Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Entscheidung vom 10.11.2022; Aktenzeichen 6 A 559/19) |
VG Leipzig (Entscheidung vom 15.03.2019; Aktenzeichen 5 K 952/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 10. November 2022 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Der in Wismar wohnhafte Kläger ist alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer einer Gesellschaft, die mit Sitz im Stadtgebiet der Beklagten im Handelsregister eingetragen ist. Im Juni 2016 meldete der Kläger bei der Beklagten für die Gesellschaft ein Gewerbe mit einer Betriebsstätte im Stadtgebiet der Beklagten an. Im August 2017 regte das Finanzamt Wismar gegenüber der Beklagten die Einleitung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens gegen die Gesellschaft an. Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit ergebe sich aus Steuerrückständen. Daraufhin untersagte die Beklagte dem Kläger wegen gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit unter anderem die Ausübung aller Gewerbetätigkeiten sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person. Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die Voraussetzungen einer Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 7a i. V. m. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO sowie einer erweiterten Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 7a GewO i. V. m. § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO gegenüber dem Kläger lägen vor. Das Berufungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Rz. 2
Die hiergegen gerichtete Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Der Rechtssache kommt die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu.
Rz. 3
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlich klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2019 - 8 B 37.18 - ZfWG 2019, 262 Rn. 4). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Rz. 4
Die Frage,
ob der Verweis von § 35 Abs. 7a Satz 3 GewO auf § 35 Abs. 1 und 3 bis 7 GewO, insbesondere aber auf § 35 Abs. 7 GewO, eine Rechtsgrund- oder eine Rechtsfolgenverweisung darstellt,
ist nicht entscheidungserheblich, da sie sich in dem vom Kläger angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen würde.
Rz. 5
Das Oberverwaltungsgericht ist der Sache nach - wie vom Kläger angestrebt - davon ausgegangen, dass es sich bei dem Verweis des § 35 Abs. 7a Satz 3 GewO auf § 35 Abs. 7 Satz 1 GewO um eine Rechtsgrundverweisung handelt. Bei der Bestimmung der für die Gewerbeuntersagung örtlich zuständigen Behörde hat das Berufungsgericht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 7 Satz 1 GewO in vollem Umfang geprüft und bejaht, sodass es zum selben Ergebnis kam wie bei einer Rechtsfolgenverweisung.
Rz. 6
Die gegenteilige Auffassung des Klägers erklärt sich aus dessen Annahme, bei entsprechender Anwendung des § 35 Abs. 7 Satz 1 Alt. 1 GewO sei für die örtliche Zuständigkeit nicht die Niederlassung des Gewerbetreibenden (hier: der GmbH), sondern der Sitz des Vertreters (hier: des Klägers) maßgebend. Sollte die aufgeworfene Frage deshalb sinngemäß darauf zielen, die Richtigkeit dieser Annahme zu klären, verliehe sie der Rechtssache ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung. Sie bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie ohne Weiteres anhand der üblichen Auslegungsregeln unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung aus dem Gesetz - verneinend - zu beantworten ist.
Rz. 7
Nach § 35 Abs. 7a Satz 3 GewO ist im Fall der Gewerbeuntersagung gegenüber dem Vertretungsberechtigten oder der mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragten Person unter anderem die Zuständigkeitsregelung des § 35 Abs. 7 Satz 1 GewO entsprechend anzuwenden. Danach ist die Behörde zuständig, in deren Bezirk der Gewerbetreibende eine gewerbliche Niederlassung unterhält. Die Vorschriften unterscheiden demnach zwischen dem Gewerbetreibenden (hier: der Gesellschaft) und dem Vertretungsberechtigten oder der mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragten Person (hier: dem Kläger).
Rz. 8
Die gemäß § 35 Abs. 7a GewO angeordnete entsprechende Anwendung des § 35 Abs. 7 Satz 1 GewO rechtfertigt nicht, das Tatbestandsmerkmal "Gewerbetreibender" dort anders auszulegen als bei einer Untersagungsverfügung gegen den Gewerbetreibenden selbst. Das folgt aus dem Sinn und Zweck des § 35 Abs. 7a GewO.
Rz. 9
Diese Vorschrift gestattet es, einem in leitender Stellung abhängig Beschäftigten eines Gewerbebetriebes die Ausübung des Gewerbes zu untersagen, das seiner abhängigen Beschäftigung entspricht. Dabei wird vorausgesetzt, dass gegen den Gewerbetreibenden selbst ein Untersagungsverfahren nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO eingeleitet ist (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1995 - 1 C 3.93 - BVerwGE 100, 187, ≪190 ff.≫). Wegen der Akzessorietät der beiden Untersagungsverfahren ist für beide dieselbe Behörde örtlich zuständig. Dadurch wird gewährleistet, dass die Entscheidung von derjenigen Behörde getroffen wird, die aufgrund des von ihr bereits betriebenen Untersagungsverfahrens gegen den Gewerbetreibenden in der Regel die größte Sachnähe und -kenntnis hat.
Rz. 10
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Rz. 11
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 54.2.1 und Nr. 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Fundstellen
Dokument-Index HI16058322 |