Entscheidungsstichwort (Thema)
Sprungrevision. Zustimmung des Rechtsmittelgegners. Schriftform. Telefax. Kopie des Telefax
Leitsatz (amtlich)
Die Zustimmung des Rechtsmittelgegners zur Einlegung der Sprungrevision wird nicht ordnungsgemäß nachgewiesen, wenn der Rechtsmittelführer innerhalb der Rechtsmittelfrist lediglich eine Ablichtung der ihm per Telefax übermittelten Zustimmungserklärung vorlegt.
Normenkette
VwGO § 134 Abs. 1
Verfahrensgang
VG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.10.2004; Aktenzeichen 9 E 527/04(2)) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 11. Oktober 2004 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 50 637,63 € festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Kläger war bis 2003 als Kursmakler tätig. Er führte sein Unternehmen als Einzelkaufmann mit in der Regel vier Angestellten. Er verfügte für seine Tätigkeit über eine Erlaubnis als Finanzdienstleistungsinstitut gemäß § 32 i.V.m. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1, 2, 4 KWG. Er wendet sich gegen seine Heranziehung zur anteiligen Erstattung der Kosten des vormaligen Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen für das Erstattungsjahr 1999.
Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen setzte mit Bescheiden vom 9. April 2001 und vom 15. August 2001 den vom Kläger zu zahlenden Erstattungsbetrag für das Erstattungsjahr 1999 vorläufig fest. Endgültig setzte es den Erstattungsbetrag mit Bescheid vom 14. Dezember 2001 auf 60 536,00 € fest.
Im Verlaufe des sich anschließenden Widerspruchsverfahrens und des Verwaltungsrechtsstreits hat die Beklagte den Erstattungsbetrag auf 50 637,63 € ermäßigt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Parteien hatten in der mündlichen Verhandlung am 11. Oktober 2004 übereinstimmend beantragt, die Sprungrevision zuzulassen. Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil die Berufung und die Sprungrevision zugelassen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 11. Oktober 2004 ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrungen versehen am 12. November 2004 zugestellt worden.
Mit Telefax vom 8. Dezember 2004 hat die Beklagte den Prozessbevollmächtigten des Klägers ihr Schreiben vom 7. Dezember 2004 mit der darin erklärten Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision zugeleitet.
Mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2004, der am selben Tag bei dem Verwaltungsgericht eingegangen ist, haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers Revision eingelegt. Sie haben, wie sie ausdrücklich bemerkt haben, das ihnen als Telefax zugegangene Zustimmungsschreiben der Beklagten “in Kopie” beigefügt. Die Akten sind nach Ablauf der Revisionsfrist am 16. Dezember 2004 bei dem Bundesverwaltungsgericht eingegangen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unzulässig und daher gemäß § 144 Abs. 1 VwGO durch Beschluss zu verwerfen.
Gemäß § 134 Abs. 1 VwGO steht den Beteiligten gegen das Urteil eines Verwaltungsgerichts die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Kläger und der Beklagte der Einlegung der Sprungrevision schriftlich zustimmen und wenn sie von dem Verwaltungsgericht im Urteil oder auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Die Zustimmung zu der Einlegung der Sprungrevision ist, wenn die Revision – wie hier – im Urteil zugelassen ist, der Revisionsschrift beizufügen.
Diesen Anforderungen ist nicht entsprochen worden. Der Revisionsschrift ist nicht eine schriftliche Zustimmung der Beklagten zur Einlegung der Revision beigefügt worden, sondern lediglich die Ablichtung eines Telefax.
Die Beifügung der schriftlichen Zustimmung zur Revisionseinlegung war nicht deshalb entbehrlich, weil die Beklagte bereits zur Niederschrift des Verwaltungsgerichts die Zustimmung zur Einlegung erteilt hätte. Die Niederschrift weist nur den Antrag auf Zulassung der Sprungrevision aus. Diese stellt nicht die Zustimmung zur Einlegung dar und kann regelmäßig und so auch hier nicht dahin ausgelegt werden (Urteil vom 3. November 1992 – BVerwG 9 C 6.92 – BVerwGE 91, 140 ≪142≫; Beschluss vom 29. Februar 1984 – BVerwG 8 C 108.83 – Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 24 sowie insbesondere Beschluss vom 25. November 1992 – BVerwG 4 C 16.92 – Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 40).
Der Kläger hat, indem er der Revisionsschrift nur eine Ablichtung der ihm per Telefax übermittelten Zustimmungserklärung der Beklagten, nicht aber das empfangene Telefax selbst beigefügt hat, nicht in der nach § 134 Abs. 1 VwGO gebotenen Weise vor Ablauf der Rechtsmittelfrist die Erteilung der Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision nachgewiesen.
§ 134 Abs. 1 VwGO bindet die Einlegung der Sprungrevision durch den Rechtsmittelführer an die Zustimmung des Rechtsmittelgegners; diese ist vom Rechtsmittelgegner schriftlich zu erteilen und vom Rechtsmittelführer der Revisionsschrift oder – wenn die Sprungrevision nicht bereits im Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen ist – dem Antrag auf Zulassung der Sprungrevision beizufügen. Das Gesetz geht mithin davon aus, dass der Rechtsmittelgegner gegenüber dem Rechtsmittelführer in schriftlicher Form die Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision erklärt; die Erteilung dieser Zustimmung muss der Rechtsmittelführer dem Gericht nachweisen, indem er das Schriftstück der Revisionsschrift oder dem Antrag auf Zulassung der Sprungrevision beifügt. Die Beifügung der schriftlichen Zustimmungserklärung dient demnach dem Nachweis, dass die Zustimmung ordnungsgemäß erteilt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 1996, – 9 RVs 4/96 – BSGE 79, 235 ≪236≫; Pietzner, in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Bd. II, Stand September 2004, § 134 Rn. 28; Neumann, in Sodan/Ziekow, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, Stand Januar 2003, § 134 Rn. 52, 55).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 5. Juli 1984 – I ZR 102/83 – BGHZ 92, 76) und des Bundessozialgerichts (Urteil vom 2. Dezember 1992 – 6 RKa 5/91 – DöV 1993, 1013), der sich der Senat anschließt, ist die Sprungrevision nicht ordnungsgemäß eingelegt, wenn der Revisionsschrift lediglich eine unbeglaubigte Abschrift der schriftlichen Zustimmungserklärung des Rechtsmittelgegners beigefügt ist; vielmehr muss der Rechtsmittelführer zum Nachweis der Zustimmung des Rechtsmittelgegners grundsätzlich das Original der Zustimmungserklärung beim Gericht einreichen. Die Vorlage einer Abschrift oder einer Ablichtung kann nur dann der Vorlage des Originals gleichgestellt werden, wenn sie in ihrem Beweiswert der Vorlage des Originals entspricht. Es muss gewährleistet sein, dass die vorgelegte Abschrift oder die Ablichtung mit dem Original übereinstimmt. Das ist nur dann der Fall, wenn eine dazu ermächtigte Stelle (z.B. Gericht oder Notar) die Übereinstimmung der Abschrift oder der Abstimmung mit dem Original beglaubigt hat; der Beglaubigungsvermerk des Anwalts reicht nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 1984, a.a.O.; BSG, Urteile vom 2. Dezember 1992, a.a.O. und vom 19. November 1996 – 1 RK 8/96 – SozR 3-1500 § 161 Nr. 11 = MDR 1997, 684; Pietzner, a.a.O., § 134 Rn. 15; Neumann, a.a.O., § 134 Rn. 55).
Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Beklagte dem Kläger ihre schriftliche Zustimmungserklärung nicht auf dem Postweg übersandt, sondern per Telefax übermittelt. Das widersprach den Anforderungen des § 134 Abs. 1 VwGO nicht. Denn die Zustimmung des Rechtsmittelgegners zur Einlegung der Sprungrevision lässt sich im Hinblick auf den damit verbundenen Verzicht auf die Einlegung der Berufung und auf die Möglichkeit von Verfahrensrügen (§ 134 Abs. 4 VwGO) in ihrer Bedeutung und Tragweite mit der Revisionsschrift selbst oder einem sonstigen bestimmenden Schriftsatz vergleichen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 1984, a.a.O., S. 78). Da die Vorlage der Revisionsschrift selbst per Telefax zulässig ist (vgl. Urteile vom 6. Dezember 1988 – BVerwG 9 C 40.97 – BVerwGE 81, 32, und vom 17. Januar 1989 – BVerwG 9 C 44.87 – Buchholz 402.25 § 2 AsylVfG Nr. 9 S. 17 ≪18≫ sowie zur Übermittlung einer Rechtsmittelschrift durch Computer-Fax, BSG, Beschluss vom 15. Oktober 1996 – 14 Beg 9/96 – SozR 3-1500 § 151 Nr. 2 = NJW 1997, 1254), besteht kein Grund, diesen Übermittlungsweg für die Zustimmungserklärung des Revisionsgegners auszuschließen (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 1996, a.a.O., S. 236 f.; Pietzner, a.a.O.; § 134 Rn. 13; Neumann, a.a.O., Rn. 54).
Der Kläger ist jedoch deswegen den Anforderungen des § 134 Abs. 1 VwGO nicht gerecht geworden, weil er seiner Revisionsschrift nicht das von der Beklagten empfangene Telefax, sondern nur eine unbeglaubigte Kopie dieses Schriftstücks beigefügt hat. Wie dargelegt, kann der Rechtsmittelführer den Nachweis der Zustimmung des Rechtsmittelgegners zur Einlegung der Sprungrevision nicht durch Beifügung einer unbeglaubigten Kopie der Zustimmungserklärung erbringen. Dies gilt nicht nur dann, wenn ihm die schriftliche Zustimmungserklärung auf dem Postweg übersandt worden ist, sondern – gewissermaßen erst recht – auch dann, wenn er sich lediglich im Besitz eines diese Erklärung wiedergebenden Telefax befindet (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 1996, a.a.O., S. 237). Auch in diesem Fall muss er die Erklärung des Rechtsmittelgegners in der Gestalt, in der er sie empfangen hat, der Revisionsschrift beifügen.
Aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 22. April 1998 – B 9 SB 7/97 R – (SozR 3-1500 § 161 Nr. 13 = NVwZ-RR 1999, 75 ≪L.S.≫) lässt sich kein anderes Ergebnis herleiten. In dieser Entscheidung hat es das Bundessozialgericht als ausreichend beurteilt, wenn der Revisionsführer die ihm per Telefax zugegangene Zustimmung des Revisionsgegners zur Einlegung der Sprungrevision seinerseits auf demselben Wege an das Gericht übermittelt; zur Begründung hat es ausgeführt, es sei nicht einzusehen, warum für die Weiterleitung der Erklärung des Rechtsmittelgegners an das Gericht strengere Anforderungen gelten sollten als für deren Übermittlung an den Revisionsführer. Der Kläger hat die als Telefax empfangene Zustimmungserklärung der Beklagten gerade nicht per Telefax an das Gericht weitergeleitet, sondern anstelle dieses Übermittlungswegs den herkömmlichen Weg der realen Überbringung oder Übersendung von Schriftstücken gewählt und sich dabei mit der Vorlage einer unbeglaubigten Kopie des Telefax begnügt. Entgegen seinen Ausführungen steht die Übersendung der Kopie der Übermittlung der Zustimmungserklärung per Telefax nicht gleich. Sie unterscheidet sich bereits äußerlich von einer Übermittlung durch Telefax durch das Fehlen eines (weiteren) Sendeprotokolls. Die Übersendung einer vom Absender hergestellten Ablichtung hat zudem nicht dieselbe Richtigkeitsgewähr für sich wie die Übermittlung der Originalurkunde mittels technischer Einrichtungen unmittelbar an das Gericht. Im Falle der Übermittlung per Telefax entsteht die Kopie in Papierform durch die technischen Einrichtungen und in Verantwortung des Gerichts. Demgegenüber entsteht die beim Rechtsmittelführer gefertigte Ablichtung in dessen Verantwortungs- und ggf. Einwirkungsbereich. Ihre Übersendung an das Gericht hat demnach nicht dieselbe Gewähr für Identität und Authentizität wie die Herstellung der Fernkopie im Gericht. Ihr fehlt zugleich die Transportfunktion und die Beschleunigungsfunktion der Fernkopie. Für ihre Verwendung besteht daher im Rechts- und Geschäftsverkehr kein Bedürfnis. Wird sie dennoch zur Abgabe einer Erklärung benutzt, drängt sich stets die Frage auf, weshalb nicht das Original verwendet wurde (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 1996, a.a.O., S. 237). Zu berücksichtigen ist außerdem, dass der Gesetzgeber mit den §§ 55a und 55b VwGO technischen Neuerungen in bestimmtem Umfang Rechnung getragen, dabei jedoch keinen Anlass gesehen hat, die Anforderungen des § 134 VwGO (erneut) zurückzuführen oder sonst die Einreichung bestimmender Schriftsätze zu erleichtern.
Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, er habe nach den Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 15. Oktober 1996 (a.a.O.) und vom 22. April 1998 (a.a.O.) darauf vertrauen dürfen, dass die Übermittlung des die Zustimmung enthaltenden Telefax als Kopie ausreiche. Denn selbst wenn bestimmende Schriftsätze und ihnen gleichzuachtende Erklärungen als Telefax eingereicht werden können, besagt das nicht, dass sie auch als unbeglaubigte Ablichtungen vorgelegt werden können.
Mit dem Festhalten an dem Erfordernis der Übermittlung der Zustimmung des Rechtsmittelgegners im Original ist keine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zum Rechtsmittelgericht (dazu BVerfG, Beschlüsse vom 2. März 1993 – 1 BvR 249/92 – BVerfGE 88, 118 ≪123 ff.≫ und vom 20. Juni 1995 – 1 BvR 166/93 – BVerfGE 93, 99 ≪107 ff.≫) gegeben. Legt der Revisionsführer die Rechtsmittelschrift in Papierform im Original vor, so ist es ohne Schwierigkeit möglich, die Zustimmungserklärung, so wie sie dem Rechtsmittelführer übermittelt worden ist, beizufügen. Wird das Rechtsmittel per Telefax eingelegt, so kann die Zustimmung ebenfalls per Telefax eingereicht werden. Für eine weitere Erleichterung besteht daher kein Anlass, solange der Gesetzgeber die Anforderungen nicht zurückgeführt hat (vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Februar 1993 – 1 BvR 1054/92 – NVwZ 1994, 57).
Die Revision ist deshalb gemäß § 144 Abs. 1 VwGO durch Beschluss zu verwerfen. Auf die materiellrechtlichen Rechtsfragen kann der Senat daher nicht eingehen. Das verbietet sich, weil der vorliegende Beschluss gemäß § 10 Abs. 3 VwGO in der Besetzung von drei Richtern ergeht, während über eine zulässige Revision in der Besetzung von fünf Richtern zu entscheiden wäre. Außerdem könnten Ausführungen des Senats zur materiellen Rechtslage nicht an der Bindungswirkung entsprechend § 121 VwGO teilnehmen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Graulich
Fundstellen
ZAP 2005, 1300 |
VR 2006, 72 |