Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 19.01.2017; Aktenzeichen 2 S 2391/15) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 177,82 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers kann keinen Erfolg haben. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass der geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorliegt.
Rz. 2
Der Kläger gibt an, weder ein Fernsehgerät noch einen internetfähigen Computer zu besitzen. Er bezahlt Rundfunkbeiträge nur in Höhe der früheren Rundfunkgebühr für den Besitz eines Hörfunkempfangsgeräts. Der Kläger wendet sich gegen zwei Bescheide, durch die der Beklagte die Differenzbeträge für die Monate April bis Dezember 2013 nebst Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 177,82 EUR festgesetzt hat. Die Anfechtungsklage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt.
Rz. 3
Mit der Beschwerde macht der Kläger geltend, der wohnungsbezogene Rundfunkbeitrag sei im Gegensatz zur früheren gerätebezogenen Rundfunkgebühr keine Vorzugslast, sondern eine Steuer, weil er nicht darauf gerichtet sei, einen individuellen Vorteil abzugelten. Daher fehle den Ländern die Gesetzgebungskompetenz für die Erhebung des Rundfunkbeitrags. Die Anknüpfung der Rundfunkbeitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung sei sachfremd. Bei der Annahme, fast alle Haushalte verfügten über ein Empfangsgerät, handele es sich um eine nicht bewiesene Behauptung. Mit dem Gebot der Gleichbehandlung sei nicht vereinbar, dass Personen wie der Kläger, die sich auf den Hörfunkempfang beschränkten, den Rundfunkbeitrag in voller Höhe bezahlen müssten. Dagegen seien Personen, die keinen Wohn- oder Gewerberaum innehätten, aber über mobile Rundfunkempfangsmöglichkeiten verfügten, nicht beitragspflichtig. Der Rundfunkbeitrag verstoße gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG. Auch Art. 14 Abs. 1 GG sei verletzt.
Rz. 4
Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2015 – 6 B 43.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:270115B6B43.14.0] – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 8). Ein derartiger Klärungsbedarf besteht für eine bundesgerichtlich bereits beantwortete Rechtsfrage nur, wenn die Beschwerde neue rechtliche Gesichtspunkte aufzeigt, die ein Überdenken der bisherigen Rechtsprechung erforderlich machen (stRspr; vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. November 1992 – 6 B 27.92 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 306).
Rz. 5
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben: Das Bundesverwaltungsgericht ist in den Urteilen vom 18. März 2016 (6 C 6.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:180316U6C6.15.0], BVerwGE 154, 275) und vom 15. Juni 2016 (6 C 35.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:150616U6C35.15.0]) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Regelungen der §§ 2 ff. des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) über die Erhebung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich mit dem Grundgesetz und mit Unionsrecht vereinbar sind. Mit dem Beitragserhebungsmerkmal „Innehaben einer Wohnung” verfolgen die Landesgesetzgeber grundgesetzkonform den Zweck, die Rundfunkbeitragspflicht von dem Nachweis des Besitzes eines oder mehrerer Empfangsgeräte zu lösen.
Rz. 6
Zu den vom Kläger angesprochenen Gesichtspunkten hat das Bundesverwaltungsgericht in den genannten Urteilen wie folgt Stellung genommen: Der Rundfunkbeitrag stellt nach seinem materiellen Gehalt keine Steuer, sondern eine nichtsteuerliche Abgabe in Gestalt einer Vorzugslast dar. Daher sind die Regelungen über die Beitragserhebung nach §§ 2 ff. RBStV durch die Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Rundfunkrecht gedeckt; die Kompetenzordnung der Finanzverfassung nach Art. 104a ff. GG ist nicht anwendbar (BVerwG, Urteile vom 18. März 2016 – 6 C 6.15 – BVerwGE 154, 275 Rn. 14 ff. und vom 15. Juni 2016 – 6 C 35.15 – Rn. 15 ff.). Die Einordnung als Vorzugslast ergibt sich daraus, dass der Rundfunkbeitrag – ebenso wie die frühere Rundfunkgebühr – als Gegenleistung für den Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit erhoben wird. Die Anknüpfung der Rundfunkbeitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung ist geeignet, diesen Vorteil zu erfassen, weil nahezu alle Wohnungsinhaber im Sinne von § 2 Abs. 2 RBStV von der Möglichkeit des Rundfunkempfangs Gebrauch machen, d.h. den Vorteil persönlich in Anspruch nehmen. Auf die Größe des bevorteilten Personenkreises kommt es nicht an, weil der abzugeltende Vorteil individuell zugerechnet werden kann (Urteile vom 18. März 2016 – 6 C 6.15 – BVerwGE 154, 275 Rn. 26 ff. und vom 15. Juni 2016 – 6 C 35.15 – Rn. 28 ff.).
Rz. 7
Die Annahme, dass die Wohnung den abzugeltenden Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit vermittelt, ist berechtigt, weil sich in nahezu allen Wohnungen ein Empfangsgerät, insbesondere ein Fernsehgerät befindet. Dies wird durch die Angaben des Statistischen Bundesamts über die Ausstattung privater Haushalte mit Fernsehgeräten, daneben mit Personalcomputern, Internetzugang und Zugang zu einer Internet-Breitbandverbindung belegt. Diese Erkenntnisse bedürfen als allgemeinkundige und damit offenkundige Tatsachen im Sinne von § 291 ZPO i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO keines Beweises. Sie werden durch entsprechende Angaben in der Zeitschrift „Media-Perspektiven” bestätigt (Urteile vom 18. März 2016 – 6 C 6.15 – BVerwGE 154, 275 Rn. 29 und vom 15. Juni 2016 – 6 C 35.15 – Rn. 31).
Rz. 8
Die Ablösung der gerätebezogenen Rundfunkgebühr durch den wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrag hat zur Folge, dass Inhaber einer Wohnung auch dann die Abgabe schulden, wenn sie bewusst auf jede Rundfunkempfangsmöglichkeit verzichten, d.h. den abzugeltenden Vorteil nicht in Anspruch nehmen. In den genannten Urteilen hat das Bundesverwaltungsgericht die Rundfunkbeitragspflicht dieses Personenkreises aus drei kumulativ vorliegenden Gründen als sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig angesehen: Zum einen durften die Landesgesetzgeber den Gerätebesitz als Voraussetzung der Abgabenschuld durch das Innehaben einer Wohnung ersetzen, um die zunehmende Gefährdung der durch Art. 3 Abs. 1 GG gebotenen Belastungsgleichheit durch die „Flucht aus der Rundfunkgebühr”, d.h. den rechtswidrig unentgeltlichen Rundfunkempfang, zu beenden. Zum anderen kann der Nachweis, in der Wohnung keinen Zugang zu einem Empfangsgerät zu haben, nicht zuverlässig erbracht werden. Schließlich ist der Personenkreis, der auf Rundfunkempfang verzichtet, nach den statistischen Erhebungen prozentual sehr klein (Urteile vom 18. März 2016 – 6 C 6.15 – BVerwGE 154, 275 Rn. 34 ff. und vom 15. Juni 2016 – 6 C 35.15 – Rn. 36 ff.). Es liegt auf der Hand, dass diese Erwägungen gleichermaßen Geltung für die Rundfunkbeitragspflicht von Personen beanspruchen, die den Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit nur teilweise, nämlich durch den Empfang des Hörfunkprogramms, in Anspruch nehmen.
Rz. 9
Schließlich hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die generelle Freistellung wohnungsloser Personen nicht gegen das Gebot der Gleichbehandlung verstößt. Die Annahme, dieser Personenkreis verfüge regelmäßig nicht über eine Rundfunkempfangsmöglichkeit, ist von der Typisierungsbefugnis der Landesgesetzgeber gedeckt (Urteile vom 18. März 2016 – 6 C 6.15 – BVerwGE 154, 275 Rn. 49 und vom 15. Juni 2016 – 6 C 35.15 – Rn. 51).
Rz. 10
Die behauptete Verletzung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG liegt offensichtlich nicht vor. Durch die Anknüpfung der Rundfunkbeitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung wird gerade vermieden, dass Wohnungen betreten werden müssen, um das Vorhandensein von Rundfunkempfangsgeräten festzustellen. Ebenso wenig ist die geltend gemachte Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG gegeben, der nicht das Vermögen vor der Auferlegung von Geldleistungspflichten schützt.
Rz. 11
Das Beschwerdevorbringen des Klägers enthält keine neuen, bislang nicht bedachten Gesichtspunkte zur Verfassungsmäßigkeit der Rundfunkbeitragspflicht für Wohnungsinhaber. Der Kläger setzt den dargestellten Rechtsauffassungen des Bundesverwaltungsgerichts jeweils seine eigenen abweichenden Rechtsauffassungen entgegen. Der Umstand, dass er mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht einverstanden ist, kann die grundsätzliche Bedeutung seiner Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht begründen. Sie besteht auch nicht deshalb, weil beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerden gegen Revisionsurteile des Bundesverwaltungsgerichts in Rundfunkbeitragssachen anhängig sind. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Verfassungsbeschwerden nicht angenommen, d.h. eine für die Beschwerdeführer positive Entscheidung getroffen, wie der Kläger meint, sondern sie lediglich in das Verfahrensregister eingetragen. Zu einer Aussetzung des Verfahrens besteht kein Anlass.
Rz. 12
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Kraft, Dr. Heitz, Dr. Tegethoff
Fundstellen
Dokument-Index HI10886225 |