Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagebefugnis eines Nacherben
Leitsatz (amtlich)
Ein Nacherbe ist vor Eintritt des Nacherbfalls nicht i.S. des § 42 Abs. 2 VwGO befugt, die gegenüber dem Vorerben abgelehnte Rückübertragung eines Vermögenswertes mit einer Verpflichtungsklage weiterzuverfolgen. (im Anschluss an Beschluss vom 27. Oktober 1997 – BVerwG 4 BN 20.97 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 122).
Normenkette
VwGO § 42 Abs. 2; VermG § 1 Abs. 2-3; BGB §§ 2112-2113, 2139
Verfahrensgang
VG Magdeburg (Entscheidung vom 26.09.2000; Aktenzeichen 5 A 826/99 MD) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 26. September 2000 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 150 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor.
I. Die Grundsatzrüge greift nicht durch. Zur Beantwortung der beiden, von der Beschwerde gestellten Fragen bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens.
1. Soweit die Klägerin sinngemäß die Frage stellt, ob auch ein Nacherbe einen gegenüber den Vorerben ergangenen vermögensrechtlichen Bescheid angreifen kann, mit dem die Rückübertragung eines Vermögenswertes abgelehnt worden ist und dem der Vorerbe nicht widersprochen hat, so ergibt sich die Antwort bereits aus dem Gesetz und anhand der vorhandenen Rechtsprechung. Die von der Beschwerde angeführte Regelung des § 42 Abs. 2 VwGO verlangt, dass die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts möglich erscheint, wenn der erstrebte Verwaltungsakt abgelehnt oder unterlassen wird. Die Möglichkeit der Rechtsverletzung eines Nacherben besteht aber dann nicht, wenn der Vorerbe gegen einen an ihn gerichteten Ablehnungsbescheid nicht vorgeht. Als mögliche Berechtigte im Sinne des Vermögensrechts hat die Klägerin aus ihrer Nacherbenposition vielmehr selbst einen betreffenden vermögensrechtlichen Antrag gestellt, der auch Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Dass sie darüber hinaus etwaige Rechte der Vorerbin in eigener Person wahrnehmen kann, sieht die Rechtsordnung nicht vor. Dies lässt sich ohne weiteres dem Beschluss vom 27. Oktober 1997 – BVerwG 4 BN 20.97 – (Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 122 = NJW 1998, 770) entnehmen. In dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht für den Begriff der Antragsbefugnis im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, der nach dessen Neufassung dem Begriff der Klagebefugnis angepasst ist, ausgeführt, dass ein Nacherbe zu einem Grundstück, das überplant werden soll, in keiner unmittelbaren Rechtsbeziehung steht, die es rechtfertigt, ihn einem dinglichen oder obligatorischen Berechtigten gleichzustellen. Diese Überlegungen gelten auch für den vorliegenden Fall. Der Nacherbe wird danach nicht schon mit dem Todesfall Erbe, vielmehr erwirbt er die Erbschaft mit der in § 1922 BGB bezeichneten Wirkung gemäß § 2139 BGB erst, sobald das vom Erblasser letztwillig bezeichnete Ereignis eintritt, das die Nacherbfolge auslöst. Bis zu diesem Zeitpunkt hat allein der Vorerbe die Stellung eines Erben und damit die Eigenschaft als Eigentümer und Inhaber der zum Nachlass gehörenden Rechte. Bis zum Eintritt der Nacherbfolge hat hingegen der Nacherbe keine Rechtsposition inne, die ihn zum Besitz oder zur Nutzung der Erbschaft oder einzelner Nachlassgegenstände berechtigt. Zwar steht mit dem Tod des Erblassers dem Nacherben ein Anwartschaftsrecht zu. Denn das Nacherbenrecht stellt im Gegensatz zu künftigen Ansprüchen, deren Entstehung noch gänzlich ungewiss ist, schon vor dem Nacherbfall einen gegenwärtigen, rechtsgeschäftlich übertragbaren und auch vererblichen Vermögenswert in der Hand des Nacherben dar. Das hat jedoch keine Auswirkungen auf eine etwaige Antragsbefugnis. Denn bis zum Eintritt der Nacherbfolge bleibt allein der Vorerbe im Besitz und Genuss der Erbschaft. Auch aus § 2113 Abs. 1 BGB folgt nichts anderes, da er die nach § 2112 BGB grundsätzlich bestehende Befugnis des Vorerben, über die zur Erbschaft gehörenden Gegenstände zu verfügen, in der Weise einschränkt, dass u.a. die Verfügung des Vorerben über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück insoweit unwirksam sei, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. Diese Regelung enthält Vorkehrungen, damit das Anwartschaftsrecht des Nacherben durch die in § 2112 BGB normierte Verfügungsfreiheit des Vorerben nicht übermäßig geschmälert wird. Um den Nacherben vor einigen als besonders schwerwiegend angesehenen Beeinträchtigungen zu schützen, ordnet der Gesetzgeber an, dass bestimmte Verfügungen mit Eintritt des Nacherbfalls unwirksam werden. Für die Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 Satz 1 VwGO gibt diese Schutzregelung aber nichts her, da § 2113 BGB ausschließlich im Verhältnis zwischen dem Vorerben und dem Nacherben gilt, die Rechtsbeziehung zu einem Hoheitsträger aber nicht berührt.
Die Klägerin hat als Nacherbin somit kein subjektiv-öffentliches Recht auf Überprüfung eines dem Vorerben erteilten Ablehnungsbescheides. Hinzu kommt, dass die Klägerin gerade selbst als Nacherbin ein eigenes Rückgabeverfahren nach dem Vermögensgesetz zur Wahrung ihrer eigenen Rechte eingeleitet hat, das auch Gegenstand der vorliegenden Klage ist. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass nach den im Tatbestand des Urteils enthaltenen Feststellungen und dem Akteninhalt nichts dafür spricht, dass eine für den Tatbestand des § 1 Abs. 2 VermG nötige Überschuldung bzw. das Bestehen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer Überschuldung und einer etwaigen nicht kostendeckenden Miete spricht (vgl. zu diesen Erfordernissen Senatsurteil vom 2. Februar 2000 – BVerwG 8 C 25.99 – Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 7). Gegen das Vorliegen einer Überschuldung spricht von vornherein, dass die bei der Prüfung der Schuldensituation des Grundstücks notwendige Gegenüberstellung des Zeitwerts der Immobilie und der ihr zuzuordnenden Verbindlichkeiten zu keinem Übersteigen des Zeitwerts durch die Grundstücksbelastungen geführt hat (Einheitswert: 20 300 Mark, zum Zeitpunkt des Eigentumsverzichts eingetragene Aufbauhypothek in Höhe von 25 000 Mark, wobei der bewilligte Kredit nur in Höhe von 16 000 Mark in Anspruch genommen war und dieser zum Zeitpunkt des Eigentumsverzichts noch in einer Höhe von ca. 13 000 Mark valutierte).
2. Soweit die Klägerin die weitere Frage aufwirft,
„ob es sich bei den Ansprüchen nach dem Vermögensgesetz um obligatorische Ansprüche handelt, welche nicht an das Grundstückseigentum gebunden sind, sondern vielmehr an dessen Stelle treten, mithin also ein Vorerbe grundsätzlich über solche Ansprüche an Grundstücken verfügen kann bzw. Gestaltungsrechte geltend machen kann”,
bedarf es ebenfalls nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Die Rechtsnatur der vermögensrechtlichen Ansprüche ist in Rechtsprechung und Literatur hinlänglich geklärt (vgl. nur Redeker/Hirtschulz/Tank in: Fieberg/Reichenbach, Vermögensgesetz, Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen, Kommentar, Band 1, Stand Juli 1999 Rn. 4 bis 6 zu § 3 VermG m.w.N.). Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang § 2113 BGB heranzieht, ist darauf hinzuweisen, dass diese Regelung nach der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 1997 (a.a.O.) ausschließlich im Verhältnis zwischen dem Vorerben und Nacherben gilt, mithin keine öffentlich-rechtliche Bedeutung im Hinblick auf das Vermögensgesetz hat.
Entscheidungsgründe
II. Auch der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Die von der Beschwerde erhobene Aufklärungsrüge dringt nicht durch. Wird nämlich eine Beschwerde auf die Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung gestützt, so gehört schon zur ordnungsgemäßen Bezeichnung dieses Verfahrensmangels, dass dargelegt wird, welche Beweise angetreten worden sind oder welche Ermittlungen sich dem Tatsachengericht hätten aufdrängen müssen, welche Beweismittel in Betracht gekommen wären, welches mutmaßliche Ergebnis die Beweisaufnahme gehabt hätte und inwiefern dieses Ergebnis zu einer für die Beschwerdeführerin günstigeren Entscheidung hätte führen können. Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung hat die durch ihre Prozessbevollmächtigten vertretene Klägerin keinen Beweisantrag gestellt. Dem Gericht musste sich auch keine weitere Aufklärung bezüglich des Schädigungstatbestandes des § 1 Abs. 3 VermG aufdrängen. Es sprach nämlich nichts dafür, dass das der Klägerin als Nacherbin zustehende Anwartschaftsrecht durch eine als unlautere Machenschaft zu qualifizierende Maßnahme negativ betroffen war. Die als unlautere Machenschaft zu bewertende Maßnahme muss nämlich nach ständiger Rechtsprechung zielgerichtet den Verlust des zurückgeforderten Vermögenswertes bezweckt haben (vgl. hierzu Urteil vom 27. Juli 1997 – BVerwG 7 C 12.94 – BVerwGE 99, 82 ≪85≫). Von einem solchen zielgerichteten Vorgehen konnte aber von vornherein nicht die Rede sein. Denn die Behörden der DDR durften von der Berechtigung der Frau Margarete L. ausgehen, die durch Erbschein vom 13. Dezember 1974 als Alleinerbin ausgewiesen war, solange der Erbschein nicht eingezogen war (vgl. §§ 2365, 2367, 2361 BGB). Die gleiche gesetzliche Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins bestand nach dem Recht der DDR (§ 413 Abs. 2 ZGB). Erst 1992 ist der besagte Erbschein aufgehoben worden. Zudem befand sich im Grundbuch zum Zeitpunkt des Vollzugs des Eigentumsverzichts kein Nacherbenvermerk, der den öffentlichen Glauben des Grundbuchs in Bezug auf die Eintragung der Frau Margarete L. als Alleineigentümerin hätte widerlegen können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 14 und § 13 GKG.
Unterschriften
Dr. Müller, Dr. Pagenkopf, Sailer
Fundstellen
NJW 2001, 2417 |
BuW 2001, 649 |
NJ 2001, 386 |
ZErb 2001, 152 |