Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 28.10.2013; Aktenzeichen 26 A 2354/11.D) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf Divergenz gestützte Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO und § 69 BDG) ist unbegründet.
1. Der 1947 geborene Beklagte stand bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand zum 1. Februar 2013 als Technischer Postamtsrat (BesGr A 12 BBesO) im Dienst der Klägerin. Durch Strafbefehl wurde der Beklagte im Jahr 2005 wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften verurteilt. Im sachgleichen Disziplinarverfahren stufte ihn das Verwaltungsgericht im Juli 2007 in das Amt eines Technischen Postamtsrats zurück.
Anlässlich einer Durchsuchung seiner Wohnung und seines Arbeitsplatzes im November 2007 wurden beim Beklagten 1 200 kinderpornographische Schriften festgestellt. Der Beklagte wurde zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Dienst entfernt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Beklagten das Ruhegehalt aberkannt wird. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt:
Das außerdienstliche Dienstvergehen des Besitzes kinderpornographischer Schriften sei nach Maßgabe des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. disziplinarwürdig. Orientierungsrahmen für die disziplinarrechtliche Ahndung dieses Dienstvergehens sei ausgehend von der maßgeblichen Strafandrohung die Zurückstufung. Da es sich hier aber um einen wiederholten, gleichgelagerten Pflichtenverstoß handele, sei ein endgültiger Vertrauensverlust im Sinne von § 13 Abs. 2 BDG eingetreten.
2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde des Beklagten beimisst (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und § 69 BDG).
Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine – vom Beschwerdeführer zu bezeichnende – grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫ = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f.). Das ist hier nicht der Fall.
Die Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Frage, nach welchen Bemessungskriterien die erforderliche Disziplinarmaßnahme für das wiederholte Dienstvergehen des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu bestimmen ist. Diese Frage vermag die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen, weil sie sich auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bemessung der Disziplinarmaßnahme nach § 13 BDG auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens dahingehend beantworten lässt, dass eine einschlägige Vorbelastung zu berücksichtigen ist und auch zur disziplinarischen Höchstmaßnahme führen kann.
Die erforderliche Disziplinarmaßnahme ist stets aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Umstände zu bestimmen, wobei der Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG maßgebende Bedeutung zukommt. Danach sind die Arten (Fallgruppen) von Dienstvergehen nach ihrer disziplinarrechtlichen Bedeutung einer bestimmten Disziplinarmaßnahme als Regelmaßnahme oder einem Orientierungsrahmen zuzuordnen (stRspr, vgl. nur Urteile vom 3. Mai 2007 – BVerwG 2 C 9.06 – Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 20 ff. und vom 28. Juli 2011 – BVerwG 2 C 16.10 – BVerwGE 140, 185 = Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 18 jeweils Rn. 28 f.).
Die Schwere disziplinarrechtlich relevanter außerdienstlicher Straftaten richtet sich in erster Linie nach dem gesetzlichen Strafrahmen, weil der Gesetzgeber dadurch den Unrechtsgehalt verbindlich zum Ausdruck bringt. Diese gesetzliche Wertung ist Maßstab für die Beurteilung, in welchem Maß der Beamte durch sein strafbares Verhalten eine disziplinarrechtlich bedeutsame Schädigung des Ansehens des öffentlichen Dienstes herbeigeführt hat (stRspr; vgl. nur Urteile vom 19. August 2010 – BVerwG 2 C 13.10 – Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 25 f. und – BVerwG 2 C 5.10 – Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 22 f.). Für die disziplinarrechtliche Ahndung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischen Materials hat der Senat aus dem seit 2003 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StGB von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, dass für die Maßnahmebemessung auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen ist, wenn das Dienstvergehen keinen Bezug zu den dienstlichen Aufgaben des Beamten aufweist und dieser keine herausgehobene Vorgesetzten- und Leitungsfunktion innehat (Urteile vom 19. August 2010 a.a.O.). Die aus dem Orientierungsrahmen fallende Entfernung aus dem Beamtenverhältnis darf nur ausgesprochen werden, wenn im Einzelfall besonders gewichtige Erschwerungsgründe vorliegen, die nicht durch Milderungsgründe kompensiert werden (Beschluss vom 14. Mai 2012 – BVerwG 2 B 146.11 – NVwZ-RR 2012, 658 Rn. 7 ff.). Zu diesen belastenden Umständen zählt auch eine Vorbelastung des Beamten.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bemessung einer Disziplinarmaßnahme ist anerkannt, dass zum Persönlichkeitsbild des Beamten im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG insbesondere frühere disziplinarische oder strafrechtliche Verfehlungen gehören, deren Berücksichtigung bei der Maßnahmebemessung kein rechtliches Hindernis entgegensteht, und dass diese Verfehlungen bei der Würdigung sämtlicher Umstände belastend zu berücksichtigen sind. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der gesamten Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten. Aus einer Vorbelastung kann geschlossen werden, dass sich der Beamte eine vorherige strafgerichtliche oder disziplinarische Sanktionierung nicht hat zur Mahnung dienen lassen, so dass eine stufenweise Steigerung der Disziplinarmaßnahme geboten ist. Das Gewicht der Vorbelastung im Einzelfall, die als erschwerender Umstand auch zur Höchstmaßnahme führen kann, hängt vor allem von der dafür rechts- oder bestandskräftig ausgesprochenen Disziplinarmaßnahme und vom zeitlichen Abstand zur neuen Verfehlung ab (zuletzt Urteil vom 25. Juli 2013 – BVerwG 2 C 63.11 – BVerwGE 147, 229 Rn. 22 und Beschluss vom 11. Februar 2014 – BVerwG 2 B 37.12 – juris Rn. 33; aus der Rechtsprechung des Disziplinarsenats, Urteil vom 11. Dezember 2001 – BVerwG 1 D 2.01 – juris Rn. 31 m.w.N.).
Ob danach das wiederholte Dienstvergehen des außerdienstlichen Besitzes von kinderpornographischen Schriften zur Höchstmaßnahme führt, ist keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine der Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls.
3. Die Revision ist auch nicht wegen der vom Beklagten geltend gemachten Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO und § 69 BDG) zuzulassen.
Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14 = NJW 1997, 3328).
Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz- noch denen einer Grundsatzrüge (vgl. Beschluss vom 17. Januar 1995 – BVerwG 6 B 39.94 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55).
Hieran gemessen ist die Divergenzrüge des Beklagten unbegründet.
In Bezug auf den Beschluss des Senats vom 14. Mai 2012 – BVerwG 2 B 146.11 – (NVwZ-RR 2012, 658) legt der Beklagte keinen prinzipiellen Auffassungsunterschied zwischen den Grundsätzen des Bundesverwaltungsgerichts zur Bemessung der Disziplinarmaßnahme beim außerdienstlichen Besitz kinderpornographischer Schriften und den Grundsätzen des Verwaltungsgerichtshofs dar. Der genannte Senatsbeschluss betrifft das erstmalige Dienstvergehen des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften. Demgegenüber ist der Fall des Beklagten durch die Besonderheit eines wiederholten, gleichgelagerten Pflichtenverstoßes gekennzeichnet, die die über die Zurückstufung hinausgehende disziplinarische Ahndung rechtfertigt.
Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs weicht auch nicht vom Senatsbeschluss vom 26. Juni 2012 – BVerwG 2 B 28.12 – (NVwZ 2012, 1196) ab. Dieser Beschluss betrifft die Konstellation, dass der betreffende Beamte kinderpornographische Schriften nicht nur besessen, sondern diese anderen zugänglich gemacht hat. Dem Senatsbeschluss ist aber nicht die rechtsgrundsätzliche Aussage zu entnehmen, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als Sanktionierung eines Dienstvergehens eines Beamten im Zusammenhang mit kinderpornographischen Schriften allein bei der Straftat des Zugänglichmachens der Schriften in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 77 Abs. 1 BDG. Einer Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 BDG erhoben werden.
Unterschriften
Domgörgen, Dr. Hartung, Dr. Kenntner
Fundstellen