Rz. 2
Der Antragsteller beantragt nunmehr,
festzustellen, dass die Wahlen des Vorsitzenden des Beteiligten zu 1 im März und im September 2018 rechtsunwirksam gewesen sind und dass die in der Sitzung des Beteiligten zu 1 vom 12. bis 16. März 2018 gefassten Beschlüsse unwirksam sind.
Rz. 3
Die Beteiligten zu 1 und 2 beantragen jeweils,
den Antrag abzulehnen.
Rz. 4
Sie halten den Antrag bereits für unzulässig, im Übrigen aber auch für unbegründet. Die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Wahl des Gesamtpersonalratsvorsitzenden führe nicht zu deren Unwirksamkeit oder der Unwirksamkeit der in der Sitzung vom 12. bis 16. März 2018 gefassten Beschlüsse. Die Wiederholungswahl sei rechtlich nicht zu beanstanden, weil die Gruppenvorstandsmitglieder auch ohne Angabe von Gründen auf die Übernahme des Vorsitzes verzichten könnten.
Rz. 5
Die Beteiligten haben das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt, soweit es ursprünglich auch die Zurverfügungstellung von Sitzungsunterlagen an den Antragsteller sowie die Durchführung von Monatsgesprächen zwischen dem Beteiligten zu 1 und dem Chef des Bundeskanzleramts betraf.
II
Rz. 6
Das Verfahren wird gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG, § 83a Abs. 1 und 2 Satz 1 ArbGG eingestellt, soweit es der Antragsteller und die Beteiligten zu 1 und 2 übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
Rz. 7
Der Feststellungsantrag, über den das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 86 Nr. 13 Satz 1 BPersVG in erster und letzter Instanz entscheidet, ist zulässig. Die Bedenken der Beteiligten zu 1 und 2 gegen die Zulässigkeit des Antrags greifen nicht durch. Insbesondere hat der Antragsteller seine prozessualen Rechte nicht verwirkt (vgl. zur Verwirkung BVerwG, Beschluss vom 15. Januar 2020 - 2 B 38.19 - juris Rn. 12; Jacobs, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, § 83 Rn. 51). Er hat mit Schriftsatz vom 5. März 2020 unwidersprochen dargelegt, dass und in welcher Weise er seit März 2018 kontinuierlich seine Einwände gegen die Wahlen zum Gesamtpersonalratsvorsitzenden und die Wirksamkeit der von dem Beteiligten zu 1 gefassten Beschlüsse vorgebracht hat. Deshalb konnten die Beteiligten zu 1 und 2 nicht darauf vertrauen, der Antragsteller werde die Dinge auf sich beruhen lassen und keine gerichtlichen Schritte einleiten.
Rz. 8
Der Antrag ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet. Es ist festzustellen, dass die im März 2018 erfolgte Wahl des Vorsitzenden des Beteiligten zu 1 unwirksam war (1.). Gleiches gilt für die in der Sitzung des Beteiligten zu 1 vom 12. bis 16. März 2018 gefassten Beschlüsse (2.). Hingegen ist die erneute Wahl desselben Vorsitzenden des Beteiligten zu 1 im September 2018 wirksam erfolgt, weshalb der Feststellungsantrag insoweit zurückzuweisen war (3.).
Rz. 9
1. Die Wahl des Vorsitzenden des Beteiligten zu 1 im März 2018 war rechtswidrig (a). Die Rechtswidrigkeit führte zur Unwirksamkeit der Wahl (b).
Rz. 10
a) Die Vorsitzendenwahl im März 2018 war rechtswidrig, weil sie die Vorgabe des § 32 Abs. 2 Satz 1 BPersVG nicht beachtete.
Rz. 11
Nach dieser Vorschrift bestimmt der Personalrat mit einfacher Mehrheit, welches Vorstandsmitglied den Vorsitz übernimmt. Der Vorsitzende des Personalrats ist daher aus dem Kreis der Mitglieder des Vorstandes des Personalrats zu bestimmen. Dies gilt gemäß § 54 Abs. 1 Halbs. 1, § 56 BPersVG entsprechend für den Gesamtpersonalrat. Hier gehörte der zum Vorsitzenden Bestimmte im Zeitpunkt der in Rede stehenden Wahl dem Vorstand des Beteiligten zu 1 nicht an. Seine Wahl war daher - was zwischen den Verfahrensbeteiligten auch nicht streitig ist - rechtswidrig.
Rz. 12
b) Die unter Verletzung des § 32 Abs. 2 Satz 1 BPersVG durchgeführte Wahl des Gesamtpersonalratsvorsitzenden war auch unwirksam (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Mai 1991 - 6 P 15.89 - BVerwGE 88, 183 ≪185 und 191≫).
Rz. 13
Die Wahl des Vorsitzenden des Personalrats ist keine Wahl im eigentlichen Sinne, sondern - was auch in der Überschrift des Dritten Abschnitts des Bundespersonalvertretungsgesetzes zum Ausdruck kommt - ein Akt der Geschäftsführung des Personalrats, der im Rahmen seiner Konstituierung ergeht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. Juni 1957 - 2 CO 3.56 - BVerwGE 5, 118, vom 3. August 1983 - 6 P 15.81 - Buchholz 238.38 § 31 RPPersVG Nr. 1 S. 2 und vom 27. September 1990 - 6 P 23.88 - Buchholz 250 § 33 BPersVG Nr. 4 S. 3). Die Folgen einer rechtswidrigen Wahl des Vorsitzenden bestimmen sich daher nicht nach den Vorschriften der Wahlanfechtung gemäß § 25 BPersVG (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 1958 - 7 P 13.57 - Buchholz 238. 3 § 31 PersVG Nr. 4 S. 12; a.A. für die Wahl zum Betriebsratsvorsitzenden BAG, Beschluss vom 13. November 1991 - 7 ABR 8/91 - BAGE 69, 41 ≪ 45 f.≫). Es sind auch nicht die für die Wahlanfechtung geltenden Grundsätze entsprechend anzuwenden (so aber Fischer/Goeres/Gronimus, in: Fürst, GKÖD Bd. V, § 32 BPersVG Rn. 62a, Stand April 2020; Jacobs, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, § 32 Rn. 114). Da die Bestimmung des Personalratsvorsitzenden durch Beschluss des Personalrats erfolgt, bemessen sich die Folgen einer rechtswidrigen Bestimmung vielmehr nach den allgemein für Personalratsbeschlüsse geltenden Regeln. Insoweit ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass von einer Personalvertretung gefasste Beschlüsse in Anlehnung an die in den Regelungen der § 43 Abs. 3 und § 44 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgrundsätze (nur dann) nichtig und damit unwirksam sind, wenn sie an einem schwerwiegenden Fehler leiden, der offenkundig ist. Nichtigkeit kann bei Beschlüssen der Personalvertretungen dann angenommen werden, wenn sie bei Berücksichtigung der Aufzählungen in § 44 Abs. 2 und Abs. 3 VwVfG, die insoweit Anhaltspunkte bieten, unter einem besonders schwerwiegenden Fehler leiden, der bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offensichtlich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2015 - 5 P 11.14 - Buchholz 250 § 76 BPersVG Nr. 43 Rn. 16 bis 18 m.w.N.). Ein Fehler ist besonders schwerwiegend im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG zugrundeliegenden allgemeinen Grundsatzes, wenn er ein Handeln als schlechterdings unerträglich, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lässt. Die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen müssen in so erheblichem Maße verletzt sein, dass von niemandem erwartet werden kann, das Handeln als verbindlich anzuerkennen (BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2015 - 5 P 11.14 - Buchholz 250 § 76 BPersVG Nr. 43 Rn. 21 m.w.N.). "Offenkundig" ist die schwere Fehlerhaftigkeit einer Entscheidung nur dann, wenn sie für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne Weiteres ersichtlich ist (BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2015 - 5 P 11.14 - Buchholz 250 § 76 BPersVG Nr. 43 Rn. 23 m.w.N.).
Rz. 14
Gemessen hieran war die im März 2018 durchgeführte Wahl des Vorsitzenden des Beteiligten zu 1 nichtig und damit unwirksam. Sie litt an einem schwerwiegenden Fehler. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 32 Abs. 2 Satz 1 BPersVG ist die Mitgliedschaft im Vorstand eine zwingende Voraussetzung für die Wahl zum Vorsitzenden (vgl. zu § 31 Abs. 2 Satz 1 PersVG 1955: BVerwG, Beschluss vom 9. Februar 1962 - 7 P 2.61 - BVerwGE 13, 341 ≪342≫; s.a. Beschluss vom 15. Mai 1991 - 6 P 15.89 - BVerwGE 88, 183 ≪185 und 191≫). Wenngleich hier eine Wahl "im" Personalrat in Rede steht, bei der es sich - wie bereits erwähnt - um einen Akt der Geschäftsführung und nicht um eine Wahl im eigentlichen Sinne handelt, kommt der Wählbarkeit des Betreffenden keine geringere Bedeutung zu als sie bei Wahlen "zum" Personalrat anerkannt ist. Bei diesen gehört die Wählbarkeit einer Person zu den grundlegenden, einer jeden Wahl innewohnenden Voraussetzung, so dass ein Verstoß hiergegen bereits der Art nach als besonders schwer zu gewichten ist. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass ein Wahlvorschlag insbesondere dann ungültig ist, wenn er einen nicht wählbaren Bewerber enthält (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. November 2008 - 6 P 7.08 - BVerwGE 132, 276 Rn. 23 m.w.N.) beziehungsweise dass überhaupt kein Wahlvorschlag vorliegt, der zum Gegenstand einer Wahl gemacht werden könnte, wenn es an der Wählbarkeit des Betreffenden fehlt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Februar 1969 - 7 P 5.68 - BVerwGE 31, 299 f.). Dafür, dass es sich bei der Wahl eines Nichtmitglieds des Vorstandes zum Vorsitzenden des Personalrats um einen schwerwiegenden Fehler handelt, spricht ferner die durch § 32 Abs. 1 BPersVG und § 33 BPersVG festgelegte Höchstzahl von Vorstandsmitgliedern. Danach besteht der Vorstand aus den Gruppensprechern (§ 32 Abs. 1 BPersVG) und den gegebenenfalls nach § 33 BPersVG hinzu zu wählenden beiden Ergänzungsvorständen. Die so festgelegte Anzahl von Vorstandsmitgliedern kann mangels einer dem bremischen Personalvertretungsrecht (§ 30 Abs. 2 PersVG HB) vergleichbaren Regelung im Bundespersonalvertretungsrecht durch die Wahl eines weiteren Personalratsmitglieds zum Vorsitzenden nicht erhöht werden. Der Betreffende kann entgegen der vom Antragsteller im Schriftsatz vom 5. März 2020 mitgeteilten Einschätzung des Beteiligten zu 2 im Vorstand sinnvollerweise auch nicht lediglich einen Gaststatus innehaben. Denn dann wäre er zur verantwortungsvollen Wahrnehmung der ihm als Vorsitzenden zugewiesenen Aufgaben darauf angewiesen, vom Vorstand in die diesem vorbehaltene Führung der laufenden Geschäfte (§ 32 Abs. 1 Satz 4 BPersVG) - sofern dies zulässig sein sollte - einbezogen zu werden.
Rz. 15
Der schwerwiegende Fehler war auch offensichtlich. § 32 Abs. 2 Satz 1 BPersVG schreibt klar und unmissverständlich vor, dass ein Vorstandsmitglied zum Vorsitzenden zu bestimmen ist. Das schließt es aus, andere Mitglieder des Personalrats mit diesem Amt zu betrauen, was jeder mit der Sachlage Vertraute ohne nähere Prüfung erkennen kann.
Rz. 16
2. Die in der Sitzung des Beteiligten zu 1 vom 12. bis 16. März 2018 gefassten Beschlüsse sind unwirksam.
Rz. 17
Ein Personalrat ohne einen wirksam gebildeten Vorstand ist nicht handlungsfähig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 1958 - 7 P 13.57 - BVerwGE 7, 140 ≪145≫; ebenso für den Betriebsrat BAG, Urteil vom 23. August 1984 - 6 AZR 520/82 - BAGE 46, 282 ≪285 f.≫). An einem wirksam gebildeten Vorstand fehlt es insbesondere auch dann, wenn - wie hier - ein Vorsitzender nicht wirksam bestimmt worden ist (vgl. Kröll, in: Altvater/Baden/Baunack/Berg/Dierßen/Herget/Kröll/Lenders/Noll, BPersVG, 10. Aufl. 2019, § 32 Rn. 20; Jacobs, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, § 32 Rn. 47). Dies ist ein schwerwiegender und hier auch offenkundiger Fehler, der in Anwendung des vorstehend dargelegten und auch im vorliegenden Kontext anzuwendenden Maßstabes zur Nichtigkeit und damit Unwirksamkeit der Beschlüsse führt.
Rz. 18
3. Die im September 2018 erfolgte erneute Wahl desselben Vorsitzenden war zwar ebenfalls rechtswidrig (a), aber nicht unwirksam (b).
Rz. 19
a) Die Wahl des Gesamtpersonalratsvorsitzenden im September 2018 verstieß erneut gegen § 32 Abs. 2 Satz 1, § 54 Abs. 1 Halbs. 1, § 56 BPersVG.
Rz. 20
§ 32 Abs. 2 Satz 1 BPersVG ordnet an, dass der Personalrat mit einfacher Mehrheit bestimmt, welches Vorstandsmitglied den Vorsitz übernimmt. Die Vorschrift verlangt damit auch, dass grundsätzlich ein Gruppensprecher (§ 32 Abs. 1 Satz 3 BPersVG) den Vorsitz übernimmt und nicht ein nach § 33 BPersVG hinzugewähltes Vorstandsmitglied (aa). Die Gruppensprecher können sich der Bestimmung zum Vorsitzenden nicht durch Verzicht auf das Amt entziehen (bb).
Rz. 21
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die von der Gruppe nach § 32 Abs. 1 Satz 3 BPersVG gewählten Vorstandsmitglieder in erster Linie für die im Rahmen der gemeinsamen Arbeit auszuübenden Funktionen heranzuziehen, weshalb der Personalrat bei der Bestimmung des Vorsitzenden "zunächst" (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. Juni 1957 - 2 CO 3.56 - BVerwGE 5, 118 ≪119≫, vom 24. Oktober 1957 - 2 CO 7.57 - BVerwGE 5, 309 ≪310 f.≫ und vom 7. Juni 1984 - 6 P 29.83 - Buchholz 238.3a § 32 BPersVG Nr. 4 S. 3 f.), "in erster Linie" (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16. September 1977 - 7 P 1.75 - BVerwGE 54, 323 ≪326≫ und vom 26. Oktober 1977 - 7 P 19.76 - BVerwGE 55, 17 ≪19≫), "primär" (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 2010 - 6 PB 10.10 - Buchholz 251.7 § 29 NWPersVG Nr. 1 Rn. 5), "regelmäßig" bzw. "in der Regel" (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Oktober 1957 - 2 CO 1.57 - BVerwGE 5, 263 ≪266≫ und vom 17. Januar 1969 - 7 P 6.67 - Buchholz 238.3 § 42 PersVG Nr. 4 S. 3) oder "grundsätzlich" (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. Mai 1966 - 7 P 4.66 - Buchholz 238.3 § 31 PersVG Nr. 10 S. 28 und vom 19. August 1991 - 6 PB 5.91 - Buchholz 251.2 § 43 BlnPersVG Nr. 4 S. 2) auf die Gruppensprecher beschränkt ist. Dies ergibt sich zwar nicht bereits unmittelbar aus dem Wortlaut des § 32 Abs. 2 Satz 1 BPersVG, folgt aber gesetzessystematisch notwendig aus dem das Personalvertretungsrecht beherrschenden Gruppenprinzip, das fordert, dass in Angelegenheiten, die nur die Angehörigen einer bestimmten Gruppe betreffen, grundsätzlich nur die Mitglieder dieser Gruppe bzw. ihr Vertreter in der Personalvertretung handlungsbefugt und entscheidungsbefugt sein sollen. Damit soll gleichzeitig sichergestellt werden, dass die aus der Gruppenwahl hervorgegangenen Vertreter und die von diesen wiederum gewählten Vorstandsmitglieder als die vom Vertrauen der Gruppe getragenen Repräsentanten an der Geschäftsführung teilnehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. September 1977 - 7 P 1.75 - BVerwGE 54, 323 ≪325 f.≫).
Rz. 22
An dem tradierten Erfordernis, dass der Personalratsvorsitzende grundsätzlich aus dem Kreis der Gruppensprecher zu bestimmen ist, ist auch nach erneuter Prüfung unverändert festzuhalten. Dafür spricht insbesondere die das Gruppenprinzip betonende Vorschrift des § 32 Abs. 3 Satz 2 BPersVG. Diese ordnet an, dass der Vorsitzende des Personalrats den Personalrat in Angelegenheiten, die nur eine Gruppe betreffen, der er nicht selbst angehört, gemeinsam mit einem der Gruppe angehörenden Vorstandsmitglied vertritt. Die gemeinsame Vertretung dient zum einen der Gewährleistung, dass die außenwirksame Erklärung des Vorsitzenden mit der Beschlussfassung der Gruppe übereinstimmt. Zum anderen soll die Mitvertretung eines der Gruppe angehörenden Vorstandsmitglieds dem Dienststellenleiter die Überprüfung ermöglichen, ob der Personalrat bei seiner Beschlussfassung das Vorliegen einer Gruppenangelegenheit erkannt und die Besonderheiten der Willensbildung in Gruppenangelegenheiten gemäß § 38 Abs. 2 und 3 BPersVG beachtet hat. Denn mit der zusätzlichen Unterschrift des Gruppenvertreters wird zugleich bestätigt, dass der Beschluss des Personalrats nicht gegen den Willen der Mehrheit der betroffenen Gruppe gefasst worden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. April 1992 - 6 P 8.90 - Buchholz 250 § 32 BPersVG Nr. 6 S. 9 f.).
Rz. 23
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. September 1977 - 7 P 1.75 - BVerwGE 54, 323 ≪326 f.≫) ist ferner geklärt, dass die gemeinsame Vertretung nach § 32 Abs. 3 Satz 2 BPersVG grundsätzlich von dem von den Gruppenangehörigen gewählten Vorstandsmitglied, d.h. dem Gruppensprecher, wahrzunehmen ist. Denn dieser besitzt das Vertrauen der Mehrheit der Gruppenangehörigen, was bei einem vom Personalrat nach § 33 Satz 1 BPersVG ohne Rücksicht auf die Gruppenzugehörigkeit hinzugewählten Vorstandsmitglied nicht sichergestellt ist. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der es rechtfertigen würde, auf den oben genannten Erklärungswert der Unterschrift in den Fällen zu verzichten, in denen der Vorsitzende in Angelegenheiten, die nur die Gruppe betreffen, der er selbst angehört, gemäß § 32 Abs. 3 Satz 1 und 2 BPersVG den Personalrat allein vertritt. Auch in diesen Fällen ist dem Gruppenprinzip, welches in diesem Zusammenhang auf die Übereinstimmung der Beschlussfassung des Personalrats in Gruppenangelegenheiten mit den Erwartungen der Mehrheit der Gruppenangehörigen unter den Beschäftigten abzielt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2009 - 6 PB 24.08 - Buchholz 251.7 § 42 NWPersVG Nr. 6 Rn. 12), Rechnung zu tragen. Für die alleinige Vertretung des Vorsitzenden in Angelegenheiten der eigenen Gruppe gelten keine geringeren Anforderungen als für die gemeinsame Vertretung in Angelegenheiten der Gruppe, der der Vorsitzende nicht selbst angehört. Dementsprechend muss auch der Vorsitzende grundsätzlich Gruppensprecher sein.
Rz. 24
Gegenteiliges (so aber VG Kassel, Beschluss vom 12. Dezember 2017 - 22 K 956/16.KS.PV - BA S. 8) folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Wahl des Vorsitzenden des Personalrats keine Gruppenangelegenheit sei (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 1994 - 2 BvL 8/88 - BVerfGE 91, 367 ≪383≫). Diese Entscheidung betraf ausschließlich die seinerzeit geltende Rechtslage in Nordrhein-Westfalen, die weder einen als Kollegialorgan ausgebildeten Personalratsvorstand noch eine dem § 32 Abs. 3 Satz 2 BPersVG vergleichbare Regelung kannte.
Rz. 25
Die grundsätzliche Beschränkung der Wählbarkeit zum Vorsitzenden auf die Gruppensprecher kommt gesetzessystematisch auch darin zum Ausdruck, dass die Bestimmung des Ergänzungsvorstandes erst in § 33 BPersVG und damit im Anschluss an die in § 32 Abs. 2 Satz 1 BPersVG festgelegte Übernahme des Vorsitzes durch ein Vorstandsmitglied geregelt wird.
Rz. 26
bb) Die Gruppensprecher können unabhängig von den insoweit geltend gemachten Gründen jedenfalls nicht alle auf ihre Bestimmung zum Vorsitzenden verzichten. Das ist die notwendige Folge daraus, dass die Gruppensprecher, die im Regelfall - und so auch hier - nach § 32 Abs. 1 Satz 3 BPersVG ihre Funktion aufgrund der Kandidatur und Annahme der Wahl erlangt haben, damit gesetzlich verpflichtet sind, die mit dem Amt als Gruppensprecher nach § 32 Abs. 2 BPersVG verknüpften Funktionen des Vorsitzes oder der Stellvertretung wahrzunehmen (Fischer/Goeres/Gronimus, in: Fürst, GKÖD Bd. V, Stand April 2020, § 32 BPersVG Rn. 24). Dieser gesetzlichen Pflicht können sich die Gruppensprecher nicht durch einen Verzicht auf die Bestimmung zum Vorsitzenden entziehen (für die voraussetzungsfreie Möglichkeit eines Verzichts allerdings Jacobs, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, § 32 Rn. 35; Kröll, in: Altvater/Baden/Baunack/Berg/Dierßen/Herget/Kröll/Lenders/Noll, BPersVG, 10. Aufl. 2019, § 32 Rn. 20; vgl. ferner Ilbertz, in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 32 Rn. 15; Fischer/Goeres/Gronimus, in: Fürst, GKÖD Bd. V, Stand April 2020, § 32 BPersVG Rn. 25: bei Vorliegen stichhaltiger Gründe). Das gebietet ebenfalls das gesetzlich fundierte und oben erläuterte Gruppenprinzip. Dessen Wahrung würde ansonsten zur Disposition der Gruppensprecher gestellt. Damit wäre die Effektivität des mit der Bestimmung des Personalratsvorsitzenden beabsichtigten Schutzes der Gruppeninteressen übermäßig beeinträchtigt. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie in der vorliegenden Fallkonstellation - der Verzicht dazu führt, dass ein Vorstandsmitglied zum Vorsitzenden bestimmt wird, das nicht zum Gruppensprecher gewählt wurde. In diesem Fall ist nicht mehr gewährleistet, dass die Interessen der Gruppe, der der Vorsitzende selbst angehört, bei der Geschäftsführung und der Vertretung des Personalrats nach außen entsprechend der Zwecksetzung des § 32 Abs. 2 und 3 BPersVG gerade von dem Mitglied der Gruppe - nämlich dem Gruppensprecher - wahrgenommen werden, das von dem Willen und Vertrauen der Mehrheit der betroffenen Gruppe getragen wird. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass eine etwaige Verständigung im Vorfeld der Wahl, welcher Gruppensprecher den Vorsitz übernehmen soll, hiervon nicht berührt wird.
Rz. 27
b) Die rechtswidrige Vorsitzendenwahl im September 2018 ist aber nicht nichtig und damit nicht unwirksam. Zwar stellt auch hier der Umstand mangelnder Wählbarkeit des zum Vorsitzenden Bestimmten einen schwerwiegenden Fehler dar. Dieser Fehler war aber im September 2018 nicht offenkundig. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Übernahme des Personalratsvorsitzes durch Gruppensprecher ließ Raum für die Annahme, diese könnten auf den Vorsitz verzichten, was bisweilen auch in einem nicht unbeträchtlichen Teil der Kommentarliteratur vertreten wird. Erst mit dem hier vorliegenden Beschluss ist für den Anwendungsbereich des Bundespersonalvertretungsgesetzes geklärt, dass sich Gruppensprecher ihrer gesetzlichen Verpflichtung, für die Funktion des Personalratsvorsitzenden zur Verfügung zu stehen, nicht durch Verzicht entziehen können.
Fundstellen
Haufe-Index 14042550 |
BVerwGE 2021, 140 |
ZTR 2020, 602 |
DÖV 2020, 1039 |
JZ 2020, 662 |
PersV 2020, 458 |
RiA 2020, 240 |
VR 2020, 395 |
AUR 2020, 334 |
BayVBl. 2020, 3 |
IÖD 2020, 242 |
KommJur 2020, 7 |
NPA 2021 |
GSZ 2020, 8 |
Polizei 2020, 428 |