Entscheidungsstichwort (Thema)
Marktorganisationen. Marktordnung. Milch. Zusatzabgabenverordnung. Erzeuger. Milchquote. Milchreferenzmenge. Referenzmenge für Milch. Anlieferungsreferenzmenge. landwirtschaftliches Pachtverhältnis. flächengebundene Übertragung von Milchquoten. flächenlose Übertragung von Milchquoten. Milchbörse. staatliche Verkaufsstelle. kürzeste Frist. Vorabentscheidung
Leitsatz (amtlich)
Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1256/1999 steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, derzufolge eine Milchreferenzmenge bei Beendigung des Pachtverhältnisses auch dann auf den Verpächter übergeht, wenn dieser nicht selbst Erzeuger ist oder zu werden beabsichtigt, sofern er sie seinerseits in kürzester Frist an einen Erzeuger überträgt. Das gilt sowohl für den Fall einer flächengebundenen Weiterverpachtung an einen Erzeuger als auch für den Fall eines flächenlosen Verkaufs über eine staatliche Verkaufsstelle.
Normenkette
Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 Art. 7; ZAV § 12 Abs. 2 S. 1, § 17 Abs. 1
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 16.03.2005; Aktenzeichen 10 LC 102/03) |
VG Stade (Entscheidung vom 18.06.2003; Aktenzeichen 6 A 1053/01) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. März 2005 aufgehoben. Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung – die auch die den Beteiligten beim Europäischen Gerichtshof entstandenen Kosten einschließt – bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I
Der Kläger führt einen Milcherzeugungsbetrieb. Sein Rechtsvorgänger hatte von dem Beigeladenen im Jahr 1974 unbefristet eine Fläche von 4,1862 ha hinzugepachtet, die er zur Milcherzeugung nutzte. Im Jahr 2000 schlossen der Kläger und der Beigeladene einen Pachtaufhebungsvertrag zum 1. Januar 2001. Auf dessen Antrag hin bescheinigte die Landwirtschaftskammer Hannover – die Rechtsvorgängerin der Beklagten – dem Beigeladenen mit Bescheid vom 14. Februar 2001, geändert am 27. April 2001, den Übergang einer Referenzmenge von 9 315 kg auf ihn; zugleich verfügte sie, dass eine weitere Referenzmenge von 4 588 kg zugunsten der Landesreserve eingezogen werde, weil der Beigeladene selbst keine Milch erzeuge.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe die Fläche 1974 ohne Referenzmenge zugepachtet. Der Beigeladene habe ihm bei der Aufhebung des Pachtvertrages versichert, die Fläche falle auch wieder ohne Referenzmenge zurück. Er sehe sich getäuscht und fechte den Aufhebungsvertrag an. Die Landwirtschaftskammer Hannover wies den Widerspruch mit Bescheid vom 6. Juli 2001 zurück. Die Beteiligten hätten bei dem Abschluss des Pachtaufhebungsvertrages keine Absprache über den Verbleib der Referenzmenge getroffen. Auch Pächterschutz komme nicht in Betracht, da der Pachtvertrag einvernehmlich beendet worden sei.
Auf die Klage hin hat das Verwaltungsgericht Stade die Bescheide aufgehoben. Mit Urteil vom 16. März 2005 hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Bei der Beendigung eines Pachtverhältnisses über eine Milcherzeugungsfläche falle eine entsprechende Referenzmenge nur dann an den Verpächter zurück, wenn dieser selbst Milcherzeuger sei oder die Fläche unverzüglich wieder an einen Milcherzeuger übertrage. Damit solle verhindert werden, dass Referenzmengen nicht zur Vermarktung von Milch, sondern dazu verwendet würden, unter Ausnutzung ihres Marktwertes rein finanzielle Vorteile aus ihnen zu ziehen. An diesen Grundsätzen sei auch angesichts der Neuregelung des Zusatzabgabenrechts zum 1. April 2000 festzuhalten, nach der eine Übertragung von Referenzmengen – abgesehen von Ausnahmen – nur noch flächenungebunden im Wege des Verkaufs über die Verkaufsstelle zulässig sei. Mithin sei die strittige Referenzmenge nicht auf den Beigeladenen übergegangen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig. Dadurch werde der Kläger auch in eigenen Rechten verletzt, ohne dass entschieden zu werden brauche, ob die strittige Referenzmenge – durch einen weiteren Bescheid – zugunsten der staatlichen Reserve eingezogen werden könne oder müsse.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten. Sie macht geltend, der Rechtsstreit betreffe Übergangsrecht, nämlich die Regeln, nach denen Altpachtverhältnisse unter dem seit 1. April 2000 geltenden neuen Zusatzabgabenrecht zu behandeln seien. Das Übergangsrecht sehe für den Fall der Beendigung von Altpachtverträgen den Übergang der Referenzmenge auf den Verpächter und für den Fall, dass dieser die Referenzmenge nicht für die eigene Milcherzeugung benötige, einen Abzug in Höhe von 33 vom Hundert zugunsten der staatlichen Reserve vor. Das zeige, dass die Verordnung einen Übergang auch für den Fall voraussetze, dass der Verpächter die Referenzmenge nicht für die eigene Milcherzeugung benötige, also kein Milcherzeuger sei. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nehme dieser Regelung einen Teil ihres Anwendungsbereichs.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Beigeladene teilt die Rechtsansicht der Beklagten. Er stellt keinen Antrag.
Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt die Revision.
Mit Beschluss vom 18. Mai 2006 – BVerwG 3 C 32.05 – (Buchholz 451.514 ZAV Nr. 3 = AUR 2006, 366 = RdL 2006, 246) hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof eine Frage zur Auslegung von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1256/1999 zur Vorabentscheidung vorgelegt. Mit Urteil vom 7. Juni 2007 – Rs. C-278/06 – hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1256/1999 geänderten Fassung dahin auszulegen ist, dass bei der Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverhältnisse über einen Milcherzeugungsbetrieb daran gebundene Referenzmengen an den Verpächter zurückfallen können, soweit dieser nicht Erzeuger ist oder zu werden beabsichtigt und sie in kürzester Frist über eine staatliche Verkaufsstelle an einen Dritten überträgt, der diese Eigenschaft besitzt.
Die Beteiligten haben auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist begründet. Das Urteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht. Da es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
1. Zur Entscheidung des Rechtsstreits sind diejenigen Rechtsvorschriften heranzuziehen, die sich für den Zeitpunkt des umstrittenen Referenzmengenübergangs, also für den 1. Januar 2001 Geltung beilegten; denn der Übergang wird nicht durch die angefochtene Bescheinigung bewirkt, sondern erfolgt unabhängig von ihr (stRspr; vgl. Urteile vom 18. Dezember 2003 – BVerwG 3 C 48.02 – und vom 16. März 2005 – BVerwG 3 C 18.04 – Buchholz 451.512 Nr. 138 ≪S. 22≫ und 140 ≪S. 35≫, jeweils m.w.N.). Anzuwenden sind damit die Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl EG Nr. L 405 S. 1) in der Fassung der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1256/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 (ABl EG Nr. L 160 S. 73) und die Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (Zusatzabgabenverordnung) vom 12. Januar 2000 (BGBl I S. 27) – ZAV –.
2. Die angefochtenen Bescheide haben einen zweifachen Gegenstand. Sie bescheinigen zum einen dem Beigeladenen, welche Referenzmenge auf ihn übergegangen ist; das stützt sich auf § 17 Abs. 1 Nr. 1 ZAV. Der bescheinigte Rechtserwerb des Beigeladenen beruht teils auf Gesetz, teils auf Verwaltungsakt: Der Übergang der Referenzmenge vom Kläger (Pächter) auf den Beigeladenen (Verpächter) erfolgt unmittelbar kraft Gesetzes, während der Drittelabzug zugunsten der staatlichen Reserve durch Verwaltungsakt verfügt werden muss. Dieser Unterschied besteht, obwohl beide Mal § 12 Abs. 2 bis 4 ZAV einschlägig ist; diese Vorschrift bewirkt zum einen den gesetzlichen Referenzmengenübergang und bietet zum anderen und zugleich die Ermächtigungsgrundlage für den Drittelabzug zugunsten der staatlichen Reserve. Damit verfügen die angefochtenen Bescheide zum anderen den Dritteleinzug zugunsten der staatlichen Reserve nach § 12 Abs. 2 und 4 ZAV.
Die Klage richtet sich sowohl gegen den Drittelabzug als auch gegen die Bescheinigung. Sie ist in beiden Punkten zulässig; denn der Kläger ist durch beides beschwert. Allerdings bedarf der Drittelabzug nur insoweit der Überprüfung, als die Beschwer des Klägers reicht. Er hat nach § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV den Übergang der Referenzmenge vom Kläger auf den Beigeladenen zur Voraussetzung. Hat der Übergang nicht stattgefunden, so ist die Klage nicht nur hinsichtlich der Bescheinigung begründet, sondern führt auch zur Aufhebung des Drittelabzugs. Hat der bescheinigte Übergang hingegen stattgefunden, so ist die Klage auch insoweit abzuweisen, als sie sich gegen den Drittelabzug richtet; durch mögliche weitere Fehler beim Drittelabzug (vgl. Urteil vom 16. September 2004 – BVerwG 3 C 35.03 – BVerwGE 121, 382 ff.) wäre der Kläger dann nicht beschwert.
3. Der bescheinigte Referenzmengenübergang findet seine Grundlage in § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV. Diese Vorschrift ist – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – nicht einschränkend dahin auszulegen, dass Anlieferungs-Referenzmengen bei Auslaufen von Altpachtverträgen nur dann an den Verpächter zurückfallen, wenn dieser selbst Milcherzeuger ist oder zu werden beabsichtigt. Sie gilt vielmehr auch dann, wenn der Verpächter die Referenzmenge in kürzester Frist über die staatliche Verkaufsstelle an einen Erzeuger überträgt.
a) Das nationale Recht macht den Übergang der Referenzmenge bei der Beendigung von Altpachtverträgen nicht davon abhängig, dass der Verpächter selbst Milcherzeuger ist oder alsbald wird.
Der Wortlaut der Vorschrift gibt für diese Einschränkung nichts her. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV gehen, soweit Altpachtverträge mit Ablauf des 31. März 2000 oder später beendet werden, die entsprechenden Anlieferungs-Referenzmengen nach § 7 Abs. 1 bis 2a, 4 Satz 1 bis 3, Abs. 5 und 6 der Milch-Garantiemengen-Verordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. März 1994 (BGBl I S. 586), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 25. März 1996 (BGBl I S. 535), – MGV – auf den Verpächter mit der Maßgabe über, dass 33 vom Hundert der zurückgewährten Anlieferungs-Referenzmengen zugunsten der Reserve des Landes, in dem der Betriebssitz des Pächters liegt, eingezogen werden. Die Bestimmung sieht mithin den Übergang “auf den Verpächter”, ohne jede Einschränkung vor. Auch die in Bezug genommenen Vorschriften der Milch-Garantiemengen-Verordnung knüpfen den Übergang nicht an die einschränkende Voraussetzung, dass der Verpächter selbst Milch erzeugt.
Dass § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV auch diejenigen Fälle erfassen will, in denen der Verpächter nicht selbst Milch erzeugt, zeigt § 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ZAV. Hiernach unterbleibt der in § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV vorgesehene Abzug zugunsten der staatlichen Reserve, wenn der Verpächter die Anlieferungs-Referenzmenge für die eigene Milcherzeugung benötigt. Die Zusatzabgabenverordnung geht also davon aus, dass der Verpächter die Referenzmenge in jedem Falle erlangt; wenn er selbst Milch erzeugt, erlangt er sie ungeschmälert, wenn er selbst aber keine Milch erzeugt, wird sie ihm um ein Drittel gekürzt.
b) Europäisches Gemeinschaftsrecht lässt eine derartige nationale Regelung zu, sofern der Verpächter, wenn er nicht selbst Erzeuger ist oder zu werden beabsichtigt, die Referenzmenge in kürzester Frist über die staatliche Verkaufsstelle an einen Dritten überträgt, der diese Eigenschaft besitzt.
Nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 werden bei Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverhältnisse, abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmen, die verfügbaren Referenzmengen der betreffenden Betriebe nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bestimmungen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten ganz oder teilweise “auf die Erzeuger übertragen, die sie übernehmen”. Die Vorschrift ist anwendbar. Namentlich stand sie bis zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 zum 1. Januar 2004 durch Art. 25 der Nachfolge-Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 des Rates vom 29. September 2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor (ABl L Nr. 270 S. 123) nicht zur Disposition der Mitgliedstaaten. Zwar ermächtigte Art. 8a Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1256/1999 die Mitgliedstaaten, die Bestimmungen über die (flächengebundene) Übertragung von Referenzmengen nach Art. 7 Abs. 1 nicht anzuwenden; hiervon hat Deutschland mit der Zusatzabgabenverordnung Gebrauch gemacht. Die Ermächtigung bezog sich jedoch nicht auf Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92, so dass sich die Rechtsfolgen der Beendigung eines noch unter der Geltung von Art. 7 Abs. 1 eingegangenen landwirtschaftlichen Pachtverhältnisses unverändert nach den bisherigen Vorschriften richten.
Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 setzt nach Wortlaut, Sinn und Zweck voraus, dass die Referenzmenge von einem Milcherzeuger übernommen wird (stRspr; vgl. EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2006 – Rs. C-275/05, Kibler – Slg. I-10569 ≪Rn. 21≫ m.w.N.). Das ist der Fall, wenn der Verpächter selbst Erzeuger ist oder zu werden beabsichtigt. Das europäische Gemeinschaftsrecht steht aber auch einer nationalen Regelung nicht entgegen, derzufolge die Referenzmenge bei Beendigung des Pachtverhältnisses auch dann auf den Verpächter übergeht, wenn dieser nicht selbst Erzeuger ist oder zu werden beabsichtigt, sofern er sie seinerseits in kürzester Frist an einen Erzeuger überträgt. In derartigen Fällen erscheint der Erwerb des Verpächters als Durchgangserwerb. Das gilt sowohl für den Fall einer flächengebundenen Weiterverpachtung an einen Erzeuger, wie dies die alte Rechtslage der Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV) vom 25. Mai 1984 in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. März 1994 (BGBl I S. 586) als Regelfall vorsah (EuGH, Urteil vom 20. Juni 2002 – Rs. C-401/99, Thomsen – Slg. I-5775, 5791), als auch für den Fall eines flächenlosen Verkaufs über eine staatliche Verkaufsstelle, wie es nunmehr die Milchabgabenverordnung vorsieht. Dementsprechend hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 7. Juni 2007 – Rs. C-278/06 – auf die Vorlage des Senats entschieden, Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1256/1999 sei dahin auszulegen, dass bei Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverhältnisse über einen Milcherzeugungsbetrieb daran gebundene Referenzmengen an den Verpächter zurückfallen können, auch wenn dieser nicht Erzeuger ist oder zu werden beabsichtigt, sofern er sie in kürzester Frist über eine staatliche Verkaufsstelle an einen Dritten überträgt, der diese Eigenschaft besitzt. Der Beendigung eines Pachtverhältnisses über einen ganzen Milcherzeugungsbetrieb ist die Beendigung eines Pachtverhältnisses über bestimmte Betriebsflächen gleichzuerachten (vgl. ebd. ≪Rn. 10≫).
Wie die “kürzeste Frist” zu bemessen ist, hängt von den jeweils gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen ab (vgl. Senat, Urteil vom 16. September 2004 – BVerwG 3 C 30.03 – Buchholz 421.512 MGVO Nr. 139). Unter der Geltung des neuen Rechts ist eine Übertragung an einen Erzeuger nur durch Verkauf über die staatliche Verkaufsstelle zu festgesetzten Terminen möglich. Die Weiterübertragung an einen Erzeuger erfolgt daher “in kürzester Frist”, wenn der Verpächter die Referenzmenge zum nächsten hierfür vorgesehenen Zeitpunkt der staatlichen Verkaufsstelle andient, damit diese sie binnen kürzester Frist an einen Erzeuger verkaufen kann (EuGH, Urteil vom 7. Juni 2007 a.a.O. ≪Rn. 38≫; vgl. schon Europäische Kommission, AUR 2003, S. 78). Dementsprechend hat der Verordnungsgeber § 12 Abs. 2 ZAV durch die Zweite Änderungsverordnung vom 14. Januar 2004 (BGBl I S. 89) dahin ergänzt, dass eine unverzügliche Übertragung dann anzunehmen ist, wenn der Verpächter, der nicht selbst Erzeuger ist oder wird, beim nächstfolgenden Übertragungstermin für die gesamte Referenzmenge ein Angebot bei der Verkaufsstelle einreicht und bei diesem oder dem darauf folgenden Übertragungstermin zum Zuge kommt.
Der nächstfolgende Übertragungstermin steht für den Beigeladenen noch bevor, da sein Rechtserwerb infolge der vorliegenden Klage noch nicht bestandskräftig feststeht.
4. Gegen den in § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV angeordneten Referenzmengenübergang bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
a) Der Senat hat in seinem Urteil vom 16. September 2004 – BVerwG 3 C 35.03 – Bedenken geäußert, ob die Zusatzabgabenverordnung von der durch Art. 8a Buchstaben b und e der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1256/1999 eröffneten Möglichkeit, das bisherige flächengebundene Übertragungssystem durch ein völlig anders geartetes System der nur flächenlosen Übertragung von Referenzmengen über eine Milchbörse zu ersetzen, ohne eine grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers Gebrauch machen durfte (BVerwGE 121, 382 ≪387 ff.≫). Er hat diese Frage jedoch offen gelassen, da die beschriebenen verfassungsrechtlichen Bedenken nur die Einführung des neuen Übertragungssystems, nicht jedoch auch diejenigen Vorschriften – wie § 12 ZAV – betreffen, welche Regelungen im Gefolge des bisherigen Übertragungssystems für eine Übergangszeit aufrechterhalten (ebd. ≪390≫). Auch der vorliegende Rechtsstreit nötigt nicht zu einer abschließenden Entscheidung der Frage. Wiederum ist nur die Übergangsvorschrift des § 12 ZAV betroffen, die als zeitlich begrenzte Fortführung des alten Übertragungssystems in § 8 Abs. 1 Satz 1 MOG noch eine zureichende gesetzliche Grundlage findet.
b) Die Referenzmenge – und damit deren Verwertbarkeit im Verkaufswege – dem Verpächter zuzuordnen, verletzt den Pächter nicht in seinen Grundrechten.
Der Gleichheitssatz ist nicht verletzt. Zwar ordnet § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV den Referenzmengenübergang ohne Rücksicht auf den Umstand an, ob der Verpächter selbst Milch erzeugt oder nicht. Diese Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte berührt den abgebenden Pächter jedoch nicht in seiner Rechtssphäre. Der Pächter hat kein rechtlich geschütztes Interesse daran, die Referenzmenge nur an einen Milcherzeuger zu verlieren. Ohne Erfolg beruft sich die Revision insofern auf das Urteil des Senats vom 18. Dezember 2003 – BVerwG 3 C 48.02 – (Buchholz 451.512 MGVO Nr. 138). Dort hatte der Senat für den Verbleib der Referenzmenge beim bisherigen Pächter allein deshalb erkannt, weil das damalige Recht den Übergang auf den Verpächter nicht erlaubte und für einen Einzug zur staatlichen Reserve die Rechtsgrundlage fehlte. Die Aussage, dass die Referenzmenge dem bisherigen Pächter auch gerechterweise gebühre, hat der Senat nicht getroffen.
Auch das Eigentumsgrundrecht des bisherigen Pächters ist nicht verletzt. Zwar wird durch den Verlust der Referenzmenge sein als Eigentum geschütztes Recht an seinem Milcherzeugungsbetrieb beeinträchtigt (vgl. zuletzt Senat, Urteil vom 16. September 2004 – BVerwG 3 C 35.03 – BVerwGE 121, 382 ≪391≫); dabei ist gleichgültig, ob der Verlust zugunsten der staatlichen Reserve oder zugunsten eines Dritten angeordnet wird. Die Anordnung ist aber zulässig, weil sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet. Der Verordnungsgeber musste – in dem vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Rahmen – die berechtigten Interessen des Pächters und des Verpächters einer Milcherzeugungsfläche zu einem gerechten Ausgleich bringen. Für Pachtverträge, die nach Einführung der Milchabgabenregelung im Jahre 1983 geschlossen wurden, durfte er in Rechnung stellen, dass die Referenzmenge dem Pächter zusammen mit der Fläche nur auf Zeit überlassen war und nach dem Ende des Pachtverhältnisses wieder dem Verpächter zustand. Dasselbe gilt im Grundsatz für Pachtverträge, die bereits zuvor geschlossen worden waren. Allerdings gebot der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit insofern Vorkehrungen zum Schutz der berechtigten Belange des Pächters, der die Referenzmenge durch eigene Investitionen erdient hat. Ob dem durch Ausgleichszahlungen des Verpächters oder aber durch eine Aufteilung der Referenzmenge zwischen Pächter und Verpächter Rechnung getragen wurde, oblag der Entscheidung des Verordnungsgebers. Durch den sog. Pächterschutz nach § 7 Abs. 4 MGV, der auch im Rahmen von § 12 Abs. 2 ZAV noch Anwendung findet, wurde den Anforderungen von Art. 14 GG in jedem Falle genügt (stRspr; vgl. Urteile vom 30. November 1989 – BVerwG 3 C 47.88 – BVerwGE 84, 140 ≪145 ff.≫ und vom 15. November 1990 – BVerwG 3 C 42.88 – BVerwGE 87, 94 ≪99 ff.≫).
5. Für eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits bedarf es noch tatsächlicher Feststellungen. Der vom Beklagten bescheinigte Übergang der umstrittenen Referenzmenge auf den Beigeladenen setzt die Beendigung des zwischen diesem und dem Kläger bestehenden Pachtverhältnisses voraus. Der Beklagte hat als Beendigungsgrund – nur – den Pachtaufhebungsvertrag (ohne Datum, wirksam zum 1. Januar 2001) angesehen. Der Kläger hat jedoch geltend gemacht, er habe seine diesbezügliche Vertragserklärung wegen Irrtums angefochten (vgl. Widerspruchsbegründung vom 22. Mai 2001). Die Vorinstanzen haben diesen – aktenkundigen – Umstand nicht gewürdigt, weil es von ihrem rechtlichen Standpunkt aus hierauf nicht ankam. Das wird nachzuholen sein. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Kley, van Schewick, Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen
DVBl. 2007, 1576 |
GuT 2008, 136 |