Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 06.12.2002; Aktenzeichen 8 S 1487/02) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 6. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Die Beschwerde rügt als Verfahrensfehler mehrfach eine mangelhafte Sachaufklärung. Sie meint, der Verwaltungsgerichtshof hätte zu den Risiken für die Wasserversorgung weiteren Beweis erheben müssen. Mit ihrem Vorbringen wird ein Verstoß gegen die Pflicht zur Sachaufklärung jedoch nicht ausreichend dargelegt. Hierzu hätte substantiiert vorgetragen werden müssen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände weiterer Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin hätte dargelegt werden müssen, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der weiteren Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von weiteren Beweisanträgen, zu kompensieren. Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Denn vorliegend hat der Verwaltungsgerichtshof die vom Antragsteller benannten Sachverständigen angehört und nach seinem eigenen Bekunden die vom Antragsteller gestellten Beweisanträge „abgearbeitet”. Gegen dieses Verfahren ist nichts zu erinnern; auch der Antragsteller macht dies nicht geltend. Es wäre dann Sache des Antragstellers gewesen, in der mündlichen Verhandlung auf diejenigen Fragen zu dringen, die in seinen Augen weiterer Aufklärung bedurften oder noch nicht deutlich genug angesprochen waren. Hierzu trägt die Beschwerde nichts vor. Vielmehr ergibt sich aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof vom 5. Dezember 2002, dass der Vertreter des Antragstellers erklärt hat, die Beweisfragen seien abgearbeitet und er verzichte auf förmliche Bescheidung der Beweisanträge. Davon abgesehen legt die Beschwerde auch nicht dar, welche konkreten Erkenntnisse der Verwaltungsgerichtshof nach weiterer Beweisaufnahme hätte gewinnen müssen und aus welchen Gründen diese Erkenntnisse auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts zu einem anderen Ergebnis geführt hätten. In Wahrheit rügt die Beschwerde lediglich, dass sich das Normenkontrollgericht nicht ihrer tatsächlichen Würdigung des Gefährdungspotentials angeschlossen und aus diesem Grund den Bebauungsplan für rechtswidrig (nichtig oder unwirksam) erklärt hat. Die Aufklärungspflicht verleiht einem Beteiligten jedoch kein Recht darauf, dass sich ein Tatsachengericht seiner Einschätzung anschließt und daraus die von ihm gewünschten rechtlichen Folgerungen zieht.
2. Die Rechtssache hat auch nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫; stRspr).
2.1 Die Beschwerde hält die Frage für klärungsbedürftig, „ob ein Sondergebiet mit gewerblichem Charakter bei Grundwasserverhältnissen, die vom Plangebiet bis zum Eintrag von Schadstoffen in den Brunnen eines Wasserversorgers in nur 12 Tagen bzw. 12 Tagen + X führen kann und damit zum Verlust der Wasserfassung, rechtmäßig durch einen Bebauungsplan festgesetzt werden kann”. Damit wird jedoch eine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung nicht aufgeworfen. Daher bedarf keiner Vertiefung, ob die Frage nicht überdies einen Sachverhalt zugrunde legt, den das Normenkontrollgericht nicht festgestellt hat. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass der Gesichtspunkt des Gewässerschutzes und damit auch des Grundwasserschutzes zu den im Rahmen der Bauleitplanung zu berücksichtigenden abwägungsbeachtlichen öffentlichen Belangen zählt (vgl. Beschluss vom 26. März 1993 – BVerwG 4 NB 45.92 – NVwZ-RR 1993, 598 = PBauE § 1 Abs. 6 BauGB Nr. 22 = Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 63 = BRS 55 Nr. 15). Hiervon geht auch der Verwaltungsgerichtshof aus, der den genannten Beschluss als Beleg anführt. Welches Gewicht dem Gesichtspunkt des Gewässerschutzes und damit auch des Grundwasserschutzes zukommt, richtet sich jedoch nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, die einer grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich sind. Dies verdeutlicht auch der Vortrag des Antragstellers im vorliegenden Verfahren, denn zur Begründung der Fragestellung verweist er auf Umstände des konkreten Falls; hiermit kann die grundsätzliche Bedeutung jedoch nicht dargelegt werden.
2.2 Aus denselben Gründen rechtfertigt auch die Frage, „ob unter Berücksichtigung möglicher Minimierungen, die aber einen Schadeneintritt nicht ausschließen, es dem Gebot einer gerechten und vollständigen Abwägung entspricht, bei einer Schadeneintrittszeit von nur 12 Tagen bzw. 12 Tagen + X die Ausweisung eines Sondergebiets mit gewerblichem Charakter im unmittelbaren Bereich der Wasserfassungen eines Wasserversorgers zuzulassen”, nicht die Zulassung der Revision.
2.3 Die weitere Frage, „ob die Ausweisung des angefochtenen Plangebiets als Sondergebiet gemäß § 11 BauNVO möglich ist …”, enthält bereits ihrem Wortlaut nach Bezugnahmen auf den konkreten Einzelfall und entzieht sich ebenfalls einer grundsätzlichen Klärung.
2.4 Auch die Frage, „ob die Festsetzungen des angefochtenen Bebauungsplans schon deshalb nichtig sind, da sie den höherrangigen Ausweisungen des Regionalplans „Neckar-Alb” hinsichtlich des Grundwasserschutzes widersprechen und damit ein Verstoß gegen § 1 Abs. 4 BauGB vorliegt”, betrifft den konkreten Bebauungsplan und entbehrt grundsätzlicher Bedeutung. Im Übrigen ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass der Senat sich in seinem Beschluss vom 20. Juni 2001 – BVerwG 4 BN 21.01 – NVwZ 2002, 83 = Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 148 lediglich mit der Frage befasst hat, ob eine unterstellte Unvereinbarkeit des Bebauungsplans mit dem Regionalplan die Nichtigkeit des Bebauungsplans zur Folge hat und diese Frage verneint.
Außerdem hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 19. Dezember 2000 – 8 S 399/00 –, auf das er insoweit im angegriffenen Urteil Bezug nimmt, näher dargelegt, dass ein Widerspruch zwischen dem Bebauungsplan und dem Regionalplan nicht bestehe, sondern der Regionalplan im hier betroffenen Randbereich auf weitere Konkretisierung durch die Bauleitplanung angelegt sei.
2.5 Ebenso wenig rechtfertigt die Frage, ob es im Sinne einer gerecht vorzunehmenden Abwägung möglich sei, Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen unter weiter benannten Umständen vorzusehen, die Zulassung der Revision, denn auch insoweit kommt es auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an.
2.6 Die Frage, „ob in einem ergänzenden Verfahren zur Behebung der durch das Normenkontrollgericht festgestellten Fehler gemäß § 215 a BauGB (eine Gemeinde) sich auf die Behebung der vom Normenkontrollgericht genannten Fehler beschränken darf, oder ob nicht der gesamte Bebauungsplan erneut Gegenstand des Beschlussverfahrens durch den Gemeinderat ist, mit der Folge, dass bei der erneuten Auslegung des Planentwurfs Anregungen zu allen Teilen des Bebauungsplans vorgebracht werden dürfen und dies in der Veröffentlichung auch so zu bestimmen ist”, führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass eine Gemeinde ihr früheres Verfahren gleichsam an „rangbereiter” Stelle erneut beginnen darf, an der sich der Mangel gezeigt hat, um so das weitere Verfahren mit dem Ziel einer nunmehr ordnungsgemäßen Beschlussfassung beschleunigt fortsetzen zu können (vgl. den Senatsbeschluss vom 20. Juni 2001 – BVerwG 4 BN 21.01 – (a.a.O.). In einem hierfür geeigneten Fall kann dann auch von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, bei der erneuten Auslegung zu bestimmen, dass Anregungen nur zu den geänderten oder ergänzten Teilen vorgebracht werden können (§ 3 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BauGB). Um dies auszusprechen, bedarf es keines Revisionsverfahrens. Auch die von der Beschwerde angeführte Kommentarstelle lässt keine entgegengesetzte Auffassung erkennen.
3. Die Divergenzrüge bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Eine die Revision eröffnende Abweichung, also ein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz, läge nur vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre (stRspr). Die Beschwerde legt jedoch nicht dar, welche Rechtssätze im Widerspruch stehen könnten.
3.1 Sie verweist zunächst erneut auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. August 1999 – BVerwG 4 C 3.98 – (Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 18 = NVwZ 2000, 675). Hierzu hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 20. Juni 2001 – BVerwG 4 BN 21.01 – ausgeführt:
Miteinander in Widerspruch stehende Rechtssätze des revisiblen Rechts führt die Beschwerde nicht an. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der von der Beschwerde bezeichneten Entscheidung dargelegt, dass einer Gemeinde im Rahmen einer Planfeststellung gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG ein Anspruch auf Vorkehrungen zustehen kann, wenn diese zum Schutz einer vorhandenen gemeindlichen Trinkwasserversorgungsanlage erforderlich sind. Um eine derartige Frage gebotener nachträglicher Schutzauflagen oder gebotener Ausgleichsleistungen bei fehlgeschlagener Prognose handelt es sich im vorliegenden Falle nicht. Das Normenkontrollgericht hat die gemeindliche Abwägung nach § 1 Abs. 5 und 6 BauGB dahin geprüft, ob die Antragsgegnerin Belange der Trinkwasserversorgung hinreichend und mit dem erforderlichen Gewicht beachtet habe. Das hat es in tatsächlicher Hinsicht bejaht. Dem von der Beschwerde bezeichneten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts kann zwar in der Tat die Ansicht entnommen werden, dass die Versorgung mit Trinkwasser eine wichtige kommunale Aufgabe ist, über die sich eine straßenrechtliche Planfeststellung nicht unbesehen hinwegsetzen darf. Ob damit ein allgemeiner Rechtssatz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO formuliert wurde, mag dahinstehen. Das Normenkontrollgericht hat sich jedenfalls zu der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht in einen inneren Widerspruch gesetzt. Es hat durchaus gesehen, dass der Versorgung mit Trinkwasser auch mit der Zielsetzung eines effektiven Grundwasserschutzes in der kommunalen Abwägung ein hohes Gewicht zukommt. Ob seine hierzu getroffenen rechtlichen und tatrichterlichen Überlegungen in jeder Hinsicht zutreffend sind – wie dies die Beschwerde im Einzelnen bezweifelt –, ist keine Frage der gerade mit dem Zulassungsgrund der Divergenz angreifbaren Rechtsanwendung.
Hierauf kann erneut verwiesen werden, da die Beschwerde auch vorliegend keinen Rechtsgrundsatz darzulegen vermag, mit dem das Normenkontrollgericht dem Bundesverwaltungsgericht die Gefolgschaft versagt hätte.
3.2 Die Beschwerde führt ferner den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Juli 1981 – 1 BvL 77/78 – (BVerfGE 58, 300 – Nassauskiesung) an. Auch in diesem Beschluss wird die hohe Bedeutung des Grundwasserschutzes betont. Das Normenkontrollgericht setzt sich jedoch nicht im Sinne der Divergenz in Widerspruch zu dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wenn es in einem konkreten Einzelfall ein Abwägungsergebnis überprüft, und zu dem Ergebnis gelangt, dass bestimmte Festsetzungen in einem Bebauungsplan mit dem Gebot des Grundwasserschutzes im Einklang stehen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 GKG.
Unterschriften
Paetow Halama Jannasch
Fundstellen