Tenor
Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wird ausgesetzt.
Der Gerichtshof der Europäischen Union wird um Klärung folgender Frage im Wege der Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV gebeten:
Ist Art. 16 Abs. 3 und 4 EH-RL dahin auszulegen, dass die Sanktion wegen Emissionsüberschreitung auch dann auferlegt werden muss, wenn der Betreiber bis zum 30. April eines Jahres eine Anzahl von Zertifikaten abgegeben hat, die den Gesamtemissionen entspricht, die er in seinem von der prüfenden Instanz als zufrieden stellend bewerteten Bericht über die Emissionen der Anlage im Vorjahr angegeben hat, die zuständige Behörde aber nach dem 30. April feststellt, dass die Gesamtmenge der Emissionen im geprüften Emissionsbericht fehlerhaft zu niedrig angegeben worden ist, der Bericht korrigiert wird und der Betreiber die weiteren Zertifikate innerhalb der neuen Frist abgibt?
Tatbestand
I
Die Klägerin wendet sich gegen die Auferlegung einer Zahlungspflicht auf der Grundlage von § 18 des Gesetzes über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen vom 8. Juli 2004 (BGBl I S. 1578 – im Folgenden: TEHG).
Die Klägerin betrieb bis zur Stilllegung im März 2008 eine Zuckerfabrik. Zu der Anlage gehörte ein emissionshandelspflichtiger Dampferzeuger. Einen Teil des erzeugten Heißdampfes nutzte sie in der betriebseigenen Trocknungsanlage zur thermischen Trocknung von Rübenschnitzeln.
Nach Einführung des Emissionshandels teilte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit dem Verein der Zuckerindustrie auf dessen Anfrage in einem Schreiben vom 17. Juni 2004 mit, dass Trocknungsanlagen als zum Betrieb notwendige Anlagenbestandteile der Zuckerindustrie nicht dem Emissionshandel unterlägen. Ein im Verbund mit einer Anlage zur Herstellung oder Raffination von Zucker als Nebeneinrichtung betriebenes Kesselhaus zur Dampf- und Stromerzeugung sei hingegen emissionshandelspflichtig, wenn der Schwellenwert der Feuerungswärmeleistung überschritten sei.
Die Klägerin erstellte für das Jahr 2005 einen Emissionsbericht. Der Bericht wies für den Dampferzeuger Gesamtemissionen in Höhe von 40 288 t Kohlendioxid aus. Diese Menge umfasste nicht die Emissionen, die bei der Erzeugung des Dampfes für den Betrieb der Trocknungsanlage angefallen waren. Eine sachverständige Stelle prüfte den Bericht, bewertete ihn als zufrieden stellend und erklärte ihr Einverständnis mit der Eintragung der ausgewiesenen Emissionen im Register. Der Bericht wurde über die zuständige Landesbehörde am 16. März 2006 an die Beklagte weitergeleitet. Zum 30. April 2006 gab die Klägerin eine dem Bericht entsprechende Anzahl von Emissionsberechtigungen an die Beklagte ab.
Nach dem maßgebenden Abgabezeitpunkt prüfte die Beklagte den Emissionsbericht. Sie forderte die Klägerin zur Nachbesserung des Berichts u.a. hinsichtlich der Zuordnung der Brennstoffströme zu den verschiedenen Anlagenteilen auf und hörte sie zur Festsetzung einer Zahlungspflicht an. Die Klägerin machte geltend, sie sei aufgrund des Schreibens des Ministeriums der Auffassung gewesen, dass Trocknungsanlagen nicht emissionshandelspflichtig seien und deshalb auch die auf ihren Betrieb entfallenden Emissionen eines Dampferzeugers nicht berichtet werden müssten. Sie korrigierte ihren Emissionsbericht um die auf die Trocknungsanlage entfallenden Emissionen auf Gesamtemissionen in Höhe von 42 961 t Kohlendioxid und gab am 24. April 2007 weitere 2 673 Berechtigungen ab.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 7. Dezember 2007 eine Zahlungspflicht nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG in Höhe von 106 920 EUR fest. Den Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2009 zurück.
Das Verwaltungsgericht hob die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 11. Juni 2010 auf. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 20. Oktober 2011 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin ihre Abgabepflicht aus § 6 Abs. 1 TEHG nicht verletzt habe. Sie habe fristgerecht eine ihrem Emissionsbericht entsprechende Anzahl von Berechtigungen abgegeben. Die Abgabepflicht werde durch den geprüften Emissionsbericht konkretisiert.
Die Beklagte beantragt, die Urteile des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen. Sie ist mit dem Vertreter des Bundesinteresses der Auffassung, dass maßgebend für die Abgabepflicht nach § 6 Abs. 1 TEHG nicht die Emissionsmenge sei, die im geprüften Emissionsbericht ausgewiesen worden sei, sondern diejenige, die sich bei richtiger Anwendung der Vorschriften über die Emissionsermittlung ergebe.
Entscheidungsgründe
II
Die maßgeblichen Vorschriften des Unionsrechts finden sich in der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates (ABl EU Nr. L 275 S. 32 – im Folgenden: EH-RL). Einschlägig sind neben Art. 16 insbesondere Art. 6 Abs. 2 Buchst. e, Art. 12 Abs. 3, Art. 14 und Art. 15 EH-RL.
Die maßgeblichen Vorschriften des nationalen Rechts finden sich im Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen (TEHG) vom 8. Juli 2004:
„Abschnitt 2: Genehmigung und Überwachung von Emissionen
§ 4 Emissionsgenehmigung
(1) Die Freisetzung von Treibhausgasen durch eine Tätigkeit im Sinne dieses Gesetzes bedarf der Genehmigung.
(2) Die Genehmigung setzt voraus, dass der Verantwortliche in der Lage ist, die durch seine Tätigkeit verursachten Emissionen zu ermitteln und darüber Bericht zu erstatten.
…
(5) Die Genehmigung enthält folgende Angaben und Bestimmungen:
…
5. eine Verpflichtung zur Abgabe von Berechtigungen gemäß § 6.
…
(8) Erfüllt der Verantwortliche die in § 5 genannten Pflichten nicht, haben Maßnahmen nach den §§ 17 und 18 dieses Gesetzes Vorrang vor Maßnahmen nach § 17 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Bei Verstößen gegen die Pflichten nach § 5 finden die §§ 20 und 21 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes keine Anwendung. Erfüllt der Verantwortliche die in § 6 Abs. 1 genannten Pflichten nicht, finden ausschließlich die Regelungen dieses Gesetzes Anwendung.
§ 5 Ermittlung von Emissionen und Emissionsbericht
(1) Der Verantwortliche hat ab dem 1. Januar 2005 die durch seine Tätigkeit in einem Kalenderjahr verursachten Emissionen nach den Maßgaben des Anhangs 2 Teil I zu ermitteln und der zuständigen Behörde nach den Maßgaben des Anhangs 2 Teil II zu diesem Gesetz bis zum 1. März des Folgejahres über die Emissionen zu berichten. Die Bundesregierung kann Einzelheiten zur Bestimmung der zu ermittelnden Emissionen nach Maßgabe des Anhangs 2 Teil I zu diesem Gesetz durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, regeln.
(2) …
(3) Der Emissionsbericht nach Absatz 1 muss vor seiner Abgabe von einer durch die zuständige Behörde bekannt gegebenen sachverständigen Stelle nach den Maßgaben des Anhangs 3 zu diesem Gesetz geprüft werden. Eine Bekanntgabe als sachverständige Stelle erfolgt auf Antrag, sofern der Antragsteller unbeschadet weiterer Anforderungen nach Satz 4 die Anforderungen nach Anhang 4 zu diesem Gesetz erfüllt. Ohne weitere Prüfung werden auf Antrag
- unabhängige Umweltgutachter oder Umweltgutachterorganisationen mit einer Zulassung nach dem Umweltauditgesetz, die für ihren jeweiligen Zulassungsbereich zur Prüfung von Erklärungen nach Absatz 1 berechtigt sind, und
- Personen, die entsprechend den Vorgaben dieses Gesetzes oder aufgrund dieses Gesetzes nach § 36 Abs. 1 der Gewerbeordnung zur Prüfung von Emissionsberichten öffentlich als Sachverständige bestellt worden sind,
bekannt gemacht. Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Voraussetzungen und das Verfahren der Prüfung sowie die Voraussetzungen und das Verfahren der Bekanntgabe von Sachverständigen durch die zuständige Behörde näher zu regeln.
(4) Der Emissionsbericht nach Absatz 1 und der Bericht über die Prüfung nach Absatz 3 werden von der zuständigen Behörde stichprobenartig überprüft und der nach § 20 Abs. 1 Satz 2 zuständigen Behörde spätestens bis zum 31. März des Folgejahres im Sinne des Absatzes 1 zugeleitet.
Abschnitt 3: Berechtigungen und Zuteilung
§ 6 Berechtigungen
(1) Der Verantwortliche hat bis zum 30. April eines Jahres, erstmals im Jahr 2006, eine Anzahl von Berechtigungen an die zuständige Behörde abzugeben, die den durch seine Tätigkeit im vorangegangenen Kalenderjahr verursachten Emissionen entspricht.
…
Abschnitt 5: Sanktionen
§ 17 Durchsetzung der Berichtspflicht
(1) Liegt der zuständigen Behörde nicht bis zum 31. März eines Jahres, erstmals im Jahr 2006, ein den Anforderungen nach § 5 entsprechender Bericht vor, so verfügt sie die Sperrung des Kontos des Verantwortlichen für die Übertragung von Berechtigungen an Dritte. Dies gilt nicht, wenn der Bericht zum 1. März eines Jahres bei der nach § 20 Abs. 1 Satz 1 zuständigen Behörde vorgelegen hat. Die Sperrung ist unverzüglich aufzuheben, sobald der Verantwortliche der zuständigen Behörde nach Satz 1 einen den Anforderungen nach § 5 entsprechenden Bericht vorgelegt hat oder eine Schätzung der Emissionen nach § 18 Abs. 2 erfolgt.
…
§ 18 Durchsetzung der Abgabepflicht
(1) Kommt der Verantwortliche seiner Pflicht nach § 6 Abs. 1 nicht nach, so setzt die zuständige Behörde für jede emittierte Tonne Kohlendioxidäquivalent, für die der Verantwortliche keine Berechtigungen abgegeben hat, eine Zahlungspflicht von 100 Euro, in der ersten Zuteilungsperiode von 40 Euro, fest. Von der Festsetzung einer Zahlungspflicht kann abgesehen werden, wenn der Verantwortliche seiner Pflicht nach § 6 Abs. 1 aufgrund höherer Gewalt nicht nachkommen konnte.
(2) Soweit der Verantwortliche nicht ordnungsgemäß über die durch seine Tätigkeit verursachten Emissionen berichtet hat, schätzt die zuständige Behörde die durch die Tätigkeit im vorangegangenen Kalenderjahr verursachten Emissionen. Die Schätzung ist unwiderlegliche Basis für die Verpflichtung nach § 6 Abs. 1. Die Schätzung unterbleibt, wenn der Verantwortliche im Rahmen der Anhörung zum Festsetzungsbescheid nach Absatz 1 seiner Berichtspflicht ordnungsgemäß nachkommt.
(3) Der Verantwortliche bleibt verpflichtet, die fehlenden Berechtigungen, im Falle des Absatzes 2 nach Maßgabe der erfolgten Schätzung, bis zum 30. April des Folgejahres abzugeben. Gibt der Verantwortliche die fehlenden Berechtigungen nicht bis zum 30. April des Folgejahres ab, so werden Berechtigungen, auf deren Zuteilung oder Ausgabe der Verantwortliche einen Anspruch hat, auf seine Verpflichtung nach Satz 1 angerechnet.
(4) Die Namen der Verantwortlichen, die gegen ihre Verpflichtung nach § 6 Abs. 1 verstoßen, werden im Bundesanzeiger veröffentlicht. Die Veröffentlichung setzt einen bestandskräftigen Zahlungsbescheid voraus.”
III
1. Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich.
a) Bejaht der Gerichtshof die Frage, sind die Urteile des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage ist abzuweisen.§ 6 Abs. 1 und § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG wären dann unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass ein Anlagenbetreiber seine Abgabepflicht verletzt, wenn er zum maßgebenden Zeitpunkt nicht eine Anzahl von Berechtigungen abgibt, die seinen zutreffend ermittelten Emissionen entspricht. Auf die Menge der von der sachverständigen Stelle testierten Emissionen käme es nicht an. Die gegenteilige Auffassung des Oberverwaltungsgerichts wäre mit § 6 Abs. 1 und § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG unvereinbar.
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts erwiese sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). In Betracht käme hier nur ein Absehen von der Festsetzung der Zahlungspflicht wegen höherer Gewalt nach § 18 Abs. 1 Satz 2 TEHG. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann ein Fall höherer Gewalt anerkannt werden, wenn sich Rechtssuchende auf eine äußere Ursache berufen, deren Folgen unvermeidbar und unausweichlich sind und den Betroffenen die Einhaltung ihrer Verpflichtungen objektiv unmöglich machen (Urteil vom 17. Oktober 2013 – Rs. C-203/12 Rn. 31, Billerud – NVwZ 2013, 1536 [noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht]). Auf eine absolute Unmöglichkeit ist der Begriff der höheren Gewalt nicht beschränkt (EuGH, Urteil vom 13. Oktober 1993 – Rs. C-124/92, Inter-Agra – Slg. 1993, I-5061 Rn. 11). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann auch ein rechts- oder treuwidriges Verhalten der Behörde einen Fall höherer Gewalt begründen (Urteile vom 31. Juli 2012 – BVerwG 4 A 5000.10 u.a. – BVerwGE 144, 1 Rn. 41 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 38 und vom 18. April 1997 – BVerwG 8 C 38.95 – Buchholz 454.71 § 27 2. WoGG Nr. 2 S. 8 f. = NJW 1997, 2966 – juris Rn. 16).
Ausgehend hiervon ist der Rechtsirrtum der Klägerin nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen. Die Auskunft des Ministeriums vom 17. Juni 2004, dass Trocknungsanlagen als zum Betrieb notwendiger Anlagenbestandteil der Zuckerindustrie nicht dem Emissionshandel unterliegen, als Nebeneinrichtung betriebene Dampferzeuger ab einer bestimmten Feuerungswärmeleistung hingegen emissionshandelspflichtig sind, war zutreffend. Dass die auf die Trocknung entfallenden Emissionen eines solchen Dampferzeugers von der Emissionshandelspflichtigkeit ausgenommen sein könnten, ergab sich aus dem Schreiben nicht. Da der Emissionshandel – wie im Schreiben des Ministeriums vom 17. Juni 2004 ebenfalls dargelegt – einen anlagenbezogenen Ansatz verfolgt, lag diese Annahme eher fern. Die Klägerin hätte deshalb ihre Auslegung des Schreibens überprüfen müssen; verlässliche Erfahrungen mit der Emissionsermittlung konnte sie bei dem Emissionsbericht für das erste Jahr des Emissionshandels noch nicht haben. Dass die sachverständige Stelle den Emissionsbericht nicht hätte verifizieren dürfen, begründet ebenfalls keine höhere Gewalt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die sachverständige Stelle zwar Beamter im haftungsrechtlichen Sinn; ihre Prüftätigkeit stellt sich als notwendiger – an sich originär von der Beklagten zu leistender – Bestandteil des Verwaltungshandelns dar (BGH, Urteil vom 15. September 2011 – III ZR 240/10 – BGHZ 191, 71 Rn. 19, 22). Das Testat der sachverständigen Stelle könnte höhere Gewalt jedoch nur dann begründen, wenn gerade der Fehler des Testats ursächlich für die Verletzung der Abgabepflicht war (vgl. Urteile vom 11. Mai 1979 – BVerwG 6 C 70.78 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 106 S. 47 f. = juris Rn. 31 und vom 18. April 1997 a.a.O. Rn. 16, jeweils zur Fristversäumung aufgrund fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung). Daran fehlt es hier. Die erste Ursache für den Berichtsfehler hat die Klägerin selbst durch die Vorlage des in eigener Verantwortung zu erstellenden Emissionsberichts gesetzt. Die eigene Verantwortung erstreckt sich nicht nur auf die Richtigkeit der berichteten Tätigkeitsdaten, sondern auch auf die Auslegung der Emissionsermittlungsvorschriften, jedenfalls soweit es nicht um schwierige Rechtsfragen geht. Den hier vorliegenden Rechtsirrtum hätte die Klägerin – wie bereits dargelegt – vermeiden können.
b) Verneint der Gerichtshof die Frage, ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Nach Auffassung des Senats ist § 6 Abs. 1 TEHG mit dem Oberverwaltungsgericht dahin auszulegen, dass ein Anlagenbetreiber, der bis zum 30. April eines Jahres eine Anzahl von Berechtigungen abgegeben hat, die den im geprüften Emissionsbericht angegebenen Emissionen entspricht, die Abgabepflicht auch dann nicht verletzt hat, wenn die zuständige Behörde nach diesem Zeitpunkt feststellt, dass die Gesamtmenge der Emissionen im geprüften Emissionsbericht zu niedrig angegeben worden ist. In einem solchen Fall ist der Betreiber gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 TEHG verpflichtet, die fehlenden Berechtigungen bis zum 30. April des Folgejahres abzugeben; die bis zum 30. April des Vorjahres zu erfüllende Abgabepflicht nach § 6 Abs. 1 TEHG hat er nicht verletzt. Auch die Voraussetzungen für die Festsetzung der Zahlungspflicht nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG sind damit nicht erfüllt.
§ 6 Abs. 1 TEHG knüpft ebenso wie § 5 Abs. 1 TEHG an die „verursachten” Emissionen an. Dieser Begriff spricht allerdings eher dafür, die Emissionen unabhängig vom Emissionsbericht allein nach den Vorschriften über die Emissionsermittlung (§ 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Anhang 2 TEHG) zu bestimmen. Der Wortlaut des Gesetzes steht dem vom Senat für richtig gehaltenen Abstellen auf den geprüften Emissionsbericht jedoch nicht entgegen. Emissionsermittlung und Emissionsberichterstattung bilden eine Einheit. Sie sind sowohl im TEHG (§ 5 Abs. 1) als auch in der EH-RL (Art. 14) in einer Vorschrift geregelt. Auch der Sache nach lassen sie sich nicht trennen. Das Ergebnis der Emissionsermittlung ergibt sich nicht unmittelbar aus den einschlägigen Vorschriften. Es muss auf der Grundlage dieser Vorschriften durch Mess- und Rechenvorgänge ermittelt, im Emissionsbericht dokumentiert und anschließend von einer sachverständigen Stelle geprüft werden. Erst aus dem Ergebnis dieses Verfahrens ergibt sich, wie viele Berechtigungen der Anlagenbetreiber abzugeben hat. Maßgebend für die Abgabepflicht muss das im gesetzlichen Abgabezeitpunkt vorliegende Verfahrensergebnis sein; rückwirkend kann der Anlagenbetreiber die Abgabepflicht nicht erfüllen.
Für eine Konkretisierung der Abgabepflicht nach § 6 Abs. 1 TEHG durch die geprüften Emissionen spricht zudem, dass nach der Konzeption des TEHG nicht die zuständige Behörde – das Umweltbundesamt –, sondern die sachverständige Stelle die maßgebliche prüfende Instanz ist. Die sachverständige Stelle muss vom Betreiber unabhängig sein, ihre Aufgabe professionell und objektiv ausführen und mit den einschlägigen Vorschriften vertraut sein (§ 5 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Anhang 4 TEHG; Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Anhang V Nr. 12 EH-RL). Nur sie hat die Aufgabe, alle Angaben des Betreibers einer umfassenden Überprüfung zu unterziehen. Die zuständige Landesbehörde, bei der der Emissionsbericht und der Bericht über die Prüfung einzureichen sind, hat die Berichte vor der Weiterleitung an das Umweltbundesamt nur stichprobenartig zu überprüfen (§ 5 Abs. 4 TEHG). Wie das Umweltbundesamt mit den Emissionsberichten zu verfahren hat, ist im TEHG nicht ausdrücklich geregelt. Aus § 5 Abs. 4, § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 2 Satz 1 TEHG ergibt sich, dass das Umweltbundesamt berechtigt ist, die geprüften Emissionsberichte noch einmal zu prüfen; verpflichtet ist es hierzu nicht. Die Prüfung durch die sachverständige Stelle erhält zudem einen besonderen Stellenwert dadurch, dass die von ihr bestätigten Jahresemissionen direkt in die „Tabelle der geprüften Emissionen” des Emissionshandelsregisters eingetragen werden. Ausgehend hiervon hat auch die Beklagte in ihrer Prüfungsrichtlinie zur Verifizierung von Zuteilungsanträgen und Emissionsberichten vom 20. Januar 2006 (S. 11) dargelegt, dass grundsätzlich der von der sachverständigen Stelle bestätigte Wert die Abgabeverpflichtung des Betreibers nach § 6 Abs. 1 TEHG bestimmt.
Schließlich sprechen auch die systematische Trennung der Berichts- und der Abgabepflicht in verschiedenen Abschnitten des Gesetzes und die Schaffung je eigener Sanktionen zur Durchsetzung der Berichtspflicht einerseits (§ 17 TEHG) und zur Durchsetzung der Abgabepflicht andererseits (§ 18 TEHG) gegen eine Auslegung, die jeden Fehler bei der Berichterstattung zugleich als Verletzung der Abgabepflicht begreift.
Der Senat verkennt nicht, dass auch die Gegenauffassung gewichtige Argumente auf ihrer Seite hat. Werden Berichtsfehler nicht mit der Zahlungspflicht belegt, bleibt als Sanktion nur die Kontensperre mit ihrer bloß vorübergehenden Wirkung; die Verhängung eines Bußgeldes ist mangels eines entsprechenden Bußgeldtatbestandes nicht möglich. Bei der Neufassung der Sanktionsvorschriften für die dritte Handelsperiode im Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen vom 21. Juli 2011 (BGBl I S. 1475 – TEHG 2011) hat der Gesetzgeber nunmehr die vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der Berichtspflicht mit einem Bußgeld bewehrt (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 TEHG 2011). Die zuständige Behörde soll jedoch von einer Ahndung als Ordnungswidrigkeit absehen, wenn der Betreiber infolge des nicht richtigen Berichts gegen die Abgabepflicht verstößt und deswegen eine Zahlungspflicht festgesetzt wird (§ 32 Abs. 5 TEHG 2011). Der Gesetzgeber ist mithin davon ausgegangen, dass auch Berichtsfehler durch die Zahlungspflicht sanktioniert werden (vgl. BTDrucks 17/5296 S. 56). Dies soll allerdings nur innerhalb eines Jahres ab dem Pflichtenverstoß zulässig sein (§ 30 Abs. 1 Satz 3 TEHG 2011). Sichere Rückschlüsse auf die Auslegung des TEHG ergeben sich aus der neuen Rechtslage nicht; auch die Begründung des damaligen Gesetzentwurfs war nicht bereits im Sinne der Neuregelung eindeutig (vgl. BTDrucks 15/2328 S. 11, 15, 16). Die Vorschriften des TEHG über die Schätzung (§ 18 Abs. 2 Satz 2 und 3 TEHG) und der Vorrang von „Maßnahmen nach den §§ 17 und 18” vor nachträglichen Anordnungen auf der Grundlage von § 17 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bei Berichtsfehlern (§ 4 Abs. 8 TEHG) sprechen allerdings ebenfalls eher für die Gegenauffassung.
Das TEHG selbst ist mithin für beide Auslegungen offen. Vorbehaltlich des Unionsrechts sind für den Senat verfassungsrechtliche Erwägungen ausschlaggebend. Er hält es für äußerst zweifelhaft, ob es mit dem bundesverfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar wäre, auch auf Berichtsfehlern beruhende Minderabgaben, die die zuständige Behörde erst nach dem maßgebenden Abgabezeitpunkt feststellt, durch die Auferlegung der Zahlungspflicht nach § 18 Abs. 1 TEHG zu sanktionieren. Ziel der Sanktion wäre dann nicht nur die Durchsetzung der Pflicht, die Berechtigungen für die geprüften Emissionen rechtzeitig abzugeben, sondern auch der Pflicht, die Emissionen in Übereinstimmung mit den hierfür bestehenden Vorschriften zu ermitteln und zu berichten. Die Zahlungspflicht wäre zwar geeignet, die Betreiber auch insoweit zu besonderer Sorgfalt anzuhalten. Eine Sanktion, die die Gründe für den Fehler bei der Emissionsermittlung- und -berichterstattung berücksichtigt, würde die Betreiber weniger belasten, aber auch eine geringere Steuerungswirkung erzielen. Die Belastungen der Betreiber dürften jedoch zu den zu erzielenden Verbesserungen bei der Emissionsermittlung außer Verhältnis stehen. Auch ein sorgfältiger Betreiber kann Fehler bei der Emissionsermittlung nicht völlig ausschließen. Die Anforderungen an die Emissionsermittlung sind komplex. Das Monitoring-Konzept, das der Betreiber für jede Anlage zu erstellen hat, konkretisiert diese Anforderungen zwar. Vor dem Urteil des Senats vom 18. Februar 2010 (BVerwG 7 C 10.09 – Buchholz 451.91 Europ UmweltR Nr. 44 = ZUR 2010, 380 und juris) haben sich die Behörden einiger Bundesländer aber nicht für verpflichtet gehalten, die Monitoring-Konzepte zu genehmigen. Auch im vorliegenden Fall hatte die Landesbehörde lediglich den Eingang des Monitoring-Konzepts bestätigt. Im Übrigen kann es auch beim Vollzug des Monitoring-Konzepts zu Fehlern, insbesondere zu Schreib-, Rechen- und Übertragungsfehlern, und zu im Monitoring-Konzept nicht vorhergesehenen Situationen kommen. Auch derartige Fälle sind beim Bundesverwaltungsgericht anhängig. Ein „Clearing-Verfahren” zur Beseitigung von Unsicherheiten bei der Emissionsermittlung ist weder im TEHG noch in den Richtlinien der Beklagten vorgesehen. Ob ein Betreiber vorsorglich mehr Berechtigungen als für die geprüften Emissionen erforderlich abgeben und auf diese Weise das Sanktionsrisiko abwenden kann, kann dahingestellt bleiben. Eine normative Grundlage gibt es hierfür nicht. Jedenfalls in der ersten Handelsperiode konnte sich auch noch nicht eine entsprechende Praxis entwickelt haben, an der sich die Betreiber hätten orientieren können. Die starre Sanktion ist auch in ihrer für die erste Handelsperiode herabgesetzten Höhe von 40 EUR hart; es geht um einzelne, auch von der sachverständigen Stelle nicht als solche erkannte oder nicht beanstandete Fehler in einem ansonsten sorgfältig erstellten Bericht. Der Vorbehalt höherer Gewalt rechtfertigt nur unter ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen, von der Festsetzung der Zahlungspflicht abzusehen (EuGH, Urteil vom 17. Oktober 2013 a.a.O. Rn. 31). Den dargelegten Schwierigkeiten bei der Emissionsermittlung sind aber alle Betreiber ausgesetzt.
Demgegenüber ist der Beitrag, den die Zahlungspflicht zu einer verlässlichen Emissionsermittlung leisten kann, eher gering. Die in das Register eingetragenen Emissionen haben bereits aufgrund der systematischen, im jeweiligen Monitoring-Konzept festgelegten Eigenüberwachung und der hierauf aufbauenden umfassenden Kontrolle durch eine vom Betreiber unabhängige sachverständige Stelle eine hohe Richtigkeitsgewähr. Eine weitere systematische Kontrolle der Emissionsberichte ist deshalb weder im TEHG noch in der EH-RL vorgesehen. Aufgrund der Prüfung durch eine sachverständige Stelle ist die Emissionsermittlung auch wenig manipulationsanfällig. Im Übrigen ist die Festsetzung der starren Zahlungspflicht – vorbehaltlich des Unionsrechts – nicht die einzig mögliche Sanktion für Emissionsermittlungs- und Berichtsfehler. Der Gesetzgeber hätte bereits für die erste und zweite Handelsperiode eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit vorsehen können.
In jedem Fall ist das Verhältnis von Eingriffszweck zu Eingriffsfolgen bei der Durchsetzung der Emissionsermittlungs- und -berichtspflichten deutlich ungünstiger als bei der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe der Berechtigungen. Die Abgabefrist einzuhalten, ist einfach. Ein sorgfältiger Betreiber kann die Auferlegung einer Zahlungspflicht wegen Versäumung der Abgabefrist sicher vermeiden. Ein Betreiber kann jedoch verleitet sein, auf die Entwicklung der Zertifikatpreise zu spekulieren und die Abgabe der Zertifikate bewusst zu verzögern. Einer externen Kontrolle unterliegt er in diesem Stadium des Verfahrens nicht mehr. Um derartigen Manipulationen oder jedenfalls klaren Sorgfaltsmängeln entgegenzuwirken, ist die Zahlungspflicht ein effektives Instrument. Fehler in bereits geprüften Emissionsberichten sind demgegenüber – wie dargelegt – weniger klar und deutlich schwerer zu vermeiden. Manipulationen sind – wie das dem Senat vorliegende weitere Fallmaterial bestätigt – äußerst unwahrscheinlich.
2. Die Vorlagefrage sollte nach Auffassung des Senats verneint werden. Die EH-RL sieht bei Verstößen gegen die Verpflichtung, bis zum 30. April jedes Jahres eine ausreichende Anzahl von Zertifikaten abzugeben, zwei Sanktionen vor: die Veröffentlichung der Namen der Betreiber (Art. 16 Abs. 2 EH-RL) und die Auferlegung einer Sanktion wegen Emissionsüberschreitung (Art. 16 Abs. 3 und 4 EH-RL). Art. 16 Abs. 2 EH-RL verweist ausdrücklich auf die Abgabepflicht nach Art. 12 Abs. 3 EH-RL, Art. 16 Abs. 3 EH-RL enthält einen entsprechenden Verweis nicht. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, den Begriff der „ausreichenden Anzahl von Zertifikaten” und damit den Inhalt der Abgabepflicht in Art. 16 Abs. 3 EH-RL anders als in Art. 16 Abs. 2 EH-RL auszulegen. Nach Art. 12 Abs. 3 EH-RL stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Betreiber für jede Anlage bis spätestens 30. April jeden Jahres eine Anzahl von Zertifikaten abgibt, die den – nach Art. 15 EH-RL geprüften – Gesamtemissionen der Anlage im vorhergehenden Kalenderjahr entspricht. Art. 15 Abs. 1 EH-RL verlangt, dass die von den Betreibern gemäß Art. 14 Abs. 3 EH-RL vorgelegten Berichte anhand der Kriterien des Anhangs V geprüft werden und die zuständige Behörde hiervon unterrichtet wird. Anhang V sieht eine Prüfung durch eine „prüfende Instanz” vor, die bestimmten Mindestanforderungen an ihre Kompetenz genügen, insbesondere unabhängig von dem Betreiber sein muss (Anhang V Nr. 12 EH-RL). Die Richtlinie überlässt den Mitgliedstaaten die Entscheidung, ob di Prüfung von ihren zuständigen Behörden oder von unabhängigen Sachverständigen durchzuführen ist (KOM(2001) 581 endgültig S. 15). Sie verlangt nicht, dass die Berichte von unabhängigen Sachverständigen und den zuständigen Behörden geprüft werden. Die Abgabepflicht knüpft an die nach Art. 15 EH-RL „geprüften” Emissionen, d.h. an das Ergebnis der Prüfung durch die prüfende Instanz an. Wie viele Emissionen nach dem Ergebnis einer nach dem Abgabezeitpunkt durchgeführten Zweitprüfung des Berichts durch die zuständige Behörde zu berichten gewesen wären, ist nicht maßgebend. Ein Vergleich mit der französischen und der englischen Fassung von Art. 12 Abs. 3 EH-RL bestätigt dies. Dort heißt es „émissions totales … telles qu' elles ont été vérifiées conformément à l'article 15” bzw. „emissions … as verified in accordance with Article 15”. Auch nach den Monitoring-Leitlinien vom 29. Januar 2004 (ABl EU Nr. L 59 S. 1) prüft die zuständige Behörde „anhand der im Emissionsbericht, der als zufrieden stellend bewertet wurde, für die Gesamtemissionen ausgewiesenen Zahl”, ob der Betreiber eine genügende Anzahl von Emissionen abgegeben hat (Nr. 7.4 Abs. 6 ML). Das Ergebnis einer unionsrechtlich nicht geregelten Zweitprüfung der „geprüften Emissionen” dürfte im Übrigen keine taugliche Grundlage einer unionseinheitlichen Sanktion sein, wie sie in Art. 16 Abs. 3 und 4 EH-RL vorgesehen ist. Schließlich dürften die zum bundesverfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dargelegten Erwägungen für den unionsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in gleicher Weise gelten; auch sie sprechen für die Verneinung der Vorlagefrage. Dass die Abgabepflicht „besonders streng” zu handhaben ist (EuGH, Urteil vom 17. Oktober 2013 a.a.O. Rn. 25), muss nicht dazu führen, auch bei den Voraussetzungen für die Entstehung der fristgebundenen Abgabepflicht eine unangemessene Strenge walten zu lassen.
Unterschriften
Dr. Nolte, Krauß, Dr. Philipp, Guttenberger, Brandt
Fundstellen
Haufe-Index 6707522 |
ZNER 2014, 282 |