Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 14.05.2013; Aktenzeichen 6 A 1883/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 40 985,40 EUR festgesetzt.
Gründe
Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Der 1950 geborene Kläger war Polizeivollzugsbeamter (zuletzt Polizeioberkommissar, Besoldungsgruppe A 10) im Dienst des Beklagten. Er war seit 1988, abgesehen von den Jahren 1997 bis 2004, im Wesentlichen dienstunfähig erkrankt. Ab 1991 unternahm der Beklagte mehrere Versuche, den Kläger in den Ruhestand zu versetzen. Auf der Grundlage eines polizeiärztlichen Gutachtens stellte der Beklagte im Juni 2007 die Polizeidienstunfähigkeit und die allgemeine Dienstunfähigkeit des Klägers fest und versetzte ihn zum Ablauf des Monats Juni in den vorzeitigen Ruhestand. Während des Widerspruchsverfahrens erhielt die Gleichstellungsbeauftragte zur Nachholung der bislang unterlassenen Beteiligung Gelegenheit, zu der Zurruhesetzung des Klägers Stellung zu nehmen. Sie erklärte im September 2007 ihr Einverständnis mit der Maßnahme. Das nach erfolglosem Widerspruchsverfahren angerufene Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers beim Oberverwaltungsgericht, das seinerseits ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt hat, hatte keinen Erfolg.
Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung darauf abgestellt, dass die Versetzung des Klägers in den Ruhestand mangels Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten zwar formell rechtswidrig sei, weil die Beteiligung erst nach dem Erlass des Ausgangsbescheids nachgeholt worden sei. Der Kläger könne aber nach § 46 VwVfG NRW die Aufhebung der Zurruhesetzungsverfügung nicht verlangen, weil dieser formelle Fehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe. Es handele sich nicht um eine Ermessensentscheidung, sondern um eine gebundene Entscheidung. Nach dem im Berufungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten stehe fest, dass der Kläger im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids polizeidienstunfähig und allgemein dienstunfähig gewesen sei.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderliche Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Frage des revisiblen Rechts bezeichnet und aufzeigt, dass diese Frage sowohl im konkreten Fall entscheidungserheblich als auch allgemein klärungsbedürftig ist. Aus der Beschwerdebegründung muss sich ergeben, dass eine die Berufungsentscheidung tragende rechtliche Erwägung des Berufungsgerichts im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung der Nachprüfung in einem Revisionsverfahren bedarf. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn eine von der Beschwerde aufgeworfene Frage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann (stRspr; vgl. Beschluss vom 6. Januar 2012 – BVerwG 2 B 113.11 – DÖD 2012, 104 Rn. 6).
Die Beschwerde wirft nicht ausdrücklich eine Frage als grundsätzlich bedeutsam auf, sondern kommt in Betrachtung des konkreten Einzelfalls zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen des § 46 VwVfG NRW – wonach ein Verfahrens- oder Formfehler nicht zur Aufhebung des Verwaltungsaktes führt, wenn offensichtlich ist, dass er die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat – hinsichtlich der vor der Zurruhesetzung des Klägers unterbliebenen Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten nicht vorliegen. Damit rügt sie aber lediglich die einzelbezogene Rechtsanwendung des Oberverwaltungsgerichts und wirft keine – möglicherweise grundsätzlich bedeutsame – Frage auf.
Selbst wenn man das Beschwerdevorbringen dahingehend verstehen sollte, dass geklärt werden soll, ob § 46 VwVfG auf eine Zurruhesetzungsverfügung anwendbar ist, wenn die Gleichstellungsbeauftragte im Verfahren nicht beteiligt worden ist, kann die Revision nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden. Diese Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahingehend geklärt, dass § 46 VwVfG oder entsprechende Vorschriften des Landesverwaltungsverfahrensrechts (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) auch auf Verwaltungsakte anwendbar sind, die einen Beamten wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzen (Urteile vom 26. Januar 2012 – BVerwG 2 C 7.11 – Buchholz 237.95 § 208 SHLBG Nr. 1 Rn. 20 f. und vom 30. Mai 2013 – BVerwG 2 C 68.11 – BVerwGE 146, 347 Rn. 31 bis 33; Beschluss vom 5. November 2013 – BVerwG 2 B 60.13 – NVwZ 2014, 530 Rn. 11).
Von diesen Grundsätzen ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. Ob es diese Grundsätze auf den konkreten Einzelfall zutreffend angewendet hat, ist keine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung.
2. Die Revision ist auch nicht wegen des geltend gemachten Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die Beschwerde hält es für einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO, dass das Oberverwaltungsgericht auf das im Berufungsverfahren erstellte Sachverständigengutachten zur Beurteilung der Dienstfähigkeit des Klägers abgestellt hat. Das sei fehlerhaft gewesen, weil der Gutachter auf die vorhandene Aktenlage zurückgegriffen habe, in der sich Vermerke, Stellungnahmen und dienstliche Äußerungen der im vorgerichtlichen Verfahren involvierten und entscheidungsfindenden Beteiligten befunden hätten, die ohne Überprüfung durch die Gleichstellungsbeauftragte ergangen seien. Der behördliche Verfahrensfehler der Nichtbeteiligung der Gleichstellungsbeauftragten setze sich damit im gerichtlichen Verfahren fort. Das Oberverwaltungsgericht sei gehalten gewesen, ein Sachverständigengutachten erstatten zu lassen, das sich nicht auf Unterlagen aus einem rechtswidrigen Verfahren beziehe.
Mit diesem Vorbringen ist ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht des Gerichts nach § 86 Abs. 1 VwGO oder ein sonstiger Verfahrensfehler nicht dargetan.
Ein Sachverständigengutachten hat den Zweck, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Es kann diesen Zweck erfüllen und deshalb für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht. Einwendungen eines Verfahrensbeteiligten, der das bereits vorliegende Gutachten als Erkenntnisquelle für unzureichend hält, verpflichten das Tatsachengericht für sich genommen nicht, einen anderen Sachverständigen zu beauftragen (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 14. April 2012 – BVerwG 2 B 80.10 – juris Rn. 7 –, vom 31. Oktober 2012 – BVerwG 2 B 33.12 – NVwZ-RR 2013, 115 Rn. 34 m.w.N. – und vom 25. Februar 2013 – BVerwG 57.12 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Abgesehen davon, dass der im Berufungsverfahren anwaltlich vertretene Kläger diesen Aspekt in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht ausweislich der Niederschrift (Bl. 655 ff. der Gerichtsakte) nicht gerügt hat, und unabhängig davon, dass die unterbliebene Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten die im Verwaltungsverfahren eingeholten ärztlichen Gutachten nicht unverwertbar macht, lag im Zeitpunkt der Gutachtenserstattung durch den im Berufungsverfahren bestellten Sachverständigen die im Widerspruchsverfahren nachgeholte Stellungnahme der Gleichstellungsbeauftragten bereits vor. Dass mit dieser Nachholung keine Heilung im Sinne des § 45 VwVfG NRW verbunden war, ist auch in diesem Zusammenhang unerheblich. Es ist auch nicht ersichtlich, wie die verspätete – ebenso wie eine völlig unterbliebene – Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten Auswirkungen auf die ärztliche Begutachtung der Polizeidienstfähigkeit sowie allgemeine Dienstfähigkeit des Klägers hätte haben können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 52 Abs. 5 Satz 1 und 2, § 47 und § 40 GKG.
Unterschriften
Domgörgen, Dr. von der Weiden, Dr. Hartung
Fundstellen