Leitsatz (amtlich)
1. Eine gesetzeswidrig ohne Zustimmung des Personalrats unterbliebene Ausschreibung kann gegenüber einer beabsichtigten Zustimmung des Dienststellenleiters zur Zuweisung einer Tätigkeit bei dem von ihm geführten Jobcenter sowie einer beabsichtigten Höhergruppierung als Zustimmungsverweigerungsgrund im Sinne von § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG geltend gemacht werden.
2. Weicht der Dienststellenleiter von seiner bisherigen Verwaltungspraxis ab, zu besetzende Dienstposten zunächst nur dienststellenintern auszuschreiben, und schreibt diese dienststellenübergreifend aus, so erfüllt dies nicht den Mitbestimmungstatbestand des Absehens von einer Ausschreibung im Sinne des § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG. Ort und Art der Veröffentlichung einer Ausschreibung sowie die damit einhergehende Festlegung ihres Adressatenkreises bzw. Verbreitungsbereiches gehören zu den mitbestimmungsfreien Modalitäten der Ausschreibung.
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 30.08.2018; Aktenzeichen 20 A 2988/17.PVB) |
VG Düsseldorf (Beschluss vom 06.11.2017; Aktenzeichen 33 K 10330/16.PVB) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen - Fachsenat für Bundespersonalvertretungssachen - vom 30. August 2018 wird zurückgewiesen.
Gründe
I
Rz. 1
Die Verfahrensbeteiligten streiten über die Beachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung des Antragstellers (Personalrat des Jobcenters) in mehreren Stellenbesetzungsverfahren.
Rz. 2
Anfang Mai 2016 wurden im bundesweiten Stellenanzeiger der Bundesagentur für Arbeit drei im Jobcenter [...] zu besetzende Teamleiterstellen ausgeschrieben. Nach der Durchführung des Auswahlverfahrens beabsichtigte die Beteiligte (Geschäftsführerin des Jobcenters), die Stellen jeweils mit einem bislang in einem anderen Jobcenter tätigen Beschäftigten zu besetzen. Sie unterrichtete den Antragsteller über ihre Absicht, der zur Umsetzung der Auswahlentscheidungen erforderlichen Zuweisung von Tätigkeiten beim Jobcenter [...] an die ausgewählten Bewerber zuzustimmen sowie zwei der Bewerber höherzugruppieren und bat um Zustimmung zu diesen Maßnahmen.
Rz. 3
Der Antragsteller verweigerte die erbetene Zustimmung. Die Personalmaßnahmen seien gesetzeswidrig, weil die Beteiligte bei der Ausschreibung der Stellen sein Mitbestimmungsrecht nach § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG verletzt habe. Denn sie habe abweichend von der im Jobcenter seit dem Jahre 2012 praktizierten Übung, offene Stellen zunächst nur im Jobcenter und erst dann dienststellenübergreifend auszuschreiben, wenn es keine oder jedenfalls keine hinreichend geeigneten Bewerber aus dem Jobcenter gegeben habe, diese Stellen sofort im gesamten Geschäftsbereich der Bundesagentur für Arbeit ausgeschrieben. Hierzu hätte sie vorab seine Zustimmung einholen müssen, was sie unterlassen habe. Die Verletzung seines Mitbestimmungsrechts bei der Stellenausschreibung schlage auf die anschließend beabsichtigten Personalmaßnahmen durch.
Rz. 4
Die Beteiligte wertete die Zustimmungsverweigerung des Antragstellers als unbeachtlich. Eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts aus § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG sei schon deshalb nicht gegeben, weil nicht von einer Ausschreibung abgesehen worden sei. Die Stellenausschreibung sei im Stellenanzeiger der Bundesagentur für Arbeit erfolgt und für alle Beschäftigten des Jobcenters über das Intranet sowie das interne Mitarbeiterinformationssystem einsehbar gewesen.
Rz. 5
Daraufhin hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet und die Feststellung begehrt, dass seine Zustimmungsverweigerung beachtlich gewesen ist. Dieser Antrag ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, ein Personalrat könne seine Zustimmung zu der für die Zuweisung einer Tätigkeit beim Jobcenter erforderlichen Zustimmung des Dienststellenleiters und zu einer von ihm beabsichtigten Höhergruppierung zwar grundsätzlich mit der Begründung verweigern, der Dienststellenleiter habe sein Mitbestimmungsrecht aus § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG verletzt, indem er ohne Zustimmung des Personalrats von einer Ausschreibung abgesehen habe. Das Vorbringen des Antragstellers lasse aber einen derartigen Gesetzesverstoß nicht erkennen. Die in Rede stehenden Stellen seien Anfang Mai 2016 im bundesweiten Stellenanzeiger der Bundesagentur für Arbeit ausgeschrieben worden. Die Entscheidung der Beteiligten, die Stellen entgegen einer früheren Praxis sofort im gesamten Geschäftsbereich der Bundesagentur für Arbeit auszuschreiben, sei - entgegen der Ansicht des Antragstellers - nicht mitbestimmungspflichtig. Das Mitbestimmungsrecht nach § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG knüpfe nicht an die Ausschreibung selbst an und erfasse deshalb auch nicht die Ausgestaltung der Modalitäten der Ausschreibung wie etwa die Frage, ob eine Stelle nur innerhalb der Dienststelle oder extern ausgeschrieben werde.
Rz. 6
Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Feststellungsbegehren weiter. Er rügt eine Verletzung des § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG.
Rz. 7
Die Beteiligte verteidigt die angefochtene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts.
II
Rz. 8
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluss beruht nicht auf der Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Das Oberverwaltungsgericht hat den zulässigen konkreten Feststellungsantrag zu Recht als unbegründet angesehen.
Rz. 9
Es ist insoweit der Sache nach zutreffend davon ausgegangen, dass die Mitbestimmung des Antragstellers auslösende Maßnahmen gegeben sind, weil die Beteiligte in ihrer Funktion als Dienststellenleiterin der gemeinsamen Einrichtung (§ 44b SGB II), die gemäß § 6d SGB II die Bezeichnung Jobcenter führt, Maßnahmen im Sinne von § 69 Abs. 1 und 2 Satz 1 BPersVG beabsichtigt hat. Dabei steht zwischen den Verfahrensbeteiligten zu Recht außer Streit, dass die nach § 44g Abs. 1 Satz 1 SGB II erforderliche Zustimmung der Beteiligten zu der von der Bundesagentur veranlassten Zuweisung von Tätigkeiten an die vom Antragsteller benannten Beschäftigten vom Mitbestimmungstatbestand der Zuweisung im Sinne des § 75 Abs. 1 Nr. 4a BPersVG erfasst wird (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 24. September 2013 - 6 P 4.13 - BVerwGE 148, 36 Rn. 22 und vom 31. Januar 2017 - 5 P 10.15 - BVerwGE 157, 266 Rn. 24). Ebenso ist zwischen ihnen zu Recht nicht streitig, dass die von der Entscheidungszuständigkeit der Beteiligten nach § 44d Abs. 4 SGB II umfasste Höhergruppierung (vgl. insoweit BVerwG, Beschlüsse vom 1. Oktober 2014 - 6 P 13.13 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 124 Rn. 12 und - 6 P 15.13 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 123 Rn. 25) nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegt.
Rz. 10
Des Weiteren hat das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung zutreffend zu Grunde gelegt, dass die Verweigerung der Zustimmung des Personalrats - neben den hier von vornherein nicht in Betracht kommenden Fällen einer nicht fristgerechten, nicht in der gesetzlich vorgesehenen Schriftform oder ohne Angabe von Gründen (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 5 BPersVG) erfolgten Verweigerung - auch dann unbeachtlich ist, wenn die gegen die beabsichtigte Maßnahme angeführten Gründe offensichtlich nicht auf einen der gesetzlichen Verweigerungsgründe des § 77 Abs. 2 BPersVG inhaltlich bezogen sind oder die Begründung aus sonstigen Gründen rechtsmissbräuchlich ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 17. September 2019 - 5 P 6.18 - BVerwGE 166, 285 Rn. 14 und vom 20. Mai 2020 - 5 PB 28.19 - juris Rn. 4). Zwar genügt es für eine beachtliche Zustimmungsverweigerung - wovon auch das Oberverwaltungsgericht ausgeht -, wenn es das Vorbringen des Personalrats aus der Sicht eines sachkundigen Dritten als möglich erscheinen lässt, dass einer der dafür zugelassenen und in § 77 Abs. 2 BPersVG abschließend geregelten Verweigerungsgründe gegeben ist. Hingegen ist die Darlegung einer Rechtsauffassung oder der Vortrag von Tatsachen seitens des Personalrats unbeachtlich, wenn sich daraus ersichtlich, d.h. von vornherein und eindeutig, keiner der gesetzlich zugelassenen Verweigerungsgründe ergeben kann, deren Vorliegen also nach keiner vertretbaren Betrachtungsweise als möglich erscheint (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 17. September 2019 - 5 P 6.18 - BVerwGE 166, 285 Rn. 15 und vom 20. Mai 2020 - 5 PB 28.19 - juris Rn. 4).
Rz. 11
Dieser Maßstab wird von den Verfahrensbeteiligten auch nicht in Abrede gestellt. Zwischen ihnen ist in diesem Zusammenhang allein noch streitig, ob der vom Antragsteller vorgebrachte Grund, die Beteiligte habe gegen das Gesetz in Form des § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG verstoßen, indem sie die zu besetzenden Teamleiterstellen, ohne seine vorherige Zustimmung einzuholen, abweichend von der bisherigen Praxis, im Jobcenter zu besetzende Stellen zunächst nur dort auszuschreiben, sofort im Stellenanzeiger der Bundesagentur für Arbeit ausgeschrieben habe, eine beachtliche Zustimmungsverweigerung darstellt. Das hat das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint. Die Zustimmungsverweigerung des Antragstellers zu den streitigen Maßnahmen ist zwar nicht schon deshalb unbeachtlich, weil er diese auf einen Gesetzesverstoß bei der Stellenausschreibung gestützt hat (1.). Ihre Unbeachtlichkeit folgt aber daraus, dass sich die ihr zu Grunde liegende Rechtsauffassung des Antragstellers als offensichtlich verfehlt erweist (2.).
Rz. 12
1. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass ein unter Verletzung des § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG erfolgtes Absehen von der Ausschreibung einen Gesetzesverstoß im Sinne des § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG darstellt, der auch gegen die hier in Rede stehenden Mitbestimmungstatbestände der Zuweisung (§ 75 Abs. 1 Nr. 4a BPersVG) und Höhergruppierung (§ 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG) als Zustimmungsverweigerungsgrund geltend gemacht werden kann. Demzufolge fehlt dem vom Antragsteller geltend gemachten Verweigerungsgrund nicht der notwendige Bezug zu den im Streit stehenden mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen.
Rz. 13
Nach der auch von den Verfahrensbeteiligten nicht in Zweifel gezogenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann der Personalrat die Zustimmung zur beabsichtigten Einstellung eines Bewerbers mit der Begründung verweigern, die Dienststelle habe ohne seine Zustimmung von einer Ausschreibung abgesehen, obwohl die Einstellung und das Absehen von der Ausschreibung an sich zwei verschiedene Vorgänge sind, die zwei verschiedene Mitbestimmungstatbestände (§ 75 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 14 BPersVG) berühren. Das rechtfertigt sich einerseits daraus, dass ein etwaiges rechtswidriges Absehen von einer Ausschreibung auch die objektive Rechtmäßigkeit der anschließenden Einstellung berührt und andererseits aus dem besonderen Charakter des Mitbestimmungstatbestandes des § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 29. Januar 1996 - 6 P 38.93 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 93 S. 28 und vom 29. Dezember 2015 - 5 PB 2.15 - ZTR 2016, 168). Für die hier in Rede stehenden mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen der Zuweisung und Höhergruppierung gilt nichts anderes.
Rz. 14
Jedenfalls soweit es den besonderen Charakter des Mitbestimmungstatbestandes betrifft, stellt sich die Situation in diesen Fällen nicht anders dar als bei der Einstellung. Nach § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, über das Absehen von der Ausschreibung von Dienstposten, die besetzt werden sollen, mitzubestimmen. Die Besonderheit dieses Mitbestimmungsrechts besteht also in der Anknüpfung an ein Unterlassen. Der durch die auf eine "beabsichtigte Maßnahme" abstellende Regelung des § 69 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 BPersVG bewirkte Schutz der Mitbestimmungsrechte kann daher in der gebotenen Weise erst beim Übergang zu einem positiven Handeln greifen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. April 2015 - 5 P 8.14 - Buchholz 250 § 69 BPersVG Nr. 33 Rn. 15 m.w.N.). Er wäre nur unvollständig gewährleistet, wenn der Personalrat eine Verletzung des § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG nicht auch noch im Rahmen der sich an die Verletzung anschließenden personellen Maßnahmen als Zustimmungsverweigerungsgrund rügen könnte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 1996 - 6 P 38.93 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 93 S. 28; s. bezüglich der Zuweisung nach § 75 Abs. 1 Nr. 4a BPersVG auch OVG Münster, Beschluss vom 17. Oktober 2017 - 20 A 2477/16.PVB - juris).
Rz. 15
2. Die Zustimmungsverweigerung des Antragstellers ist unbeachtlich, weil sich die ihr zu Grunde liegende Auffassung, dem Personalrat des Jobcenters stehe nach § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG ein Mitbestimmungsrecht zu, wenn dessen Geschäftsführer - wie hier - im Jobcenter zu besetzende Dienstposten nicht nur innerhalb des Jobcenters, sondern im gesamten Geschäftsbereich der Bundesagentur für Arbeit ausschreibe, als offensichtlich verfehlt erweist. Die Bewertung der Ansicht des Antragstellers als unvertretbar ist bereits in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angelegt (a). Sie ist - entgegen der Auffassung des Antragstellers - auch nicht mit Rücksicht auf eine im Fachschrifttum vertretene Ansicht zu korrigieren (b).
Rz. 16
a) Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar nicht ausdrücklich, aber der Sache nach bereits entschieden, dass die Entscheidung über den Verbreitungsbereich einer Ausschreibung und damit auch die hier in Rede stehende Entscheidung, dass diese anders als bisher üblich nicht nur an die Beschäftigten der betreffenden Dienststelle, sondern an die Beschäftigten aller zum Geschäftsbereich gehörenden Dienststellen gerichtet ist und diesen gegenüber bekanntgegeben wird, nicht der Mitbestimmung des Personalrats nach § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG unterliegt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sieht diese Vorschrift eine Beteiligung des Personalrats an der Festlegung der Modalitäten einer Ausschreibung nicht vor (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 1988 - 6 P 32.85 - BVerwGE 79, 101 ≪105, 106 und 108≫). Zu den der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG entzogenen Modalitäten der Ausschreibung gehören - soweit hier von Interesse - auch Ort und Art ihrer Veröffentlichung (z.B. Intranet, standardisierte E-Mail an alle Beschäftigten der betreffenden Dienststelle, Stellenanzeige in Amts- und Mitteilungsblättern, Internet) und die damit einhergehende Festlegung ihres Adressatenkreises bzw. Verbreitungsbereiches.
Rz. 17
Dieses Verständnis erschließt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, die anordnet, dass der Personalrat bei dem Absehen von der Ausschreibung von Dienstposten, die besetzt werden sollen, mitzubestimmen hat. Mit dem Absehen von der Ausschreibung im Sinne der genannten Vorschrift ist dem allgemeinen Wortsinn nach das (vollständige) Unterlassen einer Ausschreibung bzw. der (vollständige) Verzicht auf eine solche gemeint. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass der bundespersonalvertretungsrechtliche Gesetzgeber dem Begriff "Absehen" in § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG eine von dem allgemeinen Sprachgebrauch abweichende Bedeutung dahingehend beigemessen hat, dass der Begriff auch die bloße Änderung von Ausschreibungsmodalitäten, insbesondere Ort und Art ihrer Veröffentlichung sowie die Erweiterung oder Verkleinerung (vgl. insoweit a.A. Berg, in: Altvater/Baden/Baunack/Berg/Dierßen/Herget/Kröll/Lenders/Noll, BPersVG Kommentar für die Praxis, 10. Aufl. 2019, § 75 Rn. 235b; derselbe, in: Altvater/Baden/Baunack/Berg/Dierßen/Herget/Kröll/Lenders/Noll, BPersVG Basiskommentar, 9. Aufl. 2020, § 75 Rn. 137; Rehak, in: Lorenzen/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Hebeler/Ramm/Sachadae, BPersVG, Stand Januar 2019, § 75 Rn. 631) ihres Adressatenkreises bzw. Verbreitungsbereiches erfasst.
Rz. 18
Gegen ein derartiges Abweichen von dem allgemeinen Sprachgebrauch spricht schon die Entstehungsgeschichte der Norm. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass das dem Personalrat im ursprünglichen Entwurf des Bundespersonalvertretungsgesetzes (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 15. August 1972, BT-Drs. VI/3721 S. 16 sowie Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, FDP vom 13. Februar 1973, BT-Drs. 7/176 S. 17) eingeräumte Mitwirkungsrecht bei der Ausschreibung von Dienstposten, die besetzt werden sollen, im Gesetzgebungsverfahren auf ein Mitbestimmungsrecht bei dem Absehen von der Ausschreibung solcher Dienstposten beschränkt wurde. Damit sollte den Bedenken des Bundesrates (vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. VI/3721 S. 41) Rechnung getragen und verhindert werden, dass dem Personalrat eine Einflussnahme auf die Anforderungen ermöglicht wird, die an einen zu besetzenden Dienstposten zu stellen sind. Dieser gesetzgeberischen Erwägung ist zu entnehmen, dass die Festlegung der Ausschreibungsmodalitäten und so auch jede Änderung im Hinblick auf Ort und Art der Veröffentlichung sowie den Adressatenkreis bzw. Verbreitungsbereich einer Ausschreibung der Mitbestimmung des Personalrats nach § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG entzogen sein soll (vgl. insoweit auch BVerwG, Beschluss vom 8. März 1988 - 6 P 32.85 - BVerwGE 79, 101 ≪108≫).
Rz. 19
Das aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG gewonnene Ergebnis ist jedenfalls für die hier in Rede stehende Fallkonstellation der Erweiterung des Adressatenkreises bzw. Verbreitungsbereiches der Ausschreibung auch nicht mit Rücksicht auf den Zweck der Vorschrift zu korrigieren. Es wird durch diesen im Gegenteil gestützt. Der Zweck der Mitbestimmung beim Absehen von der Ausschreibung besteht - entgegen der Auffassung des Antragstellers - nicht darin, die Aussichten der Beschäftigten auf eine erfolgreiche Bewerbung um die in ihrer Dienststelle zu besetzenden Dienstposten zu schützen. Ebenso wenig soll sie die Beschäftigten der Dienststelle in Bewerbungsverfahren vor einer (von außen kommenden) Konkurrenz bewahren. Die Beteiligung des Personalrats an dem Absehen von der Ausschreibung von Dienstposten dient vielmehr dem kollektiven Interesse an der Sicherung der Möglichkeit der Bewerbung. Mit Rücksicht darauf, dass die Auswahl desjenigen, mit dem eine freie Stelle besetzt wird, in der Regel das berufliche Fortkommen oder sonstige berufsbezogene Belange und Vorstellungen anderer in der Dienststelle Beschäftigter berührt, muss für jeden interessierten Beschäftigten die Möglichkeit bestehen, sich an der Bewerberkonkurrenz um einen in der Dienststelle zu besetzenden Dienstposten zu beteiligen und seinem Anspruch auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl (Bewerbungsverfahrensanspruch) Geltung zu verschaffen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 8. März 1988 - 6 P 32.85 - BVerwGE 79, 101 ≪106≫ und vom 4. Mai 2012 - 6 PB 1.12 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 117 Rn. 6). Dieser Zweck wird durch die Festlegung, wo und wie die Ausschreibung veröffentlicht wird, nicht in Frage gestellt. Ihm wird vielmehr Rechnung getragen, solange die Beschäftigten der Dienststelle danach jedenfalls auch zum Adressatenkreis der Ausschreibung gehören und sich bewerben können.
Rz. 20
b) Die davon abweichende Bewertung des Antragstellers erweist sich auch nicht deshalb als vertretbar, weil er sich auf eine Rechtsansicht im Fachschrifttum stützen könnte, die seine Auffassung mit vertretbarer Begründung vertritt.
Rz. 21
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können sich die vom Personalrat angeführten Gründe zwar als vertretbar und demzufolge für eine darauf gestützte Zustimmungsverweigerung als beachtlich erweisen, wenn sie eine Streitfrage betreffen, die weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur geklärt ist, und der Personalrat für seine Auffassung jedenfalls einen Teil des Fachschrifttums in Anspruch nehmen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. September 2019 - 5 P 6.18 - BVerwGE 166, 285 Rn. 48). So verhält es sich hier aber nicht.
Rz. 22
In der Literatur wird - entgegen der Auffassung des Antragstellers - gegenwärtig schon von niemandem vertreten, dass es gegen § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG verstoße, wenn ein Dienststellenleiter Dienstposten, die besetzt werden sollen, abweichend von einer bisherigen Praxis nicht nur in der Dienststelle, sondern im gesamten Geschäftsbereich ausschreibt, ohne hierzu vorab die Zustimmung des Personalrats einzuholen. Auch die vom Antragsteller in Bezug genommene Kommentarstelle von Berg (in: Altvater/Baden/Baunack/Berg/Dierßen/Herget/Kröll/Lenders/Noll, BPersVG Kommentar für die Praxis, 10. Aufl. 2019, § 75 Rn. 235b und in: Altvater/Baden/Baunack/Berg/Dierßen/Herget/Kröll/Lenders/Noll, BPersVG Basiskommentar, 9. Aufl. 2020, § 75 Rn. 137) gibt für diese Auffassung nichts her. Dort wird ausgeführt, ein Absehen von der Ausschreibung im Sinne des § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG sei nicht nur dann gegeben, wenn von der grundsätzlich vorgeschriebenen oder praktizierten Ausschreibung völlig abgesehen werde, sondern auch dann, wenn statt der grundsätzlich obligatorischen externen Ausschreibung nur eine interne Ausschreibung stattfinde oder wenn der Bereich der internen Ausschreibung verkleinert werde, etwa dadurch, dass statt der grundsätzlich vorzunehmenden dienststellenübergreifenden Ausschreibung nur eine dienststelleninterne Ausschreibung erfolge (vgl. so unter Bezugnahme auf Berg auch Rehak, in: Lorenzen/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Hebeler/Ramm/Sachadae, BPersVG, § 75 Rn. 631, Stand Mai 2020). Aus dieser Aussage ist nicht herzuleiten, im Fachschrifttum werde davon ausgegangen, dass die Durchführung einer dienststellenübergreifenden Ausschreibung an Stelle einer grundsätzlich praktizierten dienststelleninternen Ausschreibung, also eine Erweiterung des Adressatenkreises, ein Absehen von der Ausschreibung im Sinne des § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG darstelle.
Fundstellen
DÖV 2021, 355 |
JZ 2021, 110 |
PersV 2021, 179 |
RiA 2021, 92 |
öAT 2021, 65 |