Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinterbliebenenversorgung. Zusammentreffen von Versorgungsanspruch und Verwendungseinkommen. Wegfall des versorgungsrechtlichen Mindestbelassungsbetrages auch bei Angestellten im öffentlichen Dienst
Leitsatz (amtlich)
Der vollständige Wegfall des vermögensrechtlichen Mindestbelassungsbetrages nach § 53 Abs. 5 Satz 2 BeamtVG ist auch dann mit höherrangigem Recht vereinbar, wenn ein versorgungsberechtigter Hinterbliebener des Beamten Verwendungseinkommen aus einer Tätigkeit als Angestellter einer juristischen Person des öffentlichen Rechts bezieht.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, 3, Art. 6 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5; BeamtVG § 53 Abs. 1-2, 5, 7-8
Verfahrensgang
VG Mainz (Urteil vom 10.03.2004; Aktenzeichen 7 K 438/03.MZ) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 10. März 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin, Witwe eines Oberamtsrates, der im Dienst des Beklagten stand, ist Angestellte in einer Behörde des Beklagten und in der Vergütungsgruppe BAT IIa eingestuft. Mit Bescheid vom 7. Januar 2003 setzte der Beklagte das Witwengeld mit 60 % der Versorgungsbezüge des verstorbenen Ehemannes der Klägerin fest. Zur Auszahlung des Witwengeldes kam es unter Bezugnahme auf § 53 Abs. 5 Satz 2 BeamtVG nicht.
Nach erfolglosem Widerspruch, mit dem die Klägerin bis zu ihrem Renteneintritt die Gewährung des Mindestbetrages nach § 53 Abs. 5 Satz 1 BeamtVG beanspruchte, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Klägerin stehe die Mindestbelassung in Höhe von 20 % der Versorgungsbezüge ihres verstorbenen Ehemannes nicht zu. Dies ergebe sich aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 53 Abs. 5 Satz 2 BeamtVG. Die Anwendbarkeit der Vorschrift sei nicht auf Versorgungsempfänger im Beamtenstatus begrenzt.
Mit der Sprungrevision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 10. März 2004 aufzuheben und die Bescheide des Beklagten vom 7. Januar und 20. März 2003 dahingehend zu ändern, dass der Klägerin der Mindestbetrag nach § 53 Abs. 5 Satz 1 BeamtVG belassen bleibt.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht stimmt der angefochtenen Entscheidung zu.
Entscheidungsgründe
II.
Die Sprungrevision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2, §§ 141, 125 Abs. 1 VwGO), ist zulässig. Das Verwaltungsgericht hat sie im angefochtenen Urteil zugelassen. Die Klägerin und der Beklagte haben der Einlegung der Sprungrevision schriftlich zugestimmt. Zwar hat die Klägerin die Zustimmung des Beklagten nicht zusammen mit der Revisionsschrift vorgelegt (§ 134 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 VwGO), doch ist die Zustimmungserklärung als Bestandteil der Gerichtsakte am 14. Mai 2004 beim Bundesverwaltungsgericht noch innerhalb der Revisionsfrist eingegangen. Dies entspricht den gesetzlichen Anforderungen (Urteil vom 3. November 1992 – BVerwG 9 C 6.92 – BVerwGE 91, 140, ≪141 f.≫).
Die Revision ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat für die Dauer des Bezugs eines Verwendungseinkommens mindestens in Höhe der Vergütungsgruppe BAT IIa keinen Anspruch auf den versorgungsrechtlichen Mindestbelasssungsbetrag in Höhe von 20 % des Versorgungsbezugs gemäß § 53 Abs. 5 Satz 1 BeamtVG. Dies folgt aus Satz 2 der Vorschrift in der Fassung des Art. 1 Nr. 35 Buchst. c des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3926).
Nach § 53 Abs. 1 BeamtVG erhält ein Versorgungsberechtigter, der Erwerbseinkommen im Sinne von Abs. 7 bezieht, daneben seine Versorgungsbezüge nur bis zum Erreichen der in Abs. 2 bezeichneten Höchstgrenze. Der Anspruch auf Zahlung der Versorgungsbezüge ruht, soweit und solange die Summe aus Versorgungsbezügen und Einkommen die nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BeamtVG zu ermittelnde Höchstgrenze übersteigt. In diesem Umfang steht der Auszahlung kraft Gesetzes ein rechtliches Hindernis entgegen (BVerwG, Urteil vom 24. November 1966 – BVerwG 2 C 119.64 – BVerwGE 25, 291 ≪293≫). § 53 Abs. 1 und 2 BeamtVG beschränkt die Anrechnungsfreiheit von Erwerbseinkommen auf den Differenzbetrag zwischen den Versorgungsbezügen und der Höchstgrenze. Nur wenn das Erwerbseinkommen den Differenzbetrag nicht übersteigt, werden die Versorgungsbezüge in der festgesetzten Höhe ausgezahlt (Urteil vom 27. Januar 2005 – BVerwG 2 C 39.03 – NVwZ-RR 2005, 488). Diese Anrechnungsregelung dient dem Vorteilsausgleich. Zwar ist die Alimentation des Beamten nach Art. 33 Abs. 5 GG grundsätzlich ohne Rücksicht darauf zu gewähren, ob und inwieweit er seinen Lebensunterhalt aus seinem Vermögen oder aus Einkünften bestreiten kann (BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 – BVerfG 2 BvR 933/82 – BVerfGE 76, 256 ≪297 ff.≫ m.w.N.), doch gilt dies dann nicht, wenn die Erwerbseinkünfte auf einer Erwerbstätigkeit beruhen, der ein Beamter nur deshalb nachgehen kann, weil er von der Dienstleistung freigestellt ist (Urteil vom 27. Januar 2005 – BVerwG 2 C 39.03 – a.a.O.).
Auch der Versorgungsanspruch des Hinterbliebenen unterliegt dem Vorteilsausgleich, wenn der Beamte vor dem Erreichen der Altersgrenze verstorben ist (Urteil vom 19. Februar 2004 – BVerwG 2 C 20.03 – BVerwGE 120, 154 ≪164≫). Zwar ist der Hinterbliebene anders als der vorzeitig in den Ruhestand versetzte Beamte weder von einer Pflicht zur Dienstleistung befreit worden, noch ist sein Anspruch gegen den Dienstherrn des verstorbenen Beamten ein abgeleiteter und unselbständiger Anspruch (Urteil vom 13. September 2001 – BVerwG 2 C 44.00 – Buchholz 239.1 § 50 BeamtVG Nr. 3). Für die Versorgungsbezüge der Witwen und Waisen sind aber seit jeher die gleichen Gesichtspunkte bestimmend, die bei der Versorgung des Beamten selbst zu beachten sind (BVerfGE 21, 239 ≪347≫ m.w.N.). Denn es ist kein Grund dafür ersichtlich, den Hinterbliebenen in seinem Versorgungsanspruch besser zu stellen, als der Beamte stünde, wenn er nicht verstorben, sondern wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden wäre (Urteil vom 19. Februar 2004 – BVerwG 2 C 20.03 – a.a.O. ≪S. 157≫). Dies gilt auch für den Versorgungsanspruch der Klägerin.
Nach § 53 Abs. 5 Satz 1 BeamtVG ist dem Versorgungsberechtigten mindestens ein Betrag in Höhe von 20 % seines jeweiligen Versorgungsbezuges (§ 2) – hier der Hinterbliebenenversorgung in Form des Witwengeldes (§ 2 Abs. 1 Nr. 2, § 16 Nr. 3, §§ 19, 20 BeamtVG) – zu belassen. Diese Regelung ist Bestandteil des mit § 53 Abs. 1 und 2 BeamtVG bezweckten Vorteilsausgleichs und soll sicherstellen, dass bei der Anrechnung von Erwerbseinkommen auf die Versorgungsbezüge die geleistete Dienstzeit nicht völlig entwertet wird (Urteil vom 19. Februar 2004 – BVerwG 2 C 20.03 – a.a.O. ≪S. 165≫). Nach Satz 2 gilt dies allerdings nicht beim Bezug von Verwendungseinkommen, das mindestens aus derselben Besoldungsgruppe oder einer vergleichbaren Vergütungsgruppe berechnet wird, aus der sich auch die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge bestimmen.
Bei dem Erwerbseinkommen der Klägerin handelt es sich um Verwendungseinkommen im Sinne dieser Vorschrift. Dies folgt aus § 53 Abs. 8 Satz 1 BeamtVG. Danach ist Verwendungseinkommen das Erwerbseinkommen aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst. Nach der Legaldefinition des § 53 Abs. 8 Satz 2 BeamtVG gehört dazu u.a. jede Beschäftigung im Dienst von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des deutschen öffentlichen Rechts oder ihrer Verbände. Zu Recht ist daher das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass § 53 Abs. 5 Satz 2 BeamtVG schon seinem Wortlaut nach nicht nur auf Versorgungsberechtigte anwendbar ist, die zugleich Verwendungseinkommen als Beamte beziehen, sondern auch für nach beamtenrechtlichen Vorschriften Versorgungsberechtigte gilt, die zugleich Verwendungseinkommen als Angestellte beziehen. Denn bei der Auslegung einer Vorschrift des Besoldungs- und Versorgungsrechts kommt dem Wortlaut ein besonderes Gewicht zu. Sind daher einer erweiternden, einengenden oder entsprechenden Auslegung bereits grundsätzlich enge Grenzen gezogen (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 13. Dezember 1978 – BVerwG 6 C 46.78 – BVerwGE 57, 183 ≪186 ff.≫, vom 22. März 1990 – BVerwG 2 C 11.89 – Buchholz 240 § 19a BBesG Nr. 10 und vom 25. Juni 1992 – BVerwG 2 C 13.91 – Buchholz 239.2 § 11 SVG Nr. 6; Beschluss vom 2. September 1994 – BVerwG 2 B 51.94 –), so scheidet die von der Klägerin favorisierte Auslegung, wonach sich die Sperre für den Mindestbelassungsbetrag nur auf Verwendungseinkommen bezieht, die in einem Beamtenverhältnis erzielt werden, wegen der Eindeutigkeit des Wortlauts aus.
Dies bestätigt auch die Entstehungsgeschichte der Norm. § 53 Abs. 5 Satz 2 BeamtVG knüpft unmittelbar an § 53 Abs. 5 Satz 1 BeamtVG an. Die Mindestbelassung nach Satz 1 wurde eingeführt durch Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes und sonstiger dienst- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S. 2218). Die Regelung begünstigte lediglich Witwen und Waisen bei Geltung einer Ruhensregelung nur beim Bezug von Verwendungseinkommen. Durch die Änderung des § 53 BeamtVG durch Art. 6 des Versorgungsreformgesetzes 1998 vom 29. Juni 1998 (BGBl I S. 1666) wurde die Ruhensregelung auf die Fälle des Bezugs von Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen ausgedehnt. Gleichzeitig wurde der Kreis derjenigen, die in den Genuss des Mindestbelassungsbetrags kamen, auf “Versorgungsberechtigte” ausgedehnt. An diesem Begriff, der die von Anfang an auch berechtigten Hinterbliebenen des Beamten umfassen sollte, hat das gegenwärtige Recht festgehalten.
Diese Auslegung wird schließlich von dem – im Gesetzgebungsverfahren in verschiedener Weise auch verlautbarten – Zweck der Regelung bestätigt. Mit dem Versorgungsänderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001 (a.a.O.) wollte der Gesetzgeber den steigenden Belastungen der öffentlichen Haushalte begegnen, die sich – wie in anderen Alterssicherungssystemen – auch bei der Beamtenversorgung als Folge der demografischen Entwicklung, der erheblichen Verlängerung der Pensionslaufzeiten sowie der Ausweitung des Personalbestandes in den 60er und 70er Jahren ergeben haben (vgl. die Gesetzesentwürfe von Bundesregierung und Koalitionsfraktionen ≪BTDrucks 735/01, BTDrucks 14/7223, BTDrucks 14/7064, jeweils S. 1≫). Im Gesetzgebungsverfahren wurden zwar verschiedene Formulierungen zur Neufassung des § 53 Abs. 5 BeamtVG vorgeschlagen. Im Wesentlichen ging es dabei aber darum, eine geeignete Formulierung zur Vermeidung einer Doppelversorgung aus öffentlichen Mitteln zu finden (vgl. i. E. die Begründungen der Bundesregierung ≪BTDrucks 14/7223≫ und der Koalitionsinitiative ≪BTDrucks 14/7064 S. 40≫ sowie die Beschlussempfehlung des Innenausschusses ≪BTDrucks 14/7681 S. 16, 78≫).
Das Verwendungseinkommen der Klägerin aus der Vergütungsgruppe BAT IIa ist schließlich mit der Besoldungsgruppe A 13 ihres verstorbenen Ehemanns im Sinne des § 53 Abs. 5 Satz 2 BeamtVG vergleichbar. Da dies außer Streit steht, kann unentschieden bleiben, nach welchen Maßstäben die Vergleichbarkeit zu ermitteln ist und welche Einkommensbestandteile im Einzelfall in die Prüfung einzubeziehen sind.
§ 53 Abs. 5 Satz 2 BeamtVG ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Der Alimentationsgrundsatz ist nicht verletzt. Zwar ist der Gesetzgeber nach Art. 33 Abs. 5 GG verpflichtet, bei beamtenversorgungsrechtlichen Regelungen den Kernbestand der Strukturprinzipien, welche die Institution des Berufsbeamtentums tragen und von jeher anerkannt sind, zu beachten und gemäß ihrer Bedeutung zu wahren. Ihm verbleibt jedoch ein weiter Spielraum des politischen Ermessens, innerhalb dessen er die Versorgung der Beamten regeln und den besonderen Gegebenheiten, den tatsächlichen Notwendigkeiten sowie der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen kann. Hierzu gehört auch, dass sich der Dienstherr von der ihm nach Art 33 Abs. 5 GG obliegenden Alimentationspflicht dadurch entlasten kann, dass er den Versorgungsberechtigten auf andere Einkünfte aus öffentlichen Kassen verweist, sofern diese ebenfalls der Existenzsicherung des Versorgungsberechtigten und seiner Familie zu dienen bestimmt sind (BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 – a.a.O. m.w.N.). Anders als beim Zusammentreffen von sonstigem Erwerbseinkommen und Versorgungsbezügen (vgl. dazu Urteil vom 19. Februar 2004 – BVerwG 2 C 20.03 – a.a.O. ≪S. 165≫) ist der Dienstherr im Fall des Zusammentreffens von Verwendungseinkommen und Versorgungsbezügen nicht gehalten, dem Versorgungsempfänger einen Teil der Versorgung zu belassen. Zwar steht die Klägerin als Versorgungsempfängerin unter dem Schutz der in Art. 33 Abs. 5 GG grundrechtsgleich abgesicherten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums. Dabei muss sie sich jedoch dieselben versorgungsrechtlichen Einschränkungen gefallen lassen, denen auch ein vorzeitig in den Ruhestand versetzter Beamter in den Grenzen des Art. 33 Abs. 5 GG unterliegt. Dazu gehört, dass Verwendungseinkommen grundsätzlich in stärkerem Maße der Anrechnung unterliegt als sonstiges Erwerbseinkommen. Das hat seinen Grund darin, die öffentliche Kasse, die der Gesetzgeber in § 53 Abs. 8 Satz 2 BeamtVG trotz ihrer heute gegebenen Vielfältigkeit als Ganzes betrachtet, nicht dadurch zweifach zu belasten, dass Beamten oder Hinterbliebenen neben der Versorgung auch Verwendungseinkommen gezahlt wird. Ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums des Inhalts, dass beim Zusammentreffen von Verwendungseinkommen und Versorgungsbezügen neben den ungekürzten Bezügen aus der aktiven Tätigkeit stets ein Teil der Versorgungsbezüge belassen werden muss, lässt sich nicht feststellen (Urteil vom 10. März 1987 – BVerwG 2 C 21.85 – Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 6).
Die Einfügung des Satzes 2 in die Vorschrift des § 53 Abs. 5 BeamtVG durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 verschlechterte im Vergleich zur vorherigen Rechtslage die Rechtsposition des Versorgungsberechtigten. Dies ist aber mit dem Alimentationsgrundsatz vereinbar. Denn der Beamte – ebenso der Empfänger einer Hinterbliebenenversorgung nach dem Beamtenversorgungsgesetz – (Urteil vom 19. Februar 2004 – BVerwG 2 C 20.03 – a.a.O. ≪S. 164≫) hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass eine bestehende Versorgungsregelung unverändert erhalten bleibt. Der Gesetzgeber darf Versorgungsbezüge kürzen, wenn dies im Rahmen des von ihm zu beachtenden Alimentationsgrundsatzes aus sachlichen Gründen gerechtfertigt erscheint (BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 – a.a.O. und Urteil vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02 –).
Auch die weitere Voraussetzung der Anrechenbarkeit, die rechtliche und wirtschaftliche Absicherung des Versorgungsempfängers innerhalb des öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses sowie eine gleichzeitige personale Bindung zum Dienstherrn (BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 – a.a.O.) ist für Hinterbliebene durch das Normgefüge des § 53 BeamtVG gesichert. Denn der Versorgungsanspruch der Klägerin ruht nur und bleibt damit dem Grunde nach bestehen. Er kann bei gleich bleibender Sachlage lediglich nicht durchgesetzt werden.
Die Vorschrift verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Dieser ist nur verletzt, wenn die gleiche oder ungleiche Behandlung geregelter Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, wenn also, bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart, ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung fehlt (BVerfGE 76, 256 ≪329≫; 83, 89 ≪107 f.≫; 103, 310 ≪318≫). Auf Grund der verhältnismäßig weiten Gestaltungsfreiheit, die Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber bei Regelungen des Besoldungs- und Versorgungsrechts belässt, bedarf es jeweils nicht der “gerechtesten”, zweckmäßigsten oder vernünftigsten Regelung. Der Gesetzgeber ist insbesondere frei, darüber zu entscheiden, was im Einzelnen im Wesentlichen gleich und was als so verschieden anzusehen ist, dass die Verschiedenheit eine Ungleichbehandlung rechtfertigt. Der Gesetzgeber ist befugt, aus der Vielzahl der Lebenssachverhalte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- oder Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen (BVerfGE 51, 295 ≪300≫; 61, 43 ≪62≫; 65, 141 ≪148≫; 71, 39 ≪52 f.≫). Nach diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass alle Versorgungsberechtigten, die ein Verwendungseinkommen beziehen, unabhängig von ihrem Status als Beamter oder als Angestellter im öffentlichen Dienst gleich behandelt werden.
Zwar kommt es durch die Anwendung der so verstandenen Vorschrift des § 53 Abs. 5 Satz 2 BeamtVG bei versorgungsberechtigten Hinterbliebenen mit Verwendungseinkommen zu unterschiedlichen Ergebnissen: Stand ein vor der gesetzlichen Altersgrenze Verstorbener im Beamtenverhältnis, entfällt die 20 %ige Mindestbelassung, gleich ob die Hinterbliebenen ihr Verwendungseinkommen als Angestellte oder Beamte beziehen. War der Verstorbene Angestellter einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, so kommen zu Gunsten auch eines Hinterbliebenen mit Verwendungseinkommen aus einem Beamtenverhältnis die – weniger einschneidenden – Bestimmungen des Rentenversicherungsrechts zur Anwendung. Dieses bei Ehen zwischen Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes unterschiedliche Ergebnis, das an die frühere Rechtsstellung des Erstversterbenden knüpft, ob er Beamter oder Angestellter war, ist jedoch gerechtfertigt. Denn die Versorgungsregelung der Beamten und ihrer Hinterbliebenen gehört einem Sachbereich an, der sich seit jeher und noch heute von den Versorgungsregelungen für Angestellte und ihre Hinterbliebenen strukturell in so erheblicher Weise unterscheidet, dass beide Versorgungssysteme im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vergleichbar sind (BVerfGE 39, 169 ≪185≫ m.w.N.). Dem Gesetzgeber ist es aus dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG ebenso unbenommen, diese Systemunterschiede bestehen zu lassen, wie er nicht gehalten ist, Bezieher von Verwendungseinkommen im Beamtenstatus und im Angestelltenverhältnis versorgungsrechtlich dadurch unterschiedlich zu behandeln, dass Angestellten im öffentlichen Dienst die 20 %ige Mindestbelassung verbleibt. Denn Zweck des § 53 Abs. 5 Satz 2 BeamtVG ist die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte durch Vermeidung einer zweifachen Belastung der öffentlichen Kassen durch gleichzeitige Zahlung von Verwendungseinkommen und Versorgung. Zwischen einem versorgungsberechtigten Beamten und einem versorgungsberechtigten Angestellten im öffentlichen Dienst, die beide Verwendungseinkommen beziehen, bestehen im Hinblick auf diesen Gesetzeszweck keine relevanten Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass eine ungleiche Behandlung geboten wäre (BVerfGE 55, 72 ≪88≫; 74,9 ≪24≫; 74, 129 ≪149≫; 82, 60 ≪86≫; 84, 133 ≪157≫; 87, 1 ≪36≫; 98, 1 ≪12≫). Wie schon im Urteil vom 10. März 1987 – BVerwG 2 C 21.85 – (a.a.O.) dargelegt, kann entgegen der Auffassung der Revision aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 1977 – 2 BvR 407/76 – BVerfGE 46, 97 insoweit nichts Gegenteiliges hergeleitet werden.
§ 53 Abs. 5 Satz 2 BeamtVG verstößt ferner nicht deswegen gegen das Gleichbehandlungsgebot, weil die Klägerin, wie sie meint, willkürlich betroffen ist. Denn es ist sachgerecht, die Anrechenbarkeit an die Vergleichbarkeit der Vergütungsgruppe mit der Besoldungsgruppe zu binden, aus der das Witwengeld errechnet wird. Dabei im Einzelfall insbesondere in den Übergangszonen entstehende Ungereimtheiten, unvermeidbare Härten und Friktionen in Einzelfällen müssen auch im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG hingenommen werden (stRspr, vgl. BVerfGE 26, 141 ≪158 f.≫; 49, 260 ≪273≫; 56, 353 ≪359≫; 64, 367 ≪387≫; 65, 141 ≪148≫; 76, 256 ≪295≫).
Die Anwendung des § 53 Abs. 5 Satz 2 BeamtVG führt zu keiner mittelbaren oder unmittelbaren Diskriminierung von Frauen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 GG (vgl. dazu BVerfG vom 30. Januar 2002 – 1 BvL 23/96 – NJW 2002, 1256; EuGH, Urteile vom 28. Januar 1992 – Rs T-45/90 – Slg. 1992 II S. 35 und vom 30. April 1996 – Rs C-13/94 – Slg. 1996 I S. 2143 ≪2165≫). Weder hat das Verwaltungsgericht festgestellt, noch ist dies sonst offensichtlich, dass der Anteil weiblicher Versorgungsberechtigter mit Verwendungseinkommen wesentlich höher ist als der vergleichbare Anteil männlicher Versorgungsberechtigter.
Art. 6 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Diese Verfassungsbestimmung stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. In negativem Sinn ist es dem Staat untersagt, Ehe und Familie zu schädigen oder sonst zu beeinträchtigen; in positivem Sinn umschreibt die Norm die Aufgabe des Staates, Ehe und Familie soweit erforderlich durch geeignete Maßnahmen zu fördern (vgl. BVerfGE 6, 55 ≪76≫). Daraus folgt nicht, dass der Staat jegliche finanzielle Belastung der Familie auszugleichen hat (BVerfGE 28, 104 ≪113≫; Senatsurteil vom 21. Januar 1982 – BVerwG 2 C 46.81 – BVerwGE 64, 333 ≪342≫). Vielmehr besitzt der Gesetzgeber bei Regelungen, die die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten konkretisieren, auch unter dem Blickwinkel des Art. 6 Abs. 1 GG einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 83, 89 ≪100≫).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Albers, Prof. Dawin, Dr. Kugele, Dr. Bayer, Dr. Heitz
Fundstellen
BVerwGE 2006, 178 |
ZBR 2006, 133 |
ZTR 2006, 169 |
DÖV 2006, 267 |
PersV 2006, 310 |
RiA 2006, 85 |
DVBl. 2006, 313 |
NPA 2006 |