Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 16.06.2005; Aktenzeichen 22 A 266.99) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 28 530 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie Berechtigte zu 1/2 an einem Grundstück in Berlin-Pankow ist und ihr in diesem Umfang ein Anspruch auf Entschädigung nach dem NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz zusteht.
Eigentümer des Grundstücks war seit dem Oktober 1930 Sally F. Mit notarieller Erklärung vom 21. März 1932 bewilligte und beantragte er zu Gunsten des Rechtsvorgängers der Klägerin die Eintragung einer Auflassungsvormerkung hinsichtlich der Übertragung eines ideellen hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück. Er gab gegenüber dem Grundbuchamt an, er habe das Grundstück 1930 auch im Auftrag des Rechtsvorgängers der Klägerin erworben. Die Vormerkung wurde im Oktober 1932 im Grundbuch eingetragen. Das Vermögen des Rechtsvorgängers der Klägerin verfiel auf Grund des Gesetzes über den Widerruf von Einbürgerungen und Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 14. Juli 1933 dem Deutschen Reich und wurde im März 1939 beschlagnahmt. Die Vormerkung wurde auf das Deutsche Reich umgeschrieben.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil Gegenstand der Schädigung kein Vermögenswert im Sinne des § 2 Abs. 2 VermG gewesen sei. Es hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
Die Beschwerde ist unbegründet. Der Rechtssache kommt nicht die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.
Die Klägerin möchte die Fragen geklärt wissen,
ob ein vermögensrechtlicher Anspruch des Treugebers gemäß § 1 Abs. 6 VermG auf solche Treuhandverhältnisse beschränkt ist, in denen das Treuhandverhältnis nach dem 30. Januar 1933 zu Tarnzwecken gegründet wurde oder ob der Anspruch gemäß § 1 Abs. 6 VermG auch dann gilt, wenn das Deutsche Reich sich in die Treugeberposition durch Vermögensverfall bzw. Beschlagnahme eingesetzt hat,
ob ein Anspruch aus einem verfolgungsbedingt verloren gegangenen Treuhandverhältnis ein Vermögenswert im Sinne von § 2 Abs. 2 VermG ist.
Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht, weil sich die Antwort auf sie bereits aus der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist seit langem geklärt, dass ein schuldrechtlicher Anspruch auf Verschaffung des Eigentums an einem Grundstück nicht zu den restituierbaren Vermögenswerten im Sinne des § 2 Abs. 2 VermG gehört (Urteil vom 27. Februar 1997 – BVerwG 7 C 22.96 – Buchholz 428 § 2a VermG Nr. 3; Urteil vom 10. Dezember 2003 – BVerwG 8 C 11.02 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 77). Der Rechtsvorgänger der Klägerin war nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, von denen auch die Klägerin in ihrer Beschwerde ausgeht, lediglich Inhaber eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Übertragung eines Miteigentumsanteils zu 1/2 an dem streitigen Grundstück. Der Eigentümer des Grundstücks, Sally F., hatte das Grundstück danach auch im Auftrag des Rechtsvorgängers der Klägerin erworben und war auf Grund des zwischen ihnen bestehenden Auftragsverhältnisses verpflichtet, dem Rechtsvorgänger der Klägerin einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück zu übertragen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 2004 – BVerwG 7 C 23.03 – (BVerwGE 122, 85) nicht, dass in bestimmten Fällen schuldrechtliche Verschaffungsansprüche aus einem Treuhandverhältnis restituierbare Vermögenswerte im Sinne von § 2 Abs. 2 VermG mit der Folge sein können, dass ein vermögensrechtlicher Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks besteht, auf den der schuldrechtliche Verschaffungsanspruch sich bezog.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts betrifft vielmehr ausschließlich Fälle, in denen das Eigentum an einem Grundstück Gegenstand der vermögensrechtlichen Schädigung war. Es beantwortet die Frage, wer Geschädigter war und damit Berechtigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG ist, wenn der frühere Eigentümer sein Eigentum an dem Grundstück treuhänderisch auf einen Dritten übertragen hat und dieser Dritte das Eigentum an dem Grundstück in Folge eines Zwangsverkaufs im Sinne des § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG verloren hat. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Treugeber als wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks Geschädigter und damit Berechtigter im Sinne des Vermögensgesetzes, wenn das Treuhandverhältnis der Abwendung verfolgungsbedingter Vermögensschäden diente. Auch nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 2004 bleibt es dabei, dass der bloße schuldrechtliche Verschaffungsanspruch kein Vermögenswert im Sinne des § 2 Abs. 2 VermG ist.
Für den hier zu beurteilenden Sachverhalt ist diese Entscheidung schon deshalb ohne jede Bedeutung, weil das Eigentum an dem Grundstück nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu keinem Zeitpunkt Gegenstand einer vermögensrechtlichen Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG war, denn Sally F. war während der gesamten Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft Eigentümer des Grundstücks geblieben. Es geht hier nicht um die Frage, wer hinsichtlich einer Schädigung am Eigentum des Grundstücks als Geschädigter anzusehen ist. Der Rechtsvorgänger der Klägerin ist zu keinem Zeitpunkt (Mit-)Eigentümer des Grundstücks gewesen. Er hat nicht zur Abwendung verfolgungsbedingter Vermögensschäden einen Miteigentumsanteil auf Sally F. als Treuhänder übertragen. Demzufolge ist auch kein Miteigentumsanteil, der ihm als wirtschaftliches Eigentum zugerechnet werden könnte, Gegenstand einer Schädigung im Sinne des Vermögensgesetzes gewesen. Mithin stellt sich nicht die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf andere Treuhandverhältnisse ausgeweitet werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Sailer, Herbert, Neumann
Fundstellen