Entscheidungsstichwort (Thema)
Abbau von Mehrarbeit. Auffangtatbestand. Dienstdauer. Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten
Leitsatz (amtlich)
- Fällt eine Maßnahme in den Sachbereich eines in § 74 Abs. 1 HePersVG aufgezählten Beispielstatbestandes, ohne danach der Mitbestimmung des Personalrats zu unterliegen, folgt ein Mitbestimmungsrecht auch nicht daraus, dass nach § 74 Abs. 1 HePersVG der Personalrat “in sozialen Angelegenheiten” mitzubestimmen hat.
- Eine Maßnahme zur Reduzierung bislang notwendig anfallender Mehrarbeit kann auch dann eine die Dienstdauer beeinflussende allgemeine Regelung i.S. von § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG sein, wenn sie bei den Anforderungen an die Aufgabenerfüllung ansetzt (hier: Verringerung der Besatzungssollstärke von Sonderfahrzeugen der Feuerwehr).
Normenkette
HePersVG §§ 60, 71, 74, 81
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Land) – vom 18. April 2002 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in der Entscheidungsformel die Angabe “nach § 74 Abs. 1 HPVG” entfällt.
Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I.
Mit Verfügung vom 25. Juni 2001 ordnete die Branddirektion der Beteiligten unter dem Betreff “Zeitlich befristete Maßnahmen zur Entlastung des Einsatzdienstes von Mehrdienstleistung und nicht gewährter Ausgleichszeit” für die Zeit vom 1. Juli 2001 bis zum 30. September 2001 an, dass in den Nachtschichten sowie an Samstagen und Sonntagen bestimmte Sonderfahrzeuge nicht in Sollstärke, sondern reduziert besetzt werden und Bedienstete des Löschzuges im Einsatzfall das fehlende Personal ersetzen (“Springerfunktion”). Die Branddirektion verfolgte mit dieser Maßnahme das Ziel, knapp die Hälfte der Mehrdienstleistung (rund 20 000 Stunden) und nicht gewährten Ausgleichszeit zu “amortisieren”. Die Beteiligte stellte dieses “Notprogramm zum Abbau von Überstunden” dem Antragsteller zwar vor, lehnte seine förmliche Beteiligung jedoch ab.
Der Antragsteller hat im Beschlussverfahren vor dem Verwaltungsgericht die Feststellung beantragt, dass die Anordnung der Branddirektion vom 25. Juni 2001 zur Entlastung des Einsatzdienstes von Mehrdienstleistung und nicht gewährter Ausgleichszeit einschließlich der damit einhergehenden Änderung in der Rufbereitschaft der Mitbestimmung des Antragstellers nach § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG unterliegt. Das Verwaltungsgericht hat antragsgemäß entschieden und zur Begründung ausgeführt: Die Maßnahme stelle eine sonstige die Dienstdauer beeinflussende allgemeine Regelung im Sinne von § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG dar. Dies ergebe sich bereits daraus, dass sie ausdrücklich und ohne jede Einschränkung darauf abziele, den zeitlichen Umfang der dienstlichen Inanspruchnahme der betroffenen Bediensteten für drei Monate deutlich zu verringern, um durch Gewährung von Freizeit die aufgelaufenen Mehrarbeitsstunden auszugleichen. Der organisatorische Ansatz der Maßnahme ändere nichts daran, dass sie die Dienstdauer beeinflusse und deshalb der Mitbestimmung des Personalrats unterliege. Es könne dahinstehen, wie die Grenzen des Mitbestimmungsrechts zum Kernbereich der Organisationsgewalt zu ziehen seien. Hier sei der Bezug zur Organisationshoheit nur ein Mittel, um die Dienstdauer vorübergehend neu zu gestalten.
Der Antragsteller hat im Beschwerdeverfahren seinen Antrag dahin geändert, dass nunmehr die Feststellung beantragt wird, dass dem Antragsteller ein Mitbestimmungsrecht nach § 74 Abs. 1 HePersVG hinsichtlich einer zeitlich befristeten Verringerung der personellen Besetzung von Sonderfahrzeugen aus dem Löschzug in Bezug auf Nachtschichten sowie auf Dienste an Samstagen und Sonntagen zusteht. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerde der Beteiligten gegen die erstinstanzliche Entscheidung mit einer dieser Antragstellung entsprechenden Maßgabe zurückgewiesen und ausgeführt: Der geänderte Antrag sei zulässig und begründet. Die Voraussetzungen des in § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG geregelten Beispielsfalls dürften allerdings nicht vorliegen; dies könne jedoch dahinstehen. Jedenfalls sei der “vor die Klammer gezogene” allgemeine Mitbestimmungstatbestand der “sozialen Angelegenheiten” gemäß § 74 Abs. 1 HePersVG erfüllt. Soziale Angelegenheiten seien Maßnahmen, die die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten regelten oder die sich auf die Stellung der Beschäftigten insgesamt oder ihr Verhältnis zueinander bezögen. Eine Änderung der Arbeitsbedingungen liege in der Verringerung der Überstundenguthaben bzw. der Chance, ein solches anzusparen. Die umstrittene Maßnahme komme, was weiter für ein Eingreifen des allgemeinen Mitbestimmungstatbestands erforderlich sei, in ihren Auswirkungen auch einer Regelung in einem der in § 74 Abs. 1 HePersVG genannten Beispielsfälle gleich. Sie wirke sich wie eine die Dienstdauer beeinflussende allgemeine Regelung aus. In Ermangelung einer Außenwirkung der Maßnahme entfalle die Mitbestimmung nicht gemäß § 104 Satz 3 BPersVG.
Die Beteiligte verfolgt mit der Rechtsbeschwerde das Ziel der Ablehnung des Antrags weiter und trägt zur Begründung vor: Der Verwaltungsgerichtshof habe den Auffangtatbestand des § 74 Abs. 1 HePersVG (“in sozialen Angelegenheiten”) zu weit gefasst. Soweit soziale Angelegenheiten durch die einzelnen Beispielstatbestände berührt würden, seien sie abschließend geregelt. Der Auffangtatbestand erfasse lediglich solche Angelegenheiten, die zur Zeit der Gesetzgebung noch nicht bekannt gewesen seien. Die strittige Maßnahme berühre den Beispielsfall des § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG, sei aber trotz dessen weiter Fassung nicht unter ihn zu subsumieren. Ein Rückgriff auf den Auffangtatbestand sei nicht zulässig. Im Übrigen könnten die differenzierten Beteiligungstatbestände der §§ 77, 81 HePersVG nicht über eine “Allzuständigkeit” nach § 74 Abs. 1 HePersVG der Mitbestimmung unterworfen werden. So könnten organisatorische und wirtschaftliche Maßnahmen trotz der in der Regel gegebenen sozialen Auswirkungen nicht als soziale Angelegenheiten im Sinne von § 74 Abs. 1 HePersVG angesehen werden. Die umstrittene Maßnahme stelle eine Grundentscheidung der inneren Gestaltung des Dienstbetriebs und der Aufgabenerfüllung und damit eine organisatorische Maßnahme dar, für die § 81 HePersVG keine Beteiligung des Personalrats vorsehe. Dies folge auch aus dem subjektiven, an § 104 Satz 3 BPersVG orientierten Willen des Gesetzgebers. Unterfiele die Maßnahme § 74 Abs. 1 HePersVG, wäre die Entscheidung der Einigungsstelle bindend und damit unzulässigerweise der Organisationshoheit der Dienststelle entzogen.
Der Antragsteller tritt der Rechtsbeschwerde entgegen und führt aus: Entgegen der im angefochtenen Beschluss vertretenen Ansicht folge das Mitbestimmungsrecht aus § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG. Die Besetzung der Fahrzeuge mit weniger Personen müsse sich denknotwendig auf die Dienstdauer und die zeitliche Lage der Dienstverpflichtung auswirken. Zwar ändere sich der Umfang der Dienstverpflichtung nicht, jedoch der Rhythmus der Heranziehung zu den Schichten und der Dienstplan durch die Veränderung der Ausgleichsschichten. Aus den vorgelegten Dienstplänen folge ferner, dass die Maßnahme zu Veränderungen in der Rufbereitschaft geführt habe. Dies alles berühre den Zweck des Mitbestimmungsrechts nach § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG, einen sachgerechten Ausgleich widerstreitender Interessen bei der Organisierung der Dienstverpflichtungen herbeizuführen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Begründung des angefochtenen Beschlusses enthält zwar die unrichtige Anwendung einer Rechtsnorm, die Entscheidung selbst stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 11 Abs. 3 Satz 1 des Hessischen Personalvertretungsgesetzes vom 24. März 1988 ≪GVBl I S. 103≫, zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. April 2001 ≪GVBl I S. 175≫ – HePersVG –, §§ 93, 96 Abs. 1 ArbGG, § 561 ZPO). Dies führt zur Zurückweisung der Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe, dass die Angabe “nach § 74 Abs. 1 HPVG” in der Entscheidungsformel des angefochtenen Beschlusses entfällt.
1. Der angefochtene Beschluss steht nicht im Einklang mit dem Hessischen Personalvertretungsgesetz, weil er ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers aus dem allgemeinen Mitbestimmungstatbestand des § 74 Abs. 1 HePersVG (“in sozialen Angelegenheiten”) herleitet. Auf diesen Tatbestand kann im vorliegenden Fall nicht zurückgegriffen werden.
Der Personalrat hat gemäß § 74 Abs. 1 HePersVG, soweit nicht eine Regelung durch Gesetz oder Tarif erfolgt – beides kommt hier nicht in Betracht –, in sozialen Angelegenheiten mitzubestimmen, insbesondere in den in den folgenden Nummern aufgeführten Angelegenheiten. Derartige Angelegenheiten sind nach § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG “Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen, allgemeine Regelungen zur Festsetzung von Kurz- oder Mehrarbeit sowie Anrechnung der Pausen und Dienstbereitschaften und alle sonstigen die Dienstdauer beeinflussenden allgemeinen Regelungen”. Maßnahmen der hier in Rede stehenden Art gehören zu dem von § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG erfassten Sachbereich. Dies schließt den Rückgriff auf den allgemeinen Mitbestimmungstatbestand der “sozialen Angelegenheiten” aus.
Wie der beschließende Senat im Beschluss vom 9. Dezember 1998 – BVerwG 6 P 6.97 – (BVerwGE 108, 135, 142) dargelegt hat, erlaubt auch die sich aus § 74 Abs. 1 HePersVG ergebende umfassende Zuständigkeit des Personalrats in sozialen Angelegenheiten es nicht, auf die Subsumtion unter einen Tatbestand des Beispielskatalogs zu verzichten oder einen von den Inhalten des Beispielskatalogs losgelösten Tatbestand neu zu bilden. Der Beispielskatalog des § 74 Abs. 1 HePersVG hat die wesentliche Funktion, dass aus ihm auf den Begriffsinhalt der als Oberbegriff genannten “sozialen Angelegenheiten” geschlossen werden kann. Auf der einen Seite wird hiermit die begrifflich nicht eindeutige Abgrenzung der sozialen von den personellen und organisatorischen Angelegenheiten verdeutlicht. Auf der anderen Seite begrenzt der Beispielskatalog – wenn auch zurückhaltend – die Mitbestimmung des Personalrats in sozialen Angelegenheiten. Nicht ausdrücklich genannte Maßnahmen sollen der Mitbestimmung nur dann unterliegen, wenn sie in ihren Auswirkungen auf die Dienststelle und die Beschäftigten den geregelten Maßnahmen in etwa gleichkommen. Daraus folgt für die Rechtsanwendung, dass zunächst zu prüfen ist, ob die strittige Maßnahme thematisch von einer Nummer des Beispielskatalogs erfasst wird. Ist dies der Fall, ist die Maßnahme unter den Beispielstatbestand zu subsumieren. Besteht danach kein Mitbestimmungsrecht, kann ein solches auch nicht über den allgemeinen Tatbestand “soziale Angelegenheiten” begründet sein. Lässt sich die Maßnahme thematisch keinem Beispielsfall zuordnen, betrifft sie – in Abgrenzung zu personellen und organisatorischen Maßnahmen – eine soziale Angelegenheit nur dann, wenn sie einem der Beispielsfälle nach Art und Bedeutung vergleichbar ist.
Es kann dahingestellt bleiben, ob dieses Normverständnis bereits zwingend aus allgemeinen Grundsätzen der Gesetzesauslegung folgt. Denn eine andere Auslegung des § 74 Abs. 1 HePersVG entsprechend der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, die der Vorschrift einen weitergehenden Anwendungsbereich eröffnet, ist jedenfalls seit der Änderung des Hessischen Personalvertretungsgesetzes durch das Gesetz zur Beschleunigung von Entscheidungsprozessen innerhalb der öffentlichen Verwaltung vom 6. Juli 1999 (GVBl I S. 338) ausgeschlossen. Nach § 71 Abs. 3 Satz 2 HePersVG in der durch dieses Gesetz geschaffenen Fassung hat der Beschluss der Einigungsstelle in den Fällen des § 74 Abs. 1 Nr. 2, 3, 8, 9 und 17 und § 77 HePersVG den Charakter einer Empfehlung an die oberste Dienstbehörde; in den übrigen Fällen bindet er – unter dem allgemeinen Evokationsvorbehalt des § 71 Abs. 4 HePersVG – die Beteiligten, soweit er eine Entscheidung enthält. Die Bezugnahme auf einzelne Nummern des § 74 Abs. 1 HePersVG setzt voraus, dass diese den jeweiligen Bereich abschließend regeln. Wäre dies nicht der Fall und der Rückgriff auf die Generalklausel der sozialen Angelegenheiten eröffnet, diese also als Auffangtatbestand zu verstehen, hätte dies zur Folge, dass in den von den genannten Nummern des § 74 Abs. 1 HePersVG gerade nicht mehr erfassten Fällen ein Mitbestimmungsrecht gegeben sein könnte, über das gegebenenfalls die Einigungsstelle verbindlich entscheiden würde. Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine derart in sich widersprüchliche Regelung treffen wollte.
Nach den dargelegten Grundsätzen kann dem Verwaltungsgerichtshof nicht darin gefolgt werden, dass hier der Mitbestimmungstatbestand “soziale Angelgenheiten” erfüllt ist, wenn, wovon der Verwaltungsgerichtshof ausgeht, die strittige Maßnahme nicht unter § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG fällt. Alle Auswirkungen der Maßnahme betreffen die Arbeits- und Freizeit der Bediensteten und damit den von § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG erfassten Sachbereich. Dies gilt sowohl für die Lage wie auch für den Umfang von Mehrarbeit bzw. Ausgleichszeit als auch für den vom Verwaltungsgerichtshof angeführten Aspekt von “Überstundenguthaben”.
2. Der angefochtene Beschluss stellt sich im Ergebnis als richtig dar, weil dem Antragsteller gemäß § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich “einer zeitlich befristeten Verringerung der personellen Besetzung von Sonderfahrzeugen aus dem Löschzug in Bezug auf Nachtschichten sowie auf die Dienste an Samstagen und Sonntagen” zusteht. Darunter sind Maßnahmen zu verstehen, die in jeder Hinsicht der Verfügung vom 25. Juni 2001 entsprechen.
a) Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Recht festgestellt, dass derartige Maßnahmen keine der in § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG speziell benannten Angelegenheiten betreffen. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit werden durch sie nicht berührt, da die Schichten unverändert bleiben. Es geht auch nicht um allgemeine Regelungen zur Festsetzung von Kurz- oder Mehrarbeit oder die Anrechnung von Dienstbereitschaften.
b) Hingegen stellen Maßnahmen wie die Verfügung vom 25. Juni 2001 allgemeine Regelungen dar, die die Dienstdauer beeinflussen, und erfüllen damit den Auffangtatbestand des § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG.
aa) Der Begriff der Dienstdauer erfasst namentlich die konkrete zeitliche Dienstleistungsverpflichtung der einzelnen Beschäftigten innerhalb des Zeitraums, in dem die Dienststelle den Beschäftigten zur Dienstleistung geöffnet ist, einschließlich der auf sie anzurechnenden Pausen und Zeiten der Dienstbereitschaft (vgl. Beschluss vom 30. Januar 1996 – BVerwG 6 P 50.93 – Buchholz 251.5 § 74 HePersVG Nr. 1 = PersR 1996, 316). Durch die in Rede stehenden Maßnahmen wird die von den Bediensteten zu erbringende Mehrarbeit verringert und damit die durchschnittliche tägliche Dienstleistungsverpflichtung gekürzt.
Die in der Vergangenheit getroffenen Regelungen des Dienstbetriebs der Rettungs- und Feuerwachen beruhen darauf, dass die Bediensteten überplanmäßige Mehrarbeit leisten. Denn die Sollstärke der Besatzungen kann hiernach nur eingehalten werden, wenn die Bediensteten die ihnen nach der Dienstzeitregelung zustehenden Ausgleichszeiten nicht im vorgesehenen Umfang wahrnehmen. Die so anfallende Mehrarbeit bestimmt die tägliche Dienstdauer, zwar nicht in dem Sinne, dass tagtäglich, aber doch im Durchschnitt mehr als acht Stunden je Tag (56 Wochenstunden) gearbeitet werden muss. Die im Dienstplan vorgesehenen Ausgleichszeiten reichen nicht aus, den Bediensteten die vorgesehene 48-Stunden-Woche zu verschaffen. Kann der Dienst ohne die überplanmäßige Mehrarbeit nicht nur ausnahmsweise, sondern grundsätzlich nicht ordnungsgemäß erfüllt werden, kommen die Regelungen des Dienstbetriebs der kollektiven Anordnung gleich, dass im erforderlichen Umfang Mehrarbeit zu leisten bzw. auf planmäßige Ausgleichszeiten zu verzichten ist.
Durch die Verringerung der Sollstärke der Besatzungen werden die Voraussetzungen des Dienstbetriebs in der Weise geändert, dass die dargestellte Mehrarbeit entfällt und Ausgleichszeiten planmäßig wahrgenommen werden können. Mit dieser Maßnahme wird die frühere Regelung, die der Anordnung von Mehrarbeit gleichkommt, in gewissem Umfang aufgehoben. Sie betrifft wie diese die Dienstdauer, lediglich mit umgekehrtem Vorzeichen, nämlich im Sinne einer Reduzierung der Mehrarbeit.
bb) Maßnahmen wie die Verfügung vom 25. Juni 2001 “beeinflussen” die Dienstdauer auch im Sinne von § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG. Die hiergegen gerichteten Einwände der Rechtsbeschwerde greifen nicht durch.
Wortlaut und Zweck sprechen für eine weite Auslegung des Mitbestimmungstatbestands. Der Auffangtatbestand des § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG ist Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, in allen die Dienstdauer betreffenden Fragen dem Personalrat ein Mitbestimmungsrecht einzuräumen. Über die Freizeit der Bediensteten soll generell nur im Einvernehmen von Dienststellenleiter und Personalrat disponiert werden (vgl. Beschluss vom 30. Januar 1996, a.a.O.; zum vergleichbaren Auffangtatbestand des Hamburgischen Personalvertretungsgesetzes, Beschluss vom 28. März 2001 – BVerwG 6 P 4.00 – BVerwGE 114, 103, 108). In die gleiche Richtung weist, dass das Hessische Personalvertretungsrecht die Mitbestimmung in Bezug auf allgemeine Regelungen zur Festsetzung von Kurz- und Mehrarbeit vorsieht, was auch die Frage nach dem Ob und dem Umfang von Mehrarbeit umfasst (vgl. Klimaschewski, in: v. Roetteken/Rothländer, HBR – Hessisches Bedienstetenrecht –, § 74 HPVG Rn. 332 ff.).
Daraus folgt zunächst, dass gemäß § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG nicht nur Regelungen der Dienstdauer mitbestimmungspflichtig sind, die eine Mehrbelastung der Beschäftigten mit sich bringen, sondern auch solche, die – wie hier – sich vordergründig als Entlastung darstellen. Die Dienstdauer regelnde Maßnahmen sind ambivalent. Namentlich die Reduzierung von Mehrarbeit kann für einen Teil der Betroffenen vorteilhaft und für einen nachteilig sein oder zumindest so empfunden werden.
Ferner ist es nach dem Wortlaut und nach Sinn und Zweck des Mitbestimmungstatbestands nicht erforderlich, dass durch die fragliche Maßnahme die Dienstdauer unmittelbar geregelt wird; es reicht aus, wenn sie mittelbar Auswirkungen auf die Dienstdauer hat (vgl. Beschluss vom 30. Januar 1996, a.a.O.). Dies bedeutet nicht, wie die Rechtsbeschwerde befürchtet, dass Maßnahmen organisatorischer oder wirtschaftlicher Art, an denen der Personalrat lediglich mitzuwirken hat (§ 81 HePersVG) oder für die – unbeschadet der allgemeinen Grundsätze der Zusammenarbeit von Dienststelle und Personalrat (§ 60 HePersVG) – keine Beteiligung des Personalrats vorgesehen ist, gleichwohl der Mitbestimmung gemäß § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG unterliegen, wenn sie Regelungen der Dienstdauer nach sich ziehen. Vielmehr lassen sich die in § 81 HePersVG genannten Maßnahmen oder andere so genannte “organisatorische” Maßnahmen der Dienststelle, z.B. zur Gestaltung des Dienstbetriebs oder etwa der Rationalisierung (vgl. § 60 Abs. 4 Satz 3 HePersVG) in der Regel von den daran anschließenden Maßnahmen abgrenzen, mit denen die Folgen für die Dienstdauer geregelt werden. So sind beispielsweise Regelungen über eine Rufbereitschaft oder die Anordnung von Bereitschaftsdienst typischerweise zurückzuführen auf vorgelagerte – mitbestimmungsfreie – Entscheidungen der Dienststelle, wie ihre Aufgaben erfüllt werden sollen (vgl. z.B. Beschluss vom 28. März 2001, a.a.O., S. 113). Trifft allerdings die Dienststelle ohne eine derartige Abschichtung eine Maßnahme, die sich auf die Dienstdauer auswirkt, spricht dies dafür, dass der Mitbestimmungstatbestand erfüllt ist.
Nach diesen Grundsätzen kann der umstrittenen Maßnahme auch in Anbetracht ihres allein auf den Arbeitsanfall bezogenen Regelungsansatzes und der möglichen Auswirkungen solcher Regelungen auf die Qualität der Aufgabenerfüllung die Eigenschaft einer die Dienstdauer beeinflussenden Maßnahme im Sinne von § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG nicht abgesprochen werden. Mit der dem Feststellungsantrag zugrunde liegenden Verfügung vom 25. Juni 2001 hat die Beteiligte unter dem Betreff “Zeitlich befristete Maßnahmen zur Entlastung des Einsatzdienstes von Mehrdienstleistung und nicht gewährter Ausgleichszeit” eine Regelung getroffen, die dem Antragsteller als “Notprogramm zum Abbau von Überstunden” vorgestellt wurde und das Ziel hatte, knapp die Hälfte der angesammelten Mehrdienstleistung und nicht gewährten Ausgleichszeit zu “amortisieren”. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die Reduzierung der Besatzungssollstärke nur ein Mittel zum Abbau von Mehrarbeitsstunden und damit zur vorübergehenden Neugestaltung der Dienstdauer darstellt. Die Beteiligte hat keine anderen Gründe dafür vorgetragen, weshalb die Besatzungsstärke der Sonderfahrzeuge temporär reduziert werden soll. Sie hat insbesondere nicht etwa auf der Grundlage neuer betrieblicher Erkenntnisse oder Einschätzungen der zu bekämpfenden Gefahrenlagen in erster Linie die – mitbestimmungsfreie – Entscheidung getroffen, dass die Besatzung bestimmter Einheiten generell oder zumindest für eine Probezeit vermindert oder umstrukturiert wird, und daraus in einem zweiten Schritt die Konsequenzen des verminderten Arbeitsanfalls gezogen, wozu auch – mitbestimmungspflichtige – allgemeine Regelungen der Dienstverpflichtung der Einsatzkräfte gehören könnten. Vielmehr ging es in der Anordnung der Branddirektion vom 25. Juni 2001 allein um den Abbau von Mehrarbeitsstunden durch Reduzierung des Arbeitsanfalls. Eine derartige Maßnahme unterfällt nach dem Gesagten dem Mitbestimmungsrecht des Personalrats gemäß § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG.
3. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO.
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Gerhardt, Graulich, Vormeier
Fundstellen
ZBR 2003, 362 |
ZTR 2003, 412 |
PersV 2003, 425 |
RiA 2004, 197 |