Verfahrensgang
VG Potsdam (Urteil vom 24.07.2012; Aktenzeichen 11 K 71/11) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren BVerwG 3 B 95.12 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 24. Juli 2012 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt D… aus P… beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
Rz. 1
Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, weil seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 24. Juli 2012 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO; § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 78b Abs. 1 ZPO).
Rz. 2
Der Kläger begehrt – wie schon in einem vorangehenden Verfahren – seine berufliche Rehabilitierung und die Feststellung einer Verfolgungszeit über den Tag seiner Ausreise aus der DDR hinaus. Er hatte in der DDR 1973 den Abschluss eines Diplomjuristen erlangt. Vom 19. November 1974 bis zum 28. Mai 1976 war er zu Unrecht inhaftiert, weshalb er durch Beschluss des Bezirksgerichts Potsdam 1992 strafrechtlich rehabilitiert wurde. Mehrere Anträge auf berufliche Rehabilitierung wurden bestandskräftig abgelehnt. Auch der vorliegende, erneut im Wege des Wiederaufgreifens gestellte Antrag auf berufliche Rehabilitierung und Ausstellung einer Bescheinigung hatte im Verwaltungsverfahren keinen Erfolg. Im Klageverfahren verzichtete der Beklagte auf den Einwand der Bestandskraft. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, den Kläger als politisch Verfolgten anzuerkennen und die Zeit vom 1. April 1975 bis zum 28. Mai 1976 als Verfolgungszeit festzusetzen. Hierzu ist im angefochtenen Urteil ausgeführt, der Kläger sei politisch Verfolgter. Die Verfolgungszeit beginne mit dem Tag, an dem der Kläger eine Stelle in der Ministerialverwaltung von Sierra Leone hätte antreten können. Zwar sei dem Schreiben des Office of the Establishment Secretary vom 9. Dezember 1974 das genaue Datum nicht zu entnehmen; dies sei aber spätestens zum 1. April 1975 anzunehmen. Die Verfolgungszeit habe mit dem Verlassen des Beitrittsgebietes am Ende der Haftzeit geendet.
Rz. 3
Die Beschwerde BVerwG 3 B 95.12 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts wird aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben. Das Vorbringen des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Beschwerdeverfahren lässt nicht erkennen, dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zukommt.
Rz. 4
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen das angefochtene Urteil, soweit dort die Klage abgewiesen worden ist. Das betrifft allein die Festlegung des Beginns und des Endes der Verfolgungszeit im Sinne des § 2 Abs. 1 BerRehaG. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, das Verwaltungsgericht habe Anfangs- und Endzeitpunkt der Verfolgung in klärungsbedürftiger Weise bestimmt.
Rz. 5
1. Soweit der Kläger sich gegen die Bestimmung des Beginns seiner Verfolgung wendet, macht er der Sache nach die Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils geltend, also einen Subsumtionsfehler, der die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen kann.
Rz. 6
a) Seinen Ausführungen ist aber zu entnehmen, dass er grundsätzlich geklärt wissen will, ob § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BerRehaG – wie es im angefochtenen Urteil heißt – “implizit und notwendig voraussetzt, dass die Inhaftierung zeitgleich mit der Dauer des Eingriffs in den Beruf im Sinne des § 1 Abs. 1 BerRehaG ist”. Hierzu bedarf es keines Revisionsverfahrens; denn die aufgeworfene Rechtsfrage lässt sich auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Interpretation ohne Weiteres bejahen. Verfolgungszeit ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BerRehaG “der gemäß § 1 Abs. 2 (also in einer anderweitigen Rehabilitierungsentscheidung) festgestellte Zeitraum einer zu Unrecht erlittenen Freiheitsentziehung”. Damit ist jedoch nicht ausgedrückt, dass die gesamte Dauer einer zu Unrecht erlittenen Freiheitsentziehung unbesehen als Verfolgungszeit festzustellen ist. Im Zusammenhang mit der beruflichen Rehabilitierung ist stets erforderlich, dass die Freiheitsentziehung einen Eingriff in eine hinreichend verfestigte berufliche Position bewirkt hat. Das wird schon durch den Bezug deutlich, den § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BerRehaG über § 1 Abs. 2 zu “den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3” herstellt, aber auch aus dem Zweck des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes, berufsbezogene Nachteile auszugleichen, die ein Verfolgter erlitten hat und ihn in versorgungsrechtlicher Hinsicht so zu stellen, als sei die Verfolgung nicht eingetreten, um so das vom SED-Staat begangene Unrecht nicht fortwirken zu lassen. Dementsprechend ist die Verfolgungszeit für die Berücksichtigung eines verfolgungsbedingten Verdienstausfalles oder Minderverdienstes im Rahmen des Ausgleichs von Nachteilen in der Rentenversicherung von Bedeutung. Auf der Grundlage dieser Feststellung berechnet der Rentenversicherungsträger die neue – höhere – Rente, bei der nunmehr auch die Zeit, in der der Verfolgte wegen der Verfolgung nichts oder weniger verdient hat, berücksichtigt wird (vgl. Beschluss vom 28. Mai 2009 – BVerwG 3 B 83.08 – ZOV 2009, 255 = Buchholz 428.8 § 2 BerRehaG Nr. 3 unter Hinweis auf die Begründung zum Gesetzentwurf des Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes BTDrucks 12/4994 S. 18/19, 48 f.). Daraus folgt, dass Zeiten einer Freiheitsentziehung, die sich nicht auf eine innegehabte berufsbezogene Position im Sinne von § 1 Abs. 1 BerRehaG ausgewirkt haben, auch keine Verfolgungszeit im Sinne des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes darstellen. Eine nachteilsunabhängige Einbeziehung in die berufliche Rehabilitierung ist auch nicht erforderlich, weil für unrechtmäßige Freiheitsentziehungen Folgeansprüche nach anderen Vorschriften, etwa dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (§ 3 i.V.m. §§ 16 ff. StrRehaG), vorgesehen sind.
Rz. 7
b) Der weitere Vortrag, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der Kläger während seiner Inhaftierung davon abgehalten worden sei, seiner berufsbezogenen Ausbildung nachzugehen, betrifft die Rechtsanwendung. Es ist eine Frage des Einzelfalls, ob der Kläger bereits während seiner Haft eine hinreichend verfestigte berufsbezogene Position im Sinne des § 1 Abs. 1 BerRehaG innehatte, wie es für eine berufliche Rehabilitierung erforderlich ist (vgl. Beschluss vom 25. August 2010 – BVerwG 3 B 11.10 – ZOV 2010, 234 Rn. 4, zur Aspirantur Urteil vom 18. März 2010 – BVerwG 3 C 34.09 – Buchholz 428.8 § 1 BerRehaG Nr. 4 Rn. 18 = ZOV 2011, 35). Auch der Hinweis der Beschwerde, die Haftstrafe habe das Promotionsstudium des Klägers unterbrochen, weist nicht über den Fall hinaus. Das Verwaltungsgericht hat sich (UA S. 11 ff.) damit auseinandergesetzt, ob der Kläger nach Erlangung seines Diploms und während der Haft bereits eine berufsbezogene Position hatte, und hat diese Frage für die Zeit vor dem 1. April 1975 mit Erwägungen verneint, die mit den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts übereinstimmen.
Rz. 8
2. Soweit die Beschwerde die Festlegung des Endes der Verfolgungszeit kritisiert, sind die maßgeblichen Fragen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 BerRehaG endet die Verfolgungszeit nach Satz 1 Nr. 2 mit dem Verlassen des Beitrittsgebiets – hier also bei Haftende des Klägers –, spätestens mit Ablauf des 2. Oktober 1990. Diese klare Regelung, die allein auf das tatsächliche Verlassen des Beitrittsgebiets abstellt, lässt sich nicht dadurch infrage stellen, dass sie einschränkend ausgelegt wird und etwa nur Fälle der “freiwilligen und endgültigen Ausreise” erfasst. Für eine solche Auslegung besteht kein Anlass, weil die gesetzliche Beschränkung unter Gesichtspunkten höherrangigen Rechts nicht zu beanstanden ist (Beschluss vom 28. Mai 2009 – BVerwG 3 B 83.08 – a.a.O. Rn. 4 ff.). Dem Beschwerdevorbringen ist nicht zu entnehmen, dass insoweit neuer Klärungsbedarf besteht. Insbesondere ist ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu erkennen. Ziel des Gesetzes ist es, den Personenkreis der politisch Verfolgten im Hinblick auf die Einbußen von Berufschancen und deren Folgen bei der Rentenversicherung so zu stellen, wie den Durchschnitt der Versicherten mit vergleichbaren Qualifikationen im Beitrittsgebiet. Das Gesetz dient damit der Gleichstellung aller Personen, die unter dem Wirtschaftssystem der DDR lebten.
Unterschriften
Kley, Dr. Wysk, Dr. Kuhlmann
Fundstellen