Entscheidungsstichwort (Thema)
Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen. Zuständigkeit. Berechtigtenfeststellung. Entschädigungsberechtigung. Entscheidungskompetenz. Würdigkeitsprüfung
Leitsatz (amtlich)
Ist die Rückübertragung eines Vermögenswertes nach § 3 Abs. 2 VermG ausgeschlossen, weil der nach dem Prioritätsprinzip Berechtigte einer Schädigung nach § 1 Abs. 6 VermG unterlag, so ist das nach § 29 Abs. 3 VermG zuständige Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen auch für die Entscheidung über eine Entschädigungsberechtigung des Zweitgeschädigten nach § 7a Abs. 3c Satz 1 VermG zuständig.
Normenkette
VermG § 7a Abs. 3b, 3c; EntschG § 12 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
VG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 08.12.2005; Aktenzeichen 4 K 2034/00) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 8. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrte die Rückübertragung mehrerer von der DDR enteigneter Grundstücke, die ihr Rechtsvorgänger 1939 von jüdischen Voreigentümern erworben hatte. Mit Bescheid vom 23. November 1994 lehnte der Landrat des Landkreises Oder-Spree den Antrag ab, weil keine schädigende Maßnahme im Sinne des Vermögensgesetzes vorliege. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen am 1. August 2000 mit im Wesentlichen gleicher Begründung zurück. Am 7. September 2000 hat die Klägerin Klage erhoben, die sie insbesondere damit begründet hat, dass die Grundstücke 1973 entschädigungslos enteignet worden seien. Vorrangige Ansprüche des beigeladenen Rechtsnachfolgers der jüdischen Voreigentümer gemäß § 1 Abs. 6 VermG seien nicht gegeben, weil dieser keinen fristgerechten Antrag gestellt habe. Die Klägerin hat vor dem Verwaltungsgericht beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, ihr die im Einzelnen bezeichneten Grundstücke zurückzuübertragen, hilfsweise, ihr Entschädigung zu gewähren.
Mit Schreiben vom 23. Juli 2004 wies die Beklagte auf den nach Einfügung des § 29 Abs. 3 VermG erfolgten gesetzlichen Parteiwechsel hin und erwiderte auf die Klage. Mit Urteil vom 8. Dezember 2005 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte, der Klägerin für die streitigen Grundstücke Entschädigung zu gewähren und wies im Übrigen die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dass zwar eine Rückübertragung der Grundstücke an die Klägerin gemäß § 3 Abs. 2 VermG ausgeschlossen sei, weil sie nur Zweitgeschädigte sei. Der auf Entschädigung gerichtete Hilfsantrag habe aber Erfolg, weil die Klägerin ohne den vorrangigen Restitutionsanspruch des früheren Beigeladenen zu 1 Anspruch auf Rückübertragung der streitigen Grundstücke gehabt hätte. Der Rechtsvorgänger der Kläger sei gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG entschädigungslos enteignet worden. Die Rechtsgrundlage für den Entschädigungsanspruch stelle § 7a Abs. 3c VermG dar. Eines gesonderten Antrages und Vorverfahrens hinsichtlich des Entschädigungsanspruchs habe es nicht bedurft, weil die Beklagte sich in der mündlichen Verhandlung durch Stellung eines Klageabweisungsantrags auf die hilfsweise erhobene Klage eingelassen habe.
Die Beklagte begründet die vom Senat zugelassene Revision insbesondere wie folgt: Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletze Bundesrecht, weil das Verwaltungsgericht die Reichweite der Zuständigkeitsregelung des § 29 Abs. 3 VermG sowie den Regelungsgehalt der § 22 Satz 2 Nr. 4 VermG und § 7a Abs. 3c VermG verkannt habe. Gemäß § 29 Abs. 3 VermG entscheide die Beklagte über auf § 1 Abs. 6 VermG gestützte vermögensrechtliche Ansprüche, zu denen der vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil bewilligte Entschädigungsanspruch nach § 7a Abs. 3c VermG nicht gehöre, weil die Schädigung des Rechtsvorgängers der Klägerin nicht während der Herrschaft des Nationalsozialismus erfolgt sei. Auch aus § 7a Abs. 3c Satz 2 i.V.m. § 7a Abs. 3b Satz 3 VermG folge keine abweichende Zuständigkeitsregelung. Daraus ergebe sich nur, bei welcher Behörde der Antrag auf Entschädigung zu stellen sei. Von dieser Zuständigkeit sei die eigentliche Entscheidungskompetenz zu unterscheiden, die in § 22 Satz 2 Nr. 4 VermG geregelt sei. Darüber hinaus beruhe das Urteil auf dem Verfahrensmangel der Verletzung der Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht habe keine Ermittlungen zur Würdigkeit des Rechtsvorgängers der Klägerin gemäß § 7a Abs. 3b Satz 2 VermG angestellt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 8. Dezember 2005 aufzuheben, soweit es der Klage stattgibt, und die Klage vollständig abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat kann wegen des Verzichts der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Revision ist unbegründet.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes ist dahingehend auszulegen, dass das Verwaltungsgericht die Entschädigungsberechtigung der Klägerin für die streitigen Grundstücke festgestellt hat. Dies entspricht der Zweistufigkeit des Verfahrens, das einerseits aus dem vermögensrechtlichen Verfahren mit der Prüfung des Schädigungstatbestandes und des Ausschlusses der Rückübertragung nach § 3 Abs. 2 VermG, an die § 7a Abs. 3c Satz 1 VermG die Entschädigungsberechtigung knüpft, und andererseits aus dem Entschädigungsverfahren mit der Prüfung der Würdigkeit (§ 7a Abs. 3c Satz 2 i.V.m. Abs. 3b Satz 2 VermG) und der Bemessung der Höhe der Entschädigung besteht. Dementsprechend war nur die Frage der Entschädigungsberechtigung – neben der Vorrangigkeit der Berechtigung des im erstinstanzlichen Verfahren Beigeladenen zu 1 – Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, weil sowohl der Landrat des Landkreises Oder-Spree als auch das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Brandenburg eine schädigende Maßnahme im Sinne des Vermögensgesetzes gegenüber dem Rechtsvorgänger der Klägerin verneint hatten. Das Verwaltungsgericht hat eine Schädigung gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 VermG bejaht, den Anspruch auf Rückübertragung wegen der Erstschädigung des früheren Beigeladenen zu 1 im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG aber gemäß § 3 Abs. 2 VermG verneint. Weitergehende Überlegungen zum Anspruch auf Entschädigung – insbesondere zur Prüfung der Würdigkeit des Rechtsvorgängers – hat das Verwaltungsgericht nicht angestellt; sie waren, wie dargelegt, auch nicht Gegenstand des bisherigen Verfahrens.
1. Für die Feststellung der Berechtigung der Klägerin ist die Beklagte gemäß § 29 Abs. 3 VermG zuständig. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 21. Januar 2004 – BVerwG 8 C 9.03 – (Buchholz 428 § 29 VermG Nr. 1) festgestellt hat, bezieht sich die mit Wirkung vom 1. Januar 2004 in § 29 Abs. 3 VermG eingefügte Zuständigkeit des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen nicht nur auf die Verfahren, in denen vermögensrechtliche Ansprüche auf § 1 Abs. 6 VermG gestützt werden, sondern auch auf alle sonstigen Verfahren, in denen neben Ansprüchen nach § 1 Abs. 6 VermG auch andere Ansprüche hinsichtlich desselben Vermögenswertes geltend gemacht werden. Das war hier der Fall, da hinsichtlich der streitgegenständlichen Grundstücke sowohl der frühere Beigeladene zu 1 wegen einer Schädigung seines jüdischen Rechtsvorgängers gemäß § 1 Abs. 6 VermG als auch die Klägerin wegen einer Schädigung ihres Rechtsvorgängers, der die Grundstücke von dem Rechtsvorgänger des früheren Beigeladenen zu 1 erworben hatte, gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. a und § 1 Abs. 3 VermG Ansprüche geltend gemacht hatten.
Der Einwand der Beklagten, dass es sich bei dem Anspruch nach § 7a Abs. 3c VermG nicht um einen konkurrierenden, sondern um einen zeitlich nachgeordneten, nämlich von der Bestandskraft der Rückgabe nach § 1 Abs. 6 VermG abhängigen Anspruch handele, für den die genannte Entscheidung des Senats vom 21. Januar 2004 (a.a.O.) nicht gelte, greift nicht durch. Der Vorschrift des § 7a Abs. 3c VermG kann nicht entnommen werden, dass es sich – wie die Beklagte meint – im Regelfall um eine zeitlich nachgeordnete Prüfung handelt. Die Gemeinsame Arbeitshilfe des Bundesministeriums der Finanzen, des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen und der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zum Entschädigungsgesetz (EntschG) und Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG) – Stand: April 2005 – geht vielmehr davon aus, dass auch im Fall des § 7a Abs. 3c VermG der Bescheid, mit dem die Restitution wegen Zweitschädigung abgelehnt wird, bereits eine Entscheidung über die Entschädigung dem Grunde nach umfassen sollte (Teil A III 4 Rn. 9 f. der Arbeitshilfe; s.a. Urteil vom 21. Juni 2001 – BVerwG 7 C 4.00 – Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 26, demzufolge es für die Bejahung des § 3 Abs. 2 VermG ausreicht, dass die Berechtigung des Erstgeschädigten oder seines Rechtsnachfolgers zur Rückübertragung feststeht, auch wenn offen ist, wer von zwei Antragstellern tatsächlich der Berechtigte ist). Eine solche verbundene Entscheidung entspricht dem Ziel der Beschleunigung der vermögensrechtlichen Verfahren. In diesem Fall würde die Entscheidung über die Entschädigungsberechtigung nach § 7a Abs. 3c Satz 1 VermG zeitgleich mit der Bestandskraft der Restitution nach § 1 Abs. 6 VermG bestandskräftig werden. Davon abgesehen begründet § 7a Abs. 3c VermG zwar eine eigene Anspruchs “berechtigung” auf Entschädigung für den Zweitgeschädigten, der nach § 3 Abs. 2 VermG wegen des vorrangigen Anspruchs nicht als Berechtigter gilt. Die nach § 7a Abs. 3c Satz 1 VermG zu treffende Feststellung weist aber insoweit Prallelen zu den sonstigen vermögensrechtlichen Feststellungen der Entschädigungsberechtigung auf, als auch hier vorausgesetzt ist, dass zu Lasten des Zweitgeschädigten ein Schädigungstatbestand nach § 1 VermG verwirklicht ist und die Rückübertragung des Vermögenswertes an diesen – hier: nach § 3 Abs. 2 VermG – ausgeschlossen ist.
Auch die Regelung des Antragsverfahrens nach § 7a Abs. 3c Satz 2 und 3 VermG steht der Zuständigkeit der Beklagten für die Feststellung der Entschädigungsberechtigung nach § 7a Abs. 3c Satz 1 VermG nicht entgegen. Zur Erlangung einer auf § 7a Abs. 3c Satz 1 VermG gestützten Entschädigungsleistung ist gemäß § 7a Abs. 3c Satz 3 VermG ein gesonderter, eigenständiger und fristgebundener Antrag erforderlich (vgl. Beschluss vom 1. Februar 2006 – BVerwG 3 B 90.05 – Buchholz 428 § 7a VermG Nr. 8). Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit dem in der mündlichen Verhandlung protokollierten Hilfsantrag der Klägerin und der rügelosen Einlassung der Beklagten auf diesen Antrag als gestellt angesehen. Gemäß § 7a Abs. 3c Satz 2 i.V.m. § 7a Abs. 3b Satz 3 VermG ist der Antrag bei dem für die Entscheidung in der Hauptsache zuständigen Amt oder Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen zu stellen. Auch wenn das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen hier nicht ausdrücklich aufgeführt ist, ist dies nur als Versehen im Gesetzgebungsverfahren zu verstehen, denn es entspricht der durchweg vertretenen Auffassung, die auch von der Beklagten in ihrer Revisionsbegründung unterstellt wird, dass der Antrag nach § 7a Abs. 3c VermG bei dem für die Entscheidung über die Rückübertragung zuständigen Amt, Landesamt oder Bundesamt, das das bisherige Verfahren durchgeführt hat, zu stellen ist (vgl. Wasmuth, RVI, B 100 § 7a VermG Rn. 214, 248, 253; Kuhlmey/Wittmer, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, Band III, Stand März 2006, § 12 EntschG Rn. 14; s.a. Meyer-Seitz, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Stand Januar 2007, § 7a VermG Rn. 131; Zimmermann, RVI, B 110 § 12 EntschG Rn. 5).
Für die von der Beklagten geltend gemachte Differenzierung zwischen der Behörde, die für die Entgegennahme des Antrages zuständig sei, und der Behörde, der die Entscheidungskompetenz für die Feststellung der Anspruchsberechtigung zukomme, gibt es keine Anhaltspunkte. Aus dem Wortlaut des § 7a Abs. 3b und 3c VermG ist eine solche Differenzierung nicht herleitbar. Auch Sinn und Zweck der Regelung lassen keinen anderen Schluss zu: Die Behörde, die über den geltend gemachten Rückgabeanspruch entschieden hat, ist gegenüber dem Bürger der Ansprechpartner gewesen; bei dieser Behörde befinden sich die Akten, und diese Behörde ist mit dem Sachverhalt vertraut. Das Argument der Beklagten, § 22 Satz 2 Nr. 4 VermG lege fest, dass die in § 22 Satz 1 VermG aufgeführten Länder Wertausgleichs- und Erstattungsansprüche nach § 7a VermG im Auftrag des Bundes entschieden, greift nicht durch. Schon § 22 Satz 1 VermG, demzufolge die Vorschriften des Vermögensgesetzes von den dort aufgeführten Ländern durchgeführt werden, stimmt so nicht mehr. Ansprüche nach § 1 Abs. 6 VermG werden vom Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen entschieden. Der Gesetzgeber hat insoweit offenkundig – ebenso wie bei § 7a Abs. 3b Satz 3 VermG – bei Einfügung des § 29 Abs. 3 VermG und der damit begründeten Zuständigkeit des Bundesamtes die notwendigen Folgeänderungen bei § 22 VermG übersehen.
Eine Folgeänderung hat der Gesetzgeber allerdings bei Einfügung des § 29 Abs. 3 VermG durch das Entschädigungsrechtsänderungsgesetz vom 10. Dezember 2003 (BGBl I S. 2471) in Art. 1 Nr. 7 dieses Gesetzes getroffen: § 12 Abs. 1 Satz 3 Entschädigungsgesetz, der die Zuständigkeit zur Entscheidung über einen Anspruch auf Entschädigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 EntschG regelt und dafür bisher das Amt oder Landesamt bestimmte, wurde um das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen ergänzt. Der Beklagten kommt mithin kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung jedenfalls die Entscheidungszuständigkeit für auf § 1 Abs. 2 Satz 1 EntschG gestützte Entschädigungsansprüche in den Angelegenheiten zu, für die sie nach § 12 Abs. 1 Satz 1 EntschG i.V.m. §§ 22 ff. VermG zuständig ist. Die Begründung verweist zu dieser Ergänzung nur darauf, dass es sich um eine notwendige Folgeregelung zu der Änderung des § 29 Abs. 3 VermG handele (vgl. BRDrucks 235/03 S. 36; BTDrucks 15/1180 S. 3, 21).
Da der Gesetzgeber meinte, als Folgeregelung zur Begründung der Zuständigkeit des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen nach § 29 Abs. 3 VermG diesem gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 EntschG die Zuständigkeit über Entschädigungsanträge nach § 1 Abs. 2 Satz 1 EntschG zuweisen zu müssen, muss daraus geschlossen werden, dass das Bundesamt auch zur Entscheidung über Entschädigungsansprüche nach § 7a Abs. 3c VermG zuständig sein soll. Denn es ist nicht ersichtlich, in welcher Fallkonstellation § 1 Abs. 2 Satz 1 EntschG sonst eingreifen könnte, außer dass das Bundesamt gemäß § 29 Abs. 3 VermG über den Rückübertragungsanspruch in der Hauptsache entschieden hat. Für die vom Bundesamt zu entscheidenden Fälle nach § 1 Abs. 6 VermG ist gerade die Spezialregelung des § 7a Abs. 3c VermG geschaffen worden (vgl. Kuhlmey/Wittmer, in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, Stand 31. Dezember 2004, Teil 3, § 7a VermG Rn. 76). Es spricht deshalb viel dafür, dass der Gesetzgeber für die hinter diesem Anspruch gemäß § 3 Abs. 2 VermG zurücktretenden Zweitgeschädigten und deren Entschädigungsansprüche gemäß § 7a Abs. 3c VermG die Zuständigkeit des Bundesamtes begründen wollte, diese aber offenbar versehentlich in § 12 Abs. 1 Satz 3 EntschG statt in § 7a Abs. 3c Satz 2 VermG i.V.m. § 7a Abs. 3b Satz 3 VermG eingefügt hat.
Dass die Beklagte zur Prüfung der Voraussetzungen des § 7a Abs. 3b Satz 2 VermG zusätzliche Ermittlungen anstellen muss, steht dem nicht entgegen.
§ 7a Abs. 3b Satz 3 VermG sieht vor, dass diese – immer anfallende – zusätzliche Prüfung von der Behörde durchgeführt wird, die für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig war.
2. Da, wie das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden hat (vgl. Beschluss vom 1. Februar 2006 – BVerwG 3 B 90.05 – a.a.O.), der Entschädigungsanspruch nach § 7a Abs. 3c Satz 3 VermG einen eigenständigen Antrag erfordert, hat auch die gemäß § 7a Abs. 3c Satz 2 VermG i.V.m. Abs. 3b Satz 2 VermG durchzuführende Prüfung, ob der Anspruchsteller oder derjenige, von dem er seine Rechte ableitet, gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen, in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht oder dem nationalsozialistischen oder dem kommunistischen System der sowjetisch besetzten Zone oder in der Deutschen Demokratischen Republik erheblich Vorschub geleistet hat (sog. Würdigkeitsprüfung) in dem Verfahren über den Entschädigungsanspruch und nicht im vermögensrechtlichen Verfahren zu erfolgen. Dem Zweitgeschädigten soll durch das gesonderte Antragserfordernis eine Überlegungsfrist eingeräumt werden, ob er sein eigenes Verhalten oder das seines Rechtsvorgängers einer solchen Überprüfung unterwerfen will (Beschluss vom 1. Februar 2006 a.a.O.).
3. Auch die Rüge, das Urteil des Verwaltungsgerichts verletze § 7a Abs. 3c VermG, weil der Antrag auf Entschädigung zugelassen wurde, bevor die Entscheidung über den Vorrang des nach § 1 Abs. 6 VermG Geschädigten bestandskräftig war, kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Denn mit dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. September 2006 in der Sache BVerwG 8 B 35.06, mit dem die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 8. Dezember 2005 – 4 K 674/03 – zurückgewiesen wurde, ist der Vorrang des früheren Beigeladenen zu 1 inzwischen rechtskräftig festgestellt. Im Übrigen ist bereits darauf hingewiesen worden, dass auch im Fall des § 7a Abs. 3c VermG der Bescheid, mit dem die Restitution wegen Zweitschädigung abgelehnt wird, mit der Entscheidung über die Entschädigung dem Grunde nach verbunden werden kann.
4. Die Aufklärungsrüge der Beklagten, dass das Verwaltungsgericht zur Würdigkeit des Rechtsvorgängers der Klägerin keinerlei Feststellungen getroffen habe, geht ins Leere, denn das Verwaltungsgericht hat über die Frage eines Entschädigungsausschlusses wegen Unwürdigkeit im Sinne des § 7a Abs. 3c Satz 2 i.V.m. Abs. 3b Satz 2 VermG nicht entschieden. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens waren nur die vermögensrechtlichen Fragen, insbesondere die Frage, ob der Rechtsvorgänger der Klägerin eine Schädigung im Sinne des Vermögensgesetzes erlitten hat und ob ihr Rückübertragungsanspruch gemäß § 3 Abs. 2 VermG ausgeschlossen ist. Beides hat das Verwaltungsgericht – von der Revision nicht beanstandet – bejaht. Ob die Voraussetzungen des § 7a Abs. 3c Satz 2 i.V.m. Abs. 3b Satz 2 VermG vorliegen, wird die Beklagte im Rahmen des sich nunmehr anschließenden Entschädigungsverfahrens zu prüfen haben.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Gödel, Dr. Pagenkopf, Dr. von Heimburg, Postier, Dr. Hauser
Fundstellen