Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 13.04.2006; Aktenzeichen 12 K 873/05) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 13. April 2006 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 80 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Revision kann nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen werden.
Soweit die Beschwerde die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob die Teilnahme an Entscheidungen über Zwangssterilisationen einen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit i.S.d. § 1 Abs. 4 AusglLeistG darstellen (Beschwerdebegründung S. 3), bedarf es nicht einer Klärung in einem Revisionsverfahren. Im Urteil vom 14. Dezember 2006 – BVerwG 3 C 36.05 – war nicht darüber zu entscheiden, ob die Mitwirkung an drei Sterilisationsentscheidungen als ärztlicher Beisitzer des Erbgesundheitsgerichts ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit ist, wobei die Kläger in jenem Streitfall geltend gemacht hatten, dass in einem Fall der Beschluss auf Antrag des Betroffenen selbst ergangen sei und in den anderen beiden Fällen die Anträge vom Vormund gestellt worden seien. Zwangssterilisationen, also Sterilisationen, in die der Betroffene nicht selbst oder bei Einwilligungsunfähigkeit vertreten durch seinen Vormund (bzw. heute durch seinen Betreuer, § 1905 BGB) einwilligt, sind gewaltsame Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit des Menschen. Wer auf der Grundlage der Zielrichtung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 – RGBl I S. 529 – (vgl. dazu Urteil vom 14. Dezember 2006 – BVerwG 3 C 36.05 – Rn. 23) an Entscheidungen mitgewirkt hat, die solche Zwangsmaßnahmen gegen die menschliche Integrität anordnen, verstieß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit. Dem hält die Beschwerde zu Unrecht entgegen, dass die Zwangssterilisation nicht in Art. 2 des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 vom 20. Dezember 1945 genannt sei. Denn wie die Beschwerde einräumt, sind die Beispiele dort nicht erschöpfend.
Soweit die Beschwerde § 1 Abs. 4 AusglLeistG als verfassungswidrig rügt (Beschwerdebegründung S. 5), bezeichnet sie schon keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern behauptet lediglich eine Rechtsverletzung. Zudem ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass die Ausschlussnorm des § 1 Abs. 4 AusglLeistG verfassungsgemäß ist (Urteile vom 17. März 2005 – BVerwG 3 C 20.04 – BVerwGE 123, 142, vom 14. Dezember 2006 – BVerwG 3 C 36.05 – und vom 3. Mai 2007 – BVerwG 5 C 5.06 –). Gegenteiliges folgt nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 22. November 2000 – 1 BvR 2307/94 u.a. – BVerfGE 102, 254 ≪297 ff.≫) zur grundsätzlichen Pflicht des Gesetzgebers, bei Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage Ausgleichsleistungen vorzusehen. Daraus ergibt sich nicht, dass es dem Gesetzgeber verwehrt sein sollte, Ausschlussgründe, wie sie z.B. bereits das Wiedergutmachungsrecht kannte, vorzusehen (BVerwG, Beschluss vom 20. März 2007 – BVerwG 5 B 88.06 –).
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, “ob durch eine Mitwirkung an Entscheidungen über Zwangssterilisierungen ein erhebliches Vorschubleisten im Sinne des Tatbestandes des § 1 Abs. 4 AusglLeistG vorliegen kann” (Beschwerdebegründung S. 6), ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Denn für den Fall, dass jemand an anordnenden Entscheidungen des Erbgesundheitsgerichts zu Zwangssterilisationen mitgewirkt hat, sind Ausgleichsleistungen nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG bereits wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit ausgeschlossen.
Schließlich kann die Revision nicht wegen eines Verfahrensfehlers zugelassen werden (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die erhobene Aufklärungsrüge ist schon deshalb nicht begründet, weil die Beschwerde nicht aufzeigt, was das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung noch hätte aufklären müssen. Soweit die Beschwerde dem Verwaltungsgericht weiter vorhält, insgesamt sei “die Datenbasis und eine Beteiligung an einer Entscheidung (des Erbgesundheitsgerichts) zu gering, um hier entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen”, so rügt sie als verfahrensfehlerhaft, dass das Verwaltungsgericht seine Überzeugung auf zu schmaler Tatsachengrundlage gebildet habe. Abgesehen davon, ob damit ein Aufklärungsmangel oder sonst ein Verfahrensfehler schlüssig dargetan ist, trifft das auch nicht zu. Denn das Verwaltungsgericht hat nicht nur festgestellt, das Dr. T… erstes stellvertretendes Mitglied eines der ärztlichen Beisitzer des Erbgesundheitsgerichts L… war, sondern auch, dass er am 5. Oktober 1934 an einem Beschluss dieses Gerichts mitgewirkt hat, in dem die Sterilisation gegen den Willen des Betroffenen angeordnet worden ist. Zudem konnte es auf der Grundlage der Erklärung des ehemaligen Sekretärs des Erbgesundheitsgerichts vom 16. März 1946 davon ausgehen, dass Dr. T… jedenfalls bis 1938/1939 an weiteren Entscheidungen des Erbgesundheitsgerichts, darunter auch zu Zwangssterilisationen, mitgewirkt hat, zumal Dr. T… sich zwar mit Schreiben vom 5. Juli 1946 dagegen verwahrte, stellvertretender Leiter des Erbgesundheitsgerichts gewesen zu sein, nicht aber bestritt, dessen Mitglied gewesen zu sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über den Streitwert auf § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Hund, Schmidt, Dr. Brunn
Fundstellen