Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 30.07.2002; Aktenzeichen 8 A 00.40034) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens im Verhältnis ihrer Anteile am Gesamtstreitwert.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 46 000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Kläger wenden sich gegen einen fernstraßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluss der Regierung … Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 30. Juli 2002 festgestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss wegen eines Fehlers bei der Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf. Den weiter gehenden, auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichteten Antrag hat er abgelehnt. Mit ihrer Beschwerde beantragen die Kläger die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Sie formulieren eine Reihe von Fragen, aus denen sich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben soll. Die Kläger zu 6 und 7 stützen sich zusätzlich auf die übrigen Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO, indem sie der Vorinstanz vorhalten, von höchstrichterlichen Entscheidungen abgewichen zu sein, und Verfahrensmängel rügen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Kläger sind durch das angefochtene Urteil insoweit beschwert, als der Verwaltungsgerichtshof ihren Anträgen auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses nicht entsprochen hat. Dagegen begründet es keine Beschwer, dass der Verwaltungsgerichtshof den Planfeststellungsbeschluss nur wegen eines Fehlers bei der Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung für rechtswidrig erklärt und weitere Rechtswidrigkeitsgründe nicht festgestellt hat. Für den Ausspruch der Rechtswidrigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses genügt es, dass das Gericht einen einzigen zur Rechtswidrigkeit führenden Mangel ermittelt. Die prozessuale Situation der Kläger würde sich nicht verbessern, wenn der Verwaltungsgerichtshof weitere Rechtswidrigkeitsgründe angenommen hätte, weil der Planfeststellungsbeschluss auch dann nur für rechtswidrig und nicht vollziehbar hätte erklärt werden können (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juni 2001 – BVerwG 4 BN 21.01 – ZfBR 2002, 274, und vom 11. Dezember 2002 – BVerwG 4 BN 16.02 – sowie Urteil vom 30. Januar 2003 – BVerwG 4 CN 14.01 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Der Senat geht zu Gunsten der Kläger davon aus, dass sie im Bewusstsein dieser Rechtslage das Revisionsverfahren anstreben, um die Aufhebung des Planfeststellungsverfahrens zu erzwingen.
Soweit der Anspruch auf Aufhebung mit Abwägungsmängeln begründet wird, hängt sein Erfolg u.a. davon ab, dass die Mängel – erstens – erheblich, d.h. offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 17 Abs. 6 c Satz 1 FStrG) und – zweitens – nicht durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können (§ 17 Abs. 6 c Satz 2 FStrG). Mit der als grundsätzlich bedeutsam bezeichneten Frage, ob es zulässig ist, im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens eine Kosten-Nutzen-Analyse durchzuführen, um einen Vergleich verschiedener Trassenalternativen zu ermöglichen, spricht die Beschwerde eine Problematik an, die den Abwägungsvorgang betrifft. Sie zeigt aber nicht auf, dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 6 c Satz 1 und 2 FStrG erfüllt sind. Würde dieses Versäumnis als Verstoß gegen das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO zu werten sein, wäre die Grundsatzrüge bereits unzulässig. Der Senat lässt das allerdings offen; denn die aufgeworfene Frage rechtfertigt die Zulassung der Grundsatzrevision mangels Entscheidungserheblichkeit nicht. Sie würde sich im Revisionsverfahren nicht stellen, weil der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde, die von den Klägern favorisierte Trasse 4 b bzw. die „Direkttrasse Lobinger” bereits im Rahmen einer Grobanalyse auszuscheiden, als rechtmäßig bestätigt hat, der Senat an diese tatrichterliche Würdigung gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist und es deshalb auf einen Vergleich der Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Trassen nicht ankommt. Im Übrigen liegt es auf der Hand und bedarf keiner Bekräftigung in einem Revisionsverfahren, dass im Rahmen der Prüfung ernsthaft zu erwägender Trassenalternativen Kosten-Nutzen-Analysen angebracht sein können (vgl. Steinberg/Berg/ Wickel, Fachplanung, 3. Aufl., § 3 V Rn. 121, S. 236 f.).
Die Beschwerde hält des Weiteren für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob es zulässig ist, dass zwei im Bedarfsplan des Fernstraßenausbaugesetzes (FStrAbG) festgestellte Bundesfernstraßen planungsrechtlich auf eine Trasse gelegt werden, auch wenn der Bedarfsplan selbst noch zwei eigenständige Trassenverläufe vorsieht. Diese Frage nötigt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Sie knüpft daran an, dass der Verwaltungsgerichtshof in Auslegung des Bedarfsplanes den Schluss gezogen hat, die Wahl der Trasse 4 b, die keine weitgehend neue Trasse der BAB A 6 darstelle, sondern den vierstreifigen Ausbau der B 85 A.- S. bis zur Anschlussstelle S.-Nord der BAB A 93, sei vom Willen des Gesetzgebers nicht gedeckt, da dieser neben dem vierstreifigen Ausbau der B 85 einen Neubau der BAB A 6 als vordringlichen Bedarf behandelt wissen wolle. Der Würdigung des Inhalts des Bedarfsplanes kommt eine fallübergreifende, grundsätzliche Bedeutung nicht zu.
Nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führt ferner die Frage, ob es rechtlich zulässig ist, zur Überprüfung (des Ergebnisses) einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens ein computergestütztes Controllingverfahren einzusetzen, welches im Zeitpunkt der Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung noch nicht einsatzfähig gewesen ist. Mit ihr beanstandet die Beschwerde, dass der Verwaltungsgerichtshof die von den Klägern vorgelegten Stellungnahmen des …-Instituts nicht zum Anlass genommen hat, das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung in Frage zu stellen. Mit einer Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung lässt sich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache indessen nicht begründen.
Soweit die Kläger zu 6 und 7 weitere Grundsatzrügen erheben, genügt ihr Vorbringen nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Mit den Behauptungen, die angegriffene Entscheidung weise strukturelle Mängel auf und ein Sachverhalt wie im Streitfall sei bisher noch nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung gewesen, ist das Vorliegen einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage nicht schlüssig dargetan (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 133 Rn. 32 m.w.N.). Auch genügt es nicht, auf die Grundrechtsrelevanz vorinstanzlicher Darlegungen hinzuweisen. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht zu prüfen, ob die angegriffene Entscheidung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Zu entscheiden ist auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens allein, ob Anlass zu der Annahme besteht, die Entscheidung werfe eine – in der Beschwerdeschrift zu bezeichnende – ungeklärte Rechtsfrage zur Auslegung des Grundgesetzes auf. Eine derartige Frage formuliert die Beschwerde nicht.
Die Divergenzrügen entsprechen ebenfalls nicht den Erfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde stellt keine divergierenden Rechtssätze im angefochtenen Urteil und in den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (NVwZ-RR 1998, 293; BVerwGE 56, 110 ≪119≫; BVerwGE 71, 166 ≪168≫; BVerwGE 72, 282 ≪284 f.≫; NVwZ 1997, 908) einander gegenüber. Ihr Vorwurf an den Verwaltungsgerichtshof, vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte Rechtsgrundsätze falsch angewendet oder übergangen zu haben, begründet keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Divergenz besteht, wenn der Tatrichter dem Bundesverwaltungsgericht in einer abstrakten Rechtsfrage die Gefolgschaft verweigert, nicht dagegen, wenn er einen höchstrichterlichen Rechtssatz, den er grundsätzlich akzeptiert, unrichtig auf den Einzelfall anwendet oder, aus welchen Gründen auch immer, ignoriert, obwohl er Anlass gehabt hätte, ihm Rechnung zu tragen.
Schließlich führen die Verfahrensrügen nicht zum Erfolg. Der Vorhalt an den Verwaltungsgerichtshof, den maßgeblichen Sachverhalt nicht aufgeklärt und dadurch gegen § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen zu haben, ist unbegründet. Die Beschwerde verkennt, dass die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, vom materiellrechtlichen Standpunkt des Vorderrichters aus zu beurteilen ist, selbst wenn dieser verfehlt sein sollte (BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1996 – BVerwG 11 B 150.95 – Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1). Dass der Verwaltungsgerichtshof auf eine eigene Kosten-Nutzen-Analyse für die Plantrasse verzichtet, eine solche auch nicht von der Planfeststellungsbehörde gefordert und die von den Klägern vorgelegte für nicht entscheidungserheblich erachtet hat, beruht auf der Übernahme der Rechtsprechung des Senats zur Bindungswirkung von Bedarfsplänen (vgl. Urteil vom 18. Juni 1997 – BVerwG 4 C 3.95 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 131); dass er sie für den Vergleich verschiedener Trassenalternativen nicht benötigt hat, liegt daran, dass er der Planfeststellungsbehörde als rechtmäßiges Verhalten bescheinigt hat, die Trasse 4 b bzw. die „Trasse Lobinger” bereits nach einer Grobanalyse verworfen zu haben. Beides ist in sich folgerichtig.
Die Kläger zu 6 und 7 monieren, dass sich der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung mehrfach widersprochen habe. Sollten sie damit Fehler bei der Sachverhalts- oder Beweiswürdigung behaupten wollen, übersehen sie, dass solche Fehler regelmäßig nicht den Verfahrensablauf, sondern die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung betreffen und mithin einen Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht begründen können (vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 2. November 1995 – BVerwG 9 B 710.94 – DVBl 1996, 108, und vom 6. Oktober 1997 – BVerwG 11 B 34.97 – ≪juris≫).
Zu Unrecht wirft die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof vor, von einem falschen Sachverhalt ausgegangen zu sein. Zweifelhaft ist bereits, ob ein Verstoß gegen den insoweit angesprochenen Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) überhaupt einen Verfahrensmangel darstellen kann oder ob er dem sachlichen Recht zuzuordnen ist. Die Rüge ist jedenfalls unschlüssig, soweit die Beschwerde beklagt, dass die Planfeststellungsbehörde für die streitige Trasse keine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt habe. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich Gegenteiliges nicht behauptet, sondern betont, dass der Planfeststellungsbehörde eine eigene Kosten-Nutzen-Analyse für das im Bedarfsplan ausgewiesene Straßenbauvorhaben verwehrt sei. Die Beschwerde macht in Wahrheit nicht geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe über einen unzutreffenden Sachverhalt entschieden, sondern rügt im Gewand der Verfahrensrüge dessen materiellrechtliche Rechtsauffassung zur Frage des Kosten-Nutzen-Vergleichs.
Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass dem Bedarfsplan eine Kosten-Nutzen-Analyse für das streitige Straßenbauvorhaben zugrunde liegt. Diese Annahme lässt sich nicht als fehlerhaft kennzeichnen. Im Bedarfsplan zum FStrAbG in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. November 1993 (BGBl I S. 1878) ist die Bundesautobahn A 6 von A.-Ost bis zum Autobahnkreuz P. als vordringlicher Bedarf ausgewiesen. Als Neubauprojekt ist sie einer Bewertung unterzogen worden, in die neben den Gesamtverkehrsprognosen gesamtwirtschaftliche, ökologische, städtebauliche sowie weitere Kriterien wie z.B. die Bedeutung als Teil einer internationalen Verbindung (hier nach Prag) eingeflossen sind (vgl. BTDrucks 12/3480 Nr. 4.2). Ferner sind die Investitionskosten in den Gesamtinvestitionsbedarf (BTDrucks 12/3480 Nr. 5) eingestellt worden. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof von der Existenz einer Kosten-Nutzen-Analyse ausgegangen ist.
Auf die Kritik, welche die Kläger zu 6 und 7 nach Art einer Berufungsbegründung an dem vorinstanzlichen Urteil üben, ist nicht einzugehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Sie geht im Anschluss an die Festsetzung durch den Verwaltungsgerichtshof von folgenden Einzelstreitwerten aus:
Kläger zu 1 |
6 000 EUR |
Kläger zu 6 |
30 000 EUR |
Kläger zu 7 |
10 000 EUR. |
Unterschriften
Paetow, Rojahn, Gatz
Fundstellen