Verfahrensgang
BVerwG (Beschluss vom 18.12.2014; Aktenzeichen 5 C 20.14, 5 PKH 32.14) |
Tenor
Der Nichtigkeits- und der Restitutionsantrag der Antragstellerin gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2014 (5 C 20.14, 5 PKH 32.14) werden verworfen.
Der Antrag der Antragstellerin, ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Nichtigkeits- und Restitutionsantragsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Rz. 1
1. Der von der Antragstellerin als „Restitutionsklage und Nichtigkeitsklage” bezeichnete außerordentliche Rechtsbehelf ist bei zweckentsprechender Würdigung ihres Begehrens als Nichtigkeits- und Restitutionsantrag gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2014 (5 C 20.14, 5 PKH 32.14) auszulegen. Mit diesem Beschluss hat der Senat die Revision der Antragstellerin gegen den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Oktober 2014 (4 ME 255/14) wegen Unzulässigkeit verworfen und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie Beiordnung eines Rechtsanwalts mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Revision abgelehnt.
Rz. 2
Das Begehren ist der in Rede stehenden Auslegung zugänglich. Zwar setzt die Wiederaufnahme des Verfahrens durch Nichtigkeits- und Restitutionsklage nach dem Wortlaut der gemäß § 153 Abs. 1 VwGO im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 578 Abs. 1 ZPO voraus, dass das betreffende Verfahren durch rechtskräftiges Endurteil geschlossen wurde. Das Wiederaufnahmeverfahren ist aber seinem Zweck entsprechend, ausnahmsweise aus Gründen materieller Gerechtigkeit nicht mehr anfechtbare Gerichtsentscheidungen aufzuheben, auch gegen der Rechtskraft fähige verfahrensbeendende Beschlüsse statthaft. An die Stelle der Nichtigkeits- und Restitutionsklage tritt in diesem Fall ein entsprechender Antrag, über den seinerseits im Beschlussverfahren zu entscheiden ist. Wird der Rechtsbehelf fälschlicherweise als „Klage” bezeichnet, kann ihn das Gericht als „Antrag” auslegen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. Januar 1992 – 2 BvR 40/92 – NJW 1992, 1030 ≪1031≫; BVerwG, Beschlüsse vom 28. Januar 1974 – 8 A 2.74 – Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 12 S. 18 f.; vom 26. März 1997 – 5 A 1.97, 5 PKH 14.97 – Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 31 und vom 4. Februar 2002 – 4 B 51.01 – Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 33 S. 4, jeweils m.w.N.; BFH, Beschluss vom 20. Februar 1998 – VII K 7/97 – BFH/NV 1998, 1248 m.w.N.).
Rz. 3
2. Der Nichtigkeits- und der Restitutionsantrag der Antragstellerin sind unzulässig. Soweit sich diese Anträge gegen die vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Dezember 2014 (5 C 20.14, 5 PKH 32.14) ausgesprochene Verwerfung der Revision richten, sind sie zwar statthaft. Das Bundesverwaltungsgericht ist hierfür aber sachlich nicht zuständig (a). Soweit die Antragstellerin auch die Wiederaufnahme des mit dem angegriffenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls beendeten Prozesskostenhilfeverfahrens begehrt, fehlt es bereits an der Statthaftigkeit (b).
Rz. 4
a) Es ist anerkannt, dass Beschlüsse, durch die die Revision als unzulässig verworfen wird, Gegenstand eines Nichtigkeits- und eines Restitutionsantrags sein können (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1973 – IX ZR 154/72 – BGHZ 62, 18 ≪19≫ und Beschluss vom 18. November 1982 – III ZR 113/79 – NJW 1983, 883; BAG, Urteil vom 2. Juni 1982 – 7 AZR 868/77 – juris Rn. 21). Um einen derartigen Beschluss handelt es sich bei dem angegriffenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts.
Rz. 5
Die Zuständigkeit des Revisionsgerichts für ein derartiges Wiederaufnahmebegehren ist aber nach § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 584 Abs. 1 Alt. 3 ZPO auf die Fälle der §§ 579, 580 Nr. 4 und Nr. 5 ZPO beschränkt (BVerwG, Beschluss vom 4. Februar 2002 – 4 B 51.01 – Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 33 S. 4 m.w.N.). Die Antragstellerin macht einen entsprechenden Nichtigkeits- oder Restitutionsgrund nicht geltend.
Rz. 6
aa) Der Nichtigkeitsantrag findet nach § 153 Abs. 1 VwGO i.Vm. § 579 Abs. 1 ZPO statt, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (Nr. 1), wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist (Nr. 2), wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war (Nr. 3) oder wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat (Nr. 4). Keine dieser Voraussetzungen ist hier erfüllt.
Rz. 7
Die Antragstellerin hat sich in Bezug auf den angegriffenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2014 (5 C 20.14, 5 PKH 32.14) insbesondere darauf beschränkt zu beanstanden, dass das erhobene Rechtsmittel im Rubrum dieses Beschlusses nicht mit Aktenzeichen und Datum genau bezeichnet worden sei. Des Weiteren sei die beglaubigte Abschrift dieses Beschlusses nicht in der vorgeschriebenen Form erstellt worden. Es fehlten Datum, Ort und Name des Ausstellers. Ein Nichtigkeitsgrund im Sinne von § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 579 Abs. 1 ZPO wird mit diesem Vorbringen nicht bezeichnet.
Rz. 8
Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für den Nichtigkeitsantrag lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass die Antragstellerin hinsichtlich der dem angegriffenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2014 (5 C 20.14, 5 PKH 32.14) zugrunde liegenden erstinstanzlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stade (4 B 1376/14) den Nichtigkeitsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts geltend macht. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar seine Zuständigkeit ausnahmsweise auch dann für gegeben angesehen, wenn über eine auf § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gestützte Nichtigkeitsklage zu entscheiden ist, mit der die nicht vorschriftsmäßige Besetzung der Berufungsinstanz gerügt wird, allerdings nur unter der weiteren Voraussetzung, dass es als Revisionsgericht im Vorprozess eine Sachentscheidung getroffen hatte (BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1973 – 2 A 2.72 – Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 9 und Beschluss vom 4. Februar 2002 – 4 B 51.01 – Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 33 S. 4). Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob diese Rechtsprechung auf den Fall zu erstrecken ist, dass die Nichtigkeitsklage bzw. der Nichtigkeitsantrag – wie hier – auf die nicht vorschriftsmäßige Besetzung der ersten Instanz gestützt wird. Denn in jedem Fall fehlt es hier an der erforderlichen Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses hat die Revision mit dem angegriffenen Beschluss vom 18. Dezember 2014 (5 C 20.14, 5 PKH 32.14) nicht als unbegründet zurückgewiesen, sondern als unzulässig verworfen.
Rz. 9
bb) Der Restitutionsantrag vor dem Revisionsgericht ist nach § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 584 Abs. 1 Alt. 3 ZPO eröffnet, wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist (§ 580 Nr. 4 ZPO) oder ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat (§ 580 Nr. 5 ZPO). Diese Voraussetzungen sind hier offensichtlich nicht gegeben.
Rz. 10
cc) Angesichts der fehlenden sachlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts bedarf es keiner abschließenden Klärung, ob die Antragstellerin wie von § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 589 Abs. 2 ZPO gefordert, die Tatsachen glaubhaft gemacht hat, die ergeben, dass die Anträge vor Ablauf der einmonatigen Notfrist (§ 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 586 Abs. 1 ZPO) erhoben worden sind.
Rz. 11
b) Der Nichtigkeits- und der Restitutionsantrag der Antragstellerin sind nicht statthaft, soweit sie sich gegen die mit dem angegriffenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2014 (5 C 20.14, 5 PKH 32.14) ausgesprochene Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts richten.
Rz. 12
Die Wiederaufnahme abgeschlossener Verfahren setzt mit Blick auf den Zweck dieses Verfahrens voraus, dass die sie abschließende Entscheidung der materiellen Rechtskraft fähig ist (vgl. BFH, Beschlüsse vom 21. November 1997 – V S 4.92 – BFH/NV 1998, 494 und vom 26. März 1998 – XI K 5/97, IX S 32/97 – juris Rn. 2). Das trifft auf einen die Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss nicht zu (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15. Mai 2007 – 1 BvR 2347/05 – WM 2007, 1170 ≪1171≫; BGH, Beschlüsse vom 3. März 2004 – IV ZB 43/03 – NJW 2004, 1805 ≪1806≫ und vom 10. März 2005 – XII ZB 19/04 – NJW 2005, 1498 ≪1499≫; BFH, Beschluss vom 21. November 1997 – V S 4.92 – BFH/NV 1998, 494 m.w.N.).
Rz. 13
Unabhängig davon wäre das Bundesverwaltungsgericht auch insoweit nach Maßgabe des § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 584 Abs. 1 Alt. 3 ZPO sachlich nicht zuständig. Die Antragstellerin hat bezogen auf die ablehnende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über den Prozesskostenhilfeantrag weder einen Nichtigkeitsgrund im Sinne von § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 579 Abs. 1 ZPO noch einen Restitutionsgrund im Sinne von § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 580 Nr. 4 oder Nr. 5 ZPO dargelegt.
Rz. 14
3. Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Nichtigkeits- und Restitutionsantragsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist unbegründet, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den oben genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Absatz 1 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO). In diesem Fall bedarf es keiner Prüfung mehr, ob die Antragstellerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO). Selbst wenn die finanziellen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts gegeben wären, ist dem Antrag nicht stattzugeben. Denn die in § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Fehlt – wie hier – eine der dort genannten Voraussetzungen, darf keine Prozesskostenhilfe gewährt werden.
Rz. 15
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Rz. 16
5. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.
Unterschriften
Stengelhofen, Dr. Fleuß, Dr. Harms
Fundstellen